Scranton Wochenblatt. (Scranton, Pa.) 1865-1918, December 28, 1911, Image 3

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    Das griine Anto.
Spionagc-Noinan von August Wrihl.
(8. Fortsetzung.)
Agent Huber wurde auf den Bahn
hof dirigirt. Er hatte die Aufgabe,
der Baronin bis zum Coupö zu fol
gen und bis zur Abfahrt des Zu
ges von der Thür des Waggons nicht
zu weichen. Kraft wurde zum Pa»
lazzo beordert. Er sollte di« Abfahr?
der Baronin signalisiren.
Der Kommissar selbst wollte
nals die Abfahrt beobachten und der
Baronin auf dem Fuß folgen.
Um halb acht Uhr stand jeder auf
seinem Posten.
Der Kanal lag schwarz und gäh
nend da. Ein schwacher Viertelmond
blinzelte durch Wollenschleier
In dieser dunklen Stille spiegelten
sich die snarmornen Paläste nur un
deutlich im Wasser. Die mit dem
Wappenfarben bemalten Pflöcke bil
deten zittrige Linien. Von fern hall
te der Gesang der Serenadengondel.
Eine weiche Tenorstimme sang^das
hörte die Ruderschläge der begleiten
den Gondeln, in denen fast nur Eng
länder und Engländerinnen saßen.
Dann kamen die Lampions der Sere
nadengondel in Sicht.
Aus der Mariuskirche schlug es
dreiviertel acht Uhr. Der Agent hat
te die Abfahrt der Baronin noch
immer nicht signalisirt.
Da öffneten sich die Thüren zur
Riva an der Front des Palastes.
Der Diener rief die beiden Gon
doliere an. „I>ronta la gonckola!"
scholl der Ruf zurück.
Vier Gestalten erschienen in der
Vorhall«. Der Kommissar konnte
sie genau unterscheiden. Es waren
der alte Senator, die Baronin und
zwei weiblich« Gestalten, von denen
sich eine in respektvoller Entfernung
hielt, offenbar eine Dienerin.
ster. B 't t de T pp'ch
über die grünlich schimmernden, feucht
schlüpfrigen Stufen.
Drei Personen nahmen in der
Gondel Platz, die vi«rte verschwand
im Hause.
In einer Distanz von etwa dreißig
Schritten folgte die Gondel des Kom
missars, zu dem sich der Agent Kraft
gesetzt hatte.
Durch stille, dunkle Wasserstraßen
glitten sie dahin. Nur die Ruder
schläge hörte man und zeitweilig das
melancholische, langgetxhnte „Stull!"
der Gondoliere, bevor sie um «ine
Ecke bogen.
Als der Bahnhof sichtbar wurde,
gab der Agent den Signalpfiff, den
Huber vom Bahnhof aus erwiderte.
Bei dem Pfiff glaubte Martens
zu bemerken, daß sich die Baronin
jäh umsah.
Er befahl seinem Gondolier, lang
sam zu rudern, da er ein Zusammen
treffen auf der Landungsbrücke ver
m«iden und der Baronin, die ja der
Agent Huber ohnedies bewachte, Zeit
lassen wollte, die letzten AbfchiedS
wort« ungestört an die Ihren zu rich
ten.
Als die Gondel d«s Kommissars
anlegte, stand der Senator mit den
Ein flüchtiger Blick belehrt« den
Kommissar, daß Huber Wache hielt.
Doktor Martens trat auf den
Perron; die Uhr zeigte acht Uhr fünf
Minuten.
Auf zwei Geleisen standen die Züge
zur Abfahrt bereit. D«r nach Wien
fahrende Zug war etwas vorgeschoben,
ten.
Doltor Martens stellte sich dem
zur Abfahrt des Zuges fehlten, so
Abfahrtszeit des Schnellzuges.
Da trat die hohe Gestalt des S<-
Ein Beamter führt« die kleine Ge
sellschaft mit einem: „Bitte, schnell
zu dem reservirten Coup«'-". Ohne
Reiselleid und einen langen, dichten
Schleier.
Agent Huber postirte sich seinen
Instruktionen gemäh sofort an den
einen Ausgange des Durchgangswag-
gons, Agent Kraft an dem anderen.
Hinter den angelaufenen Scheiben,
ss C
dem Agenten Kraft vorbei und sprang
vom Trittbrett.
