Scranton Wochenblatt. (Scranton, Pa.) 1865-1918, November 30, 1911, Image 2

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    Ter Sträfling.
Silbernes Mondlicht huschte über
die dumpfbrausenden Wogen, glitzerte
gleich Millionen sprühender Diaman
ten in dem Schaum d«r Überköpsen
dcn Se«n, und glitt verwundert über
Deck und Bordwände eines düsteren,
stillen Schisses, welches einsam auf
dem w«iten, endlos scheinenden Ocean
feinen Weg suchte.
Ja düster genug sah die „Anja"
fchon von auß«n aus. Aber, waS
wollte das besagen gegenüber der Fin
sterniß, der Verzweiflung, welche ihr
Inneres schloß?
Ein Verbrecher - Transportschiff
war «s, das seine bunt, gemischte
Fracht dem „Kirchhof der Lebendi
gen", der „Insel der Verdammten",
dem berüchtigten Sachalin zuführte,
der dunkelsten Stell« des dunklen
Rußland.
Sachalin! Welch «ine Unsumme
von Elend, namenlosem, unfaßbarem
Weh umschließt nicht das eine Wort.
Ist die Weltgeschichte das Weltge
eingang in unsichtbaren Lettern zu
lesen steht: „Wanderer, so Du hier
einkehrst, laß alle Hossnung fah
ren!"
Geräuschlos, als fürchteten sie
schlummernde, zerstörungslüsterne
Dämonen zu weck«n, glitten die Ma
trosen das Deck entlang. Gleich
Bildern von Stein, mit einem Arse
sen müssend Und die an der Kimm
aufsteigend« dunkle Wolke kündete
«ine schauerlich« Nacht an.
als die Glocke am Steuerhäuschen die
sechste Abendstunde verkündete.
Etwas schwankend und heftig flu
dem wachthabenden Offizier das
Gesicht, ehe er begriff, was dieser
Ibm meldete. Dann lallte er «inen
Befehl.
Ein schriller Pfiff ertönt«, dem
.ebendig würd« plötzlich an
Abstand mittschiffs Ausstellung.
also:
nen, männlich schönen Gesicht, daS
ictncn slawischen Typus z«igte. Er
war ein Kurländer, d«n «in finsteres
Geschick :n den russischen Dienst ge
wirbelt hatte.
In der Hand den scharfgeladenen
Revolver, betrachtete er mit düsteren
Blicken die Gesichter der einzelnen
Verbrecher, die langsam in der Luke
auftauchten, langsam, mechanisch das
Deck entlang schlichen, und sich ne
beneinander. inmitten der Doppelreihe
von Kosaken und Matrosen ausstell
ten.
Nur aus wenigen Gefangenen be
stand dieser Transport. Und er schien
ausnahmslos Menschen zu umfassen,
denen kein Laster der Erde fremd
sein mochte, welch« ihr Schicksal reich
lich verdient hatten. Kerle mit den
ausgeprägtesten Galgenphyfiognomien
waren darunter, denen man ungern
an einsamen Stellen ohne Waffe be
gegnet wäre.
Nur ein einziger machte eine Aus
nahm:, der letzte. Nummer Einund
zwanzig.
Wer vermochte zu sagen, wi« s«in
Name lautet«? In d«m Augenblick,
in wemchem er die Planken dieses
Schiffes betrat, war der ausgelöscht.
Ausgelöscht für immer, und nur noch
eine Nummer lebte fortan den länge
ren oder kürzeren Rest eines Men
schenlebens,' — starb. Und nur ein«
Nummer stand auf einem kleinen,
schwarzen Holzpflock inmitten eines
melancholischen Erdhügels in einer
vergessenen Ecke, über den der Wind
strich, leise, träumerisch.
Der Hauptmann stutzte, als dieser
Unglückliche an Deck erschien. Diesen
Gesungenen hatt« er noch nicht zu
Gesicht bekommen, da er krankheits
halber sich den bisherigen Theil der
Reise im Lazarett befunden hatte, und
Baron Fre«se in Odessa erst zu d«m
Kommando g«stoß«n war. Forschend
hafteten seine Blick« aus der hohen,
schlanken Gestalt, welch« ein schönes,
von einem dunklen Vollbart umrahm
tes Gesicht krönt«. Auf der mächtigen
Stirn thront« hohe Intelligenz. Untrer
Bem Zern.
Und nun streiften die Blicke des
Gefangenen zufällig das Gesicht des
Offiziers Heftig zuckte er zusammen
und wandt« den Kopf.
Ein unsäglich gequälter Ausdruck
irrt« über das bleiche Gesicht, wäh
ren die schmalen Hcnde nervös an
blitzte jäh das Erkennen auf.
Das war ja. . . Du lieber Gott!
