Scranton Wochenblatt. (Scranton, Pa.) 1865-1918, May 11, 1911, Image 6

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    Die Sühne.
Das kleine Cafö drunten am Ha
fen war strahlend hell erleuchtet, und
rauhe Männerstimmen übertönten
fast die Weisen der kleinen Musikka
pelle, die in der Nische unter ein
paar Palmen spielte. Ein kleiner
fetter Philippine, die Brust entblößt
und glitzernd« Schweißtropfen auf
seinem braunen Nacken, strich den
Bogen mit einer Vehemenz, als ob
sein Leben von den Bewegungen ab
hing«. Von draußen, kam über das
Wasser der schwach« Widerhall spani
scher Lieder, w«nn irgendein Vergnii
gungsboot mit dunkeläugigen Frauen
«nd jungen Männern an Bord den
Hasen von Manila kreuzte.
Doch die vier Männer, die in der
«Ecke des CaM beim Kartenspiel sa-
Hen, waren taub und blind für alle
diese Ding«. Der dick« Tabaks
qualm, der sie einhüllte, schien st« für
olles ander« unempfindlich zu ma
chen, außer dem Aufklatschen d«r
Karten beim Bertheilen und dem
scharfen, forschenden Blick des Part
ners.
Der eine war ein großer, plum
per Amerikaner mit glattrasirtem Ge
sicht und einer dicken Cigarre in dem
«inen Mundwinkel. Ihm gegenüber
saß ein Philippine mit dunkeln, Haar
und glänzenden schwarzen Augen.
Die anderen beiden waren Engländer
von der Sorte, wie sie der Osten an
lockt und am Ende zu ruinirten Män-
Nicht als ob Beverley irgendwie
«in „ruinirter Mann" wäre. Bollbrü
stig und breitschulterig, hatte er das
Aussehen eines Mannes, der es mit
jdim aufnimmt, der ihm in die
Quere kommt. Aber der Jüngling
ihm gegenüber hatte schlaffe Züge und
wässerige blaue Augen vielleicht
eine aufrichtig«, ehrliche Haut, aber
krank durch und durch. Gerad« j«tzt
siel das Licht auf sein zartes, bleich«s
Gesicht und zeigte di« Spuren der
Auszehrung.
„Mein Trick", brummte B«v«rley,
«ach den Karten greifend.
Der Jüngling erwiderte etwas,
und sein« Augen bekamen ein wildes
Feuer.
„Was ist das?" schrie Beverley
zind sprang auf.
Di« Musik brach mit «in«m wilden
Akkord ab, und zwei oder drei Vor
übergehende blieb«» stehen und sah«n
nach der Grupp« hinüber. Irgend
jemand hinter der Schutzwand lacht«,
und der Schall durchschnitt unheim
lich die Todten still«. Es lag etwas
llnh«imliches, duitips Brütendes in
der Luft. Heiser kam es von des
Mannes Lippen:
„Du hast betrogen! Laß mich Dei
ne Karten sehen!"
Die beiden Männer standen sich
gegenüber, die zwei Augenpaare
brannten ineinander. Es war, als
ob si« nichts kannt«n, als den wü
thenden Haß, der seit ewigen Z«it«n
zwischen ihnen bestanden hatte.
Dann kam ein stichelndes Wort von
des Jünglings Lippen, das Bever
leys Leidenschaft hell aufflammen
ließ und einen Nebel vor seine Au
gen legte. Er hob seine Hand, und
dann gab es einen kurzen, scharfen
Krach, der di« D«cke zu zersplittern
schien.
«in Mädchen auf. Eine unheimliche
Stille folgte, in d«r die Leute st«if
und erstarrt wie traumbefangen ste
hen blieben. Dann, als sich der
Rauch verzog, fiel des Jünglings
Kopf auf den Tisch: sein Arm warf
ein Glas Wein um, dessen Inhalt
langsam auf die Erde floß und dort
ein« blutroth« Lache bildete. Beverley
war ernüchtert, nur in seiner Kehle
saß ein dicker Knoten der ihn zu er
„Mein Gott", schrie «r auf, „was
Ab«r !>?r Amerikaner drängte ihn
durch die Menge und redete mit ruhi
ger Kaltblütigkeit auf ihn ein:
„Was konntest Du anders thun?