Im selben Augenblick schrillte die
der Zug fuhr langsam aus der Halle.
Doktor Martens ließ die beiden
Agenten an den Ausgängen, trat lei-
und klopfte an.
Keine Antwort. Er versucht« die
Thür zu öffnen. Sie widerstand
seinem Drucke.
Die Vorhänge waren zugezogen,
doch durch einen kleinen Spalt konn
te er in dem abgedunkelten Coup 6
die Umrisse der Frau wahrnehmen,
die auf den Sammtpolst«rn lauerte
und das Antlitz in den Händen ver
barg. Auch etwas von ihrem roth
goldigen Haar sah er undeutlich
schimmern.
An den Ausgailgsthllren standen die
Agenten. Nach den Aufregungen der
letzten zwei Tage konnte er endlich
einmal eine Zigarre in voller Ruhe
dahin lonnte er die Baronin sich selbst
überlassen. Wozu ihr seine Gesell
schaft aufdrängen? Ein Verhör hatte,
den befanden, keinen Zweck.
Doltor Martens durschritt noch
mals den Gang, überzeugte sich, daß
die Agentin Posto gefaßt hatten und
warf noch einen Blick durch den
Vorhangspalt auf di« regungslos da
sitzende Frau. Dann schloß er sei
ne Coupöthür.
Es war eine für diese Gegend un
gewöhnlich kalte Winternacht. Sie
fuhren gerad« über die letzten Bogen
der Brücke, welche Venedig mit d«m
Festland verbindet. Rechts und
links sah er noch die Ausläufer der
todten Lagune, die im fahlen Licht
d«s Mondes nur mehr Tümpeln gli
chen. Das Geräusch der Räder ver
änderte sich. Man hatte die Brücke
verlassen und das Festland erreicht.
Der Märchentraum Venedigs zer
rann. Durch di« festgefrorenen
Scheiben einige
Bald störte nichts m«hr die Ruh«
des Kommissars, der es sich in der
Ecke bequem gemacht hatte und mit
zusriedenemLächeln vor sich hinsah...
In Treviso stiegen mehrere Perso
nen zu ihm ins CoupS.
Doktor Martens sah nach, wann
der Zug in Pontasel eintreffen muß
te, u»d beauftragte die Agenten, ihn
S«ine Pflicht hatt« er ja erfüllt,
die Baronin befand sich in seiner Ge
walt.
Doktor Martens schloß die Augen.
In wenigen Minuten war er einge
schlummert.
Er wußte nicht, wie lange er ge
schlafen, als ihn ein leichtes Rütteln
an der Schulter weckte.
„Es ist Zeit," raunte ihm der
Agent Huber zu. „sie richtet sich auch
schon zusammen." s da Rsi
trat auf den Gang.
Woher kam plötzlich diese Fremde?
War die Baronin nicht allein gefah
ren? Oder saß sie noch im Coupö?
Di« Fr«mde war. ohne den Kom
missar anzusehen, zur Thür gegang«n.
Auf d«m Wege richtete sie a,i einen
instündslos vorbei.
Doltor Martens drängle sich durch
die Passagiere zur Schiebethür des
Coupös und riß sie aus.
Das CoupS war leer.
Die Koffer lagen geordnet auf
den Sammtsitzen.
Wie war das denkbar . . .? Di«
Fremd«, die eben jetzt den Waggon
verlassen hatte, war doch nicht die
Baronin selbst . . .?
Aber nein! Das war unmöglich!
Er hatt« ihr Gesicht gesehen, ihre
Stimme gehört! Es war gewiß nicht
Der Kommissar rannte zur Thür.
„Wo ist die Fremde hin?"
„Welche Fremde, Herr Kommis
sar?" fragte Huber.
„Eine große, schwarz« Frau
Mensch strengen Sie Ihren Kopf
an wir sind ihr ja aufgesessen
aufgesessen!" schrie der Kommissar.
„Herr Doltor - da san lauter
fremde Leut' ich weiß nicht, wen
Sie meinen. Die Frau Baronin
ist nicht vorbeigekommen."
Der Kommissar eilte zum Zoll-
Nichts!
ab.
Umsonst!
Di« hohe schwarz« Frau war nicht
zu finden. . .
