Scranton Wochenblatt. (Scranton, Pa.) 1865-1918, August 18, 1910, Image 3

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    Aie heilige Pflicht.
(S. Fortsetzung.)
Leonvre verließ denn auch ohne jede
Entgegnung das Zimmer. In ihrer
Stube aber, die das Boudoir ihrer
vor sechs Jahren verstorbenen Mutter
gewesen war und die noch aus jener
Zeit eine Einrichtung von verschwen
derischer Ueppigkeit zeigte, setzte sie
sich sofort an den Schreibtisch, um
zunächst eine für Dorning bestimmte
Entschuldigung auf da» Papier zu
werfen. Dann legte sie sich einen
zweiten Briefbogen zurecht und
schrieb: „Meii lieber Herr Wilberg—"
Weiter jedoch lam sie nicht. Mi
nutenlang lag ihre Hand wie gelähmt
auf der Tischplatte, dann ließ sie sie
schlaff herabsinken und lehnte sich mit
einem schweren Athemzuge in den
Sessel zurück.
Lange saß sie so mit geschlossenen
Augen und ungestüm arheitender
Brust. Plötzlich aber raffte sie sich
auf, und während ihr schönes Gesicht
mehr und mehr einen Ausdruck her
ben Trotzes annahm, schrieb sie, ohne
nur ein einziges Mal zu stocken oder
zu zaudern: „Nach einem Wunsche
meines Verlobten, dem ich mich nichi
widersetzen kann und will, wird meine
Vermählung schon in allernächster
Zeit, jedenfalls noch vor Eintritt des
Winters, stattfinden. Ich habe mich
entschlossen, bis dahin allen geselligen
Zusaminenlünften auszuweichen, und
steckte sie den Brief in den Umschlag,
versah ihn mit der Adresse des Leut
nants Bruno Milberg und klingelte
16. Kapitel.
der Agent Rüthling durch eine der
verkehrsreichsten Straßen. Da, als
er eben an der Lichtfülle eines glän-
Jch bitte recht sehr um Entschuldi-
Jhnen zusammen zu sehen. Aber
setzen Sie doch Ihren Hut auf, Rüth
ling! Was sollen denn die Leute
denken?"
„Ja, ja, Herr Delmonte ent
schuldigen Sie nur. ich bin so zer
streut. Bei den schlechten Geschäften
man den Kopf ja immer voll
dung der Seitenstraße zu, und der
Agent lief in lleinem Abstände hinter
shm drein, bis es dem anderen gefiel,
sich nach ihm umzuwenden.
„Vielleicht kann ich Ihnen Gelegen
heit geben, sich eine kleine Provision
zu verdienen", sagte Delmonte, seine
Stimme dämpfend, obwohl sie ganz
allein waren. „Sie stehen doch mit
Möwiq immer noch auf dem alten
Fuße?"
„Ich gehe ihm hier und da bei der
Ordnung seiner Bücher zur Hand.
und daß Sie mit dem alten Gauner
hoch steht der Leutnant Wilberg bei
ihm in der Kreide?"
geschäftlichen Angelegenheiten —"
Sie es bleiben. Guten Abend!"
Augenblick Herr
schreiben lönnen."
.Oh. Herr Delmonte! Der Sohn
de« reichen Wilberg!"
„Der Alte rückt nichts mehr her
aus, darauf lönnen Sie sich verlassen.
Ich weiß es aus der sichersten Quelle."
„Sie machen mir Angst. Möwig
ten ist. Ich lenne August Wilberg
Denn von meinen Beziehungen zu
Möwig darf er selbstverständlich nichts
wissen."
tue Geschichte?"
fenbar nicht den Muth, sich ihrer
Beantwortung zu entziehen. „Mein
alter Freund Wilberg verlehrte da-
Hause, und es hatte allerdings den
Anschein, als ob er sich für meine
Schwägerin interessirte. Zu einer
Erklärung aber ist es meines Wis
sens niemals gekommen."
„Bielleicht deshalb, weil die junge
Dame vorzog, eines TageS mit dem
Defraudanten Rieckhosf durchzugehen!
Was ist denn übrigens aui ihr ge
„Kann ich mir wohl denken.
