Scranton Wochenblatt. (Scranton, Pa.) 1865-1918, May 04, 1911, Image 6

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    Die beide» Pappenheimer.
In Pappenheims Regimentern rit
ten zwei Hauptleut« Otto von Stei
nau und Bernhard Hammer getreu
lich nebeneinander und führten ihre
Hähnlein tapfer in die Schlacht bei
Lützen. Die Schweden jedoch, durch
die Tödtung des Heldenkönigs aufs
höchste erbittert, hieben unter der Füh
rung des Herzogs Bernhard von Wei
mar wie die Löwen drein und war
fen Pappenheims Reitergeschwader
«ach hartem Ringen in die Flucht.
Otto von Steinau wurde von seinem
Fähnlein gerissen und wäre unfehl
bar in die Gewalt der schwedischen
Freund und Blutsbruder Berthold
Hammer nicht mit seinen Kiirassiren
Die Schweden behaupteten das
Schlachtfeld, und Wallenstein konnte
erst hinter Leipzigs Mauern seine zer
sprengten Schaaken sammeln. Hier
fanden auch die beiden Pappenheim
schen Hauptleute ihre Fähnlein
wieder, ließen ihr« Wunden verbin
den und setzt«n sich hinter den Wein
trug.
„Du hast mir das Leben geret
tet", sprach Otto von Steinau ernst.
«Das will ich Dir ewig gedenk«»."
„Was ist da groß zu gedenken?"
sachte Berthold Hammer, der ein of
fenes Gemüth und ein leichtes Herz
besaß. „Als Kam«rad habe ich gethan,
was meine Schuldigkeit ist. Hättest
Dich auch nicht lange besonnen, wenn
ich in der Klemm« gesessen hätte.
Sind wir nicht Milch- und Blutsbrii
„Milch- und Blutsbrüd«r!" wi«d«r
holte Otto von St«inau, der ver
fchlossenerer Gemüthsart und kälteren
Herzens war. „Mein Leben gehört
von nun an Dir!"
„Und mein Leben gehört Dir!"
schwur Berthold Hammer.
„Also soll es bleiben!" bekräftigte
Und sie tranken darauf.
Wall«nstein, der sich nicht lang« in
Leipzig halten konnt«, bezog seine al
ten Winterquartiere in Böhmen. Er
Hab sich hier mit allerhand Plänen
und Anschlägen ab, die des Kaisers
Argwohn erregten, brach mehrmals
auf und f«tzi« sich wieder fest. Die
ganze Kriegführung wurde zögernd
und schwankend. Im zeitigen Früh
jahr schob er seine Truppen in die
ders die Grafschaft Glatz mit Ein-
Palmarum des Jahres 1632 die bei
den Pappenhiimschen Hauptleute Otto
von Steinau und Berthold Hammer
Städtchen Neurode einrüpten,das, hin
ter Bergen und dichten Wäldern ver
steckt, noch nicht so schwer unt«r dem
die schlesische Ebene.
Auf dem Markte wurden die Pap
penheimer vom Bürgermeister und den
als des Rathes Gäste Wohnung im
alten Stadthaus«, einem düstern, go
thischen Bau hinter der Pfarrkirch«.
Die Soldaten dagegen wurden unter
die Bürger vertheilt und mußten
wohl oder übel aufgenommen und gut
verpflegt werden.
Zum Willkomm sandte der Bür
germeister sechs Krüge feurigen Un-
Quarti«r der Hauptleute.
„Sieh da!" lacht« B«rthold Ham
mer gutgelaunt. „Scheint «in mun
teres Oertchen zu sein und ein
freundliches Völkchen drinnen. Hier
wollen wir uns brav restauriren!"
„Ein herzhafter Tropf«»!" meint«
Qtto von Steinau befriedigt, nach
sen.
„Ueb«r die Maßen!" rief Berthold
und klopfte ihm freundlich aus die
Schulter. „Fahret nur so fort, und
n«n und der Stadt geziemenden
Dank sage!" erwidert« d«r Bürg«.-
rneister froh. „Denn wir wissen di«
Ehre zu schätzen, des Kaisers Elite
truppe in unserer» Mauern zu haben.
