Scranton Wochenblatt. (Scranton, Pa.) 1865-1918, July 29, 1909, Image 6

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    DaS Äi«d.
Wahrhaftig, Juliane, da hast im
dir schon wieder einen Fleck in deine
gute schwarzseidene Schürze gemacht.
Wie hast du das nun wieder fertig
gekriegt? Du bist doch das "reinste
Kind!"
Das „Kind" sah erschrocken an sich
herunter, und weil es von einer rund
lichen, behaglichen Füll« war, hatte
«s einige Schwierigkeiten, den Fleck
zu erspähen, um den es so streng
g«tadelt wurde. Es war nicht gerade
«inS von den allerjüngsten, dies Kind,
denn es mochte sünszig Jahre zäh
len. Aber Fräulein Juliane Bür
stenbinder war nun «inmal in den
Augen ihrer gestrengen, älteren
Schwester, der verwittweten Frau
Amalie Amt.-r, das Kind, und sie
mußt« «s wohl auch bis an ihr seliges
Ende bleiben.
„Gib mir nur die Schürze her,"
sagte Frau Amtor tadelnden Tones,
.und hole mir die Benzinflasche."
Fräulein Juliane versucht- einen
schwachen Protest.
„Ich kann das doch selber machen,
Malchen."
Frau Amalie schüttelte den Kopf.
„Damit es wieder einen Rand gibt,
Juliane. Nein, laß nur, Juliane,
das verstehst du nicht. Ich mache das
besser selber."
Und Juliane ging gehorsam und
holte die Flasche. M Ich
verstand alle? besser! Juliane sah
das ja auch ein. Amalie hatte über
haupt immer recht, das stand für
Juliane fest, war ein Evangelium für
sie, seit die damals Fiinfundzwanzig
jährige nach kurzer Ehe inS elterliche
Haus als Wittwe zurückgekehrt war,
die Zügel, die eben den zur letzten
Ruhe gefalteten Händen der Mutter
«ntglitten waren, mit festem Griff in
ihre Hände genommen hatte, und für
die zehnjährige Juliane alles that,
was die beste Mutter hätte thun kön
nen. So war das Verhältniß zwi
schen den beiden geblieben. Nur «ine
ganz kurze Zeit hatte es eine Aende
rung erlitten, das war, als Juliane
sich sehr jung verlobte. Aber es war
nur «ine kurze Unterbrechung.
Wenn Frau Amalie Amtor an
dies« Zeit dachte, dann wurde Ihr
strenges Gesicht noch strenger. Sie
hatten kein Glück mit den Männern,
die Bürstenbinderschen Töchter. Ju
lianens Bräutigam hatte in unver
antwortlichem Leichtsinn einem
Freund gebürgt und nicht bedacht,
daß Bürgschaften manchmal auch ein
gefordert werden können. Eines schö
nen Tages geschah das und er war
«in ruinirter Mann, dem man natür
lich «ine Bürstenbinder nicht zur Frau
geben konnte. Das sah Julian« auch
ein freilich fragte niemand da-
'°"f/sch^
sollen, wenn nicht Malchen für sie
sorgte, für sie dachte? Aber konnte
nian denn mit ganzer Aufmerksamkeit
Stunde an dieser selben Stelle zwei
junge Menschen von ihren Aengsten
«nd Kümmernissen «rzählt hatten?
Juliane hatt« keinen anderen Gedan
ken gehabt seitdem.
Und nun saß Amalie und rieb den
Fleck, als ob es gar nichts Wichtige
res auf der Welt geben könne.
„Findest du es nicht schrecklich trau
rig, Malch«n, daß Milly und Ernst
nun wieder solange warten sollen?"
fragt« si« nach einer Weile leise.
Frau Amalie hielt einen Augen
blick mit Reiben inne und betrachtet«
prüfend das Resultat ihrer emsigen
Thätigkeit.
„So, jetzt ist es heraus," sagt« si«
befriedigt. „Was meinst du, Julian«?
Schrecklich traurig? Warum? Wie
ein Jahr —, zwei —, drei Monate,
nun, ein Jahr und drei und einen
halben Monat. Das ist doch noch
keine Zeit! Sie sind ja noch jung!"
Juliane nickte.
