Scranton Wochenblatt. (Scranton, Pa.) 1865-1918, June 30, 1910, Image 6

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    Der Ki«t«at»ftraph.
Fräulein Elin Janssen, die davo»
lebte, Stickereien für Geschäfte anzu-
Icrttgen, stand an dem Fenster ihres
Fimmers, das sie mit einer Telepho
mistin theilte, noch nicht frisirt, im
lpeignoir. Sie hielt einen Spiegel in'
der Hand und betrachtete traurig ihr
vraues Gesicht in dem grauen Mor
genlicht. ,
Ach, du guter Gott na, gar so
gut war er eigentlich i<icht —, warum
sah sie um so Viele» älter au», al»
sie war? Warum diese bleifarbenen
Beutel unter den Augen, auch
waren durch das Sticken
»ahrauS, jahrein. Warum so viele
icharse Striche und Falten aus der
Etirn, um die Mundwinkel, um die
stlugen warum war alle» so grau
mnd verwüstet, so viel älter als e»
lein sollte.
Jeden Morgen unterwarf sie sich
Kiefer qualvollen Musterung vor dem
lSpiegel bei vollem Tageslicht mit
Oufammengebissenen Zähnen zwang
Nie sich förmlich, die Verwüstungen zu
«rufen, in der wahnwitzigen Hoff
mung, daß etwa» eintreffen könnte,
sbas ihnen Einhalt that. -
> Denn sie selbst konnte ja nichts
thun sie hatte wirklich kein Geld
»llr Schönheitsmittel und hübsche
«leider es war gut, wenn es für
!die Miethe reichte. Ohnmächtig, mit
Händen im Schooß, mußte sie sich
ffelbst welken sehen, ohne je geblüht zu
Ihaben, vertrocknen, sterben, ohne daß
Ne je gelebt hatte. Wie war das
ungerecht ungerecht. Warum
»nußte das gerade ihr geschehen? Wa
rum mußte gerade sie einsam, verlas
iwungen, ohne Unterlaß zu arbeiten,
!n einer drückenden Einförmigkeit,
nur um das Brot für den Tag zu
— ohne je jemanden zu treffen,
fragte.
Wenn ich mich doch wenigstens un
glücklich verlieben könnte, dachte sie
verzweifelt, daS wäre doch etwa»,
>— Leben, sagte sie zu dem Spiegel
ach lieber Gott leben.
Aber es war wohl schon zu spät,
osen Frohsinn, der sang: die Ju
>end. Und i-us der Tiefe ihres alten
ZungfernherzenS, daS so wie ihr Ge
sicht schon um so viel älter war als
ze sie sie noch hatte, geachtet, sie
zenlltzt gelebt hätte. Und dieses
letzte, mystische Wort, in das sie alles
>gte, was sie sich vergeblich ge
miger rother Ziegelhäuser, die die ein
zige Aussicht ihrer Tage waren, stieg
iine unruhige Hitze in ihr aus,
ren aufgeflammt und brannten roth,
kingstlich hob sie l,en Spiegel: würde
sie wirklich sterben müssen, ohne je
Kelebt zu haben? Konnte eS nicht
trotz allem möglich sein, etwas von
Da begegnete ihr wie eine Ueber
»aschung ihr Gesicht im Glase sie
wie rettungslos müde und ver
herliche Wehmuth war wie ein
Zchlag mit der Hand in ihr Ange
icht.
„Zu spät, zu spät", flüsterte sie
.
„ ß Tch
» « » /
Mit Fräulein Janssen >-ar es so,
aß, obgleich sie sich oft über ihr ein
imeS und zweckloses Leben beklagte,
essen größte Ereignisse die Sonntag
littagessen waren, obgleich sie oft ge
,.ug über ihrer Stickerei weinte und
sich leidenschaftlich sogar den Tod als
kleine Abwechtlung wünschte, sie eS
Ihre verheirathete Schwester, «in
kleine», dickeS, selbstzufriedenes Wc
fühlen das zwitschernde Lachen
ihrer kleinen Nichte zu hören die
eifrige, langweilige Stimme der
Schwester wie ganz unentbehrlich
war nicht dieses glückliche Wesen
und die schwerfällig entschiedenen Re
den deS Schwagers, der so unerschüt
terlich ruhig und sicher war, daß er
sich sicherlich gar nicht vorstellen
konnte, daß so etwaS wie, hilflose Un-
und behaglich war.
