Scranton Wochenblatt. (Scranton, Pa.) 1865-1918, September 23, 1909, Image 6

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    Z« D-Z«g.
' „Fehrenbachs gehen auf die Reise!"
Wie ein Alarmruf flog es durch
»as Haus. Alle Zungen wurden mobil
und fielen über diese Sensationsnach
„Fehrenbachs gehen auf die Reise!"
> So lautete das Unt-rhaltungsthe
»na, auf d«r Treppe und in der Wasch
küche, auf dem Trockenboden und im
Keller, wo immer nur zwei der lieben
Nachbarn zusammentrafen. Und sie
trafen sich mit einem Male r«cht oft.
Wenn man wenigstens noch gewußt
hätte, woher der Reichthum Fehren
lbachs so urplötzlich erblüht war?
«Aber nichts war darüber zu erfahren,
und darum tuschelte man sich die spi
tzigsten Bosheiten ins Ohr, die Lä
stermäuler schweiften in das Reich der
unbegrenzten Möglichkeiten.
> Fehrenbachs der Herr Kanzlei
<rath, die Frau Räthin und Elli, das
Fräulein Tochter, ein Backfisch von
Achtzehn Jahren, der mit feiner ur
lwüchsigen Drolerei das Sonn«nschein
wen der Familie war Fehrenbachs
packten unbekümmert einen sunkelna
velneuen Rohrplattenkoffer, drei
mandtaschen und drei Rucksäcke und
Hogen an einem strahlenden August
morgen, mit Lodenmänteln, genagel
ten Stiefeln und Bergstöcken bewass
jnet, an die Bahn, eine Schaar neugie
riger Gaffer zurücklassend.
> „Sogar eine Autodroschke haben si«
gehabt!" „Die Haben's nöthig!"
».Hochmuth kommt vor dem Fall!"
Wenn die Guten erst gewußt hätten,
daß Fehrenbachs mit einem D-Zug
jund sogar zweiter Klasse fuhren!
Kreilich, Papas Einspruch war erst
KU überwinden gewesen „ich dächte,
Iwir könnten die Differenz doch wohl
«sparen, denn in der dritten Klasse
kommen wir gerade so schnell an's
>Ziel!" Aber Mama und Elli hat
ten für diese tiefgründige Logik kein
fiZerständniß. „Wir haben den Lot
teriegewinn gemacht, und nun wol
len wir es un» auch einmal tosten
lassen!"
Ein kleiner Beamter, der in der
Kanzlei d«S MinisttriumS fünfund
dreißig Dienstjahre gesammelt, hat sich
daS Opponiren in der Regel abge
wöhnt. Er weiß, daß man durch
Nachgiebigkeit sich den Frieden seines
Lebens erhält. Des Rathes ganzes be
scheidenes Dasein war nur eine Fahrt
Dritter Klasse gewesen!
Elli hatte die Fahrscheinhefte von
Papa erobert und sie mit entsprechen
der Grandezza und Umständlichkeit
dem Bahnsteigschaffner präsentirt.
Man sollte sehen, daß man mit grü
»ien Scheinen reiste.
Dann hatte sie ihr Stumpfnäschen
leck durch die Wagenthür geschwungen,
di- Bergstöcke nebst Rucksäcken, nicht
»hne einige unsanfte Karambolagen
Mit anderen Reisenden, in den Ge
päcknetzen verstaut und Papa und
Mama bei der Kletterpartie in das
Abt heil kräftig unterstützt ersterer
hatte dabei einen Konflikt zwischen
seinen Sohlennägeln und den glat
ten, messingbeschlagenen Wagenstufen
zu bestehen schwitzend, keuchend,
umbraust von dem Getöse jagender,
hastender Menschen, fauchenden Loko
motiven, schreiender Ausrufer, schril
ler Signalpfeifen, hatte die Familie
Fehrenbach glücklich ihre Plätze er
"uff! Der Kanzleirath stöhnte, die
Niäthin schnappte nach Luft, Elli da
gegen mit der naiven Freude der Ju
gend an dem Reiz der neuen Umge
bung. amüsirte sich königlich und
schleckerte emsig aus einer Tüte Pra
„Wenn dem Zug unterwegs nur
lein Unglück zustößt —!"