„Ja —, jung sind sie noch. Abe«
«chs^n.
nicht stellen, das haben sie ja vorher
gewußt. Man weiß doch auch, daß
einem k«ine Kaution vom Himmel
herunterfällt."
„Ach." sagte Juliane mit einem
tiefen Seufzer, „ach, Malchen, in der
Jugend hofft man ja wohl auch dar
aus, daß etwas vom Himmel falle«
könnte."
„Aber man muß sich dann auch
nicht wundern, wenn nichts herunter
fällt," sagte Frau Amtor streng und
ging hinaus.
Juliane strickte mit fieberhafter
Emsigkeit an ihren Strumpf. In der
Küche hörte sie Amalie wirthschaften,
mit dem Mädchen reden, mit Geschirr
klappern. Jetzt schlug sie Schne«, ach,
sie hatte ja vorher davon gesprochen,
Kuchen backen zu wollen. Da backten
sie nun Kuchen, aßen ihn behaglich,
ließen sich ihn gut schmecken, sie, die
Alten, die keine Zukunft mehr hatten,
deren Leben abgeschlossen war, wäh
rend di« jungen Menschen ihre Hoff
nung auf eine schöne Zukunft bezru-
Ja, sie tonnten alles an sich wen
den. Und wenn sie heute die zehntau
send Mark für die Kaution gegeben
hättey, so brauchten sich darum
gewohnt waren. Aber Fräulein Ju
liane wagte gar nicht das auszuden
ken. Das war wieder einer von ihren
kindischen Einfällen, um die Malchen
sie so oft schalt. Wenn man jedem,
der's nöthig hätte, gleich z«hntaus«nd
Mark gäbe, wo käme man dann sel
ber hin? Aber wie herrlich wäre es,
wenn sich jemand fände, der so etwa»
Kindisches thäte? Dann konnten die
jungen Leute Heirathen auf die aus
kömmliche Versorgung hin, und wä
ren glücklich gewesen. Die Strickna
deln flogen in ihren Händen. Aber
plötzlich sanken Strumpf und Hände
in ihren Schooß, sie saß da, starrte
auf die Monatsrofen oder hinaus
ins Freie, ohne etwas zu sehen und
zu hören. Wie hatte doch Malchen ge
sagt? Vom Himmel fällt nichts.
Nim, gewiß nicht, aber was hofft
l man nicht, wenn man jung und thö
! richtist! Sie hatte auch einmal ge
hofft, daß Hilfe vom Himmel fall«
für ihn. für den einen, den sie liet
gehabt hatte, und als keine kam, da
war sie entschlossen gewesen, wenig
stens mit ihm auf bessere Zeiten zu
warten. Aber was hatte ihre Ent
schlossenheit ihr genutzt? Vater und
Malchen hatten anders bestimmt und
vielleicht war es ja auch gut so, wie
es dann geworden war. Sie hatte ja
wohl zehn Jahre warten müssen.
Zehn Jahre sind eine lange Zeit, aber
—Julian« rechnete nach, damals
war sie neunzehn, und wenn si« auch
wirklich zehn Jahre gewartet hätte,
dann war si« «ben neunundzwanzig,
und ejn langes Leben hätten sie noch
zusammen leben können. Er hatte sich
da draußen verheirathet, Juliane
wußte es. sicher hatte er «ine nette
Frau bekommen und hübsche, gesunde
Kinder. Er hatte sich wieder in die
Höhe gearbeitet, ganz gut. Und nun
erschien ihm wahrscheinlich die Zeit
ihrer Verlobung als eine vorüberge
hend« Episod«, an die er manchmal
zurückdachte mit d«m Gefühl, daß
seine damalige Braut doch ein dum
mes, kleines, schwaches Mädchen ge
wesen sei. Wenn jemand ihnen gehol
fen hätte!
Amalie war ausgegangen zu einer
Freundin.
Fräulein Juliane setzte ihren Hut
auf und nahm ihren Mantel um und
all« ihr« Bewegungen hatten etwas
Hastiges, Heimliches. Und dann ging
sie auf leisen Treppe Hin
sie hätt« zurückhalten können, schlüpfte
aus dem Hause und drückte sich dicht
an den Häuserreihen vorbei durch die
stillen Straßen des Städtchens. Sie
kam sich vor wie ein Mensch, der auf
verbotenen Wegen geht, und sie ath
mete ti«f auf, als sich die große,
fchw«re Eichenthür eines altmodischen
Hauses hinter ihr schloß. In dem
hallenden Flur stand sie eine Weile.