Aber sie beherrschte ihre Sehnsucht,
denn eS durfte unter Bedin
fehen"m«ine Liebe bin ich nicht
gerade an diesem Tage bei Direktor
Frankon geladen das wäre wirk
lich ein Pech."
eingeladen hat..." und so weiter.
„Bist Du aber verrissen", sagte die
Schwester etwas säuerlich, und Fräu-
So war eS ihr allmählich gelun
gen, sich eineti eingebildeten, aber sehr
stinen UmgangStreiS zu verschaffen,
damit die Leute sie nicht für ganz ifo
lirt halten sollten. DieS war so all
mählich zur fixen Idee bei ihr ge-
Ton.
hoch, bis die Ankunft de» Gegenstan-
selbst bis Morgens liegen^
ten Silberstreisig
blinkten die Trottoirs, und die Was
serpfützen spiegelten weiße Wölkchen
sen Rauschen und sie überließ sich all
dem in herrlicher, pflanzenhafter Ru
he, die sich in zögernde, unschlüssige
Gedanken auflöste: ein Menschenschick
sal ihr unglückliche» Schicksal
Zufall das Leben des Menschen re
giert, darf er doch nicht ihn selbst re
gieren. Und ein Schicksal
glücklich oder unglücklich im gro
zeugt dieser Gedanke war v^oll
seltsam kaltem Trost. Aber dann
plötzlich: ja, aber es war ja ihr
Schicksal! Warum sollte gerade ihres
so traurig und leer sein? Eine» an
ihres!
Sie kam in den Kinematographen
und fetzte sich auf ihren Funfzigpfen
nigplatz zu dem gewöhnlichen Publi-
Tod warteten lauter arme, häßli
che, abgehetzte Leute die Opfer des
Alltagsleben» Nummern und Nul
sie sich vielleicht! Mitten unter ihnen
saß Fräulein Janssen und sehnte sich
auch aus ganzem Herzen. Ach, da
nem Wintertag. Im Vordergrund
kniete ein junger Mann, der einem
stehenden Mädchen die Schlittschuhe
anschnallte, die ihr lächelnde» Gesicht
und ihre großen fröhlichen Augen
zeigte und dann verschwand nie
blitzartigen Lächeln ihre Weißen Zäh
ne zeigte, hatte sich ein heftiger Neid
ihrer bemächtigt.
und vergnügt zu sein!
Sie schlug die Hände vor's Gesicht,
nicht sehen zu müssen.
leicht mit Mitleid! Sie biß sich in
die Unterlippe, denn sie fühlte die
Tränen gleich einem warmen Strom
eS war glücklicherweise dunkel, und
sie dämpfte es mit dem Muff. Die
Vorstellung war gleich darauf zu En
de, die Lichter blitzten auf und da»
Publikum begann gleichsam wider
strebend den Saal zu verlassen. Sie
hatten sich nun aus diesem dürftigen,
von der Anstrengung, lautlo»
zu schluchzen, ror Gemüthsbewegung
feuerroth.
betrachtet sah sie
hatte, oder er war neugierig, weil
über die Gasse gehen -- alles ist
Man denke jemand bemerkte sie!
Was würde jetzt geschehen? Würde
er sie ansprechen? Sich vorstellen.
naler Typus, klein, blaß und von et-
Worte: „Ein elendes Wetter heute
leicht beleidigt? Aber ich habe Sie
nahen.^— Mitleid immer Mit«
von Menschen bitter bitter war
das. Oh oh!
vor Groll und Schmerz. Der glatz
köpfige junge Mann trat ungeduldig
,on einem Fuß auf den andern, wäh
rend er zuhörte, und wenn Fräulein
Janssen aufgesehen hätte, würde sie
bemerkt haben, daß feine Miene von
willen überging. Er stand da und
wünschte sich hundert Meilen weit
von dieser Wasserkunst fort, die er
thöricht genug gewesen war, anzu-
„Warum? Bitte hier ist der
Schlüssel."
Ja, jetzt war eS gesagt, jetzt wußte
die ganze Welt ihr trauriges Geheim
niß. Noch begannen die
fiel klingend auS ihrer Hand.