Wahrscheinlich bist Du solche Szenen
noch nicht gewöhnt. Ich würde weiter
kein Wort verlieren über solch einen
Menschen, der die Welt mit seiner
Anwesenheit belästigt."
anderen Räumen herbei und umstand
den Tisch. Der zurückgebliebene
Spieler setzte unterdessen mit lebhaf
ten Gestikulationen die Angelegen
strich d«r dicke Musikant seinen Vio
uichts interessirte. als das Wieder
einsetzen der Musik. Von hinten
zwiinate sich ein Schutzmann durch
ist los?" schrie er. „Platz
da!" , s , S' th"
rner des versucht« mit be
stürztem Gesicht, die Meng« zu be
ruhigen. und überall rief man nach
dem Mann, der den Schuß abgegeben
hatt:.
Aber unten durch die dunkeln Gas
sen irrt« Beverley. verfolgt von der
wüsten Szene. und k«in«n and«ren
Gedanken im Kopf, als eine möglichst
große Seestrecke zwischen sich und je-
Ort zu legen, wo des JüngkingS
KllSf so dumpf auf den Tisch gefallen
Bei Cherritons. Ulster Square,
war Ball. Seit einer ganzen Stund«
schon fuhr Wagen auf Wagen vvr
man das Knirschen der Räder auf
l>em Kiesweg. Di« Bälle im Cherri-
Hause versäumte niemand
dig geworden.
Sie stand mit leuchtenden Augen
in einer Ecke des Empfangszimmers,
etwa die Frauen im Frühjahr vor
dem Fenster eines Modegeschästes an
sammeln, Aber sie schien siir leinen
einzigen einen Blick zu haben.
„Es ist zwecklos", sagte einer, in
dem er sich abwandte und zum Tanz
saal schritt. „Ihre Tanzlarte ist voll."
Sein Begleiter stierte nach dem breit
schulterigen, glattrasirten Mann, der
sich mühsam seinen Weg durch die
Menge bahnte.
„Niemand hat einen Blick bekom
men, seitdem der Bursche hier ist," ,
brummte er.
Beide drehten sich um, um den!
Eindringling genau zu beobachten.
In seinem Gang lag etwas Selbstbe
wußtes, Herrisches, und die blendende
Weiße seines Frackhemdes betonte
noch die frischbraune Farbe seines
Gesichtes. Sonst war nichts Bemer
kenswerthes an ihm außer den leb
haften grauen Augen und dem stark
ausgeprägten Kinn.
„Wer ist das?" fragte der erste.
„Ach ich weiß es nicht. Irgend
solch ein Kerl aus dem Osten. Hat
da irgendwo in Siam oder so durch
Gott weiß was einen Haufen Geld
zusammengescharrt. Er ist eigent
lich nicht werth, daß sie sich für ihn
„Hm! Wie heißt er?"
„Ich glaube Beverley. Erst drei
oder vier Monate hier. In Cromer
trafen sie sich, und seitdem —"
Ihr Gespräch verstummte, als die
ersten Töne eines Walzers aus dem
Ballsaal herübertlangen, und ebenso
plötzlich löste sich der dichte Knäuel
von jungen Männern um Alixe.
Schöner denn je erschien sie Beverley
heute Abend, als sie ihm mit leuch
tenden Augen entgegensah. Das Leben
hatte ihn rauh angefaßt und nie hatte
er das sanfte Streicheln einer Frauen
hand kennen gelernt! so trieb ihn jetzt
AlixeS Lächeln das Blut heißer durch
„Ich dachte. Du würdest heut«
gar nicht mehr kommen", flüsterte sie.
Niemand hätte Alixe bisher nach
sagen können, daß sie empfindsam ge
wesen wär«! aber bei seiner Berüh
rung fühlte sie, wie sie zitterte.
„Nichts in der Welt hätte mich ab
halten können, heute Abend zu kom
men," sagte er leidenschaftlich. „Ich
hatte Angst, Du könntest schon all«
Tänze vergeben haben."