Der Athem ging ihr schwer und sie
hatte ein Gefühl der Be
licht» Privatbureau zwischen dicken
Wollen blauen Knasters hinter seinen
Papieren saß.
„Du, Juliane?" sagte er erstaunt,
„wohin schreibt man denn das? Das
Äthem. Na komm, nimm mal den
dicken Mantel ab und setz dich. Trinkst
du ein Gläschen süßen Wein?" Er
betrachtet« sie kopfschüttelnd. .Was
„Von deinem Geld«, Juliane? Ja
kommst du denn darauf? Und wozu?
j Fräulein Juliane gab sich einen
Ruck, daß sie ganz gerade saß, Ihre
! Erregung schien plötzlich verschwun
den, Ganz ruhig saß sie da, sah den
alten Freund an und sagte mit fester
Stimme: „Zehntausend Mark." Er
j „Zehntausend Mark," sagte er nach
einer Weile langsam, »Juliane, du
scherzest wohl." Sie schüttelte den
Svpf,
„Nein," sagte sie fest, „ich scherze
nicht, ich muß zehntausend Mark
b«n, nicht von meinem väterlichen
Erbtheil, sondern von dem, was mei
ne Pathin mir vermacht hat, was mir
allein gehört. Das waren ja über
zehntausend Marl, und in den zehn
Jahren, wo es liegt, sind ja wohl noch
über viertausend dazu gekommen.
Davon möchte ich zehntausend abhe
ben." Sie griff in ihr Täschchen und
nahm ein Papier heraus. „Hier ist der
Schein, willst du so gut sein, mir
das besorgen, Franz? Es sind ja wohl
preußische Consols, das genügt,
Baargeld brauche ich nicht." Fräulein
Julian« sagte das so ruhig und
selbstverständlich, als ob sie alle Tage
über zehntausend Marl in preußi
schen Consols verfüge.
„Ha, aber, Juliane —," der alte
H«rr war so betroffen, daß er gar
leine Worte fand, er stotterte nur
«in paarmal „was —, wozu denn —,"
und zuletzt sagte er: „Was sagt denn
die Male dazu?"
Ein eigenthümlich entschlossener
Zug trat in Fräulein Julianes wei
ches Gesicht.
„Amalie?" sagte si« knapp,
„nichts."
„Nichts?." fragte der alte H«rr.
Jetzt lächelte Fräulein Julian« wie
ein Kind lächelt, das einen ganz be
sonders lustigen Streich ausgeheckt
hat.
dies nicht mit Amalie bespreche?"
„Nein," sagte Fräulein Juliane
ebenso knapp, wie sie vorher
„Aber Juliane!"
Fräulein Juliane schüttelte leise
den Kopf.
„Kein „Aber" Franz. Bitte, besorge
mache." Sie sah ihn fast heraussor
„Eine theure Dummheit," murrte
der alte Herr. Er war jetzt wirlUch
Juliane, aber das geht nicht. Ich habe
doch schließlich auch eine Verantwor
tung, und die Male sollte mir schön
aufs Dach steigen."
„Höre, Franz," sagte Fräulein
Juliane, „ich habe so ein« Idee, als
ob man mit einundzwanzig Jahren
mündig wäre, und sein Vermögen
selbständig verwalten könne. Ist das
nicht so? Und im Uebrigen fällt mir
ein. die Bank ist ja wohl noch offen.
Laß mir die Papiere doch gleich ho
len, ich warte dann hier bei dir dar
auf. Dein Bureauvorsteher kann ja
wohl gehen."
„Ich bitte dich, Juliane, dcks geht
doch gar nicht, das mußt du doch ein
sehen!" rief Notar Winkelstedt ver
zweifelt. „Man kommt doch nicht da
her und nimmt einfach zehntausend
Mark und geht damit wer weiß wo
hin. Sonst hatte Amalie alles besorgt,
du hast dich nie um Geldangelegenhei
ten gekümmert, und nun kommst du
plötzlich mit so «inem schwerwiegen
den Entschluß."
Juliane lächelte.