„Aber, Papa. wir sind doch
Idas Reisen im D-Zug gewohnt —"
„Jawohl, Elli hat ganz recht —"
~ und überhaupt sind wir doch
leine kleinen "
Elli brach ihren Sermon ab. Ein
Reisender stieg noch zu, mit höflichem
Gruße den Hut lüftend. Wie dumm,
daß man nicht allein blieb!
Vielleicht fuhr der Fremde nicht
den ganzen Weg mit vielleicht
tonnte man ihn auch hinausekeln
>—. Während Elli sich mit diesen Er
»oägungen beschäftigte, war der Zug
unversehens in's Freie gerollt. All
mählich verschwanden die Häuser der
IStadt, lachend tanzte die Welt drau-
IFestlied.
In der ersten Stunde hing die Er
innerung noch an der eben verlasse
nen Heimath und an tausend Kleinig
keiten, um die sich die tägliche Sorge
müht, in der zweiten eilte man be
reits voraus, in die bayerischen Ber
ige. von denen man sich die phanta
stischsten Vorstellungen machte (Kanz-
Teiraths waren in ihrem Leben noch
niemals aus ihrer nordischen Vater
stadt herausgekommen!), und Elli
schwärmte von schneebedeckten Firnen.
Eennhlltt«n. von Gletscherspalten und
«kuhwarmer Alpenmilch, vom Schuh
plattler und vom Kraxeln mit Steig
«isen „St ! !!"
da sie gerade einen Jodler intoniren
tvollte.
„Jugend hat nun einmal keine Tu
gend." konstatirie die Räthin. Der
Math nickt« beifällig. Der fremde Herr
lächelte und faltete seine Zeitung zu
?er lebhafte Verkehr m dem Korri-
dor lockte den Herrn Rath hinaus
hatte er für sein gutes Geld nicht das
Recht, das fahrende Hotel einmal in
allein seinen Theilen zu beaug
apseln?
!Der Fremde verließ gleichfalls das
Abtheil. Ein rücksichtsvoller Mensch,
dachte die Räthin, da er die Gelegen
heit d«r geöffneten Passage benutzte
und ihr ein abermaliges Aufstehen er
sparte.
Ob er wohl schon verheirathet war?
Als Mutter einer unversorgten Toch
ter galt ihr Interesse nur mehr ledi
gen jungen Leuten.
Der Rath stelzte den Zug «nttang
tusionen endlich im Speisewagen. Gott
sei Dank! Die Seekrankheit konnte
man in diesem knatternden, schwan»
kenden Ungethllm bekommen! Ein
kleines Frühstück mit einem Fläschchen
feurigen Scharlachberger versetzte sei
ne Lebensgeister rasch wieder in die
freundlichste Stimmung, und als er
sich nach einer kleinen halben Stunde
wieder zu seinen Lieben zurückbalan
zirt hatte, glänzten seine Aeuglein in
einer ganz verrätherifchen Lustigkeit,
und seine Zunge plapperte wie «in
frisch g«ölteS Uhrwerk.
Die Räthin saß wie auf Nadeln
ein königlicher Beamter, beschwipst
im D-Zuzü Sie bedurfte ihrer gan
zen Autorität zur Herstellung des ge
störten Gleichgewichts unter Zuhülfe
nahme liebevoller Seitenpüffe und
freundlicher, wohlgezielter Fuhstupser.
Zum Glück schien der Fremde von die
sem ehelichen Intermezzo nichts zu be
merken, da er mit Elli ein Gespräch
angesponnen hatt«, und diese ihn durch
ihre frische Munterkeit und köstlich«
Laune vollkommen in Anspruch nahm.
„Sie stellen sich diese Gebirgspar
tien vielleicht doch etwas zu harmlos
vor. gnädiges Fräulein?"