Sie zeigte ihm ihr« Tanzkarte und
lächelte.
„Sieh h«r, vier habe ich res«rvirt.
War das nicht aufmerksam von mir?
Dieses ist einer davon."
Er sagt« schnell:
„Ich möcht« jetzt nicht tanzen. Kön
nen wir uns nicht draußen ir
gendwo hinsetzen? Seit einer Woche
habe ich Dich nicht gesehen, und
ich habe so vi«l mit Dir zu bespre
chen."
Sie führte ihn zu einer Nische, wo
unter Palmen eine kleine Bank ver
borgen war. Leise klang vom Ball
saal die Musik herüber, und die
Blätter der Palmen stichelten Küh
lung in das erhitzte Gesicht des Mäd
chens. Die Hände lässig im Schoß,
saß sie mit niederg«schlagen«n Augen
da. Während Beverley sie heimlich
betrachtete, schien es ihm, als setz«
seine Vergangenheit eine Schranke
zwischen ihn und das süße, un
schuldige Geschöpf an feiner Seite. Er
wollte ihr sagen:
„Kleines Mädchen, ich liebe Dich
hängen.
„Wessen Portrait ist das?" fragte
er hastig.
„Mir als wäre mir das Ge
sicht bekannt. Er muh Dir Wohl sehr
ähnlich sehen."
„Ja, sehr", antwortete sie. „Wir
waren die besten Kameraden als klei
ne Kinder. Später ging er dann nach
dem Osten."
Seltsam hart klang Beverleys
Stimme, als er fragte: „Und und
in des Mädchens Gesicht.
„Ich weiß es nicht, ' sag!« sie leise.
MiUel"' schreckt« ln ihrem
Tanz; ich wollte, ich könnt« ihn über
gehen..
Dann sah si« Beverl«ys Gesicht.
„O, was hast Du?" schri« si«
auf.
Aber er riß sich mit Gewalt zusam
„Nichts", sagte er; „nur das Ste
chen einer alten Wunde. Sieh doch^
ihn herbeiholen."
Und, sich entschuldigend, sprang er
auf und eilte dem jungen Manne
nach. Das Mädchen blickte nach der
entschwindenden Gestalt, und ihre
Augen schimmerten während
„Er liebt mich doch nicht", sagte
sie zu sich. „Was für eine Thörin
war ich, mir einzubilden, daß er
mich liebe."
Nach Erfüllung seiner Mission
hatt« Beverley sich bei dem Gastge
ber entschuldigt unV das Haus ver
lassen. Er wanderte eine Zeitlang
ziellos durch die Straßen, nur mit
dem «inen Gedanken beschäftigt, daß
jetzt alles aus sei. Ein «nts«tzlicher
Schrecken fraß an seinem Inneren;
noch nie hatte ihm sein Verbrechen so
lebhaft vor Augen gestanden wie
heute. Er hatte ihren Bruder getödtet
Alixes Brud«r.
Halb unbewußt winkt« er einen
Wagen heran und gab dem Kut
scher seine Adresse. Das eine stand
fest, er mußte England so bald wie
möglich verlassen, mußt« die Liebe
aus seinem Herzen reißen und jede
Erinnerung daran abtödten. Er
fühlt«, daß es di« Hand d«r Vergel
tung war, di« ihn j«tzt würgte. Bis
her war er ihrem Griff entschlüpft;
er war in ein anderes Land entwi
ch««, wo ihm das Glück hold war
und ihn vorankommen li«ß. Aber sie
hatt« im Dunkeln auf ihm gelauert,
und jetzt, wo er mit allen Fasern am
Leben hing, hatte sie ihm mit eiser
nem Griff gepackt.
Der Wagen rollt« fchn«ll durch
die nächtlichen Straßen, und die
Lichter der Straß«nlaternen huschten
über Bev«rleys bleiches Gesicht. Plötz
lich hielt er mit einem Ruck an, und
eine kleine Anzahl Leute umstanden
ihn. Beverley klopste mit dem Stock
an das vordere Glasfenster, denn
er hatte kein« Lust, sich aufhalten zu
lassen.
