Scranton Wochenblatt. (Scranton, Pa.) 1865-1918, May 12, 1910, Image 7

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    Besiegt.
Roman von A. v. Gersd-rsf.
(3. Fortsetzung.)
me dicht hinter Agnes Wetterholt
und eine Männergestalt wurde hinter
ihr sichtbar.
„Gott im. . . Linard!". . .
Konradine war hinaus gestürzt, die
Wetterholt mit sich ziehend. Die
Gräfinmutter stand allein dem Ein
dringling, der zum Hochzeitstage ihrer
Tochter kam, »gegenüber.
» » »
Paul Breitenfeld war noch immer
sehr elend und konnte nicht ausge
hen, empfing keine Besuche und hielt
sich von den Geschäften fern. Er
überließ alles seinem ersten Buch
halter, der Prokura für die Firma
hatte. Breitenfeld sah niemand bei
sich als seinen Rechtsbeistand, den
Notar Kemps und den Fürsten
Ebersburg, der ihn täglich einmal
besuchte. Auch die Einladung zu
dessen Hochzeitsfest hatte er ableh
nen müssen, seiner leidenden Ge
sundheit halber. Sie war leidend,
wenn nicht gebrochen seit dem Tage
oder vielmehr der Nacht, in der
EberSburg ihm gesagt, daß er Kon
radine Krayn Heirathen wolle, und er
sich überzeugt hielt, daß den Fürsten
ein anderer Grund trieb zu dieser
Eheschließung als . Liebe zu dem
schönen, stolzen Mädchen.
Der Fürst kam täglich gegen
Abend, nachdem er seine Braut be
sucht hatte. Er unterhielt den
Kranken durch Plaudern über Ta
gesereignisse, durch Vorlesen aktuel
ler Schriften, durch Schachspiel, das
beide Herren meisterhaft verstanden.
Paul war viel zu klug, um sich
nicht zuweilen zu fragen, was diesen
hochmüthigen Magnaten eigentlich
wohl an ihn fessele, zu ihm ziehe?
Dcn einfachen, wahren Grund hätte
er schwerlich errathen.
Ein schwüler Abend ging zur
Rüste, Mitte Juni. Die Rosen und
Lilien auf den Rabatten im Garten
der Breitenfeldschen Villa leuchteten
im tiefen Glühen, und ihr heißer,
starker Athem durchbebte die Luft
mit schweren Düften. Aber auch jetzt
blieben sämmtliche Fenster der „mau-'
rischen Villa", wie Breitenselds herr
liches Heim genannt wurde, geschlos
sen. Paul hatte eine krankhafte Ab
neigung gegen frische Luft. ' Er
Fries verhangen, seine Fenster hat
ten luftdichten Abschluß jeglicher
Art. In seinem Arbeitszimmer
herrschte eine stark parfümirte Luft,
blauer Rauch schwerer Aegypter
durchzog den prachtvollen Raum.
mit stark duftenden Blumen besetzt
Die dumpfe Mattigkeit einer Mo»
schein Marmor, mit seinen ehrerbie
tigsten Glückwünschen. Alles, was
er schenkte, war von vornehmstem
det hätte.
können, oder vielleicht weil er
sie entziffert hatte, aber nicht fassen
zerknitterte Depesche gekrampft, leise
ächzend. Der alte Diener betrachtete
ihn angstvoll, unschlüssig, als er sich
Claudius!" ' i
Das war ein Befehl, der heischte
auf. Aber Gottlob! Er durste we-
Mcnschen, wie Paul Breitenfeld.
„Zum Hotel Bristol!"
„Fürst Ebersburg noch zu spre- >
chen?"
„Bedaure, Herr Breitenfeld. Seine ,
ins Hotel zurückkehren." !
