Scranton Wochenblatt. (Scranton, Pa.) 1865-1918, February 03, 1910, Image 6

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    Der Musterknabe.
Von Karl Pauli.
ES war sechs, als Paul die elterli
che Wohnung betrat. Er fand sie leer.
Wie ihn das anmuthete;
Rommen würde, und waren jetzt beide
am Grabe Ottomars, der heut' vor
fünsundvierzig Jahren gestorben war.
Onkel Ottomar, wie er genannt wur
de, war der Neffe des Schwagers von
Mauls Mutterschwestertochter! Nein,
konnten nicht wissen, daß er heute
würde, er selbst hatte es nicht wis-
hatte sich verlobt, und da wa
ren sie alle gratuliren gewesen, zu
welchem Zweck das Bureau schon um
fünf zugemacht worden war. Eine
— WaS sollte er jetzt thun?
Paul war der Mustersohn von
Mustereltern! Nie ist ein Kind
systematischer erzogen worden wie
— Jede Handlung der Eltern,
lvstenhafte Fügsamkeit. Er that alles,
Lerben wirst Du bis hellte Abend
daß er sie ohne Anstoß hersagen tonn
te, wie er das Berliner Adreßbuch
auswendig gelernt haben würde,
wenn es sein Vater oder seine Mutter
gewünscht hätten. Und wie er die
Hirnschmalz als ein Spatz besaß,
Und das alles war geschehen, ohne
daß Paul einen Finger gekrümmt
hätte, alles hatten die Eltern besorgt,
und er hatte nur nöthig gehabt, diese
Fürsorge gehorsam über sich ergehen
zu lassen. Und das hatte er gethan!
Mit gerührter Dankbarkeit hatte
r» alles entgegengenommen, was die
Eltern ihm geboten, und sich dort nach
besten Kräften und Können bewährt,
wo sie ihn hingestellt. Kann man sich
stuhle Platz, warum sollte sie sich erst
woanders hinsetzen. sie war mit
ihrer Tagesarbeit fertig, die Woh
nung hatte sie in Ordnung gebracht,
»he sie weggegangen, die Betten auf
gedeckt, überall Wafchwsber besorgt.
denn die gute Frau hielt sich kein
Dienstmädchen, nicht, weil sie eS nicht
gehabt hätte, denn der alte Rech
nungsrath Schönfelder hatte neben
feiner Pension noch ein ganz hübsches
schehen müssen!" Oder einer sagte:
„Weißt Du?" da antwortete der
andere sofort: „Natürlich gehe ich hin,
das ist doch selbstverständlich!" So
te, und das Gespräch fesselte sie nicht
sehr, das ganze Interesse des alten
Paares war aus das Kommen des
Aber er kam nicht!
Es schlug halb acht, und er war
noch nicht zu sehen!
„Nanu!" bemerkte Herr Schönfel
der und zog die Uhr.
sagte die Mutter.
„Verspätet, verspätet!" rief der
Rcchnungsrath ungeduldig, „natürlich
hat er sich verspätet, was sollte er
denn sonst gemacht haben!"
„Weißt Du?" sagte die Frau in
gewesen sein, da hatte er sich auch
verspätet, aber nach fünf Minuten
kam er dann frisch und gesund!"
M tt d F st d
Aber Paul kam nicht!
„Ich werde einmal nachsehen, wo
ziehend.
Die Frau faltete die Hände.
„Um Gottes willen," rief sie, „Du
willst mich allein hierlassen in dieser
tödtlichen Angst?"
„Tödtlichen Angst, tödtlichen
sammen und schluchzte: „Wenn ihm
nur nichts Passirt ist!"
Der Richnungsrath warf einen ver
zurück.
„Im Kontor ist alles dunkel, auf
mein Klopfen wurde mir nicht aufge
ih: vorkam, als hätte sich draußen
entwas geregt.
Aber es war immer nichts, auch
war es schon ganz dunkel geworden,
sie konnte nichts mehr sehen.
Nach einer Weile kam der Mann
zurück.
„ES ist heut nichts zu machen,"
bei. wenn Jemand um halb zehn noch
nicht da sei, der sonst um acht kommt.
Leutnant ist!"
was soll es denn sein? ein Unglück
ist Passirt, sonst hätte uns Paul
längst benachrichtigt. Gewiß ist er
unter die Räder eines Gefährts ge
„Das kann schon sein! Vielleicht
unter die Elektrische!"
„Um Gottes willen, lästere nicht,
eine Droschke ist gerade genug!"
„Und die vielen Automobile!" sagte
Schönfelder sinnend. „Oder vielleicht
krochen!" rief die Frau schluchzend,
„weißt Du, schon als kleines Kind"—
„Eis! Eingebrochen! Jetzt
„Möglich ist alles," gab der Rech
scin!"
„Ach, da braucht es keinen Löwen;
ein Ziegel, der vom Dache fällt, ge
nügt!"
„Siehst Du!" schrie die Frau auf,
„ich habe ihm immer gesagt, er solle
„Was Haus! Was Haus!" schrie
man es ahnt!"
O Gott! Mein armes Kind, vielleicht
„Pfui!" sagte sie. „Unser Paul!
befürchten haben!"