„Warum? Dem Muthigen geHort
die Welt —"
„ aber nur dann, wenn er mit
der nöthigen Kugheit und Vorsicht zu
Werke geht."
„Höher wie dreitausend Meter stie
gen wir ja überhaupt nicht."
M ei und Si« meinen. daS
wäre so furchtbar einfach, gnädiges
Fräulein? Ich tann einiges aus Er
fahrung reden —"
„Si« waren also auch schon auf ei
nem Gletscher?"
„Allerdings, und ich habe auch Heuer
wieder die Absicht —"
„Bravo! Vielleicht treffen wir
uns dann wieder das wäre sa
mos!"
Sie klatscht« in die Hände. Der
Fremde verneigte sich verbindlich.
„Aber. Elli", mahnt« die mütter
liche Aufsicht. „Du weißt doch nicht,
ob es dem Herrn überhaupt angenehm
ist —"
„Gnädige Frau einer so liebens
würdigen Reisegesellschaft wieder
zu begegnen auf dem ewigen
Schnee "
WaS war das? Ein Unglück? Alles
stürzte hinaus. Ein Rennen und
Schieben. Tumult aufgeregtes
Am Zuge scheint all«s in Ordnung
zu sein, denn er rast mit unverminde
ter Schnelligkeit weiter.
Im Nu waren der Rath, die
Räthin, Elli und der Fremde drau
ßen.
Ein Diebstahl! Wie ein Lauffeuer
verbreitete sich die Nachricht. Ein
Diebstahl im Zuge ein« Bries
tasch« mit sechstausend Frank war
Der Dieb befand sich also unter den
Reisenden oder unter dem Personal.
In allen Tonarten wirbelten die
Ausdrücke der Entrüstung durchein-
Raths suchen zuerst ihre Plätze wie
der auf. Die Geschichte war ja recht
bedauerlich für den Betroffenen
aber man konnte doch nichts daran
Immerhin war die Stimmung ge
stört. Der Herr Rath griff wohl
hundertmal in der Minute an fein«
Brusttasche. die Räthin zählte nicht
weniger oft die Gepäckstücke ab, und
Elli klappte indignirt ihr Fernglas
futteral auf und zu . Wie rei
zend war die Unterhaltung mit ih
— so nett war er zu ihr wo er
nur blieb? Ihre ganze Freude war
d«r zurück?
Allerdings, aber er blieb auffällig
einsilbig. Man sprach natürlich über
das Ereigniß des Diebstahls, ob man
und ähnliches «r zeigte sich jedoch
durchaus wortkarg, verließ seinen
Platz wieder, um mit ebenso verschlos
sener Miene wieder zurückzukehren.
Das wiederholte sich nahezu ein hal
bes Dutzend Mal. Die Situation
wurde unbehaglich. Die Unterhaltung
kam nicht wieder in Gang. Der Rath
und die Räthin machten sich bedeut
same Zeichen, und als gar der Zug
führer den Fremden herauswinkte,
kennzeichnete der Rath die Lage mit
einem prägnanten, durch die Zähne
gestoßenen Ausruf: „Hochstapler!"
Dann lehnte er sich behaglich in die
Polster, voll selbstgefälliger Befriedi-
wollte, kam der Fremde wieder zum
Vorschein.
Der Rath und die Räthin sahen
einander nicht gerade s«hr geistvoll an
Ellis Mienen kündeten Triumph!
Nichtsdestoweniger hüllte sich das Al
ter in würdevolles Schweigen. Da
mit vergab man sich auf keinen Fall
etwas. »
„Man ist dem Thäter nunmehr be
reits auf der Spur."
„Ah!" Die Räthin ihr Zel
sen.
„Hat man auch keinen Unschuldi
gen vor dem Visier?" fragte der
Rath.
„Ich glaub« kaum. Wir werden
bei unserer Ankunft eine Verhaftung
erleben." Der Fremde, der sich dem
Rathe gegenüber placirt hatte, sprach
mit einer unheimlichen Sicherheit.