Aber um wieder auf die Hauptsache
zu kommen: wenn Sie Lust haben,
ein paar hundert Mark zu verdienen,
müssen Sie Ihren Freund Wilberg
in seinem Vorsatz bestärken, keinen
Pfennig mehr für den Leutnant zu
bezahlen. Nach seinen letzten Erfah
rungen mit dem Schwiegersohn soll
er ja ohnedies nicht sehr gut auf seine
Nachkommenschaft zu sprechen sein."
„Aber ich kann doch nicht gegen
das Interesse des Herrn Möwig —"
„Sollen Si? auch gar nicht. Ich
Wechsel des Leutnants Wilberg zu
kaufen unter Diskretion natürlich.
Auch Möwig dürfte den Käufer nicht
kennen. Wenn Sie ihm vorher ge
hörig bange machen, wird er froh
sein, die werthlosen Dinger los zu
werden, ohn« viel nach dem Abneh
mer zu fragen. Schlimmstenfalls
schieben Sie einen von Ihren Be
kannten vor. Sie haben ja, soviel
ich mich erinnere, 'mmer ein paar
„Es wird schwer zu machen sein,
Herr Delmonte, sehr schwer. Bei dem
mißtrauischen Charakter des Herrn
Möwig —"
„Würde ich Ihnen eine Provision
anbieten, wenn ich nicht wüßte, daß
Sie ein bißchen Schlauheit werden!
aufwenden müssen? Natürlich möchte
ich die Wechsel so billig als möglich
haben."
„Unter dem vollen Nominalbetrage
gibt Möwig sie auf keinen Fall her.
Das kann ich Ihnen im voraus sa
gen, Herr Delmonte!"
„Na, um es kurz zu machen: mei
netwegen zu dem vollen Betrage, auf
den sie lauten. Aber das Geschäft
müßte bald perfekt werden, späte
„Schon in allernächster wie
ich glaube. Aber Möwig wollte na
türlich prolongieren."
den sie leinen Werth mehr für mich
haben. Der Leutnant hat selbstver
ständlich auch einen Ehrenschein gege
ben?"
„Ich glaube wohl, denn anders
macht Möwig ja nie ein Geschäft mit
Offizieren."
„Also hören Sie mein letztes Wort,
Rüthling: ich zahle für die Wechsel
den vollen Betrag, wenn mir gleich
zeitig auch der Ehrenschein ausgehän
digt wird. Ich gewähre Ihnen eine
Provision von dreihundert Marl,
wenn sich die Papiere innerhalb dreier
Tage in meinem Besitz befinden."
„Sie wollen den Leutnant in Ihre
Hand bekommen, He r Delmonte?
Und wenn 'rgend jemand erfährt,
daß ich mit der Sache zu schaffen
habe, sr sind wir für alle Zukunft
geschiedene Leutc."
„Ich werde gewiß thun, was in
meinen Kräften steht. Einen Ver
dienst von dreihundert Mark läßt
sich in diesen elenden Zeiten
so kurze Frist
„Machen Sie keine Redensarten,
Bester! Sie wissen, daß es mit mir
kein Verhandeln mehr gibt, sobald ich
mein letztes Wort gesprochen habe.
Und nun lassen Sie Ihren Freund
Wilberg nicht länger auf das Ver
gnügen Ihrer Gesellschaft warten.
Guten Abend'"
den Hut in der Hand, ehe er sich dar
auf besann, dah v in de- That Ver-
anlassung hatte, feine Helmkehr zr
beeilen.
gab es seltsamerweise noch immer
einzelne Grundstücke, die sich ihren
ursprünglichen, halb ländlichen Eha
ralter fast unverändert bewahrt hat
ten. weil die Eigenthümer aus
Gründen der Pietät oder der aus
weitere Preissteigerungen wartenden
Geschästsllugheit noch immer zö
gerten, sie der Bauspekulation auszu
liefern.
Bielleicht das merkwürdigste von
diesen Ueberbleibseln aus einer von
der raschlebigen Gegenwart schon
halb vergessenen Zeit war das Be
sitzthum der verwittweten Frau Re
gistratur Adelheid Hermuth am äu
ßersten Ende der fast in ihrer gan
zen Ausdehnung mit himmelhohen
Mielhslafernen besetzten Hoch
, Braße.