Breitenf-ld begriff, daß er absieben ! >
heiße Wünsche und Gedanken neu
aufblitzten —vielleicht für sich selbst
noch ein Möglichkeit unsagbaren
'j „Meine Warnung kommt zu spät,
mein Fürst. Es ist geschehen, wäh
l rend ich dies schreibe, was zu ver
! hindern in letzter Minute ich noch
- hoffte: Ihre Verbindung mit dem un
glücklichen Mädchen, das jetzt wohl
schon Ihre Gattin Sie selbst
Depesche. Lediglich die Mutter trägt
vor aller Welt! Unedel ist Konra
dinenS Charakter keinesfalls; vielleicht
verbargen nur Schlacken das edle
mich Fürsprecher sein bei Ihnen für
Ihr Weib, Ebersburg, denn ich darf
es, weil ich sie wahrhaft geliebt habe
und Sie, mein Fürst und verehrter
Freund, sehr hochschätze. Leben Sie
wohl.
Paul Breitenfeld,
Hotel Bristol, 2>/H Uhr Nachmit
/ tags."
Dies Blatt schloß er der Depesche
bei, siegelte es ein, und Claudius
trug es hinauf in Ebersburgs Zim
mer.
Am später. Nachmittag kehrte
Ebersburg noch einmal ins Hotel zu
dicht:
Wie bluk'ger . I
senheit, zu der doch gar keine Ber
kel, den Brief Breitenfelds mit der
beigeschlossenen Depesche im Gehen
ner sehr entfernten Gegend der
Stadt, doppeltes Fahrgeld verspre
chend, wenn er rasch ans Ziel ge-
Ägnes Wetterholt."
„Zwei Stunden Zeit, es muß ge
hen!" sagte e» sür sich. seine Uhr zu
Rathe ziehend.
ihn sehen könn'n, wie er die recht
dunkle Treppe einer gewöhnlichen
Miethkaserne in jener lauten, lär-
Menden, gewöhnlichen Straße hin
aufstieg. dies ernste, entschlossene Ge
sicht. dies« eingepreßten Lippen! Ejn
anderer schien er geworden in dieser !
Umgehung: wer ihm begegnet:, wich >
dem großen, breitschultrigen Manne
mit den finsteren Augen aus, aber !
gewiß nicht wie einem Fürsten, '
sondern eher wie einem irgendwie «e- >
- H fahrlichen, zu etwas fest entschlosse
>, I nen Menschen. Er stieg zwei Trep-
I, ' Pen hinauf und klingelte an einer
« l Rudolf Reinhart,
t Leutnant im 5. Badischen Jnsante
i rieregiment No. 113,
- Ein Soldat öffnete ihm.
„Nun?" fragte der Fürst, ohne wei
, teres eintretend.
„Es geht besser. Herr Leutnant
- wollten durchaus das Bett verlassen
1 und befinden sich sehr schwach. Die
- Depesche kam erst vor einer Stunde."
l > „Erwartet mich also! Gut!"
t » » »
! l Mit nur gedämpftem, vornehmem
c Rollen und Zittern glitt der Luxus
t Orientzug aus der Bahnhofshalle in
> den goldhellen Sommerabend. An
, einem der Fenster stand die Fürstin
- und sah noch immer starr hinaus,
t als schon längst kein Mensch mehr
! zu sehen war und sie allein geblieben
> war mit dem Gatten. Der Fürst
! war mit einigen Briefschaften be
t gebracht worden waren als ver
> spätet eingetroffen uitd deren Jn
t halt ihn sehr in Anspruch zu neh
men schien. Er grub die großen,
l weißen Zähne in die Unterlippe und
- sah starr nach der stillen, schlanken
Frauengestalt im hellseidenen Reise
- mantel hinüber, die ihm den Rücken
drehte und so regungslos hinaus
blickte, als sei sie ganz allein und
nichts hinter ihr im Eoup6, das ihr
Interesse mehr zu erregen vermoch
te, als es diese schnell und schneller
vorbeigleitende Sommerlandschaft
that.