» » o
Der Wiener Schnellzug hielt vier
zig Minuten in Pontasel. Die Zeit
bedeutete dem Kommissar «ine Z«it
ohnmächtiger Wuth, beschämender De
müthigung. ,
Daß er in der letzten Minute um
den Erfolg einer dreiwöchentlichen,
mühevollen Arbeit gebracht werden
ionnte, hatte er wahrhaftig nicht vor
ausgesetzt. Auf Schwierigleiten, auf
Kämpf- war er gefaßt gewesen, aber
auf eine solche Ueberrumpelung nicht.
Was nun beginn«»?
Jene Frau, die er von Venedig
bis Pontafel so fürsorglich lxhütet
hatt«, war eine Fremde, wahrschein
lich eine erkaufte Person, die mit der
Baronin im Einverständnisse gehan
delt hatt«. Er kam sich unglaublich
lächerlich vor.
Aber wie war es nur möglich? Er
hatte doch die Baronin in Venedig
ganz deutlich am gese
hen!
Selbst dieser Fremden ionnte er
nicht mehr habhaft werden. Die
befand sich sicherlich schon wieder
auf italienischen Boden, den sie ja
von Pontafel aus in wenigen Minu
ten erreichen konnte. Ganz hilflos
war er. Aufgesessen einem Weibe,
er, der erfahrene Kommissar, aufge
sessen wie ein Neuling!
Und die Baronin? Die saß wohl
irgendwo und lachte ihn aus. D«r
Kommissar knirschte mit den Zähnen.
Was anfangen? . . . Di« italieni
schen Behörd«n in Bewegung setzen?
Jenen großen Skandal provoziren,
den aus alle Fälle zu vermeiden, ihm
von seinem Vorgesetzten eingeschärft
Nach Wien fahren und vor den
Polizeipräsidenten mit den Worten
treten: „Ich bin von einer Frau du
pirt worden, bitte, pensioniren Sie
mich wegen meiner Unfähigkeit?"
Die geballten Fäuste in die Taschen
seines Winterrockes versenkt, schritt er
auf dem Perron auf und ab. Da
trat ihm ein Kondukteur in den Weg
und fragte:
„Bitte, mein Herr, sind Sie der
Doktor Martens aus Wien?"
„Ja."
„Dann habe ich einen Brief sur
Sie."
dem Auftrag, ihn Ihnen erst in
Pontafel zu übergeben."
Der Kommissar erbrach rasch das
Schreiben und las:
Geehrter Herr Doktor!
Es thut mir herzlich leid, Ihnen
diese kleine und unangenehme Ueber
raschung bereitet zu haben. Aber
ich konnte nicht anders. Bei unserer
letzten Unterredung habe ich um zwei
Tage Frist gebeten, doch hatten Sie
nicht die Liebenswürdigkeit, mir sie
zu gewähren. So blieb mir kein
anderer Ausweg, als, so sehr es
meiner innersten Natur widerspricht,
zu einer Täuschung Zuflucht zu neh
' 'ch ch Ich
werde in zwei, längstens drei Tagen
mit demselben Zug, in welchem Sie
mich heute nicht fanden, in Pontafel
eintreffen. Ich habe keinen Grund,
die österreichischen Gerichte zu scheuen.
Ich komme bestimmt. Ich komme,
weil ich mehr Interesse an der Eru
irung des Mörders habe, als Sie
ahnen.
Verzeihen Sie, daß ich zu Mitteln
griff, die ich verabscheue, aber die
Nothwendigkeit gebot es.
Ihre ergebene
l M.St. ch
Jetzt hieß es rasch handeln. Ein
zweite! Mal sollte es ihr nicht ge
> Er eilt« ins Bureau, stellte sich
. dem Stationschef vor und fragte:
I „Wann passirt der nächste Zug nach
Venedig die Station?"
! Fliße auf. Also zu sechs Stunden
Unthätigleit war er jedenfalls ver
dammt. Mit dem Wagen nach Ve
nedig zurückkehren, daran war nicht
"zu denlen. Die eine Nacht mußte
er unbedingt in Pontafel bleiben.
! Und zwölf Stunden Vorsprung
! waren dadurch der Baronin gesichert.
Es war ihr also ein Leichtes, irgend
einen Haf«nplatz zu erreichen und
sich einzuschiffen, ehe er sich von hier
auch nur fortrühren konnte,
i Der Kommissar erkundigte sich nach
der Abfahrt überseeischer Dampfer.
„Von Genua, V«nedig. Brindisi
"und Triest gehen morgen früh nach
allen Weltgegenden Schiff« ab," lau
tet« die Antwort.