„Was ist los?" ri«s er.
„Nicht vi«l, Herr; ein Mann liegt
auf der Straße. Er scheint aber nicht
schwer verletzt zu sein."
„Bringen Sie ihn hier in den Wa
gen", sagte Beverley kurz.
„Neben mir wohnt ein Arzt, der
kann ihn verbinden."
Ein magerer, schäbig gekleideter
Mann mit einem blonden, struppigen
Bart wurde hineingeschoben, und di«
angelangt, gab er seinem Diener Auf
trag, für den Mann zu sorgen und
ging nach oben, um zu packen. Sein
bleiches, verzerrtes Gesicht, trug den
Ausdruck eines Mannes, bei dem es
zum Aeußersten gekommen ist: eines
Mannes, für den alles Licht erlo
schen. dem nur das dunkle Nichts ge
mer aufgenommen hatte. Sie trug
ein leichtes, weißes Sportkleid, die
Aermel waren zurückgeschoben, und in
unter und traf seinen Diener aus der
Treppe.
„Der junge Mann ist besorgt,
.'s
7!>,me entfallen ist. Aber jener
Schuß tödtetc mich nicht. Manchmal,
V'.iß Gott, habe ich es seitdem schon
gewünscht!"
Sein« Lipp«» umspi«lt« ein bitte
res Lächeln. Dann betrachtete er
mit zynischem Blick die reiche Ein
richtung, die kostbaren Bilder, das
glänzende Silber und die hundert
linderen Zeugen einer üppigen Wohl
habenheit.
„Sie haben anscheinend Glück ge
habt. Ich bin unter die Räder
gekommen. In einem schwachen Au
genblick, vor ungefähr einem Monat,
sucht« ich meine Heimath wieder auf,
aber ich war nichts in der^Versas
treten zu können. Jetzt warte ich
auf ein« Gelegenheit, um wi«d«r zu
oerschwinden."
Aber Beverley packte ihn bei der
Schulter. Irgend etwas würgte ihm
im Halse, und es währte lang«, «he
er Work« fand:
„Machen Sie keine Dummheiten,
Mensch! Ich dachte, ich wäre Ihr
Mörder und ich bin jetzt verantwort
lich sllr Sie. Sie sind noch jung,
und ich kann Ihnen wieder auf die
Beine helfen ich biki der Mann,
der das erste Anrecht darauf hat.'
Er sprach abgebrochen, ruckweise,
denn «in G«danke bewegte ihn über
mächtig: daß ihm das Leben jetzt
schenkn würde, was es ihm bisher
vorenthalten hatte Sühne, Seelen
fried«n und Mix«.
Olga.
Hauptmann von Giebler heirathet.
Die Kaution ist ein Aktienunterneh
men im beiderseitigen Verwandten
kreis. Das Mobiliar wird auf Ra
tenzahlung gekauft. Und so oft es
nur angeht, wird irgend ein Fond
unter irgend einem Vorwand ange
bohrt.
Das Geld verwaltet der Haupt
mann. Am Ersten jeden Monats
theilt er das Budget in verschiedene
Zweige, legt sie nach ihrer Größe in
Cigaretten- und Ziindholzschachteln
an und erwägt in behaglicher Stim
mung die Möglichkeit etwaiger Er
sparnisse. Am zwanzigsten machen
die Schachteln untereinander Anlei
hen. Dann bricht ein Run aus.
Der Haushalt ist bescheiden. Wein,
Dessert und was es noch sonst an
überflüssigen Genüssen des täglichen
Lebens gibt, sieht man auf Gieblers
Tisch selten. Das Fleisch wird
homöopathisch verabreicht. Milch
und Hülsenfrüchte preist man als
Lebensverlängerer.
Außer dem Burschen dem Fak
totum aller primitiven Ossiziershäus
lichkeiten hält sich Frau von Gieb
ler. geborene Baronin X. ein Dienst
mädchen, bügelt und fegt selbst, näht
di'e Kleider für sich und die Kinder,
wobei ein rührendes Vererbungs
system von Groß und Klein eingehal
ten wird.