Als es aber immer still hinter ihr
blieb und niemand, wie sie erwartet
und gefürchtet hatte, sich ihr nahte
und sie berührte, wandte sie sich end
dem heißen Auge des Mannes ent
gegenblickte? Zorn Haß Em
pörung Verachtung Leiden
schaft? Ja, Leidenschaft! Aber nicht
Liebe! Die kannte sie! Die blickte
Sie stand einen Moment in ge
wisser Weise fassungslos vor Ileber
raschung mitten im Coups, als stün-
Seite überwiegender Vortheil, da ihre
äußere Lebensstellung, ihre Vermö
gensverhältnisse sich durchaus ähnlich
. waren?
Konradine hatte in keiner Weise
irgendeine Bequemlichkeit gesucht.
Steif faß sie da, den Mantel geschlos
i in der Abendbeleuchtung so rosig hold
!zesärbt? die rauschende, silbergraue
, Seide ihres langen Mantels umschloß
ihre hohe Gestalt wie ein Domino in
weiten, rieselnden Falten. Selbst die
hatte sie anbehalten und.
die Hände im Schooß gefaltet, faß
sie unbeweglich wie ein steinern Bild
und sah auf die helle Wand des Cou
pes ihr gegenüber, als überlegte sie
den schnellen Gebrauch der Noth
bremse. der dort erklärt war.
Ebersburg zog sein Cigarettenetui
hervor, und ohne die junge Frau erst
!zu fragen, zündete er sich eine Ciga
> rette an.
j Sie wußte plötzlich gar nicht, wie
ihr wurde. War es der süßliche Ge
ruch des Dampfes, der sie mit selt
samem, rosendustigein Parfüm um
gab, war es die nervöse Aufregung
und Abspannung dieses ganzen Tages
oder das Rückwärtsfahren, das sie nicht'
vertrug? Denn sie hatte sich auf die
selbe Seite mit ihrem Gatten gesetzt,
der rückwärts saß, weil sie ihm gegen
über nicht sitzen mochte, seinen Augen
preisgegeben. Genug, ihr wurde so l
sonderbar schwer und müde, daß ihre !
Augenlider anfingen, sich in Pausen
immer tiefer zu senken und ab und zu
der hastig erhob, aber doch öfter wie
der zur Seite senkte... der dumpfen,
schweren Müdigkeit, die sie förmlich
in Bann zwang, nachgeben müssend.
Ihre Lippen öffneten sich, die lan
gen, dunklen Wimpern lagen fest auk
den sich höher färbenden Wangen? sie
große Hut hinderte sie, und ihre Hand <
suchte in der schweren Müdigkeit l
unbewußt nach einer Stüje. !
Ebersburg sah daS ganz gut und
blickte sich um.
Dann stand er auf und trat zu ihr.
Mit ruhiger, leichter Hand, ohne sie
sonst zu berühren, sie nicht etwa zu
erschrecken, löste er die Nadel aus
ihrem Hut und legte ihn ins Netz,
ohne daß sie es merkte. Einen Mo
ment stand er unschlüssig, dann fetzte
er sich neben sie, und ihr blondes
Haupt sank gegen seine Schulter, die
er ihr als Stütze bot. Er hatte die
Cigarette jetzt weggelegt, saß nun still
da und sah durchs Fenster, genau mit
demselben finsteren, kalten Ausdruck
seiner dunklen Züge wie vorher. Ein
mal rührte sie die Hand, und sie sank
leicht auf die seine. Er nahm sie da
weg u. legte sie wieder in ihren Schoß.
So sank die Nacht, und die Sterne
schimmerten herein zu ihnen, und sie
waren bald an ihrem heutigen Ziel,
einer großen Stadt, angelangt, wo sie
Rast machen wollten.
Es waren fast zwei Stundeis vor
über, tsts sich Konradine aufrichtete
mit einem hellen Ausruf des unzwei
felhaften Schreckens, der offensichtli
chen Furcht, ihre natürliche Stellung
zu ihrem Mann bemerkend, der sich
gelassen erhob.