Der Kommissar setzt« eine Depesche
an alle Polizeileitungen der Hafen
städte auf, in der er eine g«naue Per
sonSb«schreibung der Baronin gab,
ohne deren Namen zu nennen, und
um sofortige AnHaltung der Frau er
suchte. DaS T«legramm ließ er
im Dienstwege durch den Polizeikom
missar der Grenzstation expediren.
> Dann ließ Doltor Martens das
Gepäck der Baronin holen und durch
koNegen. Außer Wäschestücken fand
der Kommissar bloß eine rothblond«
Perücke, einen Reisehut mit dichtem
Schleier und ein« dunll«, englisch«
Toilette, kurz jenes Kostüm, in dem
er die Baronin mit eigenen Augen
in Venedig in den Zug hatte steigen
sehen.
> Ehe der Kommissar sich nach einem
Nachtquartier umsah, verfaßte er ei
nen telegraphischen Bericht an Poli
zeirath Würz, in welchem er nichts
verheimlicht« und um weit«re tele
graphische Instruktion bat.
> Die beiden Agenten saßen indessen
gedrückt neben den Koffern auf dem
Perron. Der Wiener Schnellzug
war schon abgedampft, als Doktor
Martens sie heranwinkte und ihnen
befahl, ihm zu folgen. Er begab sich
in ein Hotel, das dem Bahnhof ge
genüberlag und ließ zwei Zimmer
.öffn«n. . .
Lange währte es, bis «r in «inen
! unruhigen Schlummer verfiel.
I Zeitig früh war er schon wieder aus
den B«inen. Ohne zu frühstücken,
«ilte «r ins Stationsgebäude.
„Ich wollte eben zu Ihnen schi
cken," «mpfing ihn der Stationsvor
stand, „dieses Telegramm aus Wien
, ist für Sie da."
Mit bangen Gefühlen erbrach Dol»
I tor Martens das Siegel. Die De
pesche enthielt nur die wenigen Wor
! te:
! „War vorauszusehen. Bleiben Sie
in Pontafel. Komm« morgen Früh
! zug. Sie Nxrden die Baronin frü
her finden, als Sie glauben.
Würz."
Sprachlos starrte der Kommissar
auf die Depesche . . .
11. Kapitel.
Wo aber befand sich die Baronin?
Wie war es ihr gelungen, di« Auf
nierlfamkeit des Polizisten derart zu
täuschen? Wie war sie entkommen?
Während Doltor Martens darü
ber in Pontafel sich den Kopf zer
brach, saß Baronin Sternburg in ei
nem dunllen Winkel eines CoupSs
dritter Klass« des Römer Postzuges.
Niemand hätte sie wiedererkannt.
Eine schwarze Perücke über das gold
? blonde Haar gestülpt, das Gesicht
verschminkt, in einfacher Kleidung,
das Umhängtuch bis über die Ohren
hinaufgezogen kein Mensch hätte
geahnt, daß das die Frau war, die
in ihrem Wiener Salon die vornehm
ste Gesellschaft
nach jener folgenschweren Unterredung
verlassen hatte, war ihr erster Ge
, danke: Flucht!
j Aber sie erkannte auch, daß eine
Flucht nicht leicht zu bewerlstelligen
war, sie wurde ja bewacht und konnte
keinen Schritt thun, ohne daß die
Häscher ihr folgten. Nur große
Kühnheit konnte zum Ziele führen.
Sie zog ihr Kammermädchen, das
ihr treu ergeben war, ins Vertrauen
und fragte si«. ob sie bereit wäre, an
ihrer Stelle nach Pontasel zu reisen.
Die Frauen hatten ungefähr diesel
be Gestalt. Ein« rothe Perücke und
die Kleider der Baronin sollten die
Täuschung vervollständigen.
Das Mädchen willigte umso lieber
ein, als ihr die Herrin die Gefahr
losigkeit des Unternehmens klar zu
machen verstand und eine schöne Aus-
S«it« des von ihr
g«liebten, im Dienste des Hauses Ca
stellmari stehenden Gondoliers ge-
Baronin Sternburg baute ihren
Fluchtplan folgendermaßen auf:
Sie wollte mit zum Bahnhofe,
zu dem znxiten Zuge
zu gelangen.