Anno 1628 hatten wir hier die Liech
tenst«inschen Dragoner, die haben
uns gar sehr bedrückt und ge
quält!"
sprach Otto von Steinau finster.
~Ab«r seid ohne Sorge. Die Pap
penheimer haben die rechte Soldaten
ehre im Leibe. Ist auch unser An
führer gefallen, es lebt sein hoher
Quartier liegt. Gibt er doch in der
Feldlchlacht freudig sein Blut dahin,
wohnen könnet. Gefällt ihm etwas,
>o schenkt es ihm. Und wenn «in«
dirne das Sprödesein ablegt, so er
hebt darüber nicht gleich «in großes
Zetermordio. Drückt vi«lmehr «in
Aug« zu."
„So aber ein G«walt anwendet",
schloß Otto von Steinau und saßte
»n sein Schwert, „dann bringt uns
anverzllglich di« Meldung. Denn un
sere Kriegsartikel sind nicht nur ein
Fetzen Papier."
Mit diesem tröstlichen Bescheid zog
der Bürgermeister davon.
Bevor es zu dunkeln begann, gin
gen die beiden Freunde durch die
Stadt, trennten sich auf dem Markte,
um hier und da nach den Quartie
ren zu sehen und trafen sich vor der
Stadtmauer, da sie sich noch «in we
nig im Frei«n erg«h«n wollten.
Da tauchte plötzlich aus d«r Däm
merung «in«s umbuschten Hohl
weges ein sonderbarer Mann auf,
der das graue Haupt vor ihnen
„Gott zum Gruße, ihr edlen
Kriegsknechte!" sprach er beinahe fröh
lich. „Also lebet der große Krieg noch
„Wills hoffen!" erwidert« Berthold
lächelnd und besah sich den wunder
derlichen Alten genauer; die rechte
Schulter stand ihm spitz nach hinten,
ein grauer Bartzwickel hing ihm am
Kinn, und sein rechtes Bein ruhte auf
-inem Klumpfuß.
„Ei, er," spottete er, „Ihr haltet
mich wohl sllr den leibhaftigen Gott
seibeiuns, wi« es die alten Weib
lein von Neurode thun? Bin ab«r
ein ehrlicher Christenmensch und so
gar selber einmal «in Kriegsknecht ge
wesen."
„Ihr, «in Soldat?" lacht« Berthold
„Unter dem Grafen Thurn hab ich
zu Glatz als StUckmeister gestanden",
bestätigte der Alt« kopfnickend, „ist
mir da eine Kug«l ins B«in gefah
ren, und d«r Feldscher hat mir strackS
daraus einen Hinkesuß zurechtge
schnitten. Nun taug« ich nur noch
zum Leichenbitter und Todtengräber.
Ist «in ehrliches Handwerk wie jedes
Kriegshandwerk!" wies ihn Otto von
„Darin mögt Ihr recht haben!" lä
chelte der Alt«. „Es ist um den
Krieg gar «igen b«stellt. All die jun
gen Leute, di« darin todtgeschossen
werden! Sie dauern mich. Wärs
doch vi«l besser, sie stürben alt und
hochbetagt auf ihrem Lager. Hätten
doch wenigstens di« Leichenbitter «inen
Gewinn davon."
„Laß den Narren!" sprach Otto
von Steinau und wandt? sich zum
Geh«n.
„Ei, ei", lacht« der Alt« höhnisch,
„ein Narr macht vi«le!"
Und war plötzlich verschwunden,
als hätt« ihn die Erde verschluckt.
„Ein kurioser Kauz!" meinte Ber
thold leichthin. „Wir sollt«« ihn ein
mal zum Wein «inladen."
Bevor der Freund eine Antwort
geben konnt«, fuhr plötzlich ein star
ker Wind daher und stieß durch das
Gebüsch des Hohlweges, daß es sich
«in wenig aus«inanderthat. Durch
die Lücke schauten sie den Friedhof,
auf dessen Kreuzen und Grabmälern
das Mondlicht glänzte. Dann legte
sich der Wind ebenso schnell, wie er
gekommen war, und die Büsche tha
ien sich wieder zusammen.
„Ein unheimlicher Ort!" sprach
Otto schaudernd und eilt«, nach der
Stadt zu komm«».