„So!" sagte er, „Du hattest Schlaf
sehr nöthig und schliefst ein, ohne eS
zu wissen. Ich konnte Dich nicht in
eine bequeme Lage bringen oder an
ders stützen, ohne daß Du erwachtest.
Jetzt kannst Du Dich hinlegen."
„Hinlegen? Ja, wo sind wir denn?
Es es ist ja Nacht. Wir wollen
doch bald aussteigen!" stammelte sie,
leise zitternd. In wohl unbewußtem
Gefühl rückte sie hastig von ihm fort,
um gleich danach scheu nach ihm hin
zublicken. Hatte er es überhaupt be
merkt? Sie fühlte, daß er sie ansah.
zu sehen, verhinderte
Dann steckte er die Hände in die
Taschen seines Jacketts und blieb so
regungslos sitzen, daß es ihr ganz un
heimlich wurde in der Dunkelheit, in
dem dahinbrausenden Zuge so
allein mit dieser großen, stillen,
dunklen Gestalt eines fremden
Mannes. Er schlief nicht. Ab und zu
fühlte sie gauz intensiv den funkelnden
Blick. Ihre Gedanken zuckten hin und
her wie scheue, verslajterte Vögel.
.Nicht einer wurde recht klar, nicht
einen dachte sie über den Anfang hin
aus, und ohne jedes bestimmte Ge
fühl ließen sie diese abgerissenen Ge
anten denn das eine bangen
Und sie hatte die Vorstellung, als
führe sie noch Stunden und Stunden
so dahin in wilder, geräuschloser Eile,
und als sei es möglich, daß sie längst
über ihr Ziel hinaus seien.
Mit einer Art Verzweiflung füllte
es ihr wahres Denken, jedesmal, -
wenn rothe, blaue, weiße Lichter an!
den dunklen Fenstern vorüberhuschten, j
j sie in ungeminderter Hast irgendeine -
Station passirten, ohne daß der Zug
hielt.
Weshalb nur diese Angst? Was
wollte sie denn? Was sollte ihr dies
denn helfen, wenn sie angekommen
waren in der fremden Stadt, in dem
fremden Hotel allein mit ihm?
Das war doch noch viel entsetzlicher!
Allein, allein immer allein
bruch. Und wie er es wohl erfuhr, er
fahren sollte? Genau wußte sie es gar
nicht, wie ihre Mutter das geplant
hatte. Es war ihr sehr gleichgültig
gewesen. Mochte das doch gehen, wie
es wollte. Wenn sie seine Frau war,
dann war ja doch der Zweck erreicht!
nein, aus dem Zuge springen und zu
Fuß zurücklaufen nach Berlin, zu
Rudolf, dem lieben, schönen, heiteren
und schwer und unaufhaltsam un
ter ihren geschlossenen Lidern hervor
zusickern... Sie wagte nicht, nach
ih»m Taschentuch zu fassen, sie zu
machen ... Was sie nie gekannt hatte
in ihrem ganzen Leben nie das
empfand sie jetzt vor einem Menschen:
Furcht! Auch das, was so ganz gleich-
um das sie sich
aufgehalten worden war im Hin
blick und Hinweis auf seine Millio
nen, die das lecke, festsitzende Schifs
Jetzt! Ein kurzer Pfiff, ein wenig i
langsamere Fahrt, ihr Mann stand i
auf, der Zug brauste an einem Mcer
flimmernder, zuckender, tanzender <
Irrlichter, roth, blau und weiß vor- >
bei in die Halle eines großen Bahn- ,
Hofs. Am Ziel. I
» » «
Drei elegante Gemächer im ersten >
Stock eines Hotels ersten Ranges.iah- >
men den Fürsten und die Fürstin >
Ebersburg auf. Der Fürst hatte ein <
Souper befohlen und war ausgeaan- i
gen mit der in sehr weichem, Koma- l
dine sehr peinlichem Ton gemahlen t
Bemerkung: s
z „Ich hole uns ein paar Blumen für
unsere erste Mahlzeit zu zweien, >ie
. bes Herz. Mache es Dir inzwischen
j des sonst so ernst kalten Auges:
z „Mein schönes Weib!"