Nachts wurde Marietta so hieß
nommen, daß das Mädchen auf di«
Straße geschickt wurde.
romn, daß Polizisten Marietta
sofort folgten. Eine Verwechslung
M den Abendstunden war also nicht
nur möglich, sondern bestimmt zu er-
Den gcinzen Tag über instruirte
sie das Mädchen, so daß dieses über
alle Details genauestes insormirt
war. Sie mußte, sobald sie im re
servirten CoupS sich befand, die Thür
absperren, lnapp vor Pontebba die
Perücke ablegen und di« Kleider tau
schen, unbemerkt an den Polizisten
vorbeilommen, und ohne sich um et
was weiter zu kümmern, sofort über
den Cofinbach wieder auf italienischen
Boden zurückkehren. Dort war sie
geborgen.
Endlich kam die schwere Stunde.
Die Baronin wußte, was auf dem
Spiele stand, und spannt« ihre ganz«
Willenslraft an, die Täuschung durch
zuführen.
D«r Senator, Marietta und sie
fuhren zur Bahn. Klopfenden Her
zens warteten die drei auf d«n ent
scheidenden Augenblick. Mit Rück
sicht auf die grelle eleltrifche Beleuch
tung des Perrons hatte di« Baronin
' ihrem Kammermädchen einen dichten
Schon im Warteraum bemerkten
die Frauen, wie ein Mann si«
beobachtete. Doch di« Aufmerksamkeit,
mit der er jeder Bewegung Mariet
tas folgt«, sagte der Baronin, daß der
Polizist jene sur sie hielt.
Nur die Begegnung mit Doitor
Martens fürchtete sie noch.
Als sie auf den Perron hinaustrat,
flog ihr Blick suchend die Reihen der
Wartenden ab, um den Kommissar
zu entdecken. Sie bemerlt« ihn erst,
als sie inapp vor dem Waggon stand:
denn Doktor Martens stand hinter
einer Säule.
l Rasch stieg sie hinter Marietta in
den Waggon, um ihr Reisekorb und
Plaid nachzutragen.
Im CoupS riß sie die schwarze
Perücke vom Kopfe, trat zum Fenster,
nickt« dem Vater zu und hielt dem
Blicke des Kommissars stand.
Als sie sah. wie dieser auf den
Wagen zueilte, stülpt« sie rasch di«
Perücke wieder über ihr Haar, schlüpf
te auf den Gang hinaus und verließ
im Augenblicke, als Doltor Martens
vorne aufstieg, rückwärts das CoupS.
i Agent Huber, an dem si« vorbei
mußte, hatte sie schon den ganzen
Abend über für das Kammermädchen
gehalten und ließ sie Passiren.
Während sich der Zug in Bewegung
setzt«, eilte die Baronin über das Ge
leis« und verschwand in einem CoupS
dritter Klasse des Römer Postzuges.
In San S«bastiano. einem kleinen
Städtchen, verließ sie den Zug unge
fähr um die Zeit, als Marietta in
Udine eintraf. Vorsichtig, um ja
nicht aufzufallen, mengte sie sich unter
die Reifenden und ließ sich vom Ge
dränge bis zur Ausgangsthür schie
ben. Der Portier sah gar nicht auf.
als sie ihm die Karte reichte.
Die Baronin ging ein Stück stadt
einwärts, miethete dann «in Fuhrwerk
und fuhr zur Station zurück, um mtt
dem um zehn Uhr fünfzig Minuten
abgehenden Zuge ihre Flucht fortzu
setzen. Sie löste eine Karte nach
Cincio, einem kleinen Nestchen an der
von St. Sebastians abzweigenden Vi»
dritten Klasse zwischen den Bauern
Platz.
Nach halbstündiger Fahrt hielt der
Zug in Cincio.
Der Bahndiener, der auf d«r klei
nen Station die Karten hätte abneh
men sollen, war nicht zu schen. Ver
muthlich befand er sich in einem
Wirthshause. So gelangte die Ba
ronin, ohne mit jemand zusammen
zustoßen, aus dem Stationsgebäude.
Und ohne lange zu überlegen, stapf
te si« muthig durch den Schnee den
F«ldweg hinan, der nicht zum Ort,
sondern in entgegengesetzter Richtung
Nach einstündigem Marsche tauchte
vor ihr ein grauer Komplex aus.
In einem d«r Parterrefensterchen
sah sie noch Licht. Sie schritt 'u
„Wer ist da?"
fragte leise:
„Was wollen Sie?"