Erschüttert blickte er dem Unglück
an seinem Bestimmungsort in der
Mehrzahl zu Gefährten haben
würd«.
Blick der di« hohle schlanke Gestalt
lief^geneigt.
',-efseln.
„Feuer!"
Mit «inem wilden Satz prellte ein
Bootsmann aus der Mittschiffsluke
hervor und taumelte mit stieren, fast
mast mit seinem theerdurchtränkten
Takelwerl auf, und schon griffen die
gierigen Flamm«nzungen nach dem
Befan.
arbeit von vornherein als
los «rive'.fen. Das Schiff schien ver
loren.
Minutenlang stand alles an Bord
starr vor Entsetzen. Aber dann
brach ein Heulen, Brüllen und To-
Jm Nu waren allc Bande der Dis
ziplin zerrissen. Der Mann atn
Steuer ließ das Rad fahren und
ichend das Deck und nahm mit, waS
richt fest stand. Eine zweite, eine
dritte folgt«.
Ab.r der Todetschrel der übe«
Mit satanischem Geheul hatten sich
schaften aus die vier Boote geworfen.
Und hier, unter d«m Brüllen und
Donnern der See, unter d'M Heulen
VerzweMungSkampf der durch die
Todesangst zu rasenden Bestien ge
wordenen Menschen um das einzige
Mittel zur Rettung.
Vergebens warfen sich der Kapi
tän und der erst« Offizier dem fürch
terlichen Anprall entgegen. Im Au
genblick lagen sie aus den Planken und
verröchelten, zerstampft unter den
Fußtritten der Rasenden.
Hin und her wälzte sich der wüst«
Knäuel. Schüsse knallten, Messer
und Säbel blitzten. Dämonisches Ge
heul, Stöhnen, Röcheln,
dampfendes Blut —.
Und über dem Gräuel der Verwü
stung das Pfeifen des Sturmes, das
Knattern und Prasseln der rapide um
sich greifenden Flammen
Unter dem Triumphgeheul der sieg
reichen Bestien und dem Verzweif
lungsgefchrei der Umerlegenen
schwangen die überladenen Boote aus
und sausten zu Wasser.
Von einer schweren See getroffen
zerschellten zwei davon sofort an der
Bordwand des Schisfes. Das dritte
kenterte. Die heulenden Insassen ver
sanken in der Tiefe, ebenso wie noch
viele nachgesprungene Wahnsinnige.
Dem vierten Boot gelang es, von
der „Anja" abzukommen. Aber,
überladen, wie es war, stört« «iner den
andern bei der Handhabung der Rie
men. Dennoch war es gelungen, di«
Gefahr des Kenterns momentan ab
zuwenden.
I Da wälzte sich ein« riesige, schaum
gekrönte Woge heran. Das leichte
Boot wurde hoch emporg«riss«n, um
im nächsten Augenblick in einen Ab
grund zu versinken, über den die
fast höhnisch brüllende See hinweg
! In dumpfer Betäubung, an irgend
seinen Halt angeklammert, stierten die
an Bord der „Anja" Zurückgebliebe
nen auf das Drama, das sich da vor
ihren Augen abspielte. Grausig genug.
!um auch di« stärksten Nerven zu er
schüttern.
! Es waren ihrer nicht viele. We
, nige, noch immer gefesselte Verbrecher,
der Schiffsoffizier Bogdanoff, Baron
Freese und drei Matrosen. Alle an
deren hatte die tosend« See verschlun
gen.
Ein«n Augenblick schwieg jetzt der
rasende Sturm, gleichsam als wolle
er frischen Athem zu einem letzten
mörderischen Angriff auf das steuer
lose, dem Verderben geweihte Schiff
sammeln. Dann warf er sich erneut
mit einem gellenden Pfiff in di« knat
ternde, sprühende Lohe.
Di« den Großmast haltenden
Stahltrossen, von der Gluth zerfres
sen, brachen sofort. Alle Verbindun
gen lösten sich. Mit Donnerkrachen
stürzte die sprühende Feuersäule in
sich zusammen, Deck und See weithin
chen Element bei der Vernichtung des
Gebildes der Menschenhand beistehen,
brauste gleichzeitig eine gewaltige Wo
ge über daS Deck der „Anja" und riß
in Lee «inen Theil der Schanzverklei-
Diefe Sturzf«e hatte die wenigen
noch an Bord befindlichen Menschen
zusammengerissen wie ein Stück Bal
last, über das Deck gerollt und gegen
das Geländer der Brücke geschleudert,
wo sie nun, halb erstickt, in einem loü
süi? das in allen Fugen ächzende
Schiff, von den Wellen zerschmettert
zu werden.
üoff.
Auf allen Vieren kroch er zu Freese
und schrie diesem ins Ohr:
helfen!" '
fach, aber «ndlich kam der Baron
damit doch zustand«.