„So so und in welchem
Abtheil soll denn der Diebstahl be
gangen worden sein?"
„Im Speisewagen, verehrter Herr.
vor einer knappen Stunde."
Der Rath richtete sich langsam auf:
„Zu dieser Z«it waren Sie ja wohl
auch dort?"
Der Hieb saß.
„Allerdings und Sie, wenn
ich nicht irre, ebenfalls?!"
die Glasscherbe des Deckenlichtes.
Elli lachte spitzbübisch auf: „Am
Ende kommen beide Herren noch in
Verdacht —"
„Das wäre nicht unmöglich, gnädi
ges Fräulein!"
„Da möchte ich dann doch protesti
rcn wir sind ein« königliche Veam
tenfamilie —"
„Verzeihung, gnädige Frau, ich ha
be auch nur die Möglichkeit angedeu
tet."
„Die Unschuld hat im Himmel ei
nen Freund!" zitirte Elli aus ihrem
Lieblingsdichter Schiller.
„Auf Erden aber muß sie leider oft
als Maske dienen für die abgefeimte
sten Schwindler! Glauben Si« nicht
D«r Rath überhörte diese direkt an
ihn gerichtet« Frag«, eS wurde
ihm schwül, und nervös zupfte er an
seinen gesprenkelten Manschetten her
um.
Ein unverschämter Patron waS
nahm sich der d«nn eigentlich her
aus?
„Hoffentlich gelingt es, dieses Mal
einen jener Gauner zu fassen, die schon
seit Monaten in den D-Zügen ihr«
Raubzüge veranstalten."
„Sehr zu wünschen wäre daS
jawohl —!" Und mit einem bezeich
nenden Blick auf s«in vis-a-vis erhob
sich der Rath und trat mit seiner Gat.
tin auf den Gang hinaus.
Elli war direkt unglücklich: der
Fremde that das gleiche, ohne von ihr
auch nur Notiz zu nehmen. Die Thrä
nen traten ihr in die Augen. Und ei
nen solchen Menschen hatte sie auch
noch vertheidigen wollen! Die ganze
Gebirgstour war ihr nun schon ver
leidet.
Kaum fünf Minuten blieb sie al
lein: der Rath und die Räthin rück
ten wieder ein hinter ihnen der
Fremde. Scheinbar unabsichtlich re
petirten si« das Spiel mit dem
gleichen R-sultat. D«r Fremd- folgte
ihnen wie ihr Schatten. Nun war «s
klar, der Kerl führte etwas im Schil
de. Man wagte es nicht mehr, sich ge
genseitig auszusprechen der Rath
nahm schon gar nicht mehr die Hand
von der schützenden Hülle, die das
Reisegeld barg.
Dieser verflixte D-Zug! Der Rath
wünschte ihn zu den Kongonegern
wäre man bescheiden dritter Klasse
gefahren, wie er vorgeschlagen, aller
Äerger und alle Aufregung wäre ih
nen erspart geblieben aber so
es war nicht auszudenken.
Der Sweiß perlte ihm von der
Stirn. Und bei jeder Bewegung starr
te ihm der Fremd« unerschämt in's
Gesicht.
Auch die Räthin hatte ihre gewohn
te Schlagfertigkeit verlassen. War der
Fremde nun ein Gauner oder war er
keiner? Welche Absichten verfolgte
er mit feiner Aufdringlichkeit? Elli
starrte zum Fenster hinaus und zählte
di« vorbeifliegenden Telegraphenstan
gen. Ihr war alles egal. Und daß
die Männer alle schlecht waren, das
stand für sie nun bombenfest.
Der Zugführer tauchte wieder auf
und zitirte den Fremden hinaus
Raths seufzten auf —. als auch schon
der Ruf ertönte: „Die Brieftasche ist
wieder da!" Raths seufzten zum
zweiten Male. „Endlich also haben
sie den Hallunken beim Kragen ge
los."
