Scranton Wochenblatt. (Scranton, Pa.) 1865-1918, November 19, 1908, Image 7

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    HtomlenMe.
(79. Fortsetzung )
„Ja, ja, den Sack schlägt man und
so weiter," erwiderte Windmüller
lachend. „Darum hat mir der Kuß
doch wohlgethan. Und wenn Sie wie
der einmal in einen Sumpf gerathen
sollten es kommt mir gar nicht auf
«inen klein«« Abstecher von Rom
an
„Sie sind einer unter Tausenden,
wahrhaftig, das sind Sie," versicherte
Greifens« mit einem Händedruck und
einem Blick, die viel mehr sagten als
eine Fluth von Worten. „Aber nun
will ich doch vor allem in den Kaiser
hof zur Tante Liese —"
„Wissen Sie was?" fiel Windmül
ler ein, „wenn es Ihnen nicht zu un
angenehm ist: lassen Sie mich mit
gehen! Ich möchte für mein Leben
gern wissen, ob Ihre Tante und mit
welchem Erfolge der Gräfin Sulau
den Kopf gewaschen hat. Solche
psychologischen Experimente sind mir
allemal hochinteressant. ES ist Ihnen
sogar lieb, wenn ich mitgehe? Um so
besser und, ja was ich sagen
wollte: wissen Sie auch, daß es die
Mittheilung der Komtesse, Ihrer Cou
sine, war, welche die Sache so prächtig
zum Klappen gebracht hat? Sie war
sozusagen das elektrische Licht in dem
unterirdischen Gange, in dem ich mich
meinem Ziele zu tastete —"
„'s ist ein Mordsmädel, die Tas!"
01/ er de/ Urheber dieser geistigen
Fähigkeiten gewesen wäre. „Aber wo
—bei wem haben Sie den Kasten ge
funden?"
„Ah, mein verehrter Herr von Grei
fensee das ist Geschäftsgeheimniß."
erwiderte Windmüller lächelnd. »Sie
müssen sich mit der Thatsache begnü
gen. Ich kann Ihnen nur so viel
sagen, daß ich heute eine sehr unbehag
liche halbe Stunde verlebt habe, bis
er in meiner Hand war und wenn
ich Ihnen einen guten Rath geben
darf: verrathen Sie nie und mit kei
nem Zucken Ihres Gesichts, daß Sie
die Gräfin Sulau als etwas anderes
als Ihre Tante und den Herrn von
Giroflet anders als einen Kavalier ken
ich so eine Vorahnung habe, als ob
der Chevalier von Giroflet Lust hätte,
Ihr Onkel zu werden."
„Donnerwetter!" sagte Greifensee
im ersten Schrecken. „Ist das Ihr
voller Ernst? Meinen Sie wirklich,
daß Tante Maja eine solche Gans
ist-"
theuerster Herr von Greifen-
Herr von Giroflet ist kein Esel. Die
beiden Posiren nur dieser als
Mystiker, jene als Ueberweib. Beides
sind Masken, die sie mit einer Voll
gestrige Gastrolle als „Ontel Tiefen
die künstliche der Mutter."
„Er soll sich unterstehen!" rief
Greisensee. „Aber es ist gut, daß Sie
mir das gesagt haben dem werd'
„Wie wollen Sie denn das ma
chen?" erkundigte sich Windmüller.
„Sie sagten doch selbst, daß Sie im
Hause der Ihnen so unsympathischen
Tante ein ich
Ihre Tante? 38! Sie ist zu Hause
um so besser!"
Der Lift brachte di« btiden Herre«
schnell i/i das Stockwerk des Riesen-
Hotels, in dem Tante Liese abgestie
schallte ein lautes „Herein."
Die alte Dame stand mitten im
Zimmer, die Hände aus die Hüften
ist alles, alles gut! Das Unwetter,
das'mich bedrohte, ist vorübergezogen,
ich bin wieder ein Mensch, dessen Ehre
unter keinem Verdachte steht und
„Junge! Fritz!" unterbrach ihn
Tante Liese, ganz roth im Gesicht.
„Herrgott, ich danke dir! Wo wäre
sie mir den Jungen unter den Boden
getrampelt hätten? Nach all dem
Sorgen und Schinden und was weiß
harte, nichtswürdige, niederträchtige
Probe auf's Exempel, ob du Talmi
bist oder echtes Gold. Nee, der Fritz
Greifensee ist kein Talmi! Nicht wahr,
Herr Doktor Windmüller, der ist kein
Talmi?"
ler, lächelnd die dargereichte Hand an
seine Lippen führend. „DaS scheint
nicht in der Familie zu liegen," fegte
fort, „dazu hast du Tas.