Die Leute wurden an die Fallen
s ihn plötzlich.
Das Steuer!
!
> Schiff und Mannschaft waren verlo-
Der stark Mann schwankt«. Ein
> dunkler Schleier legte sich momen
zu.
„Es nützt nichts mehr", preßte er
mühsam hervor. „Wir können nicht
mehr an das Steuer, sind verlo
ren verloren! Gott sei unseren
Seelen gnädig!"
Wild aufschluchzend schlug er di«
Hände vor das Gesicht:
„Arme Helena, arm« Kinder!"
Der Baron schauderte. Sein fah
les Antlitz zuckte. Fast irr flackerten
seine Augen über das Flammenm««r
auf dem Hinterschiff, über die in wil
der Wuth donnernden Wogen. . .
Nur ein einziger aus dem ganzen
Schiff hatte bei allem und allem In
nen Augenblick seine Ruhe verloren,
Nummer Einundzwanzig!
Mi! dem rechten Arm das Gelän
der der Brücke an sich pressend, kalt
und ruhig stand die hohe Gestalt mit
ten in dem Gräuel der Verwüstung.
Mit einem fast befriedigten Ausdruck
glitten die Augen d«s Gefangenen
über di« prasselnden Flammen, die
rollenden, schäumenden Wasserberg«
ringsum, und hasteten endlich auf
schen. 2
Da irrte plötzlich ein Zucken über
das steinerne Gesicht. Der Sträfling
hatte vorhin Bogdanosfs Gespräch mit
Freese halb gehört, halb errathen.
aus dem Boden gewachsen, stand der
Mann plötzlich vor den beiden Offi
zieren:
„Geben Sie mir den Kurs an, ich
ren schien.
Bogdanoff prallte zurück. Steu
ern, da, du, in der Hölle?
Das war ja unmöglich, Wahn
sinn, sicherer Tod! Keine zehn
Minuten tonnte ein Mensch in der
Gluth aushalten! Aber doch zog so
etwas wie «ine vag« Hoffnung in
„Du, Du wolltest?" würgte er
„Ja! Ich werde steuern!" Kurz
„Ja. ja aber, verstehst Du
ich stets selber steuerte! Bitte,
! den Kurs!"
! Eisern«, unbeugsam« Energie schlug
Mit festem Druck faßte Baron
Qualm verschwinden.
Mit übermenschlicher Anstrengung
war es Bogdanofs gelungen, die Lein
pellt waren.
Knatternd blähte sich die Lein
wand. Einen Augenblick schien es, als
Licht zu.
Fahrt zustrebte.
Die Matrosen und di« beiden Of
fiziere brachen in ein Jubelg« schrei
mehr zu hallen vermochten, an Deck.
Ein Funkenregen überschüttete den
Mann am Steuer. Ein herabfallen
des, brennendes Holzstück streiste sei
nen Kopf, so daß Blut über die blei
chen Wangen floß. Die Planken un
ter feinen Füßen fchwälten bereits,
obfchon Bvgdanoff zwei Sträflinge
an di« Spritze gestellt hatte, die fort
während Wasser auf die Füße des
Steuernden schleuderten. Brennendes
der das
Alles, wis an Deck ging und stand,
schmettert« zu Boden. Fock und Klü
ver brachen ab. als wären sie von
Glas. Ueberall splittert«, glüht« und
war, b«kam das Feuer seine ganze
Kraft. Auf all«n Seiten schössen jetzt
reit.
stand er an einem frischen Grab«,
dessen schwarzer Pflock in weißer In
schrift di« Nummer Einundzwanzig
gen Oberarztes Dr. Wernherr, der
bedenklich d«n Kops schüttelte, als er
d«n Körper sah.
d Kl h t
Hofgefellschaft, der Günstling Alexan
ders 111. Ihn, der es gewagt, die Au
gen zu der Schwester seines Kaisers
Tie Stiefel.
Gegen August Werner, der als
Navigationsoffizier das große Schul
schiff „Kalliope" in daSMittelmeer be
gleit««. konnte man «ig«ntlich nichts
Mannschaft«» sehr beliebt war, er
steht sich daher von selbst. Daran
änderte auch nichts, daß er nebenbei
w«nn er nach anstrengendem Dienste
ermüdet auf s«inm Schwingebett
saß, glitt sein Blick liebevoll zu den
Stiefeln, er nahm sie dann wohl vom
das sich eingeschmuggelt hatte, sehr
zum Verdruß seines Burschen, dem es
die Stiefel angethan hatten, und der
sie heimlich, so oft er konnte, immer
noch blanker putzte. Di« kleinen
freundlichen Hänsekien seiner Kame
raden steckte Leutnant Werner mit
Gleichmuth ein; es war ja nur der
Neid d«r besitzlosen Klasse.