Die Eltern der jetzt mehr als
! fünfzigjährigen Dame hatten da
eine schon von ihren Vorfahren er
erbte Gärtnerei betrieben, bis sie in
der Zeit des großen Goldregens durch
! den Verkauf eines beträchtlichen
! Landstreifens in den Stand gesetzt
worden waren, das müheselige und
wenig einträgliche Geschäft aufzuge
ben und den Rest ihrer Erdentage
, in behaglicher Ruhe zu verbringen.
Zur Ausnahme irgend eines anderen
Miethers freilich würde sie sich wohl
nur schwer entschlossen haben, denn
lein ganz passender Umgang für sie
und für August Wilberg gewesen
war. Aber die junge Welt hier
stämmigen, kraftstrotzenden und stets
zu allerlei Gewaltthaten aufgelegten
August Wilberg gewesen. Er hatte
sich knuffen und prügeln lassen, ohne
jemals die Hand zum Widerstande
zu erheben und ohne seinem Peiniger
von einem Tage zum anderen etwas
ben lassen.
Rüthling hatte ihr erzählt, daß er
sich nach mancherlei wenig erfolgrei
chen Versuchen in anderen Berufsar
ten sür die Erwerbsthätigleit eines
Agenten entschieden habe, die ihm ei
nen recht anständigen Unterhalt ge
währte, und er hatte ihr auch feine
Frau zugeführt, von der er mit au
genfälligem Stolz berichtete, daß 'ie
aus sehr guter Familie s»i und eine
vorzüglich? Erziehung genossen habe.
Der Wittwe Hermuth hatte die so
recht wenig gefallen wollen. Sie
war ihr zu gespreizt und für ihre
bescheidenen Verhältnisse viel zu
prahlerisch vorgekommen. Aber mit
der Zeit hatten sich die beiden
Frauen doch aneinander gewöhnt,
und seitdem die Witwe des Regi
strators dem Ehepaar gegen mäßigen
Stockwerk eingeräumt hatte, war
das Verhältniß nur selten durch klei
ne Mißhelligkeiten vorübergehend ge
trübt worden. Die meisten von
ihnen datirten aus jener nun
schon um mehr als zwei Jahre zu
rückliegenden Zeit, wo Fräulein
Valeska Seydelitz, die jugendliche
Schwester der Frau Rüthling, eine
Mitbewohnerin des kleinen Hauses
in der Vorstadt gewesen war. Nie
mand hatte erfahren, woher das auf
pflegte.
Wenn Frau Adelheid Hermuth
schon dies alles für ein armes Mäd
chen höchst unpassend gefunden hat
te, so war ihr Mißtrauen gegen
Fräulein Valesla mehr und mehr zu
ausgesprochener Abneigung gewor
den, als sie wahrzunehmen geglaubt
hatte, daß die junge Dame auf eine
nach ihrer Ausfassung geradezu un
verschämte Weise mit August Wil
berg, dem Herzensfreunde ihrer eige
nen Backfischjahre, lolettire. Sie
hatte es anfangs mit lebhafter Freu
de begrüßt, so daß der Jugendge
spiele, für den sie wirklich noch im
mer eine kleine Schwäche hatte, hier
und da als Gast unten in der be
scheidenen Behausung der Rüthlings
erschien, und mit weiblicher List hat
te sie es gewöhnlich einzurichten ge
wußt, ihm „zufällig" dort zu begeg
nen, auch wenn sie von ihren Mie
thern nicht ausdrücklich eingeladen
worden war, aber die Beobachtungen,
die sie bei solchen Gelegenheiten ge
macht, hatten ihr anfängliches Ver
bal!? in das Gegentheil verwandelt.