Nach außen hin spielt sie jedoch die
rührt,'auf dem Sofa sitzt, Romane
liest, Bonbons knuspert, den Gatten
und die Kinder zum Handkuß be
fiehlt. Nichts merken lassen,
das ist die Devise im Hause Giebler.
Nach vielen Jahren des mühevollen
Emporklimmens, der bangen, ruhe
losen Befürchtung: „Wird's nicht?"
und der zitternden, beseligenden
Erwartung: „Wird's?" sonnt
man sich endlich im Glänze der Ober
stenwürde und knüpft an die neue
Lage tausend kühne Hoffnungen aus
ein neues angenehmes Leben.
„Jetzt müssen wir repräsentiren ...
es geht wohl nicht anders!" meint die
Frau Oberst. Dabei sinnt sie, wie
man das Schwarzseidene, darin sie
als Neuvermählte ihre Antrittsbesuche
gemacht hat, modernisiren könnte.
Mit Grazie vollführt sie ein« groß
artige Salongebärde, als stände sie
bereits im Kreise ihrer Gäste und
sieht sich im Geiste von diesen ver
ehrt und beneidet. Und der frischge
backene Oberst, in dessen Gesicht die
Sorge ihr Tagebuch geschrieben hat,
lächelt wehmüthig und nickt, halb zu
stimmend, halb gedrückt.
Die Repräsentation besteht in die
sem Falle zwar nur aus einigen
Fünf-Uhr-Thees, Picnics.aus Land
partien, dem Besuch der ärarischen
Feste. Immerhin tostet es viel Geld,
und Giebler sitzt voll Kummer über
seinen Cigaretten- und Zündholz
schachteln.
Viel Hoffnung für die ganze Fa
milie setzen die Eltern in Olga, die
Aelteste. Sie ist zu einer Schönheit
herangeblüht. ist liebenswürdig, hei
ter, geistreich vielleicht zu geistreich
und wird unter d«n besten Par
tien wohl nur zu wählen haben.
Als Olga das Lyceum absolvirt
bat. rathen die Lehrer dem begabten
ter .?. ich bitte!"
Ballsaal gesühnt.
Auf einem Kränzchen ist's. Olga
tanzt als Bonbon. Sie hat das Ko
stüm selbst ersonnen und es aus rosa
Tüll, geschnitzeltem Seidenpapier und
Goldfäden billig verfertigt. Die an
deren gehen in Sammt und Seide.
Dennoch ist sie die Königin des
Festes.
Nach der Polonaise wird ihr Ober
leutnant Ballen vorgestellt. ,
„Nicht tanzen ... lieber plaudern!"
bittet der junge Offizier und faltet
die behandschuhten Hände, als die
Musik den Walzer intonirt. Und
Olga nickt, läßt sich in den kleinen
Hain führen, darin die Kaiserbüste
steht und durchplaudert mit ihm eine
Quadrille und zwei Rundtänze.
Ballen besitzt die Gewandtheit des
Weltmanns. Er hat viel gelernt,
fremde Länder bereist, versteht ange
nehm zu plaudern, und sein Wesen
ist voll Güte. Aus seinen Worten
tönt eine tiefe Bewunderung für das
schöne Mädchen und die Freude dieser
Begegnung. Die Redepausen durch
zittert eine köstliche Glllcksstiminung,
eine unbestimmte Sehnsucht. Und
dann ist es mit einemmal, als fluthe
eine kühle Welle über fein Gemüth.
Alles, was das Leben an Festigkeit
und Ernst in ihn hineingetragen hat,
wird weggespült. Leichtlebigkeit und
Leichtsinn schäumen empor, und ihre
öde Oberfläche ist voll spielerischer
Gedanken und armseliger Gesühle.
Und im nächsten Augenblick ist der
warme Herzenston wieder da, schleicht
und schmeichelt sich allmählich in
Olgas Seele ....
Als der Fasching zu Ende ist, ist
Olga Ballens Braut.
„Das ist doch keine Partie!" jam
mert die Oberstin. „Kein General
stäbler ... nicht einmal „von" ...