„Und wenn ich nun selber mit dem
Depotschein nach der Bank gehe, lieber
Franz, dann brauche ich dich ja gar
nicht."
„Ja," rief der liebe Franz zornig,
„aber dann hätte ich auch die Verant
wortung nicht, und so habe ich sie."
„Wenn's das nur ist, von der Ver
antwortung will ich dich entlasten.
Ich hole mir das Geld dann selber»
„Willst du mir denn nicht wenig
stens sagen, wozu du's brauchst?"
„Das kann ich nicht, Franz. weil
es nicht mein Geheimniß allein ist.
Aber du kannst's mir glauben, es
wird mindestens eben soviel Gutes
stiften, als wenn es auf der Bank
liegt und Zins bringt. Von die
sem Gelde wenigstens wM ich einmal
schimmeln lasse, sondern daß es jetzt
lebendigen Segen wirken soll."
Der alte Herr sah Fräulein Juli
ane erstaunt, ja fast erschrocken an,
„Wie du nur redest, Juliane!"
Sie lächelte ein wenig.
„Und darum habe ich mit Amalie
nicht darüber gesprochen, weil sie re
den würde und reden, mir beweisen,
daß ich ein Kind bin und nicht klug
werde. Darum werd' lch's ihr erst
sagtn, wenn nichts mehr rückgängig
zu machen ist. Willst du mir es
nun holen lassen oder willst du nicht,
Franz?" , , ,
Eine Viertelstunde nachher ver
ließ Fräulein Julian« das Haus de»
Notars. Aber sie drückte sich nicht
an den Häusern vorbei, sie ging mit
einem kleinen Päckchen in der Hand,
aufrecht und schnell durch die Stra
ßen bis zu einem anderen alten Hau
se, wie jemand, der es sehr eilig hat.
Als si« nach einer halben Stunde wie
der heraus kam, glänzten ihre Au
gen, ihre Wangen waren roth und
ihr Mund lächelte. Und ebenso ei
lig lenkte si« ihre Schritte heim.
Frau Amalie Amtor war schlech
ter Laune ... Wo nur diese Juli
ane blieb! Warum sie nicht sagte,
wohin und woher des Weges, wenn
si« wegging. Immer hatte man
Angst, es passire ihr etwas, sie
pere und vertrete sich einen Fuß.
„Du treibst dich wahrhaftig herum.
Juliane!"
„Ja, das thu« ich," sagt« Fräulein
Juliane schalkhaft.
„Und «enn du erst wüßtest, wo ich
mich herumgetrieben habe! Aber du
bekommst es erst nach Tisch zu erfah
ren."
„Das wird was Großes sein",
murrte Frau Amalie.
„Ist es auch, Amalie", kicherte
möchte. Aber sie hielt an sich, bis
läufig sagtet
„Du, Amalie, eine Neuigkeit! Ernst
und Milly haben die Kaution ge
„Ja, nun können sie in sechs Wo
chen Heirathen. Die Aussteuer ist
ja fix fertig. Du sagtest heute Mör
len. Ist das nicht hübsch? Du
„Hast du sie gesehen? Wie kommst
„Warum sollte ich sie nicht gesehen
haben?" sagte Fräulein Juliane
harmlos. „Ich war doch die Nächste
dazu, ich habe ihnen ja das Geld ge
fuhr bolzgerade in die Höhe und
starrte ihre Schwester an, als ob sie
ein Gespenst gesehen hatte.
„Du?" Und nach einer langen
Pause wieder: „Du, Juliane?" Fräu
lein Julian« nickt«.
„Ja, ich. Bon Tante Julianes
t>eld, das ja todt dalag."
„Todt dalag? Wieso lag «s todt?
Es brachte doch Zinsen und vermehr
t- sich. Es waren doch erst zehntau
send Mark und jetzt sind es vier
z«hntausend. Es war doch dein
Patengeld, Juliane. Es war doch .