, Glitzerndes, elektrisches Licht flim
- über die kaltglänzende Pracht des
e Hotellalons, der sich, wie alle solche
e Räume, durch eine schablonenhafte
l Unpersönlichst unterschied von dem
t Salon eines privaten Heims, in dem
l nicht jeden Tag ein anderer der Herr
l i Konradine hatte Mantel und Hut
> abgelegt. Aber ihr graues „Tailor
! kragen, ihre hohen, fest anschließenden
! Knöpfelstieselchen behielt siean. Theil
, nahmslos sah sie so den Vorbereitun
! gen zu diesem ersten Mahle zu zweien
zu. Sie hätte nicht essen mögen, nur
sich still ins Dunkel hinlegen und ru
! hen ruhen von den letzten Tagen
- schwerer Anforderungen. Ihr war die
Kehle wie zugeschnürt. Schaudernd
dachte sie an den Ton und Blick ihres
! ' Gatten, mit dem er sie soeben verlas
sen, um Blumen zu Holen, Blumen
- für dies schreckliche Tete-a-Tete mit
Ihm.
Aber was in aller Welt hatte sie
sich denn gedacht? Sie war seine
Frau, sie hatte ihm Liebe gelogen und
gezeigt, keinen anderen Grund ihm
offenbart, der sie bewogen hatte, feine
Werbung anzunehmen. Und sie war
auf der Hochzeitsreise. Ihr steifes,
zurückhaltendes Wesen im CoupS
hatte er wahrscheinlich für etwas ganz
Begreifliche«. Erklärliches gehalien
und sich seinerseits zurückhaltend be
nommen, aber mit der selbstverständ
lichen Boraussetzung, daß das dem
nächst anders norden müsse, in die
natürliche Zärtlichkeit von Leuten, die
sich aus Liebe geheirathet hatten, all
mählich übergehend.
Sie ging ruhelos hin und her,
fetzte sich sekundenlang hierhin, dort
hin, trat ans Fenster und starrte mit
Augen, die nichts erfaßten ganz
andere Bilder sahen in die dunkle
Nacht, auf die im gelben Laternen
licht flimmernden Straßen. Dumpf
brauste der Straßenlärm herauf, und
auch er schien etwas Drohendes zu
haben, wie eine sich langsam näher
wälzende Riesenmenge, die bald nuhe
genug hier sein würde, um sich über
sie zu stürzen. Dann hörte sie Schrit
te. Er lam! Unbedacht, hastig öffnete
sie die Glasthür und trat auf den
großen, mit Blattpflanzen geschmück
ten Balkon hinaus, am fernsten Ende
stehenbleibend, die gefalteten Hände
um einen der kalten Eifenftäbe ge
schlungen, als wolle Jemand sie da
wegreißen, und sie wollte sich anklain
l mern. Oh, hoffnungsloses Bemühen!
Da war er schon neben ihr, eine
Fülle süß duftender Rosen und Oran
! genblüthen vor sie auf die Brüstung
Mechanisch ließ sie sich umfassen
und ins Zimmer zurückführen, aber
preßt. Mit einem raschen, scheuen, ge
radezu feindseligen Funkeln streifte
ihn ihr Auge, als er, sie freilassend,
ließ. Da lagen noch mehr köstliche
rothe Rosen. E. schob ihr eine Glas
schale hin, und sie folgte mechanisch
„Willst Du sie schmachten lassen?"
fragte er leise, sich über den Tisch
neigend und ihr tief in die Augen
sehend...
Dunkle Gluth schoß über ihr blas
ist nicht hübsch", was sie veranlaßte,
hastig ihre Serviette zum Auftrocknen
zu benutzen, wobei sie sein Weinglas
gebracht würde.