Du! Faktisch frage den Herrn
Doktor hier er hat's mir selbst ge
sagt. Ja, aber wie kommst du denn
eigentlich hier in's Hotel zur Tante
Liese. Tas?"
»Auf Schusters Rappen ist sie her
gekommen," erklärte Tante Liese.
„Wir werden uns doch für die paar
danach antworten. Na, das ist doch
ganz einfach: ich habe Mieze Sulau
besucht und sie aus den Federn geholt!
Sie lag noch im Bett und trank Scho
kolade. Tas, ich will mich nicht etwa
über deine Mutter aufhalten, denn
über den Geschmack läßt sich bekannt
lich nicht streiten, aber wenn man mir
zumuthen wollte, bis um zehn früh
im Bett zu liegen und Schokolade zu
zu mir eingeladen und hab' si/ gleich
mitgenommen. Na, das ist alles."
„Ich dachte, ich träume, als Tante
lange haben wir uns nicht gesehen,
Bin ich nicht ein Glückspilz, Fritz?"
Tante Liese und Windmüller sahen
sich an Greifensee merkte das nicht,
denn er sah nur Tas an. Windmül
ler räusperte sich leicht. „Apropos,
Pilze," sagte er, etwas gewaltsam
seine Gelegenheit bei den Haaren her
beiziehend. „Dabei fällt mir ein, daß
ich der Baronin etwas zu sagen habe.
Fritz und ich, können ja hinausgehen,"
fiel Tas ein.
Tante Liese nickte energisch.
aus.
„Komtessel ich lebe davon, daß
ich weiß, was ich thue," sagte er da
ßen?"
ich mich Ihrem Neffen auf, als fein
Herz ihn zuerst zu Ihnen trieb, nach
dem in seiner die ent
begreifen Sie denn nicht, daß Herr
von Greifensee und Komtesse Tas sich
unter vier Augen sprechen möchten?"
„Warum denn?"
„Nun ich denke, sie haben sich
Dinge zu erzählen, bei denen Sie und
ich ganz überflüssig sind. Zum Bei
spiel Geschichten von dem alten, abse
ien in dem sonderbaren Worte kam
die Erleuchtung über sie. Sie schlug
sich mit beiden Händen auf ihre mit
grauem Lodenstoff bedeckten Knie und
stieß einen trillernden Pfiff aus
dann drehte sie Windmiiller ihr Ge
sicht voll zu, in dem ihre Augen nur
so funkelten. „Das wär' das Don
nerwetter!"
beide doch nichts. In dieser Bezieh
wir nur ruhig: die Hauptsache nicht
klappt —"
„Hm Geldpunkt," warf Tante
Liese ein.
fuhr Windmüller fort. „Und jetzt ist
dazu ein so wunderbarer Moment, wie
er sich vielleicht nie wieder bietet.
Nennen Sie mich immerhin einen
alten, romantischen Esel, Baronin
es schadet nichts. Ich glaube an die
Macht solcher wunderbaren Mo
mente."
«Ich auch," sagte Tante Liese mit
Ueberzeugung. „Wir haben deswegen
einander nichts vorzuwerfen. Aber,"
fetzte sie energisch hinzu, indem sie un
vermuthet dem ahnungslosen Wind
müller einen Schlag auf den Rücken
versetzte, daß er förmlich vornüber
fchlug, „aber, daS wie ge
dann meine ich sie auch ehrlich daß
Sie das jetzt, zu dieser Stunde, heute
eben zuwege gebracht haben! Heute,
wo Fritz und Tas noch ganz harmlos
sind und ahnungslos wie die Lämmer
auf der Weide. Morgen heut'
Nachmitag schon, wenn sie es erst mal
dazwischen, aber so —"
„Warum käm' der Deixel heut'
Nachmittag schon dazwischen?" erkun
digte sich Windmüller interessirt.
„Na, ich sagte Ihnen doch, daß ich
was von Tas wüßte," zwinkerte
Windmüller.
„Ihnen kann ich's jetzt aber sagen,"
tuschelte Tante Lies« mit strohlendem
Gesicht. „Der alte Richter, Tas' Vor
mund, hat mir's gestern Abend gesto
ch«n. Ich traf ihn auf dem Bahnhofe,
als ich hierher fuhr, wissen Sie. Also,
Tas hat eine Erbschaft gemacht, von
ihrer Pathe, der alten Male Sulau,
von der kein Mensch gedacht hätte, daß
Butter auf dem Brot gegönnt und ge
lebt hat, als müßte sie verhungern.