Papa Giebler spricht über die Kau
tion. Mit größter Delikatesse geht
man an's Wert, entschuldigt sich ge
genseitig, daß man ein Geldthema be
rührt, schleicht um den Kern der
Sache, macht Andeutungen, versteht
sich nur halb und weiß endlich doch,
daß der Oberst nur einen Nothpfen
nig besitzt, und Ballen einen alten
Onkel zur Verwandtschaft zählt, der
ihn in's Herz geschlossen, ihn zweimal
auf Reisen geschickt hat und dessen
Erbe er mit aller Berechtigung er
! hofft-
Nach achtmonatelangem Brautstand
stirb« der Erbonkel. Universalerbe ist
der Sohn seiner Wirthschaften!,.
steht in einer Schlüsseluhr mit un«ch
tem Mantel, einer altmodischen Civil
garderobe und zehn Bänden Kriegs
geschichte aus der theresianischen Zeit.
Die Verlobung wird gelöst.
Ballen nimmt rührenden Abschied
von Olga, versichert ihr, daß er sich
des Lebens nie mehr freuen werde
ohne sie, schmäht das Schicksal und
läßt sich transseriren.
Olga ist zu Tode getroffen. Ein
klaffender Riß geht durch ihre Seele.
„Stark sein... mit Gewalt
. sich an etwas anklammern ..." sagt
, sich das tapfere Mädchen und ver
, sucht, einen neuen Weg durch das
Leid zu bahnen. Sie kramt ihre
Bücher hervor und vergräbt ihre Ge
danken in die Wissenschaft. Jede
Minute, die der Haushalt ihr läßt,
wendet sie auf selbstauferlegte Aus-
gaben. Und gar oft sinkt ihr Kopf
! kraftlos auf die Folianten, und der
! zurückgekämmte Schmerz bricht in
Seufzern und Thränen los.
Ihr ftst. Sie ist
ginnen.
„Wird sie mit dieser verrückten
Idee nie aufhören!" winselt die
Oberstin und gebärdet sich wie eine
Schwerkranke. Und der Oberst
schüttelt sein ergrautes Haupt. So
böse stände es noch lange nicht, meint
beste Partie machen.
So sitzt denn Olga noch weiter zu
Hause, arbeitet oft wie eine Magd,
Dennoch erscheint eines Tages das
unverhoffte Glück bei Olga: Herr
Landesgerichtsrath Baron Seidel.
, sen.
Baron Seidel ist achtundsünfzig
Jahre alt, Wittwer mit drei Kindern,
vermögenlos und seine rothe Nase
gibt Anlaß zu allerlei Vermuthungen.
Olga weigert sich, weint, fleht.
sie denn von Sinnen! Und ab-
Geld. Olga habe daher die Pflicht,
die Eltern zu entlasten und endlich
einmal selbständig zu werden.
Devise steht: „Nichts merken lassen."
Sie ist die Gattin eines verkappten
Trinkers, die Mutter von Kindern,
an denen sie keinen Theil hat, eigent
lich die Magd fremder Leute. Vor
der Welt aber ist sie die Baronin, die
beneidenswerthe Frau Rath, eine der
ersten Damen der Gesellschaft.
Baron Seidel hat eine heikle
Schuld zu tilgen. Wechsel
Er will das Geld borgen, aber die
Gläubiger haben schon genug gelie
hen. Sie geben nichts mehr her.
Und die Freunde aus der Gesellschaft
behaupten steif und fest, nichts zu be
sitzen und werden dabei merkwürdig
Der Tag der Schuldentilgung ist
da. Eine nervöse Hast und Unruhe
bemächtigt sich des Barons.
Die Gläubiger kommen. Seidel
läßt sie Platz nehmen. Er ist sehr
höflich mit ihnen. Dann zieht er die
Uhr. entschuldigt sich wichtiger Amts
geschäfte wegen, verspricht, das Geld
bis zum Abend zur Stelle zu schaf
fen und geht.