Und Frau Amalie Amtor sank
fassungslos in den Stuhl zurück, aus
dem sie den aufgestanden war und
d«r über Gesicht, als ob sie da
„Ja," sagte Fräulein Julian« hei
ter, „dak war es. Ab«r ich will
mir einbilden, die Milly sein auch
Jetzt stand sie auf, rollte ihr Strick,
zeug mechanisch zusammen und öff
nete die Kommode, in dem sie ihren
sie zwischen den zusammengebissenen
„Es ist alles in Ordnung, Ama
lie" antwortete Fräulein Juliane
friedfertig. Ich habe die Papi«re
durch Wendelstedt von der Bank ho
„Durch Wendelstedt," fuhr Amalie
„Er wollte erst auch gar nicht,
Amalie. Er wollte es erst durch
aus mit dir sprechen. Aber als ich
ihm sagte, dann würde ich's mir
selber holen, da konnte er ja nicht
ist ja fast so gut wie Diebstahl!
Aber sie müssen es herausgeben."
Sie stülpte mit zitternden Händen
den Kopotthut auf den Kopf. „Ich
will doch mal sehen, ob sie so kühn
sind, das zu behalten." Julian«,
die aufgestanden war, setzte sich wie
„Ach, du willst zu Bürstenbinder!
gehen, Amalie. Das thu lieber
nicht. Wozu brauchen die denn zu
wissen, daß es dir nicht recht ist?"
„Sie sollen's wiedergeben, Ernst
soll's herausgeben!"
„Aber Amalie, du bist komisch.
Würdest du denn zehntausend Mark
herausgeben, die dir jemand geschenkt
wollte?"
Blick an.
„Du bist
gewesen. Aber sonst wenn man
fünfzig Jahre alt ist dann
pflegt man manchmal zu wissen, was
du für mich wolltest und thatest,
mir wohl oder wehe that." Frau
Amalie machte eine jähe Bewegung.
Aber Juliane fuhr eilig fort:
„Als das damals passirte —, du
weißt schon —da habt ihr beide,
dämm erreichen können, wenn ich ein
wenig Muth gehabt hätte —, ich hat
te ihn nicht —, ich bin das Kind
geblieben, das keinen Willen haben
durfte. Und nun —, nun habe ich
plötzlich den Muth bekommen. Ach,
ich weiß, wie es thut, wenn man
begraben muß, Hoffnu^-
gliicklich machend Und darum,Ama
lie, ist es besser, du gehst weder zu
Wendelstedt noch zu Bürstenbinders!
Du würdest doch nichts ändern. Du
ihre Schwester. Und dann fragte sie
me: „Ist das wahr, Juliane? Hast
du so empfunden alle die Jahre?"
Juliane nickte. Ihre Augen gin
gen versonnen ins W«te.
„Ja. Aber sieh nicht so erschreckt
aus, Amalie. Ich habe mich ge
be ist, soviel wir dazu helfen kön
derte nichts. Aber leise hob sich ihr
Arm und umschlang die Schwester.
Merlin.
Slizze von Hugo «urg.
„Ja, ich weiß mein lieber Herr. ..
nicht wahr, Müller. . . ja Müller. . .
Sie waren schon einige Male hier we
gen Ihrem Stück. . . So, vor zwei
Jahren haben Sie es schon eingereicht
. . . nun sehen Sie, wir Theaterdirek
toren sind «ben vielgepl.?gte L«u!e.
Und llb«rhaupt ','issen Sie. . .
Hallo, hi«r Direktion des Schil
ler-Theaters, bitte, w«r dort? . . .
Ah, Seine Exzellenz persönlich. . ,
Ja, bitte, ich bin selbst am Tele
phon. . . Direktor Schlesinger. . .
Bitte sehr. . . Gewiß. . . Mit dem
größten Vergnügen. . . Log« Nummer
vierzehn. . . Ja, Parterre . . Bitt«
sehr. . . Habe die Ehr«. . .
Sie entschuldigen schon. . . jetzt
habe ich aber den Faden total verlo
ren. . .Ja richtig, was ich sage: woll
te Wissen Sie, Herr . . . Müller,
danke. . . mit den sogenannten seriö
sen Stücken ist es bei unserem nervö
sen, raschlebigen Großstadlpublikuni
überhaupt nichts anzuf ngcn Im
Theater will man nicht denken, nicht
Problemen nachgrübeln. Man will
sich unterhalten. Man will keinen
Tokayer, sondern leichten Champagner
trinken. . . T.fanne. . . das ist j>
das Modegetränk, wie Sie wissen.
Ja, ich weiß, was Sie sage wollen.