„Entschuldige." sagte sie gleichgül
tig, beinahe spöttisch, „was könnte
Die Frage war so sonderbar, daß
sie ganz erschrocken aufsah. Er schien
diesen erschrecken Blick für Schuldge
fühl zu halten und neigte sich über
Sie erwiderte einsilbig, knapp, mit
leiser Stimme, der er den beklomme
nen Zwang eigentlich anmerken
mußte, aber vielleicht wollte er das
nicht. Er hatte keine Bemerkung dar
über gemacht, daß fe seinen Wunsch
nicht erfüllt gehabt und ein bequemes
Kleid angelegt hatte, sondern so im
Reisekleide, so gleichsam gerüstet da-
als wollte sie sofort nach dem
.Ich kenne Dich gar nicht wieder",
meinte er einmal lächelnd, „Ich
glaubte gar nicht, daß Du stolze
Königin im Stande wärst, so lieb
lich schüchtern, so laubenhast scheu
auszuschauen, wie,Du jetzt dasitzest
und kaum wagst, mir den vollen Blick
Deiner schönen Augen zuzuwenden,
deren siegleuchtende Strahlen es mir
doch zuerst angethan hatten, als ich
selbst noch viel zu bescheiden war, um I
auf das hohe Siegesglück zu rechnen
sie in Liebe, in schnell entflamm
ter, für mich aufleuchten zu sehen,'
Was meinte er? Was waren das für
geschraubte Redensarten?! Was woll
te er eigentlich sagen?! War das na- ,
türlicher Ausdruck glücklicher Liebt,
war es Hohn, was aus seiner Stim
me klang ihr einen Schauder über
die Nerven jagte?
Fremd und fremder kam er ihr vor.!
„Mir geht es ähnlich", sagte sie, sich
stolz aufrichtend und ihn mit ihrem
hochmütigsten Lächeln kalt ansehend,
„Auch Du kommst mir ganz fremd
vor. Das schmachtende Genre ist ent
schieden nicht Dein Genre! Der
„stolze Sieger" stand Dir besser."
„Der bleibe ich deswegen doch!"
sagte er mit einem rauhen Auflachen '
und erhob sich, die mächtige Gestalt
streckend. Er klingelte, befahl abzu- !
räumen und öffnete die Koffer, die!
noch neben der Thür standen. Gegen
Mittag des anderen Tage» wollte dal
fürstliche Paar Weiterreisen.
In dem Schlafzimmer, das von
Spiegeln, Vergoldungen starrte, faß
Konradine über einer kleinen Kassette,
die sie soeben ihrem Handgepäck ent
nommen hatte. Hastig, als habe ste
Feuer berührt, schob ste das kleine
Kunstwerk beiseite, um weiter aus- !
zupacken. Langsam, mit zusammen
gepreßten Lippen und Augen, die
wesenden Blick hatten, als wäre ihr
Geist in weiter, weiter Ferne, mit Be
wegungen, die auch etwas Steifes,
Gezwungenes zeigten, wie bei Je
mand, der auf unsicherem Boden ban»
tirk und sich fürchtet auszugleiten
hatte sie daS lose, pastellblaue Haus
kleid von weicher, fpitzenggrnirter
Libertyseide aus dem Köfferchen ge- !
nommen, das sie schon vorher hatte
anlegen sollen, nach dem Wunsche
ihres Gatten. Sie behielt es in der j
Hand und sah darauf nieder, und
ihre Augen irrten wieder zu der ro
then Sammtkassette hinüber, die eini
ge Dinge barg, die sie sich vorgenom
men hatte, noch vor der Abreise zu
verbrennen, und es doch nicht gethan
hatt«. Darüber vergaß sie ihre jetzige,
nothwendige Beschäftigung, und
schließlich kam der heiße Drang so ge
waltsam jäh über sie. daß sie über
stürzt fast als wolle sie endlich un
erträglichem Zwang gehorchend, ein
Ende machen, das blauseidene Ge
wand über den Arm behaltend, sich
kurz umwandte und die Kassette vom
Spregelschrank nahm. Ein Druck auf
das Geheimfchloß, und sie sprang aus
mit leisem Klingen, das Konradine
wie ein ersticktes Gelächter klang....