Ich hab' ihr manche Gans, manchen
Hasen geschickt, weil die arme Person
mich gedauert hat, das alte, geizige
Laster, das! Der Tas hat sie als
det man Geld wie Heu bei ihr:
Werthpapiere, baares Geld, zinslos in
den Strumpf gespart, und den ganzen
kann/ Sie kannte eben ihre Pappen
heimer. Ja und Tas ist über
Nacht eine reiche Erbin geworden."
„Das freut mich," sagte Windmül
ler, indem er Tante Liese die Hand
drückte. „Freut mich für die beiden
da drin. Es kommt blos darauf an,
was Sie „Geld wie Heu" nennen?"
„Nun, so dreimal mehr, als ich mit
sammt meiner Klitsche von Gut werth
bin," sagte Tante Liese vergnügt.
„Der alte Richter nannte mir eine
Summe, daß mir die Augen übergin
gen."
Windmüller rieb sich vergnügt die
Hände.
„Jetzt müssen wir das Komtessel
blos vor den Goldfischfängern in acht
nehmen," sagte er. „Der wird Augen
machen, wenn er hört, daß das Kom
tessel schon versorgt ist. Und noch
dazu mit dem Jungen, dem Fritz, der
bei ihm so 'n dicken Stein im Brette
hat."
„Und da wir gerade von Geld
reden sagen Sie mal, was bin ich
Ihnen denn eigentlich schuldig?" er
kundigte sich Tante Liese.
„Sie mir?" fragte Windmüller mit
dem unschuldigsten Gesicht von der
Welt. „Ach, Sie meinen wegen Ihres
Herrn Neffen? O, das ordnet das
das Ministerium für die Auswär
tigen Angelegenheiten."
„Einen Quart thut es," erklärte
Tante Liese energisch. „Mir lügen
Sie nichts vor! Sie können ja iiber
diesen Zweifel an meinen Fähigkeiten
meinte Windmüller. „Aber, Scherz
beiseite schenken Sie mir Ihre
Ihnen auf dem Lande ausruhen zu
dürfen, und ich bin nicht nur bezahlt,
sondern noch Ihr Schuldner. Sie
wie Sie, wie Ihr Nesse, wie liebe,
„Sie sind 'n komischer Kerl,' stieß
sie undeutlich heraus. „Ader eine
famose alte Wurzel sind Sie auch
und wenn ich siebenmal so reich wäre
wie das dumme Mädel, die Tas ist,
ohne daß ste's weiß viel zu arm
wäre ich. um Ihnen bezahlen zu kön
nen, was Sie für den Jungen gethan.
Das ist ja überhaupt nicht zu bezah
len —da haben Sie schon recht.
Wenn ich jünger wäre, würde ich
Ihnen Herz und Hand anbieten, aber
leider bin ich eine alte Schachtel —"
„Leider!" seufzte Windmüller, mit
allen guten Geistern ringend.
wird's ja meinem Renommec nichts
schaden, wenn Sie mich besuchen kom
men," fuhr Tante Liese fort, indem sie
in ein herzliches Lachen ausbrach, das
sich mit ihrer Rührung zu einem wun
derlichen Gemisch verband. „Also,
gemüthUch wollen wir miteinander
leben. Ich bin Ihre Freundin auf
Tod und Leben! Ich bin auch einmal
junges Herz bewahrt —"
Windmüller küßte zum zweitenmal
am heutigen Tage die schöne Hand der
„Jetzt laß ich Sie drei allein,"
sagte er. „Mein Werk ist gethan, und
ich habe noch nothwendige Geschäfte."
Freundes liebevoll tätschelnd. „Schon,
um mir Gesellschaft zu leisten, denn
die beiden da drin, wenn die sich mal
Windmüller seufzend, ruft die
Pflicht ich hab' so Wt» zu lange
damit gezögert aber es war stärker
see diesen Elephanten - Liebesdienst
erweisen. Ich mußte einfach! Aber
Sie sehen schon wieder keine
versehen, Baronin! Ihr ergebenster
Diener!"
(Schluß folgt.)
«u« d«m L«d«n Shspiu«.