„Nein, es ist etwas passirt! es
ist etwas passirt! Wir sehen ihn in
dieser Welt nicht wieder!"
auf die Tischplatte,
hii^u.
„Unser Paul Raubmörder?" es
war etwas von schmerzlicher Freude.
ruf erlassen, sowohl an den Anschlag
säulen, wie in allen Blättern. Was
trug er denn für einen Anzu^?"
Sie erhob sich etwas schwerfällig
spind.
In diesem Augenblick schlug die
wacht.
„Um diese Zeit pflegt er sonst auf
zustehen!" flüsterte sie und schritt auf
das Zimmer des Sohnes zu.
gleichfalls und wankte der Frau nach.
Diese ging auf den Kleiderschrank zu,
den sie öffnete, und da sie dort nicht
der das Bett Pauls stand. Aber nur
Schrei begleitet um und zur Erde
und jetzt sah der Rath auch, was die
Frau vor einer Sekunde gesehen, und
was ihr den Schrei erpreßt hatte!
Da lag ihr Sohn, da lag der Mu
nant, in Kleidern und Stiefeln, mit
Wäsche und Halsbinde im Bett
und schlief! Empörend! und
schlief! Die Wirkung dieser Entde-
Herzen und Nerven des getäuschten
Elternpaares, sich dort durch das Er
kennen des Unnützen ihrer Sorge in
krasse Wuth verwandelnd nur
einen Blick tauschte der Rechnungs
zierstock und nun tobte sich der
ganze Kummer, den sie die Nacht
durchlebt, in wildgeführten Schlägen
Ter Türkis.
Es war eine Luft, die den Ver
stand, den Wächter der Gefühle, ein
schläfert und sich bis in die Tiefen
„Diese Vernunft hatte ich bei Jh
„Jch hatte absolut nicht die Ab
sicht '
„Die Sache von der Hand zu wei
sen," fiel Brand ein. „An sich ist das
Arbeiten bei Henniger schon interes
sant genug". Die linke Hand legte
sich bei seinen Worten auf den Arm
des Chemikers. Kurtius war wie
gelähmt. Er hatte gerade das Ge
gentheil sagen wollen. Dieser Brand
war ein Schurke.
Das Ungeheuer von der Straße
legte die heißen Pranken auf das
Fensterbrett. Es war erstickend schwül
in dem Gemach. Brand ging mit
In dies«? Händen drängten sich die
Laster Brands, seine Geldgier,
sein Haß, seine Skrupellosigkeit zu
diesen Fingern. Er stellte sie sich
feucht und schleimig vor, mit unzähli
gen Saugnäpfen besetzt, die nach sei
len und Gedanken auszuschlürfen.
„Henniger wird Sie gern anstellen.
Er sucht einen Assistenten und Sie
werden kein Gehalt verlangen. Wenn
Sie dann in der Aufregung des Ge
lingens den Hahn zu weit öffnen
Brand zuckte die Achseln „ein un
glücklicher Zufall!"
Noch einmal riß sich Kurtius los.
„Ich will aber nicht."
„Sie sind ein Kind. Denken Sie
vielleicht, ich habe Lust, einen opposi
tionellen Angestellten zu behalten?"
„Ich ich kann es nicht thun.
Ich bin kein Lump."
Ein hartes Lachen zerschnitt den
Ausklang seiner Worte. Die Luft
hielt die beiden Männer mit träger
Gluth umspannt. Sebastian Brand
kam dich an den jungen Mann heran
und legte die Linke auf seinen Arm.
„Denken Sv an Ihre Frau."
Und langsam, widerstrebend drehte
sich der blonde Kopf herum. Die
rothbraunen Finger des Direktors
klebten an seinem Bermel —, der
Türkis leuchtete tückisch „ich
werde eS thun."
Es war geglückt. Kurtius hatte
mit zusammengebissenen Zähnen ge
arbeitet im rechten Moment den
Hahn geöffnet. Die Flamme war
herausgeschossen, die Lösung aufge
spritzt und verdampft. Nachher hatte
er Henniger ohnmächtig am Boden
gefunden. Er hatte keine Mittel mehr
gehabt, die kostbare, räthselhafte Tink
tur noch einmal herzustellen. Das
boratorium, Henniger mit gleichgül
tiger Muthlosigkeit, Kurtius mit wü
thendem Eifer. Täglich um elf Uhr
Vormittags besuchte Direktor Brand
seine Herren. Jedesmal glitten seine
Hände über die Tische, raschelten in
den zahlenbedeckten Papieren und stie
ßen an die klirrenden Flaschen und
Schalen.
„Ekelhaft", dachte Kurtius und
blickte wie gebannt auf die hageren
Finger. Zwischen den durchsichtigen
Gläsern bewegten sie sich wie die
Arme eines Oktopus und der Türkis
lauerte bald hier bald dort mit sei
„Sie sollten verreisen," meinte
Brand, dem die Unruhe seines Che
mikers nicht gefiel.
„Nein, ich bleibe hier."