Berthold folgt« ihm und schwieg
von sich abgeschüttelt. Otto von
Steinau jedoch blieb in sich gekehrt,
obschon er scharf trank.
„Hättest Du mich bei Lützen nicht
herausgehauen", sprach er dumps,
„so läge ich jetzt auch in der kühlen
Erde."
„Bläst Du schon wieder Trübsal?"
lachte ihn Berthold aus. „Und
bist doch über zehn Schlachtfelder ge
ritten!" d ch '
ich nicht sehen, ohne daß mir das
Herz schwach wird."
„Ich aber will morgen wieder durch
suchen", rief Berthold wohlgemuth.
„Ist ein schnurriger Gesell, d«r mit
uns zechen soll und uns brav di« Zc?i
laden!" schlug Berthold vor. „Ist
die beste Arznei für Deinen Trüb
sinn."
lachte ihn Berthold
aus und trank ihm zu.
Darüber beruhigt« sich Otto von
Steinau Als sie den zweiten
Auch kamen sie die Runde
abwechselnd zu gehen.
Während Otto am nächsten Abend
beim Weine sitzen blieb, hob sich Ber-
und kam durch den Hohlweg am
Friedhof vorüber.
Wi« er so unschlüssig dastand, tha
.'«n sich wieder die Büsche auseinan
der, und ein schwarzhaariges, wun
derschönnes Mädchen schaute mit
ste Jungfrau!" rief Berthold, der
lich«n Anblick schnell überwunden
hatte.
Und das Mädchen nickte ihm
freundlich zu.
„Wollt Ihr mit mir ein wenig
lustwandeln durch den Abend?" fragte
er höflich und trat näher an di«
H«ck«.
Doch sie schüttelte neckisch den Kopf,
daß ihre schwarzen Locken flogen, wich
zurück und ließ die Büsche wieder zu
sammenschlagen.
Berthold Hammer besann sich
nicht lange, brach durch die Hecke und
suchte die Fliehende zu haschen. Allein
sie war schneller als er, und schließ
lich mußte er den Wettlauf aufgeben.
Hochathmend stand er da und stützt«
sich auf «in verwittertes Brett, das
aus «inem kleinen Erdhügel ragt«.
Und als er sich umschaute, sah er
sich mitten auf dem nächtlichen Fried
hof.
„Ei, ei", rief da plötzlich hinter
ihm eine wohlbekannt« Stimm«, und
der alte Leichenbitt«r hinkt« mit dem
Spat«n auf d«r schiefen Schulter her
bei. „Junger Herr Hauptmann, ist
wohl noch «in wenig zu zeitig für
Euch?"
„Was wollt Ihr?" herrschte ihn
B«rthold an.
„Ist hi«r nicht Sitte", lächelte der
Alte, „daß die, so hier wohnen wol
len, von selbst herkommen. Ich muß
sie vielmehr holen und mühsam her
anfahren."
„Werdet an mir keine Arbeit ha
ben!" spottet« Berthold trocknen To
nes. „War hier eben eine schön«
Dirne auf dem Gottesacker."
„Wird wohl «in G«ist gewesen
sein!" flüstert« d«r Alt« furchtsam.
„War ein Dirnl«in von Fleisch und
Blut!" erwiderte Berthold. „Dort
an der Hecke ist xs gestanden, und
dahi«r ist «s mir entwischt, w«iß nicht
wohin."
„Ei", meinte der Alte schmunzelnd,
„so hättet Ihr besser acht geben müs
sen."
„Es hat schwarze Locken und ein
Gesicht wie Milch und Blut", fuhr
Berthold fort und malt« sich mit ge
schlossenen Augen das entschwundene
Bild vor die Seele. „Kennt Ihr die
Dirne?"
„Bin ein alter Mann und l«b«
vom Tod«!" wich der Alte vorsich
tig aus. „Wi« sollt ich mich um
das blühende Leb«n kümmern?
Streift manches Mädchen aus der
Stadt in der Dämmerung um di«
Gräber. So Ihr es aber begehrt,
will ich von nun an mein« Augen of
fen halten."
„Nun wohl!" sprach Berthold be
friedigt. „Ich werde sie mir schon
fang«n!"
„Scheint nicht eben leicht zu f«in",
gab ihm der Alt« zu bed«nk«n.