Sie hegte schon nach lurzer Zeit nicht
mehr den geringsten Zweifel, daß es
der hübschen Valesla allen Ernstes
darum zu thun sei, den reichen Witt
wer für sich einzufangen, und ihre
Entrüstung wuchs in demselben Ma
ße, als August Wilbergs Wohlgeftil
hätte seine Tochter sein lönnen. Sie
hatte vor den Rüthlings lein Hehl
aus ihrem Unwillen gemacht, und
wahrscheinlich wäre die bisherige
Freundschaft ganz in die Brüche ge
gangen, wenn nicht Fräulein Valesla
selbst alle Befürchtungen der Regi
stratorswittwe dadurch zerstreut hät
te, daß sie eines Tages ohne Ab-
Das war eine sehr unangenehme
Zeit für das Ehepaar Rüthling ge
wesen, denn man lonnte sehr bald
der Gesellschaft eines Herrn bewirkt
hatte, für den sich die Polizei sehr
lebhaft interessirte, da er dem Geld
schrank des Bankhauses, bei dem er
als Kassirer angestellt gewesen war,
eine Summe von beinahe zweimal
hunderttausend Mark als Reisegeld
In diesen schweren Zeiten aber
hatte sich das gute Herz der Wittwe
Hermuth von seiner besten Seite ge
zeigt. Allen Groll und alle Miß
stimmung vergessend, hatte sie ihre
Freundschaft sür die Rüthlings offen
vor aller Welt zu Schau getragen,
wie um sich damit für ihre Recht
schaffenheit zu verbürgen, und da es
den Behörden trotz aller Bemühun
gen nicht gelungen war, des durch
gebrannten Kassirers Rieckhoff oder
seiner schönen Begleiterin habhaft zu
werden, hatten sich denn c«ich bald
die wohlthätigen Schleier des Ver
gessens über jenes fatale Ereigniß
gebreitet. August Wilberg aber
hatte von Stund an seine Besuche
im Rüthlingfchen Hause eingestellt,
und die Wittwe Hermuth hatte von
Ihm nur noch in jenem sanft elegi
schen Tone gesprochen, den sie je
desmal anschlug, wenn von einem
theuren Verstorbenen die Rede
war.
Als Paul Rüthling sich an die
sem Abend dem kleinen Hause nä
herte, sah er die Fenster des Wohn
zimmers unerkuchtet ein sicheres
> in einem Tone, wie man zu einem
unbotmäßigen Kinde zu sprechen
pflegt. „Das Abendessen ist seit ei
ner halben Stunde fertig, und eben
solange sitzt Wilberg hinten in der
Laube, um mit der theuren Adel
heid in sentimentalen Jugenderinne
rungen zu schwelgen. Heute wenig
stens hättest du deiner gewöhnlichen
Nachlässigkeit doch einmal Herr wer-
Rüthling, der noch kleiner und ge
drückter aussah, seitdem er der
schlanken, kerzengeraden Gestalt sei
ner Frau gegenüber stand, entschul
digte sich beinahe demüthig: „Ich
habe wirklich leinen Vorwurf ver
dient, Elise! Ich wäre auch rechtzei
tig zu Haus gewesen, wenn mich
nicht Delmonte zu einer wichtigen
Besprechung auf der Straße angehal
ten hätte. Es handelte sich dabei für
mich um einen Verdienst von drei
hundert Mark, und du wärest wohl
schwerlich damit einverstanden gewe
sen, wenn ich ihn mir hätte entgehen
lassen."
In die graugrünen. Augen der
Frau war bei seinen letzten Worten
ein ganz eigenes Glitzern gekommen.
„DaS muß ja etwas Besonderes sein,
wofür dieser Halunle dreihundert
Mark opfern will. Was sollst du
denn dafür thun?"
Rüthling wiederholte mit.vorsich
tig gedämpfter Stimme den Inhalt
des mit Delmonte geführten Gesprä
ches. Sie hörte zu. ohne ihn pi
hatte, schüttelte sie unmuthig den
Kopf. „Du hast dich übertölpeln las
sen wie immer. Für einen Dienst,
an dem ihm augenscheinlich so viel
gelegen ist, und den ihm lein ande
rer leisten kann als du. hättest du
mindestens das Doppelte aus ihm
herauspressen müssen. Aber mit
dem, was er von August Wilberg
gesagt hat, ist es schon richtig. Er
ist voll Gift und Galle gegen seine
Kinder. Die sanfte Adelheid redet
natürlich zum Guten und hat schon
ganze Bäche von Thränen über seine
Hartherzigkeit und Unversöhnlichleit
vergossen. Darum beeile Dich, in
den Garten zu kommen, sonst bringt
sie ihn wirklich noch dahin, wenig
stens dem Leutnant zu verzeihen, und
wir kommen schließlich sogar um diese
armseligen dreihundert Mark, die
wir niemals nöthiger gebraucht ha
ben als eben jetzt."