Als Schiller - Theater müssen wir
öfter auf den Kothurnus steigen.
Aber da haben wir di« Kla>si!«r. . .
Goethe, Lessing und so weiter. Da
darf da« Publikum nicht murren. Da
es sich 6nsach nicht. Aber be!
Goethe und alle anderer können fr«h
sein, daß sie nicht jetzt ihre Stücke
schreiben. Ich möchte für nichts ga
rantiren. Und Inst not lonst mug
der Direktor auch auf di« Kass: Rück
sicht n«hmen, und da ist es gerade das
leichte französische Genre...
Halloh, hier Direktion des Schil
l«rs-Theaters. . . Ja, Direktor Schle
singer selbst. . . bitte, wer . . . o, küß
die Hand, gnädig« Frau. . . zwei Or.
chestersitze für heut« Abend. . . bitte,
«inen Augenblick. . . S'.e verzeihen
schon, Herr Müller. . .
Dworzak, fragen Sie an der Kass?,
ob di« zwei Orchestersitze erste Reih«,
die ich heute Früh reseroir-n ließ, ad«
geholt worden sind. Ab«r gleich!
Also. . . Ja. . . Uebrigens. . .
waren Sie schon bei Binde- im Pari,
theater?. . . So. . . Nun sehen Sie,
der hat Ihr Stück gleich ungelesen
zurückgeschickt. Aber was wäre es m
der Provinz? Da ist das Publikum
empfänglicher für Ernstes, da hat -S
sozusagen mehr geistigeZ Sitzleder. . .
Sie verstehen mich. . .
Also abgeholt. . . fatal. . . und
sonst auch nichts! Hallo. ... Ja. . -
Bitte. . . leider kann ich siir heute
Abend mit nichts mehr dienen. Alles
ausverkauft. Aber für m- gen. . .So
... ah, das macht sich sehr gut . .
Selbstverständlich. . .das ganze Hau!
steht zu Ihrer Verfügung. . . Ja
wohl, ich habe gekauft. . . 500
Stück . . , stehen schon heut, vierzig
Kronen höher. . . Bitte, sagen Sie
dem Herrn Gemahl, ich lasse ihm
vielmals danken für den guten Rath».
Glänzendes Geschäft! Meinen Hand
kuß, empfehle mich bestens.
Ob ich es selbst gelesen habe?
Aber, lieber Herr Müller, wohin den»
ktn Sie! Ich hab' dazu keine Zeit.
Das besorgt der Doktor Friedmann,
unser Dramaturg. Der ist gewisser
maßen Ihr Kollege. . . es ist da!
Best«, Sie gehen gleich hinüber. Nein,
bitt« hi«r hinaus. . . gleich links hin
ten die zweite Thür .. Bitte sehr ...
Dworzak, gehen Si« nach ein Paar
Minuten zum Doktor Friedmann
hinüber und sagen Si« ihm, ich li«ße
dringend bitten. . . Sie verstehen
mich. . . Sonst bleibt der Mensch bis
morgen Früh bei ihm
Ah, Herr Müller, ja ich weiß, wes
halb Si« komm«n. Nun, waren Si«
schon beim Direktor? . . .Ja. . . Und
er hat Sie zu mir geschickt . . li,
selbstverständlich habe ich es gelesen. .
Aber wissen Sie, da wir gewisserma
ßen Kollegen in Apoll sind, kann ich
ja offen zu Ihnen reden. Ihr Stück
enthält ohne Zweif«l viele schöne, poe
tisch« Stellen. . . aber sagen Sie
selbst, halten Sie es auch für bühnen
wirksam? Sehen sie, schon Jmmer
mann hat mit seinem Merlin nichis
«rreicht. Das ist heute Literatur!
Weiter nichts. Und wie viele Leute
wissen überhaupt, wer Merlin war.
Goldmarls Oper ist auch Hing', ver--
gessen. Und dann sehen Sie, komme»
in Ihrem Stück doch auch Stellen
vor, die. . . Si« «rzeiher schon da»
harte Wort. . . etwas schülermäßiz
anmuth«n. Zum Beispi«' da. . . ich
hab« mir di« Stelle eigens roth ange
strichen. . . wo ist st« denn, . .ah
hi«r. . . hören Si« nur:
„Zu Ende ist nun aller Trug:
Die S«ele nimmt zum Himme. ihren
Flug,
Indessen in der Erd« Schatten
Man geht d«n müden Leib bestatt«»."