„Scheint ein hurtig Ding zu sein, das
seine Schlupflöcher hat."
„Die Dirne hat mich brav in Hitz«
gebracht!" gab Berthold zu. „Ist
„Ja, ja!" lächelt« der Alte gut
müthig. „Die Todten haben «s gar
leicht, einem ein Bein zu stellen."
„So Ihr mir zu der Dirn« ver
helft," sprach Berthold leiser, „so will
ich Euch reichlich belohn««."
„Ist «ben nicht nöthig", lehnt« der
Alte ab, „hab mein Handwerk, das
melden."
„Ihr seid ein Mann, der lebt und
leben läßt!" rief Berthold fröhlich,
und schlug ihm herzhaft aus die
schief« Schulter. „Wenn Ihr «inen
Berthold lustig. „Nächstens will ich
„Was thatest Du «s nicht gleich?"
Berthold.
„Ich habe keine Lust. Räthsel zu
wie ander« Leute oder schweig."
„Eine Dirne!" rief Berthold und
„Eine Dirne?" erwidert« Otto ver
ächtlich. „Nur eine Dirne? Es gibt
deren gar viele auf der Welt."
„Wo ist sie?" rief er und sprang
„Das grade ist der Kernpunkt der
Frage!" «rwiderte Berthod achsel
zuckend. „Jnd«ß, sie muß mein wer
den, und wenn der Satan selber
ihr Großvater ist. Morgen schon
in der Frühe durchsuche ich die ganze
Stadt."
Hast morgen Zeit genug", ent
gegnet« Otto und setzte sich, obschon
unter seiner wiedergefundenen
Ruhe das Feuer weiterglomm. „Die
Runde gehe ich. , Viel Glück auf die
„Und sollt« ich die ganz« Stadt
umk«hr«n müssen!" rief Berthold.
„Die Dirne muß mein werden!"
„Vielleicht gelingt es mir, sie zu
greifen", sprach Otto obenhin.
„Dann bringst Du sie mir!" macht«
sich Berthold aus.
„Di«s n«nnst Du Blutsbruder
schaft?" schäumte Berthold auf.
„Hätte ich Dir nur nichts von der
Dirne erzählt!"
Zum ersten Male kamen sie mit
einander in Streit. Der starke Ungar
wein trieb si« auftinander. Aber als
sie sich erhoben, um sich mit gezückten
Degen anzufallen, schwankten sie so
stark, daß sie einander in die Arme
fielen. Und di« V«rsöhnung ließ nicht
Am nächsten Morgen brach Bern
hard in der FrUhe auf. strich durch
die zahlreichen Hecken des Gräberfel
des und fand endlich ein verstecktes
Häuschen, das hinten an der hohen
Mauer lehnte. Herrisch pochte er an,
und nach einer kleinen Weile streckt«
der Todtengräber seinen grauen Kopf
durch das Fenster.
„Ei, ei", lächelte er freundlich,
„Ihr habt es eilig. „Wäret Ihr nur
ein wenig frLher gekommen. Bor
ein«r Stunde strich das Mädch«» über
den Friedhof der Stadt zu. So
Ihr eilet, erwischt Ihr «s noch vor
Sofort machte Berthold kehrt und
stob zum Stadtthor hinauf. Aber
wi« er auch forschte, keiner seiner
Soldaten hatte die Dir?« gesehen.
Auch di« Bürger schienen nichts von
ihr zu wissen. Da er ab«r f«st davon
überzeugt war, daß sie in der Stadt
sein müsse, ließ er nicht ab zu for
schen und zu suchen, bis der Abend
dämmerte. Dann erst kam ihm der
Gedanke, daß ihn der alte Todten
gräber mit Absicht in die Irre gewie
sen haben könnte. Und er ging wie
der mit starken Schritten auf den
Friedhof zu.
Ebendahin war gegen Abend auch
Otto von Steinau gegangen, hatte
den Schauder überwunden und schritt
nun an den Gräbern entlang. Plötz
lich stand der Alte vor ihm.
„Ei, ei", lächelt« er verschmitzt,
„habt wohl einen alt«» Bekannten
gesunden? Liegt sich gut da un
ten in der Kühl«. Oder wollt Ihr
Euch «twa selbst ein Plätzchen aus
„Laßt Eure Späße, Mann!" brau
st« Otto auf.