In der Hast verschüttete sie den
Inhalt Briefe, Blumen, einen
dünnen Goldreif, ein Bild. Schnell
raffte sie das Bild auf und blies das
Seidenpapier in die Höhe, das dar
über lag: eine junge, schöne Männer
gestalt in Uniform. Darunter in fe
ster, klarer Schrift:
„Es gibt im Heiligthum der Ehre
ein AllerheiligsteS. des anderen
Ehre. In Liebe Dein Rudolf" "
Einen Moment stand sie noch steif
und starrte stumm darauf nieder.
Dann war es zu Ende mit aller Selbst- "
beherrfchung, aller Ueberlegung mit "
einem gebrochenen Schluchzen sank das !
stolze, trotzige Mädchen auf das spitzen- "
umwallte Lager, neben dem es stand — j
drückte das Bild in leidenschaftlicher '
Verzweiflung an Mund und Brust und '
barg das erglühende Gesicht in fas
sungslosem Weinen in die Kissen. j
Daß sie darüber den Schritt ihres Z
Mannes nicht war kein Wunder. !
Und sie hatte in diesem Moment auch s
seine Existenz vergessen, ihr war ge- c
wissermaßen alles gleichgültig nur r
weinen weinen, ihr? gepeinigte, zer- l
rissen« Seele, ihre zuckenden Nerven in I
dies Weinen ausströmen, beruhigen «
die gräßliche, zwiespältige Qual der e
nach dein einen des ' e
der. in
Da fuhr sie auf. das wirre, gelöste n
Haar aus d:m thränengebadeten Ge- d
ficht streichend, während all der Ab- g
scheu, den sie empfand, sie die Hand in ?
»orniger Abwehr gegen ihn ausstrecken t,
ließ und das Bild zu Erde «litt, mit ej
leisem Zischen gerade vor seine Füße ß
ms den Teppich, wo die anderen Dinge 5
iuch lagen.
(Fortsetzung folgt.) a
l Für dir Küche.
> Heringssalat (größere Ouan
> tität). Dazu nimmt man etwa fünf
Heringe, 15 gekochte Mittel-Kartoffel»
! und von folgenden Zuthaten rechnet
! man den Heringen gleichkommende
! Portionen an abgeschälten, saure«
Gurken, Pfeffergurken, geschälte»
i Aepfeln, Kalbsbraten. Die gut ge
! wässerten von der Haut befreiten, i»
Würfel geschnittenen Heringe, sowie
alle anderen Zuthaten, ebenso geschnit
ten, werden mit einem guten Theil
Kapern, etwas Mostrich, gestoßenem»
weißen Pfeffer, wenig Lel und Essig .
gut untereinander gemischt. Rührt
man zwei Eidotter mit dem Oel z»
einer seimigen Sauce und dann die
Zuthaten dazu, so wird der Herings
salat noch feiner.
! Halternudeln. Ein Fünftel
?)uart Gries röstet man mit einem
nußgroßen Stück Butter, gießt es mit
zwei Fünftel Quart siedender MÜH
auf und läßt es ausdünsten. Hierauf
rührt man 5 Dotter mit 2 Löffel vo«
Staubzucker recht flaumig, gibt de»
ausgekühlten Gries und 1/2 Unze gut
aufgegangene Hefe nach und nach da,
zu, treibt es noch etwas ab, vermengt
! es mit den, festen Schnee von 2 Et
j weiß und staubt etwas Mehl daran,
damit man auf dem bemehlten Brett
dicke Nudeln ausmachen kann. Dies«
läßt man eine Stunde gehen, hebt si«
> mit einem flachen Messer in heiße»
Schmalz, wälzt sie gebacken in Zucke»
und Zimmt und servirt sie heiß.