Die beiden Männer waren sehr
Kopf in die Hände gestützt, mit fin
sterem Gesicht an seinem Platze. Kur
tius litt unsäglich. Warum habe
ich es nur gethan?" Er haßte den
Chef. Er rauchte nicht mehr,
der.
werth."
Es klang so bitter. Kurtius wußte,
wie sehr der Kollege ein Abhängig
den mußte.
Bis spät in die Nacht saß er im
Laboratorium. Er kochte, probirte
wurde, zuckte er zusammen; alt wenn
sein Fleisch bloß läge und jedes Wort
ihn schmerzend berührte. Fortwäh-
„Ein ekelhafter Mensch, dieser Di
erstaunt den Kopf.
Der Kollege war wirklich trank.
.Sie sollten mal verreisen."
„Nein."
Tisch. ch - tl ch de«
ges.
Kurtius sah ihn aus brennenden
Augen an. Er hatte die ganze Nacht
nicht geschlafen. Durch seinen Kör
per liefen von Käsern mit
chen.
„Was ich mache?" Er zog ein klei
nes Fläschchen aus der Tasche und
hielt es gegen das Licht. Eine milchig
blaue Flüssigkeit war darin. Mit
glühenden Blicken schüttelte er die
kleine Phiole. Er beugte sich weit
über die breite Tischplatte und flü
sterte: „Gift für den Oktopus".
liches Gefühl. „Lassen Sie doch diese
reizt."
Sebastian Brand kam herein.
Kurtius zitterte. Die Käfer in
feinem Körper liefen wie rasend durch
einander. Der Direktor streckte die
Hand aus, rückte an den Retorten und
Flaschen. Seine Finger krochen in
dem gläsernen Gewirr umher, der
Türkis sixirte höhnisch den Chemiker.
„Was ist das - ?" Brand
hielt die kleine Phiole in der Hand.
Kurtius riß sie ihm fort. Mit
blitzartiger Schnelligkeit zog er den
Glasstöpsel heraus und schüttete die
bläuliche Flüssigkeit auf Sebastian
Brands ausgestreckte Linke.
Ein Wuthschrei rief Henniger aus
dem Nebenraum.
Der Direktor lag bewußtlos auf
den Fliesen und Kurtius hielt mit
gräßlichem Auflachen die leere Flasche
empor.
„Er ist todt, ich habe den Okto
pus getödtet."
Henniger kniete nieder. Die linke
Hand des Ohnmächtigen war nur
noch ein scheußlicher Klumpen. Und
mitten in der braunen klebrigen Masse
lag ein runder Türkis.
Kurtius sah ihn und wollte sich
darauf stürzen „das Auge, das
Auge". iiek b d
sinniger seine Arme. „Ich muß es
haben das Auge, das Auge, das
mich vergiftet hat." Der Kollege
rang verzweifelt. Er schrie und pfiff
Der Schaum stand ihm vor dem
Munde. Er wurde still. Hilflos
starrte er aus den leblosen Direktor,
auf die verbrannte Hand und weinte.
Noch im Fortführen klagte er. „Wa
rum habt ihr mir das Auge nicht ge<
der Hand abgenommen. Er lag im
halbdunklen Schlafzimmer. Henniger
mußte ihm berichten.'
Kurtius ist wahnsinnig geworden.
Er war schon in der letzten Zeit
manchmal so sonderbar
Brand folgte dem Blick. Er griff
auf das Tischchen an seinem Bett und
zum ersten Male.
den Mundwinkeln Brands. „Es ist
Äuf dem Bahnsteig eines sehr östli
chen deutschen Bahnhofs stehen, nicht
weit von einander entfernt, der Han-
General v. Z. Der General ist in Be
gleitung seines Hundes, den er „Mo
ses" nennt, und läßt das kluge Thier
allerlei gescheidte Kunststücke machen.
„Moses hier" und „Moses dort" geht
es eine ganze Weile lang.
„Na, Chajim," ruft endlich der
General, „wie gefällt Dir mein
Hund?"
„Groißortig," erwidert Chajim,
„groißortig, Herr Generolleben!
Wann der Hund nir wär' ä Jiid',
Der kleine Willy (zu seiner
Schwester): „Soll ich's Mama sagen,
daß Du Dich von dem Autler hast
küssen lassen?"
„Das hast Du nicht gesehen!""
„Ich hab's aber gehört!"
„Du hast es auch nicht gehört!""
„Ich riech's aber!"
> Angst?" „I net. aber der Lehrer."
Der Abschrift st eller.
„Als ob der.Roman der Zwölf' etwas
Seßhaft.
Arzt (in dex Kneipe zum Patien
ten): „Na, na. schon wieder beim
Bier?"
Patient: „Herr Doktor hatten
mir doch einige Glas erlaubt!"
selbst Wasser trinken müssen!"
Besitzest Du und bist besessen!
Günstig.
Kinderfinger Sie haben' Fräulein!"
Sie: „Nicht wahr? Meine Man«?
sten."
Ausrede. „Warum kommst
Du denn heute wieder erst um halb
''ein Uhr nach Hause?" „Ach. süßes
Weibchen, ich wollte Dich doch im be
sten Schlaf vor Mitternacht nicht stö-