„Nichts für ungut, «dler H«rr!"
bat der Alte unterwürfig. „Ich
wollte Euch die gute Laun« nicht ver
derben. Ihr scheint mir aus anderm
Holz« geschnitzt, als Euer Fr«und.
So Ihr Euch den Gart«n besehen
wollt, so laßt Euch in Gottes Namen
„Wohlan, so gehen wir!" sprach
Otto von Steinau kurz.
Der Alte schritt voran, wies mit
dem dürren Finger bald da, bald
dorthin und sprach: „Hier liegen die
48, die anno 1606 an der Pest dahin
starben. Hi«r die 96. die anno 1624
das Zeitliche s«gneten. War «in
schlimm Jahr, weit schlimmer als
das Pestjahr, als der Graf Dohna
di« Festung Glatz b«zwang und die
ganze Grasschaft katholisch machte.
Gar manchem ist darüber das H«rz
gebrochen. Nun gehet hi«r daher,
«dler Herr, durch diese Heck«. Da
stehet ein feines, wohlgebautes Häus
chen, darin zwei Edelleute lagen, di«
von den Liechtensteinern anno 1628
in ihrer Ruhe gestört wurden. Da
diese wackern Krieger bei den Leben
digen nichts mehr fanden, pochten sie
bescheidentlich bei den Todten an.
Tretet nur «in, «s mag noch imm«r
ein« gute Wohnstätte sein für alle,
die ihre G«fchm«ide und goldn«n
Ringe draußen lassen. Stehen zwei
feste,' dauerhafte Eichenfärge darin mit
zierlichen Wappenschildern geschmückt.
Weiß Gott, wo die Gebein« g«blieben
sind."
Als Otto aus der beraubten Gruft
wieder ins Freie trat, athmete er
auf.
„Der Krieg, der große Krieg!"
sprach der Alt« nachdenklich, als er
di« schwere Eisenpsort« schloß. „Es
ist kein« Freude, ihm zu dienen."
„Aber eine Ehre!" rief Otto von
„Da ist ja die schöne Dirne!" rief
Otto u. wies auf die Zweige, die sich
noch ein wenig benagten, obschon kein
„Wo. edler Herr?" fragte der Alte,
und seine Stimme zitierte plötzlich.
„Ihr träumtet wohl?"
Aber Otto von Steinau sprang
Thür des kleinen Häusch«nS an der
Mauer verschwand.
Nun entkommst Du mir nicht!"
frohlockte er und drang durch die
Thür.
Am Anfang d«r Treppe, di« aus
den Hausboden führte, erhaschte er
sie und hielt sie trotz ihres Sträu
bens f«st. Als sie sah, daß sie ihm
nicht mehr entrinnen konnte, stieß sie
einen laut«n Schrei aus. der durch
das kleine Häuschen und weit über
den Friedhof gellte. Darüber ward
Otto von Steinau so verdutzt, daß
er sie wieder fahren ließ. Schnell
huschte si« die Treppe hinauf. Allein
er folgte ihr und griff si« aus dem
Boden zum zweiten Male, zwang si«
in die Arme und wollte ihr einen
In diesem Augenblick« schrie sie
Da bebt« die schmale Treppe un
ter polternden Tritten, und Berthold,
von dem Schrei angelockt, stürmte
herauf.
„Laß die Dirne los!" keucht« «r
zornig.
„Thor, der Du bist", wies ihn
Otto rauh zurück, „ich fing sie
„Laß sie los, oder ich schlage
Dich nieder!" brüllte Berthold, der
wie von Sinnen war, und zog d«n
D«g«n.
Otto mußt« das Mädchen fahren
lassen, und ehe sie sich versahen, war
es entschlüpft.
Nun beschuldigten sie sich wech
selseitig an dem Entspringen d«r
schönen Beul« und kamen scheltend
mit gezogenem Degen die Treppe hin
unter.
„Nennst Du dies Blutsbruder
schaft!" rief Otto wild und wollt« auf
„Verschieben wirs!" sprach der ru
higer, weil ihm das Mädchen aus den
Augen war. „Erst müssen wir die
Also schlössen sie einen Waffenstill
stand und gingen zusammen auf die
Suche, aber sie fanden iveder das
Mädchen noch den Alt«n. Es war,
als s«i«n sie spurlos in die Erde ver
sunken.