„Ja. ja, ich gehe schon. Aber
Du wirst mich doch nicht zu lange
I mit ihnen allein lassen, Elise? Ich
weiß nicht, wie es zugeht, aber gegen
die Hermuth lann ich nie recht aus
! kommen. Es muß wohl noch eine
Nachwirkung aus der Kinderzeit
sein, wo sie mir in ihren hübschen
sauberen Kleidern und mit ihren Ho
nigsemmeln immer wie eine Prinzes
sin vorkam."
Frau Elises nrzogen^sich
ling gewesen bist, glaube ich Dir auch
ohne besondere Bersicherung. Aber
zehn Minuten lang wirst Du ihr
Rüthling verschwand durch den
Hinteren Ausgang der' Diele nach
dem Garten hin, aus dessen Tiefe ihm
ein durch grünes Blättergewirr ge
7. Kapitel.
schütz versehene Lampe traulich erhell- .
ten Laube saßen August Wilberg ,
und Frau Adelheid nahe
Als Rüthling in den Eingang der z
nes ansichtig wurde. „Wie war'»
mit dem ersten Kuß, Rüthling?
Ich erinnere mich noch ganz genau,
-- nicht umgekehrt. Denn dazu
> sen. Jetzt will sie's natürlich nicht
gethan haben." n
' Der Agent verzog sein zerknitte»
:es Gesicht zu einem verlegenen Lä
cheln. „War es nicht damals. Wil-
Steinen zu bewerfen, von denen ich
alle Taschen voll hatte. Aber ich
hatte wohl gleich beim ersten Wurf
gewicht und purzelte über das schrä
ge Bretterdach hinunter. Ich weiß
noch genau, daß ich im Fallen dachte:
Jetzt i's aus, und sie können dich
nachher als ein Häufchen Hackfleisch
nach Hause tragen."
Ein sonderbarer, schluchzender
Laut aus Frau Adelheids Kehle ver
anlaßte ihn, sich zu unterbrechen und
ihr sein Gesicht wieder zuzuwenden.
Da saß die rundliche Registrators
wittwe als ein Bild tiefsten Seelen
schmerzes. Ihre Häkelei lag auf dem
Tische, aus dem Arbeitstäschchen aus
ihrem Schoße aber hatte sie ein wei
ßes Tüchlein gezogen, um es vor
ihre überfließenden Augen zu drücken,
und ihre von der Natur recht freige
big ausgepolsterten Schultern zuck
ten wie die eines in Thränen ausge
lösten Kindes.
„Aber Adelheid!" rief Wilberg
lachend. „Du brauchst doch heute
nicht mehr über meinen Sturz zu
weinen. Der Hund hat mir ja
auch nichts gethan."
Aber die Wittwe weinte weiter.
„Es war zu schrecklich. August!"
schluchzte sie. „Wenn er dich gebissen
hätte, ich glaube, ich wäre auf der
Stelle gestorben."
„Na. umso besser, daß er sich's
rechtzeitig überlegt hat, denn es wäre
liches Zusammensein gekommen wä
ren. Damals war ich ja sehr er
staunt, als der Köter angesichts mei
denn diese Hunde sind wie die Men
schen, und ich Hab's inzwischen oft
genug erfahren, daß die nicht die ge
fährlichsten sind, die am lautesten
den stillen Schleichern in acht nehmen,
die einem nach den Waden schnap
pen, wenn man am wenigsten darauf
gefaßt ist."
Frau Adelheids Thränen waren
wiihrend seiner tiefsinnigen Betrach
tung versiegt. Sie hatte das Taschen
tüchlein in den Arbeitsbeutel zurück
befördert und wieder nach dem Hä
lelzeug gegriffen. Ihr rundes Ge
sicht aber war ebenso rosig und heiter
wie vor dem plötzlichen Schmerzen -
ausbruch ihrer weichen Seele.