Zwiebelfleisch. Uebrig ge«
bliebenes Suppenfleisch wird i»
Scheiben geschnitten, mit viel fein ge
schnittenen Zwiebeln und etwa» SalA
ln Fett oder Butter auf beiden Seite»
! rasch gebraten. Dies muß kurz vor
dem Austragen geschehen, da länge
res Braten daS Fleisch trocken uni»
zähe machen würde. Jedes frische
oder eingemachte Gemüse paßt gut
hierzu.
Russisches Hühner - R a
gout. Ein oder zwei gebraten«
Hühner werden in Stücke zerlegt und
,in eine Kasserolle gethan. Dazu fügt
> man die Bratensauce, I—IV 2 Ober
tassen süße Sahne, etwas Brühe,
etwas geriebene Semmel, Pint
heißes Wasser, etwas Pfeffer, Ge
würz, Muskatblüthe und Ingwer
(alles feingestoßen), läßt alles IS
Minuten kochen und giebt schließlich
I—2 Eßlöffel feingehackten Schnitt
lauch hinein. Man richtet das Ra
gout auf erwärmter Schüssel an und
garnirt es mit Citronenscheiben und
, kleinen Pfeffergurken.
Kartoffelsalat mit Sar«
-bellen. 1-3 Pfund Sardellen
werden gewässert, entgrätet und fein,
' gehackt. 11/2 Pfund Salat - Kartof
feln, die in der Schale gekocht wur»
den, werden geschält und in feine
Scheiben geschnitten. Dann mischt
man Kartofselscheiven und Sardelle,,
untereinander und macht den Salat
mit viel feinem Speiseöl, einer gerie
benen kleinen Zwiebel, etwas seinem
weißen Pfeffer, einer Messerspitze
Zucker, sehr wenig mildem Essig und
nach Abschmecken (da die Sardellen
oft genügend Salz geben) mit Salz
an. Der Salat wird mit Scheiben
von sauren Gurken, nach Belieben,
auch rothen Rüben und Brunnenkresse
garnirt und mit Kapern und feinge
hackten Salatkräutern bestreut.
Schlupfnudeln aus Kar
ts ffelt e i g. 1. Man koche Kar
toffeln in der Schale und reibe sie
oder presse sie durch ein Sieb, gebe
sie auf ein Backbrett, mache eine
Grube in die Mitte und thut dahin
ein: 1 Ei, etwas Milch (nur wenig),
Salz und soviel Mehl, daß sich der
Teig gut rollen läßt. Man formt sie
in der Größe eines kleinen FingerS
und läßt sie rasch in Salzwasser aus
kochen (2 Minuten). Mit dem
Schaumlöffel herausgenommen, läßt
man etwas kaltes Wasser darüber
laufen. Sind sie alle fertig, so legt
man sie in eine Pfanne mit Butter
und läßt sie von allen Seiten schön
Butter, halb Fett und macht die Nu
deln etwas größer.
Brühe mit Farce - Klö
ßen, I'/. —2 Stunden. In 2>H
Quart kaltes Wasser thut man I
Pfund sauber gewaschene, grob zer
schlagene Rinds- und Kalbsknochen,
oder anstatt dieser etwas Rindermark
und kleingeschnittenes Wurzelwerk,
läßt dies langsam Stunden
eine Löffelspitze Fleisch - Extrakt und
etwas Salz hinzu, läßt Alles noch
einmal auskochen und thut «n diese
Suppe, die wie die beste aus Fleisch
gekochte Bouillon schmeckt, nachfol
gende Farce - Klößchen. Pfund
rohes Hühner- oder Kalbfleisch wer- -
mischt? 1-c.Psund geschältes Weißbrot
drückt es aus, rührt es auf den»
Feuer ab, fügt das Fleisch und den
Brei zu Pfund schaumig gerühr
etwas Muskatnuß, und formt mit
Hilfe von Mehl aus der Masse sein»
Klöße, die man einige Minuten