Voll Ingrimm und übelster Laune
setzten sich di« beiden feindlichen
Freunde daheim hinter den Krug,
hitzten sich am Wein und an bitteren
Borwürfen und waren drauf und
dran, sich wüthend anzufall«n, als
sich die Thür aufthat und der Alte
erschien.
„Edle Herren!" sprach er mit gu
tem Anstand. „Ihr habt mich zu
Gaste gebeten. Da bin ich nun und
harr« eurer Bewirthung."
„Setzt Euch!" sprach B«rth°ld fin
ster.
„Und trinkt!" fügt« Otto hinzu.
Der Alte li«ß sich den guten Wem
geber, die sich w«der Blick noch Wort
„Ei, «i", begann er klug lächelnd
und wollt« sich erheb««, „mich dünkt,
ich bin zu ein«r unrechten Stund« ge
,. Bleibt!" befahl Otto kurz. „Wo
wart Ihr, als mir die Dirn« ent
sprang?"
„Als Ihr so durch die Büsche da
hinstürmtet und nicht wiederkamt",
versetzte der Alt« ruhig, „bin ich heim
gegangen. Also habt Ihr die Dirne
„In meinen Händen hielt ich sie",
rief Otto, .als si« in das kl«ine
Häuschen flüchtete hinten an der
Mauer."
„Ei, ei, dies höre ich mit Verwun
derung!" meinte der Alte. „So ist
sie also in mein Häuschen geflüch
tet?"
„Und Ihr wäret in jenem Häus
chen!" rief Berthold schnell. „Darum
müßt Ihr es wissen, wo sich die Dir
ne hingewandt hat."
„Nicht übel bemerkt", gab der Alt«
schmunzelnd zu, „nur wollet Ihr da
bei bedenken, daß ich noch ein ander
Häuschen in der Stadt habe. Eben
dorthin bin ich heimgegangen. "
Damit mußt« sich Berthold zufrie
den geben.
„Wie aber kam'S", wandte sich der
Alte an Otto, „daß Euch das Mäd
chen entschlüpfen konnte?"
„Da fraget b«i di«s«m an", rief
Otto ingrimmig und wi«s mit d«m
Finger auf Berthold, der aber keine
Miene macht« zu sprechen.
„Wie mich dünket", nahm d«r Alt«
„Es ist, wie Ihr saget!" gab
Berthold bereitwilligst zu. „Und so
Ihr ohn« Ansehen d«r Part«i den
Streit schlichten wollt, so mögt Ihr
unser Schiedsrichter sein."
„Nicht übel!" meinte der Alte und
wandte sich an Otto. „Seid Ihr da
mit einverstanden, so will ich das
schwere und undankbare Amt wohl
!,Es sei!" erwiderte Otto und nickte
dazu.
Nun saget mir eure Streitsache
langsam daher", sprach der Alte,
„denn mein Geist ist nicht mehr so
rege wie früher, dieweil man bei den
Todten das Streiten verlernt."
„Mir gehört die Dirne", rief Otto
rasch, „denn ich griff sie."
„Ick aber sah sie zuerst," beeilte
sich Bertholt! hinzusetzen, „und er
zählt« ihm, wo sie zu finde» sei."
Darauf sann d«r Alte ein wenig
die Scheid« gesteckt. Also thut «s
hitzig?
„Und der Streit hebt von neuem
an!" ergänzte Otto und legte die
Faust auf den langen Raufdegen.
„Dann also Muth, ihr edlen Her
ren!" sprach der Alte lächelnd.
. Mich dünkt, ihr liegt schon zu lange
unthätig im Quartier. Da es der
Wallenstein nicht thut, so müßt ihr
euch «ben selber zur Ad«r lass«n. Ein
wenig schröpfen ist gesund. Wer ei
nen D«gen trägt, braucht keinen Ba
der. Nur nicht gezaudert und frisch
ans Werk, hernach schmeckt der Wein
um so besser."
„Vorwärts!" schrie Otto und riß
den Degen heraus.
„Ihr mögt unser Zeuge sein!" rief
Berthold dem Alten zu und stellte
sich in Positur.