Eines Mittags die „Kalliope"
war an, Morg'n von Kadix aus in
See gegangen bemächtigte sich
Plötzlich der beim Essen in der Messe
versammelten Offiziere eine lebhaft«
Aufregung. Man hörte Leutnant
Werner ganz gegen sein« sonstige Ge
wohnheit in seiner Kajüte einen Hei
denlärm schlagen und sah ihn gleich
darauf äußerst zornig aus d«r kleinen
Schiebeihür kommen.
„Mein Stiefel ist weg: damit Jhr's
wißt, ich kann solche Witze nicht lei
den, wer hat den Stiefel?"
Di« ganze Messe schien perplex?
«ndlich sagte d«r „Erste" mit Würde:
„Na, lieber Werner, Sie glauben doch
hoffentlich nicht, daß sich «iner von
uns den Spaß gemacht hat, Ihnen die
Stiefel fortzunehmen. Das ist wohl
«in kleiner Irrthum?"
„Es handelt sich hier nicht um ge
wöhnliche Stiefel", brummte > zornig
5 der Angeredete, „sondern um einen
von meinen neuen gelben Reitstiefeln.
Wenn Ihr ihn nicht habt, dann hat
ihn eben einer von d«n Mannschaf
ten." Nach Beendigung der Mahlzeit
wurde sofort der Bursche des Leut
nant Werner geruf«n. Aber txr be
theuerte, nichts über d«n Verbleib des
Stiefels zu wissen, und man sah dem
ehrlichen Jungen an, daß er die
Wahrheit sprach. Es folgten scharfe
Verhör« der Mannschaften, dann eine
Schiffsourchfuchung. indessen ohne
Erfolg. Am Nachmittag gesellte sich
zu dem Aerger, den Werner über das
räthselhafte Verschwinden seines
Stiefels empfand, noch das lebhafte
Unbehagen darüber, daß er fortdau
ernd die Zielscheibe der Hänseleien
seiner Freunde war. Man erkundigte
sich alle halbe Stunde theilnehmend,
ob sich d«r Stiefel noch nicht gefunden
habe, man half an den unmöglichsten
Orten suchen, wobei ganze Flulhen
verkappter Witze sich über den un
glücklichen Verlierer «rgossen. Aber
der Siesel fand sich nicht.
Als auch am Abend die Sticheleien
nicht aufhörten, lief Leutnant Werner
endlich in di« Kajüte, holte
das Meer. Darauf verbot sich Wer
ner energisch all« weiteren Spitzfin
digkeiten und Hänseleien und verließ
das Deck. D«r Abend war herrlich;
di« Sonne sank, «in feuriger Gluth.
ball, in das spiegelglatt« Meer. Das
gemeinsame Abendbrots ein« improvi^
starrte.
fwg-
fein Buch „Les Miserables" gefun
einen Zettel, worauf weiter nichts
stand als „?". Als Antwort kam ein
ähnlicher Zettel: „!" war daraus zu
Worte.,
Durchschaut. Gal.'in: „Höre
Gatte (unterbrechend): „Thut mir
leid, ich bin jetzt schlecht bei Kasse."
«c
Leiten. ilde
h
ch d ' d P" h'
mehr Lärm gemacht, als ich?"
Wirth: „Der hat noch nicht be
zahlt!"
Ganzwiebeiuns. Häupt
ling (zu den Kannibalen): „Die
Weißen haben furchtbar in unserer
Gegend abgenommen, wir müssen eine
Auch ein Leidtragen
der. Sonntagsreiter (verzweifelt):
„Ob der Gaul den Todten vielleicht
gekannt hat?... Jetzt trabt er schon
eine halbe Stunde hinter dem Leichen
zug her!"
Tiirch die Blume.
Kellnerin: .Heut Abend giebt
es Hasenbraten!"
Gast: „Schon wieder? Da wer
den aber' die Mäuse schön überhand
Feinfühlig. Vorsitzender:
klagter, warum Sie nur Waaren näh
men, die volle Kasse aber unberührt
ließen?
Angeklagter: Ach Gott, Herr Prä
die dicke Schauspielerin, da muß man
schon das Opernglas verkehrt halten,
um die auf einmal betrachten zu kön
nen."
Mißverständnis Stu
dent: „Wie stehts mit meinem Onkel,
Herr Doktor?"
Arzt: „Schlecht, Sie dürfen auf
alles gefaßt sein!"
Student: „Die Hälfte hab' ich
schon, Herr Doktor!"
Nie verlegen.
Gast (der ein nicht mehr ganz
frisches Fleisch bekommen Hai): „Sie.
Herr Wirth, das Karbonudl ist nicht
! srisch!"
Wirth (erstaunt): „So da