„Wen?" pipste es kleinlaut aus der
Ecke.
halten? Bitte bitte!" höhnte der
Tja mein Scharfblick!"
„Und Dich wollte der Mensch gar
noch verdächtigen skandalös!"
„Wir haben ihm aber die Zähne ge
zeigt nicht Malvine?"
„Jawohl, Alter, und das nicht zu
knapp."
Hände ob ihrer beiderseits bewiesenen
heldenmUthigen Tapferkeit!
Elli rieb sich mit dem Taschentuch
die Augen ein scharfer Wind
Raths freuten sich unbändig darauf,
den Vrebrecher, ihren Reisegefährten,
gefesselt aus dem Zug geführt zu
sehen.
„Viel Lärm um nichts, meine Herr
schaften! Sie staunen? In der That
die Tasche des Franzosen mit
sammt ihrem Inhalt hat sich wieder
eingefunden. Und, wo glauben Sie,
daß ihr Versteck gewesen?? Im Rock
futter ihres Besitzters! Voilk Wut.
Glänzend hat sich wieder einmal die
These von der Tück« des Objekts be
wahrheitet."
„Hab ich nicht gesagt, er rst un
schuldig?!" EM war nahe daran, ei
„?lh!" lächette der Fremde, „die
Herrschaften haben in mir den Misse
thäter gesehen? Nicht iib«l. Aber das
hat nichts auf sich der Verdacht
beruhte auf Gegenseitigkeit —"
„Oh —!" Die Frau Rath besann
sich nun doch wieder auf den Zweck
ihres Sprachorgans, „Wir müssen doch
sehr bitten "
„Jawohl sehr bitten "
echote protestirend auch das verletzte
Gemüth des Herrn Rath.
„Mögen Sie mich nun auch als
das verabscheuungswürdigste Unge
heuer verdammen ich ich
habe den verehrten Herrn
Papa des kleinen gnädigen
Fräuleins für den den Dieb
gehalten! Ah! Nun ist es her
„Da hört sich denn doch
alles auf!" grollte es unisono dem
Sprecher entgegen.
„Und ob es nun ein wenig zu mei
ner Entschuldigung dient oder mich
vielleicht noch sträflicher in Ihren Au
bin Detektiv Wehrhahn
Otto Wehrhahn
Der Rath und die Räthin rückten
ängstlich seitwärts. Eine solche Ent-
Zum Glück löste Elli das Peinliche
der Szene in ein befriedigendes La
chen auf.
« « «
Acht Tage später, auf der Payer
hütte, im Angesicht des majestätischen
Ortler, wurde Elli zum glücklichen
Bräutchen proklamirt. Trotz der aben
teuerlichen Fahrt hatte der Bräuti
gam den Widerstand der Schwieger
eltern in sp« doch endlich überwunden.
Aber eines mußte er ihnen hoch und
heilig geloben: auf der Hochzeitsreise
keinen D-Zug zu benutzen!!
Die geheimnissvole Mütze.
Schon seit Monaten hatte der Herr
Stadtsekretär August Lämpler im
Rathsleller des Städtchens Hum
melshausen, den er regelmäßig an drei
Abenden der Woche besuchte, verlauten
lassen, daß er während seines Som
merurlaubs einmal die Reichshaupt
stadt besuchen wolle.
Nun war die große Zeit herange
rückt.
„Nehmen Sie sich nur vor den
Spitzbuben in acht!" sagte der Bäcker
meister und Gemeinderath Neupel.
„Berlin ist ja bekannt, da gibt's keine
Ehrlichkeit!"
„Es muß doch schrecklich sein",
stimmte der biedere Schlossermeister
Hädike zu, „so unter lauter Spitzbu
den herumzugehen!"
„Nun, ich habe schon meinen Plan!"
sagte der Stadtsekretär. „Vor allem
gebe ich auf die Taschen acht. Meine
Uhrkett", er wies dabei auf die Tal
migoldketl« hin, .ist fest, in mein Por
temonnaie thue ich nur wenig Geld,
l d' U
sitzenden zu.