! „Geduld, Ihr Herren!" mahnte der
l Alte und trat zwischen sie. „Der
Raum ist ein wenig enge. Gehet
hinaus auf das freie Feld. Auch
leuchtet der Mond besser als diese
t thränende Kerze. Oder kommt mit
mir auf den Acker Gottes, da ist
Raum in Hülle und niemand stört
Sieger willig solgt."^,
Das gab den Ausschlag. Otto
So traten d,e drei auf den Fried
„Frisch ans Werk!" spornte sie
der Alt« an, d«n der Eifer des
Kampfes packte, und klatschte in di«
Hämmer, die beiden Blutsbrüder, ent
banden ihre Klingen, stellten sich,
avancirten gegeneinander und kreuz
ten ihre Schläge wie zwei Erzfeind«.
Der Alt«, der abf«its stand, feuerte
floß auf beid«n Seiten Blut. Aber
gen und Stechen.
Da traf Otto von Steinau Ber
tholds linke Schulter.
„Ei, der saß!" rief der Alte.
fewen^Stelle.
„Nur weiter!" drängte der Alte.
„Bald muß es sich entscheiden."
Aber es entschied sich nicht so bald,
Fechten.
Schwerter.
Einen Augenblick hielten die Käm
pfer inne, um sodann nnt erhöhter
ander vorbei. Otto von Steinau
sank mit durchbohrter Brust, Berthold
Hammer mit durchschnittener Kehl«
Stelle?
Der Alte stand «in« Weil« mit ge
fatleten Händen. Dann holte er seine
Radbahre und legt« die beiden Tod
ten darauf. Friedlich ruhten si« ne
beneinander, die blutige Waffe in der
Jaust.
„Nun kommt ihr tapfern Kriegs
knechte!" sprach er und fuhr sie lang
sam durch die Büsche. „Kommt,
ihr sollt «in gar fürstliche Begräb
niß haben."
Knirschend wand sich di« eisern«
Pforte der ausgeraubten Gruft in den
rostigen Angeln. Das Mädchen, das
den Schrei ausgestoßen hatte, sah
verstohlen und furchtsam durch die
Zweige. !» l ckt si de Alk
können Dir nun kein Leides mehr
thun. Psliicke Blumen und winde
Kränz«, wir wollen sie zur letzten
Ruhe betten."
Darauf trug er sie in die Gruft
und legte sie in di« b«iden leeren
Särge. Das Mädchen aber kam
und füllt« schweigend die Särge bis
obenhin mit gelben Primeln, blauen
Veilchen und hellgrünen Birkenblät
zog mit ihnen und zertrat die blühen
den Städte Reichenbach, NimptiH
und Goldberg. Hinter ihm aber schlich
Frechdachs.
Herr Rentier Bliemchen aus Per
ne lommt zuüi ersten Mal« nach Ber
lin und geht bummelnd durch die
Straßen. Da bleibt ein Schuster
junge vor ihm stehen und lacht ihn
an. Herr Bliemchen fragt den Jun
gen nach der Ursach« seines Lachens,
ohne jedoch einer Antwort gewürdigt
zu werden. Der Junge lacht wei
ter. Herr Bliemchen, der neugierix
ist, den Grund der Heiterkeit zu er
fahren, bietet dem Jungen für diese
Auskunft drei Mark. Der Schu
sterjunge steckt dankend die Münze
in die Tasche und sagt: „Worüber
ick lache, wollen Sie jerne wissen,
Herr Baron?! Janz eenfach, ick la
che iebert janze Jesicht!"
Sein Malheur.
Frau, man muß mich bloß zu nehmen
wissen!
Er: Ach, warum habe ich das gc-
Mutti, anwortet der Kleine ganz
vergnügt, ich will doch mal sehen,
ob's wahr ist, was wir in der Schu
le gelernt haben, daß der Mensch aus
Staub gemacht sei."
Sohn: Bist du dessen sicher Papa?
Vater: Absolut sicher, ohne den
geringsten Zweifel.
.Findest Du nicht, liebe Paula,
daß sich mein Zukünftiger in der letz
-Radikalkur. Patient (der
Herr Doktor. Was für Art
Spritze soll ich mir dazu anschaffen?
Arzt: Am besten wohl eine Feuer
spritze.