Die Baronin neigte sich zum Ohr«
„Ich bin's! Meta! Mach' rasch die
schen!"
bei der offenen Thür.
In der Dunkelheit tappte die Ba
ronin voraus, durch einen Gang einer
hi«r nicht fremd war.
Die Alte öffnete die Thür eines
kleinen niedrigen Parterrezimmer-
vom Felde auS nicht mS Zimmer
sehen konnte. Dann riß sie die
Perücke vom Kops und warf sich wie
der aufseufzend in den Lehnstuhl.
„Bring' mir warme Kleider und
trocken« Schuh«. Mich friert!"
Die Alte humpelte zur Thür.
„Nicht von oben. Gib mir schnell
einen alten Rock Mariettas; Schuhe
von ihr werden wohl auch da sein."
wollen Frau Baronin anziehen? Und
mit den Holzpantoffeln werden Frau
Baronin ja gar nicht gehen können!
Ich mache ja nur einen Sprung hin
auf, ich bin gleich wieder da."
„Nein, bleib'" befahl Meta. „Ich
will k«in Licht oben. Mach' nur
rasch und bring', was ich gesagt ha
be!"
Mit Hilfe der Alten war die Ba-
Ein paar Scheite Holz wurden
aufgelegt. Im Kamin prasselte ein
lustiges Feuer auf und warf seinen
Schein über die alten Möbel, über
l die kleinen angesammelten Heiligen
bildchen und verbreitete wohlige Wär
me.
te Meta.
Während die Alte auf einem
Schnellsieder Wasser kochte, faß
mand darf wissen, daß ich hier bin,
verstehst Du? Halt Deine Zunge
hübsch im Zaum. Wo wirst Du mich
, unterbringen?"
„Wollen die gnädige Frau Baro
nin nicht in Ihr Zimmer?"
! „Wo denkst Du hin? Wenn Plötz
lich im ersten Stock d«s Herrenhauses
Licht würde, dann wüßte man ja aus
Meilen, daß jemand hier ist. Nein,
richt« nur Mariettas Kammer her.
Ich bleibe nur ein bis zwei Tage da,
wird si« schon irgendwo Platz finden."
> „Marietta kommt morgen?" rief
die Alte erfreut.
„Ja, das heißt, ich hoff« wenig
stens."
Die Freude, ihr Kind wiederzuse
hen, belebte die alte Brigitta sichtlich.
Die Baronin begab sich sofort zur
Ruhe. Das Bett war zwar etwas
hart und ihr Kops voll schwerer
Sorgen, aber die Müdigkeit überwäl
tigte sie. Der einstündige Marsch
durch den tiefen Schnee hatte sie zu
st d sch hch
reinen Mund halten sollen! Hat die
Post etwas gebracht?"
„Ja, einen Expreßbries an mein«
zuge an."
„Gott sei Dank!" rief die Baronin
aus.
les ganz glatt abgelaufen ist."
Die Nachricht brachte der Baronin
eine kleine Beruhigung. Dessenunge-
Mädchen sofort ein. Was die zu be
richten hatte, war nicht viel.
Sie war von Pontafel sofort nach
Pontebba zurückgeeilt, hatte sich in ei
nem kleinen Wirthshaus« e^inquartirt
Es lautet«:
„Alles besorgt. F. verläßt mor
gen abend Wien und bringt das G«<
„Nun ist alles gut!" seuszte die
Dann kamen wieder trübe Gedan
ken. Fast d«n ganzen Tag saß di«
schöne Frau in dem L«hnstuhl und
brüt«te vor sich hin.
lich um sie bemüht. Di« Herrin sie
b«rte. Die Berufung eines Arztes
l«hnt« sie jedoch entschieden ab.
Am Abend nach dem Nachtmahl
sagt« sie zur alten Brigitta:
„Morgen nachmittag wird mit dem
Zuge, mit dem Marietta heute gekom
men ist, ein Herr eintreffen und nach
mir fragen. Mach' in den obern,
Zimmern Ordnung und führ' ihn
in den kleinen grünen Salon. Am
Abend reise ich dann ab. Du, Ma
rietta, bleib' heute nacht in meiner
Nähe, vielleicht brauche ich Dich. Ich
fühle mich nicht ganz wohl."
(Fortsetzung folgi.)
Für die Küch».