„Haben denn die Herren", fragte
ein fremder Reisender, der zufällig
am Nachbartisch saß, „haben denn die
Herren nicht die erschienene Statistik
gelesen, wonach in Berlin weniger ge
stohlen wird als draußen?"
„Nein!" erwiderten einige, und die
andern schwiegen vorsichtig still.
Als sich später der Fremde entfernt
hatte, sagt« Gemeinderath Neupel:
„War wohl auch solch ein Berliner!
Natürlich wollen die sich weißbrennen!
Seien Sie nur recht vorsichtig!"
Als der Herr Stadtsekretär Lämp
ler an einem schönen Sommertage
auf dem Anhalter Bahnhof ausgestie
gen war, rettete er sich zunächst in
eine stille Ecke, um den Strom der
Passagiere vorbeisluthen zu lassen,
und ängstlich beschrieb seine rechte
Hand öfters ein Dreieck nach Uhr,
Portemonnaie und eingenähtem Geld,
während die linke das Handtäschchen
und den Regenschirm krampfhaft um
klammert«.
Beim Mittagessen in einem Re
staurant wunderte er sich, daß sich die
Merten; hatte er doch geglaubt, sie
würden seine Handtasche, seinen Re
genschirm und seinen neuen Hut, den
verlegte, mit Geierblicken betrachten.
Ebenso erstaunt war er dann, als
der Wirth des kleinen Hotels, nach
dem er sich begab, nicht das erwartete
sind ja wohl ein Landsmann von
mir!" da fiel dem Sekretär ordentlich
ein Stein vom Herzen, hatte er doch
eine fühlende Seele gesunden.
Mit einem kleinen Fremdenführer
ausgestattet, den er billig erstand, ver
ließ er dann sein im dritten Stock
liegendes Zimmer und stürzte sich in
den Strudel des Strȧenlebens; doch
nur langsam kam er vorwärts, da
ihm die zahlreichen Wagen oftmals
Schrecken einjagten und er sehr vor
sichtig an den Häuserwänden dahin
schlich. '
Am Abend saß er still im Gastzim
mer des Hotels und dann verrie
gelt« und verschloß er seine Thür,
nachdem er unter das Bett und in
den Schrank gesehen und die Wände
aus etwaige Doppelthüren hin abge
klopft hatte.
Nachts erwachte er einigemale, hör
te aber nichts als das vertrauener
weckende Schnarchen «ines Zimmer
nachbarn.
Am anderen Morgen besuchte der
Herr Stadtsekretär das Museum, und
obgleich er zunächst mehr die Umste
er inne, daß man es garnicht auf ihn
abgesehen hatte, sondern sich mit sich
selbst beschäftigte.
Eins aber belästigt« ihn sehr, sein
steifer, schw«rer Sonntagshut, wozu
sowohl die Wärme auf der Straße
wie auch die bekannte Erhitzung des
Kopfes durch das stundenlange Be
schauen beitrugen.
Als er nun von d«m Diener am
Eingange seinen Schirm unversehrt
nicht einmal etwas kostet« und nach
dem Mittagessen, das er kühner ge
worden, in einem belebten Restau
rant «innahm, auf der Straß« spa
zierte, faßte ihn die Lust, sich eine
leichtere Kopfbedeckung zu kaufen, die
Hutladen und erstand eine leichte Rei
semütze, wie er sie b«i vielen anderen
Reisenden sah. Um ein frisches Ta
kam ihm abhanden.
Plötzlich, als er gerade ein Auto
matrestaurant mit seinen selbstspen
des Jaketts steckte ein fremdes Porte
zitternden Händen den Geldbehälter
und er fand etwa 40 Mark darin.
Um Himmels wie kam er
Portemonnaie neben dem seinen trug.