Wo waren ihre Hände. Er hielt
sie in den seinen er stand mit dem
Rücken gegen die Wand und hielt sie
in aller Welt sollte er mit diesem
Griffs
langte und wie sie überhaupt die fol
gende Nacht überlebte, bis der Tag
mit seinen Stickereien, seinem Kaffee
und seinen Aspirinpulvern als Hilfs
truppen kam, das begriff sie selbst
Stolpe».
bleiN. Mit der ist sie jedoch
möglich schläft. Namentlich das
Letzte. Wenn sie überhaupt dächte,
würde sie denken, daß der Schlaf der
Auf einer Brücke.
Mein alter Kurumaya Haichichi
fuhr mich zu einem berühmten Tein-
AIS wir zu einer gewölbten alter
thümlichen Brücke kamen, die über
den Shirakawa führte, bedeutete ich
ihm. zu halten, um die herrliche
Aussicht ein wenig zu genießen. Un
t«r dem leuchtenden Sommerhimmel,
von einer Fluth strahlenden Sonnen
scheins umspielt, schienen die Farben
des LatideS von fast unwirkliche:
Schönheit. Unte: uns rieselte und
rauschte
die schönen grauen Umrißlinien de»
Schlosses zeichmten sich scharf gegen
Nacht?" fragte ich.' !
„Nein", sagte der alt« Mann. ,e»
war am Nachmittag ein trüber,
nasser Tag. . . Sie kämpften und die
Stadt stand in Flammen." ,
„Wer kämpfte?" !
„Die Soldaten in dem Schloß
kämpften mit den Männern von
Satsuma. Wir gruben Löcher in
die Erde und hockten un» hinein, um I
den Kugeln zu entgehen. . . Die
Satsumamänner hatten Kanonen,
aus den Hügeln, und die Soldaten «
im Schlosse schössen über Misere Kö- I
pfe hinweg auf sie. . . Die ganze I
Stakt wurde eingeäschert."
„Aber wie seid Ihr nur hierüber!
gelangt?"
reichen zu können, die etwc> sieben
Meilen, von hier ist. Aber sie hiel
ten mich an."
„Wer hielt dich an?"
ich hielt sie für Bauern an der
Brüstung lehnen: Männer mit gro
ßen Strohhüten, Strohregenmänteln
und Strohsandalen. Ich sprach sie
höflich an, und einer von ihnen
wandte den Kopf und sagte: „Du
bleibst hier!" Das war alles, was er
sagte, die andern sagten gar nicht».
Da sah ich, daß es keine Bauern
waren und erschrak."
„Woher wußtest du, daß eS keine
Bauern waren?"
„Sie hielten lange Schwerter un
ter ihren Regenmänteln verborgen,
sehr lange Schwerter. ES waren
sehr große Männer. Sie lehnten
an der Brüstung und sahen in den
Fluß hinab. Ich stand neben^ihnen
Pfeiler links und machte e» so wie
sie. Ich wußte, sie würden mich töd
ten, wenn ich mich vom Fleck rührte.
Keiner von ihnen sprach ein Wort,
und so standen wir alle vier lange
an der Brüstung."
„Wie lange?"
„Ich weiß eS nicht genau, e»
muß sehr lange gewesen sein. Ich
sah die Stadt lichterloh brennen. In
all der Zeit sprach reiner der Män
ner zu mir, keiner sah mich an. Ihre
Augen waren starr auf da» Wasser
gerichtet. Plötzlich hörte ich Hus
schläge und sah einen berittenen Os-
fizier im Trab heransprengen,
„Aus der Stadt?"
„Ja, gerade den Weg hinter Ih
nen. . . Die drei Männer beobachte
ten ihn verstohlen unter ihren gro
ßen Strohhüten, drehten aber den
Kopf nicht nach ihm. Sie thaten,
als blickt» sie hinab in den Fluß.
Aber in dem Augenblick, in dem da»
Pferd auf die Brücke kam, machten
die drei Männer plötzlich kehrt und
stürzten sich auf den Offizier. Ei
ner fiel dem Pferd in die Zügel,
der andere packte den Arm de» Of
fizier» und der dritte schlug ihm
den Kopf ab alles in einem Au-
schlugen dem Offizier den
Kopf ab?"
„Ja, er hatte nicht einmal Zeit
aufzuschreien, und schon lag sein
Kopf auf der Brücke. . . Nie sah
ich etwas so schnell geschehen. Kei
ner der drei Männer sprach ein
Wort."
„Und dann?"
„Dann warfen sie den Körper
über die Brüstung in den Fluß, und
einer von ihnen gab dem Pferd ei
nen heftigen Stoß, und das Pferd
rannte fort. . ."