Athemlos rennt er von Haus zu
HauS. Sein Kopf brennt, seine Füße
wanken. Verzweifelt jagt er durch
die Parkanlagen in den Wald, stößt
sinnlos an die Baumstämme, schürst
sich an den Zweigen die Haut ab und
fällt auf den schlüpfrigen Moosboden
sie näher und näher kommen. In
ihren schmutzigen Wucherklauen hal
tet, sie seine Ehre und die geifernden
Mäuler grinsen auf sein kostbares
Gut.
Von Angst gehetzt, taumelt er wei
ter. Plötzlich hört er Stimmen
in unmittelbarer Nähe. Er stutzt.
Es durchzuckt ihn. Eine furchtbare
Schwäche kommt über ihn. Seine
Arme umklammern einen Baum.
Das Gesicht steht voll Schweißperlen.
Im nächsten Augenblick fährt seine
Hand in die Rocktasche und ein Schuß
kurz und scharf knallt durch die
Luft ...
Man bringt Olga die Todesnach
richt langathmig. umschweifend,
ohne ihr eine Einzelheit zu ersparen.
Olga ist wie gelähmt. Und seine
Kinder weinen, legen die Köpfe in
den Schooß der fremden Mutter.
Der Oberst bringt sein warmes
Empfinden. An seiner Brust beklagt
die junge Frau ihr verunglücktes
Leben. Mit zitternder Hand fährt
er über ihr Haar. „Mein Kind
mein armes Kind ...!" sagt er voll
quälender Selbstanklagen.
Auch die Mutter kommt entsetzt,
„Nichts merken lassen, liebe Olga,
und als Beweis für die brillanten
finanziellen Verhältnisse etwas
opfern. Persianerjacke kaufen ... den
Vereinen beitreten ... später Achtel-
Loge im Theater. Der arme Franz
war hochgradig leidend ... wußte
nicht, was er that, sonst hätte er sein
sorgenloses Leb«n nicht beendet ...
versteht Du? Im übrigen ... Trag
die Wittwenhaube mit Würde und
vergiß nicht Deine Position als Ba
ronin ... das sichert Dir am ehesten
eine Partie ..."
Olga hört kein Wort. Sie neigt
sich zu den armen verlassenen Km
wenden, sie zu gesunden, freien Men
schen zu erziehen.
Ta» Reimlerikon.
Das Pariser Earnavalet-Museum
Heim in der Rue Ouoinot besuchte
sah er auf dem Arbeitstische CoppS's
das Reimlexiton von Landais liegen.
das ganze Geheimniß meines Beru
fes." Und lachend fügte er hinzu:
„Verrathen Sie nur den Lesern mei-
Der grosse Kampf. ,
Zwei fromme und gerechte Männer
beschlossen eines Tages, gegen die
Ungerechten und Heuchler einen Feld
zug zu eröffnen.
Zu diesem Zwecke verbreiteten sie
zunächst in allen Ländern der Erde
eine Flugschrift, in der si« jeden
Gleichgesinnten aufforderten, mit
ihnen vereint den großen Kampf aus
zufechten. Die Parole lautete: Nie
der mit den Ungerechten, Tod und
Verderben den Heuchlern! «
Die Wirkung der Flugschrift über
traf alle Erwartungen. Täglich lie
fen ungezählte Unterschriften ein, und
als die Listen endlich geschlossen wur
den, da zeigte e« sich, daß die ganze
Menschheit der Aufforderung der bei
den Männer nachgekommen war.
Er hat Recht.
Friseur: Recht kahl, kolossal
'ß h- s s
„Bei Durchsicht Ihrer Order sin-
Motten bestellt haben. ES liegt un
töurniren. Hochachtungsvoll usw."
Junger Gärtner: Du Fritz,
wenn mich mein Vater bätte studiren
Gärtner: Nu fragt sich's blos
Andere Auffassung.
„„Saukerl", hat der Huaberbauer
zu mir g'sagt. Z'erscht hab'
war!"
In der Hitze.
Bei einem „Jour" wird die Fra«
kussion theilgenommen, auf und er
klärt lebhaft: „O, mein Fräulein, ich
versichere Sie wenn ich Si« bloß
zw«i Minut«n anschaut, hab' ich ge
nug!"