Durch eine Militärabtheilung, die
über die Linden zog, wurde ein Men
vorüber war, zog der entsetzte Stadt
sekretär aus seiner Jakett-Tasche wie
der ein fremdes Portemonnaie.
räthselhaft, und die Bilder der Natio
doch nicht verhindern, daß er bei der
Besichtigung der wohlgenährten guten
Berolina am Alexanderplatze noch
der Tasche fand.
Das ungeheure Räthsel dieser That
sache machte den Sekretär fast krank.
zahlreichen ander«, Leuten vor dem
Affenhause lachte, fühlt« «r plötzlich
einen leisen Ruck, fuhr in die Tasche
chen können.
J«tzt mußte etwas geschehen; der
entsetzte Mann sucht« einen Schutz
mann auf.
„Mein Name ist Stadtsekretär
August Lämpler aus Hummelshau
sen", stellte er sich vor. „Denken Si«
sich, wie ich da in die Tasche grei
fe fort" ergänzte
der Schutzmann, indem er den geknick
ten Mann mitleidig ansah.
,N«in, nicht fort!" ächzte der
lebnisse. Sch tz
tretär, fahr«n Sie doch gleich, wie Sie
sind, w>ch dem Polizei-Präsidium am
Alexanderplatz, dort wird man schon
dahinterkommen!" Lämpler folgte dem
Rathe.
Als ihn im Riesengebäude die kopf
schüttelnden B«amten ans richtige Bu
r«au gewiesen hatten, ließ sich ein
Kommissar die Portemonnaies über
geben und - fragte den befangenen
Mann in höflicher Weise aus.
Einige Detektives kamen dazu und
plötzlich rief der eim: „Bitte, wo ha
ben Sie die Mütze gekauft?"
Lämpler wußte die Straße nicht
mehr genau, glaubte aber, er würde
den Laden wiederfinden.
In Begleitung eines Detektives be
gab sich nun der Stadtsekretär dort
hin. Als der Beamte seine Blech
marke vorgewiesen hatte, sagte d«r
Hutmacher: „Die Sache ist mir selber
schleierhaft. Vor etwa acht Tagen
bracht« mir ein Herr, «in feiner Herr,
ein Stück Tuch es war englisches
Tuch in einem ganz komischen Mu
ster, das es in ganz Berlin nicht gibt
na, das dort ist es ja. Ich sollte
fünfzehn solcher Mützen machen, wi«
die dort er gab mir ein Muster
—, die Fasson ist ja auch ein bißchen
apart. Ich ließ nun die Mützen
machen, der Stoff war aber reichlich
und «s wurden zehn. Ich wußt«
erst nicht, daß eine übrig blieb,
sonst hätt' ich sie dem Herrn mitgege
ben."
Der Beamte dankte, und Herr
Lämpler setzte s«ine Wanderungen
durchs Menschengewühl fort, jedoch
nicht mehr solo, sondern, wie man
ihm auch mitthelte, von drei Detekti
ves heimlich begleitet.
Das Gefühl dieser Bewachung
machte den vorher so ängstlichen Mann
äußerst vergnügt, und er trieb sich mit
Vorliebe gerad« im dichtesten Gewühl
herum.
Hier und da trat einer der bekann
ten Detektives an ihn heran und sag
te: „Bitte, greifen Si« 'mal in die
Tasche!"
Lämpler zog dann stets «in Por
temonnaie heraus und gab «s dem
Beamten, worauf dieser mit einem
Herrn, den er bei dieser Gelegenheit
am A«rmel festhielt, verschwand.
Dies war öfters d«r Fall.
„Wie lange gedenken Si« noch in
Berlin zu bleitrn?" fragte einmal ei
ner der Detektives.
„Bis übermorgen."
„Bitte, bleiben Sie noch einige Ta
ge: das Polizeipräsidium zahlt Ihnen
jeden Tag zehn Mark."
Und der Beamte überreichte dem
Ueberraschten eine Krön«.