„Zurück in die Stadt?"
„Nein das Pferd wurde ge
radewegs über die Brücke in da»
Feld hinausgetrieben. . . Den Kopf
warfen sie nicht in den Fluß; einer
der Satsumamänner behielt ihn
unter seinem Strohregenmantel. . .
Dann standen wir wieder all« vier
an der Brüstung wie vorher und
schauten ins Wasser. Mein« Kni,
schlotterten. Die drei Samurai spra
chen keine Silbe. Ich hörte sie nicht
einmal athmen. Ich wagte nicht,
ihnen ins Gesicht zu blicken, ich sah
immer nur in den Fluß. . . Nach
einer kleinen Weile hörte ich Wied«:
Pferdegetrappel und mein Her,
schlug zum Zerspringen; ich blickt«
auf und sah einen Kavalleriesoldaten
im Galopp den Weg heransprengen.
Keiner rührte sich, bis er auf der
Brücke war; dann in einer Se
kunde lag sein Kopf am Boden.
Der Körper wurde in den Fluß ge
! worfen und da» Pferd ins Feld hin
ausgetrieben genau so wie da»
, erstemal. Drei Männer wurden so
! getödtet. Dann verließen die Sa
murai die Brücke."
„Gingst du mit ihnen?"
- „Nein, sie entfernten sich gleich,
nachdem sie den dritten Mann getöd
tet hatten, und nahmen alle Köpfe
mit mich beachteten sie gar nicht.
Ich blieb auf der Brücke und wagte
mich erst zu rühren, als sie ganz
weit weg waren. Dann lief ich in
die brennende Stadt zurück, ich
lies schnell, schnell. Dort sagte man
mir, daß die Satsumatruppen reti
rirten. Bald darauf lam da» Entsatz
heer von Tokio, ich bekam Ar
beit: ich mußte Strohsandelen für
die Soldaten in» Feld tragen."
„Aber wer waren die Männer,
die du auf der Brücke todten sahst?"
j „Ich weiß es nicht."
' „Hast du nie versuchst, e» zu er
fahren?" . . . .
s sich" die Stirne wischte, „erst viele
l Jahre nach« dem Kriege erzählte ich
etwas von . dieser Sache."
„Aber warum?" drang ich in
ihn.
I „Haichichi warf mir einen einzigen
Blick zu, lächelte mitleidig
, und sagte: „Weil e» nicht recht ge
j wesen wäre e» wäre undankbar
I gewesen."
I Ich fühlte mich tief beschämt.
> Und wir setzten unsere Fahrt fort.
Max, Du bist aber der Letzte . . .
Ein liebes Kind. „Ja,
siegst Du, mein Schatz, nach Ostern
da mußt Du zur Schule gehn, und
Tourist: „Aber wie können Sie
einen altersschwachen Mann so herun
terschimpfen!"
Bauer: „Was altersschwach?
Da ha'm S'a Idee! Dös woaß i
besser! Der hat auf der letzt'n Kirch
weih zwoa Grobfchmiedg'sell'n a so
Eine Wechselgeschichte.
Es war der Maler Wechsel Ver
liebt in Fräulein Hexel, Er hat
drei Monate nach Sicht Die
Gluth verborgen länger nicht, Sich
ihr als Freier präsentirt, Die
Lieb' nicht länger prolongirt,
Doch kam er o welch Mißgeschick!
Mit Korb und mit Protest zu
rück!"
Ihre „Werke".
„Weib Dein Mundwert ist un
erträglich!"
Seltener Fall. Schmule:
„Was notirste in Dein Buch, Aron?"
Aron: „Hab 'iner nur aufgeschrieben
Vom Kasernenhofe.
„Melde mich gesund, Herr Feldwe
bel." „Was hat Ihnen denn ge
fehlt?" „Mittelohrentzündung."
„Weiß der Kuckuck, die Herren Ein
jährigen müssen doch immer etwa»
Besonderes haben! Unsereiner begnügt
sich mit Seitenohren!"
Verplappert.
GDDM'AW
«AÄ // -'
Schwiegervater in »pe:
„Aber sagen Sie mal, Herr Berger,
warum haben Sie nicht schon früher
geheirathet?"
„Ach, ich war immer ein Pech
vogel alle Mädchen, die ich au»
Liebe Heirathen wollte, hatten immer
Heiratsvermittler."
Hieb. Parvenü: ver-