„Pfui, August!" sagte sie mit mil
dem Vorwurf. „Man kann doch kei
nen Vergleich ziehen zwischen mensch
lichen Wesen und unvernünftigen
nünstigen Thieren damit meistens
schweres Unrecht thut. Oder glaubst
Du, meine gute Adelheid, daß ein
Frau Adelheid hatte es ersichtlich
nicht die Einsicht des Alters. Wir
lers geschämt hat nein, das ver
gess' ich ihm nicht! Würdest Du Dich
vielleicht schämen. Adelheid, mich aus
„Ich? Ach nein! Aber er
ben, wenn du ihn bloß aus gekränkter
Eitelkeit zurückweisen könntest."
lFortletziina folnt.'
Belehrung. A.: „Ich
steht?" B.: „Na. glauben Sie
Für die Küche.
Gebackene Zungenschei
ben. Eine kleine schöne Ochsen
zunge wird nach dem Waschen unk
Reinigen in Wasser mit etwas Salz
weichgelocht. Sie muß in der Brühe
auskühlen, wird dann abgehäutet und
in fingerstarle Scheiben geschnitten.
Diese wendet man in zerquirltem Ei.
bestreut sie mit sehr wenig Pfeffer,
nach Belieben auch mit feingehackten
Zwiebeln und feingehackter Petersilie,
wendet sie in geriebener Semmel und
läßt sie in heißgemachter Butter auf
beiden Seiten schön goldbraun backen.
Spargelgeiniise. Der ge
schälte mittelstarle Spargel wird in
kurze Stücke geschnitten und in Salz
wasser fast gar gelocht; er darf nicht
zu weich werden. Nun läßt man in
einer Kasserolle ein großes Stück But
ter zergehen und hellgelb werdfn, gießt
U Pwt gute süße Sahne dazu
(im Nothfall Milch), locht Beides zu
mit Salz, etwas weißem Pfeffer u",d
geriebener Muslatnuß, läßt Alles
nochmals auflochen und richtet es in
erwärmter Schüssel an. Wer es liebt,
kann die Brühe mit etwas in Butter
gelb gedünstetem Mehl verlochen.
Holsteiner Klöße. Man
nehme ungefähr 1 Quart Mehl, ver
mische das nöthige Salz damit und
menge dann unter stetem Umrühren
so viel lochendes Wasser dazu, als zir
einem richtigen Klöße-Teig nöthig ist.
Nun werden 3—4 Eßlöffel kochendes
Wasser gegeben, bis sie gar sind, was.
man Probiren muß. In Holstein
wird dazu eine süß-saure Sauce ge
geben, sie schmecken vorzüglich.
Auflauf von Aepfeln
und Brot. Ein gehäufter Sup
penteller in Scheiben geschnittener
Aepsel, ebenso viel geriebenes halb
Schwarz-, halb Weißbrot, Pfund
Zucker. Rosinen, 2 Eidick frische But
den im Backofen gebacken.
Kalbsrücken. Ein Kalbsrücken
wird gehäutet, die Rippchen vorsichtig
abgehackt oder, noch besser, ganz Her
lnochen im Fleisch bleibt. Das Bauch
legt es 2—3 Tage in Milch. Vor
dem Gebrauch trocknet man es ab,
spickt es, und setzt es mit Butter zu^
Fisch
guter Hitze backen.
Gewöhnliche Kartoffel
-1 l ö ß e. Hierzu werden erkaltete Kar-
denem Fleisch. Frisch gebratenes oder
gelochtes Rind-, Kalbfleisch u. s. w..
von Haut und Sehnen befreit, wird
in Würfel geschnitten. Eine kleine
Zwiebel, sehr fein gehackt, 1 Thee
löffel Senf, 5 —6 Löffel Olivenöl, 1
Löffel Estragon-Essig, 1 Löffel ge
hackte Petersilie, Salz und Pfeffer
2 Eßlöffel Kapern. Hat der Salat
etwa 2 bis 3 Stunden auf Eis ge
standen, damit er gut durchzieht, 112»
gelochten Eiern, Sardellen,
u. s. w.