Dies ging mehrere Tage so fort,
der Sekretär wurde von seinen Be
gl«itern an all« Punkte geführt, wo
„etwas los war", amüsirte sich könig
lich, zumal er sich unter starkem
Schutz wußte, und erhielt Tag für
Tag seine zehn Mark; von Zeit zu
Zeit fand er ein Portemonnaie in
der Tasche und sah dann «inen der
Beamten mit einem Herrn verschwin
den.
auf dem Polizeipräsidium noch einen
Betrag von dreißig Mark, wofür er
die ReisemUtz« abliefern mußte, und
Die A«ußerung. mit der er alle
Fragen abschnitt: „Ich komm« h«ut«
Abend in den Rathskeller!" hatte das
Lokal bis auf den letzten Winkel ge
fiM.
diesen Worten unterbrach der Ge
meinderath und Bäckermeister Neupel
die erwartungsvolle Stelle. „Es war
g«wiß recht theuer in Berlin!"
„Nein, sehr billig, die ganze Reise
hat sehr wenig gekostet."
„Und weggenommen haben Ihnen
„Unsinn, Kinder! Im Gegentheil,
ne Ergebnisse ganz in der Reihefolge,
wie alles passirt war.
„Ja, aber", rief endlich einer, der
aber wie ist denn nur die ganze Ge
schichte zu erklären?"
„Nun", erwiderte der Stadtsrekre-
und steckten sie dann den Trägern die
ser Mützen in die Tasche, um im
Falle einer Untersuchung unverdächtig
gen."
Seit dieser Zeit galt der H«rr
Stadtftkretär als besonders pfiffiger
Mann. Er mußte seine Erlebnisse noch
oft zum besten geben.
Berufstragik. Wi«,
— „Nicht um die Welt! Wis
mar fünf Jahre Chauffeur."
Unerhört. Patient: „....
Wi«, das hier im Spiritus soll die
Verkannt.
„Achweftlkopf!" hört man aus dem
Nebenzimmer. „Grünling!" „Spet.
Teufel!" „Satanspilz!" „Stink
morchel!" „Hasenohr!" „Bitter-
Krämerin, die eine Zeltlang schau
dernd zugehört hat. „Was haben denn
die zwei Männer da drinnen für
„Ach min!" sagt die Wirthin.
„Das sind ja die zwei Studenten, die
bei uns wohn«n die bereiten sich
nur für ihr Botanikexamei. vor!"
Gleich und gleich gesellt sich gern.
„Kellner, alles, was Sie mir hier
auch ungenießbar."
Böses Om«n. »Krebse Hat'S
»um Verlobungsdiner gegeben? Wenn
da die Sache nur nicht zurückgeht!"
Ueberfliissige Fragt.
Vater (zu seinem unartigen Sohn):
„Was soll ich nun mit Dir anfan
nicht erst, Vater, Du thust's ja doch!"
Trübe Ahnung. A.: „Wie
der ElektrizitätSgesellschaft „Lichtbo
„Die Gesellschaft hat, wie ich eben
hörte, sallirt!" B. (erbleichend): „O
sie nun wohl zu
„Kind, wenn Du Dich weigerst,
mitzufahren, blamirft Du mich vor
lassen und der Mann ist mehrfa
— boshaft. Tourist (als er
unverschämte Preise zahlen mußte,
wurde ich tüchtig!
SchwereSLoS. „Sie leben
nur vom Schuldenmachen arbeiten
wollen Sie nicht!" „Ja glauben
Si«, daß das Schuldenmachen heutzu
tage keine Arbeit ist?"
Im Zweifel. Professor:
stellt! Oder sollte ich in der Zer
beigelebt sein?!
Morgen Toilette.
„Lise, setz' Dir man den Hut «ich
zu weit nach hinten!"
„Na. Mutta! Wie soll'n mir'n
denn die Jungs ins Jesichte kielen!"
—Studenten - Testament.
Erster Student: „Wenn Du plötzlich
stirbst, wer wird denn Deinen Nach
laß erben?" Zweiter Student: „Mei
ne Möbel erbt der Tischler, meinen
Anzug der Schneider und mein«
Schulden mein Onkel."