Nun sagen Sie doch selbst, beskr
Freund. . . Was, diese Verst sind
nicht von Ihnen? Auch das Stück
ist nicht von Ihnen? Ja, ron wem
denn? Da steht aber doch Mer. . .oy
Pardon, ich hab« in der Eil« ein
anderes Manuskript erwischt. Ja, ja,
von d«r Hofräthin Schick. Muß auf
geführt werden. Hohe Protektion. . .
Sie verstehen mich. Ach so. . . Sie
wollen Ihr Stück zurück. Aber bitte
. . ich werd« es Ihnen einschlagen
lassen. .
Was wollen Sie, Dworzak? Ich
soll zum Herrn Direktor kommen . .
ja gleich . . also Sie entschuldigen
schon, Herr Kolleg« . .Ich habe die
Ehre
Hat der Doktor keine Wiederbele
bungsversuche gemacht?. . . So, >:r
war schon todt, als sie ihn in die
Waschstub« bracht«». Und in voller
Montur ist ihm der Mei.,«r nachg?-
sprungt»! Das ist bei dies«r Kälte
kein Spaß! Am beste,, ist es, er legt
sich gleich zu Bett. . . er -at ja Weib
und Kind zu Haus, . .
Das ist alles, was b«i dem
ten gefunden wurde? Schreiben Sie
Namen. . . dann den Stand. . .muth
maßliches Alter: dreißig bis fünfun:-
dreißig Jahre. . . die Wohnung . . .
hier hat er alles aufg«sa>rieben. . .
den Todestag. . . .nein, es war noch
Neubauer, endlich ein Manuskript, be
titelt Merlin, dramatische» Gebtcht in
Da« Glücksschwein.
Das Wort „Glücksschwein" ist be-
Zeitunterschied aufhörte, Vergangen
heit, Gegenwart und Zukunft ineinan
der aufgingen", galt im altgermani
schen Volksglauben als heilig, und
man feierte si« mit F«sten all«r Art.
So wurde u. A. «in feistes Schwein
gebraten und verschmaust als das ge
heiligte Thier des Sonnengott«?
Freyr, dessen Geburt und Wiederkehr
man mit diesem Feste beging. D«r
Eb«r Fr«yr's, ein Kunstwerk der
Zwerge, stellte mit seinen goldenen
Borsten den Glanz der Sonne dar;
er zog den Wagen des Sonnengottes,
auf welchem dieser di« Luft durchfuhr,
auch diente er ihm wohl als Reitthier.
Wie nun Freyr ein milder, weiser
Gott war, «in Gott d«S Friedens, der
über Sonnenschein und Regen
herrschte und so den Menschen Reich
thum, Segen und Glück brachte, so
wurde der dem Sonnengotte geweiht«
Eber ein Symbol der Fruchtbarkeit
und des Glücks. Diese Bedeutung hat
sich in den oben genannten Bezeich
nungen bis zum heutigen Tage erhal
ten. Sparbüchsen in Form eine?
Schweines kommen in vielen Ländern
vor, selbst in China sollen sie. in ein
zelnen Bezirken von Missionären und
Anderen gefunden worden s«in.
D«r Protz.
Berka u 112 e r i n: eine
Hausapotheke wünscht der Herr?"
Käufer: „Wie haiht Hausapo
theke. Seh ich aus, als ob ich wohnet
in ain Haus? Geben Se mir aine
Palastapotheke!"
Der Unterschied. Vater:
„Bist Du denn sicher, daß Dein
Eduard Dich wirtlich liebt?" Toch
ter: „O, Papa, wie oft hat er gc
mir!"
Müde.
„J«tzt bist du nun schon acht Tage
aus dem Zuchthaus raus, ich dächte,
nun könn'st du wieder mal was
„Na, Mutter, wenn eener drei
Jahre in eenen fort gesessen hat,
dann will er ooch mal ausruhen!"
,Ach, entschuldigen Sie, Herr Prin
sen Geliebten ein«n Abschiedsbri«s
Vorsichtig.
's Holz klein mach' und jetzt, wo
ich fertig bin, kommt «r her und bet
telt."