Geflügels chnitt«n. Leber,
Magen und Herz von feinem Geflü
gel, auch W'ldfUgel, werden mit et
was geräuchertem, magerem Speck,
Petersielie, Schnittlauch und einigen
Wachholderbeeren fein gewiegt und
unter beständigem Rühren in guter
Butter abgedämpft. Erkaltet giebt
man etwas geriebenen Schweizerkäs«,
je nach der Menge ein bis zwei Eidot
ter dazu und streicht diese Mosse auf
in Butter geröstete Semmelscheiben,
giebt sie mit der Fleischseite nach oben
aus ein Backblech und läßt sie im
Bratofen gelbbraun werden.
Schmorgurken. Dieses wenig
bekannte, sehr wohlschmeckende Ge
müse wird folgendermaßen zubereit-t:
Drei große Gurken werden geschält,
der Länge nach durchgeschnitten unl>
Stücke und blanchirt diese in kochen
dem Essigwasser fünf Minuten, wor
aus t.ian sie aushebt und erkalten
hinzu, bindet dies« mit Pint Bur-
Essig, läßt noch eine Viertelstunde
Salz. Zucker und Psesser nach und
servirt.
Schweinefleisch - Ragout.
Man schneidet die Reste von geloch«
fertiggemacht hat. Dazu läßt man
zwei bis drei Löffel Mehl in zerlasse-
Einbrenne mit Wasser oder Brüh«,
giebt Salz, etwas Pfeff«r und mil
den Essig, kleine in feine Streifen ge
schnittene Mirpickels und Kapern
dazu, läßt Alles ein Weilchen durch-
Apfel- und Brot-Pud
d i n g. Man nimmt zu diesem äuß«rst
wohlschmeckenden Pudding, trockneS
Weißbrot, weicht es in Wasser ein.
drückt es nach einiger Zeit aus. so
trocken wie möglich. Man schält
Aepfel und giebt je nach der Masse
des Brotes, 2 bis 8 Tassen gehackte
Aepfel darunter, sowie 2 ganze Eier,
gut geschlagen und 1 bis zu
Tasse Zucker. Di« Puddingmasse
chene Form und wird im Backofen
gebacken, bis die Aepfel gar sind. So
wohl für den einfachen, wie bessern
Mittagstisch zu empfehlen.
Kartoffeln mit Schwei
nefleisch. Man legt den Boden
einer Kasseroll« mit gebröckeltem
Rindsmark, schneidet rohe Kartoffeln
in Scheiben, vermischt sie mit Salz.
Pfeffer, etwas gewiegter Petersilie
und Zwiebeln, legt di« Hälfte dersel»
ben in den Tiegel, giebt dann unge
fähr 1 — Pfd. junges, in kleine
Stückchen geschnittenes Schweine
fleisch aus die Kartoffeln und deckt
das Fleisch mit der anderen Hälfte der
in Scheiben geschnittenen Kartoffeln
zu, gießt Pint gute-Fleischbrühe
darüber und läßt das Ganze in ei
ner Ro r« 1/.
Sonnenschein - Kuchen.
Man schlage das Gelb« von 7 Eiern
mit I>/> Tasse Powder-Zucker
etwas Mandelextrc.lt als Gewürz in
den feinen Kuchen, der in einer hohen
Tube Pan wie ein Angel Food-Ku
chen gebacken werden muß. In die
semßezept wird weder Backpulver noch
Cream of Tartar gebraucht. D«r Ku
chen ist von fein«m Geschmack und sehr
zart und wird von Herren besonders
gern gegess«».
Reste von fettem Fleisch.
Wenn in einer Familie wenig Fett
gegessen wird, so lohnt es sich, die.
Rest« an fettem Fleisch zu verwerthen.
Man nehme Rind- und Schnxine
fleisch, wie es eben da ist, allein oder
mit einander, mahle «s fein auf der
Fleischmllhle, mahle auch eine Zwie
bel oder zwei mit durch, gebe dann
Salz, Pfeffer, 1 Ei, hartes Weiß-
Eier mit Käse. Man streicht
eine Backschüssel mit Butter aus und
streut geriebenen gelben Käse (Ameri»
man behutsam frische Eier aus d«r
Schal« in die Schüssel, eines neben,
das andere, streut Salz und weiß«»
Pfeffer darüber, giebt auf jedes Ei T
Eßlöffel frischen, süßen Rahm, dann
Backofen.