Der berühmte Pianist und Kompo
nist Pflegt« in Paris täglich verschie
dene „Welten" zu b«suchen, und jeden
Abend suchte er sich einen Salon auS,
in dem er den Mittelpunkt ve» Inter
esses bildete. So hatte er einige zwan
zig bis dreißig Häuser, wo er durch
seine Gegenwart und sein Spiel die
Gesellschaft zu ergötzen und zu bezau
bern wußte. Chopin war nicht zu
ausschließlichen Herzensneigungen ge
schaffen, doch forderte er diese von an
deren seine Seele, eindrucksfähig
für alles Schöne und Reizende, Strah
lende, eilte mit größter Willkür und
Wandelbarkeit von einem Gegenstand«
seiner Zuneigung zum anderen. Und
wie wenig er das, was er seinem eige
nen Herzen gestattete, mit dem messen
konnte, was er vom Herzen anderer
fordert«, mag folgendes Beispiel zei
gen: Chopin fühlte sich einmal von der
Liebenswürdigkeit der Enkelin eines
berühmten Bildhauers lebhaft hinge
rissen und beabsichtigte, um ihre Hand
anzuhalten, obgleich er z« derselben
Zeit eine andere Partie in Polen
ebenfalls «ine H«irath aus „Liebe"
im Auge hatte: noch hatte er indeß
sein Wort auf keiner Seite verpfändet,
und so schwankte sein unstetes Herz
zwischen der einen oder der anderen
Leidenschaft hin und her. Die junge
Pariserin nahm ihn sehr zuvorkom
mend auf, und alles war bereits im
besten Gange. Da geschah es eines
Tages, daß Chopin m:t einem anderen
Tonsetzer, der damals berühmter als
er selbst war, die Königin seines Her
zens besuchte. Die Dame, nichts Ar
ges ahnend, bot letzterem vor Chopin
einen Stuhl an. Seitdem sah sie Cho
pin nie wieder; er vergaß sie noch am
I«r b«li«bt« «»mtral.
Als Marconi von Bekannten zu sei
nem großen Erfolge mit der drahtlo
sen Telegraph!« beglückwünscht wurde,
meinte einer seiner Freunde aber
schließlich doch ganz bekümmert: „Ja,
das ist ja ganz schön; aber es wird er
zählt. daß Sie sich nur vier Stunden
täglich Ruh« gönn«n." „Das ist aller
dings wahr," «rwid«rt« der Erfinder.
werden. Sie erkaufen eben die Be
rühmtheit auf Kosten Ihres Flei
sches!" Worauf Marconi meinte: „Ja,
Dq» Kind.
„Es steht schlecht, aber am Kranken
bette geschehen noch Wunder; wir wol
len hoffen. Machen Sie alles genau
so. wie ich es angeordnet habe; mor-
So hatte der Arzt gesagt, und Ger-
Kopse genickt.
Durch die niederen Scheiben fällt
der letzte Sonnenstrahl über die sand
bestreuten Dielen. An der gegenüber
liegenden Wand stehen zwei Betten; >n
dem einen liegt das kranke Kind. Von
Zeit zu Zeit stöhnt es laut auf, wirft
sich unruhig hin und her und bewegt
die Lippen, als wolle es etwas erzäh
len, aber es kommen nur gurgelnde
Laute hervor. Dann nimmt die Frau,
die an dem Bette sitzt, ein Stückchen
Eis, schiebt es dem Kinde in den Mund
und erneuert di« Kompresse auf der
Stirn.
Seit fünf Stunden rang sie um das
Leb«n des Kindes, rang der starke
Menschenwille mit der kalten, Hohn
lachenden Macht des TodeS.
Es ist drückend heiß in der Stube,
das Giebelfenster ist geöffnet, aber kein
erfrischender Lufthaüch strömt herein.
Bleiern schwer ist die Luft, sie riecht
wie nach Schwefel und beklemmt beim
Athmen die Brust.
Nun zuckten in den schwarzen Wol
kenriesen die ersten Blitze, und je näher
das Gewitter kam, je stickiger und un
erträglicher ward unten di« Luft.
Die beiden alten Leute in dem Kran
kenzimmer sprechen kein Wort; der
Mann hat sich auf die Ofenbank ge
setzt und starrt dumpf vor sich nieder.
DaS Kind wird von Minute zu Mi
nute unruhiger, das Fieber steigt und
die beiden fühlen, daß der unheimliche
Gast schon auf der Schwelle steht.
Die altmodische Schlaguhr tickt,
ganz langsam und gemächlich. So
hat sie immer getickt, seit über fünfzig
Jahren. Hat Freude und Leid, Leben
und Tod durch die niedere Stube
schreiten sehen, ist von Geschlecht zu
Geschlecht gegangen, immer in dem
gemessenen, langsamen Pendelschlaz.
So sind Stunden der Freude zu Mi
nuten und Sekunden des Leides zu
Ewigkeiten geworden, ohne daß sie
ihre gleichmäßige Ruhe verloren, ohne
daß sie ihr gemächliches Tick-Tack auch
nur ein bißchen geändert hätte.
Schließlich hält der Mann diese
marternde Todeserwartung nicht mehr
aus, er reißt die Mütze vom Nagel und
stürmt hinaus. Er denkt nicht daran,
daß daS Unwetter in jeder Minute
losbrechen muß: fort, nur fort. W:an
er wiederkommt, wird alles vorüber
holen, dann wird er ihn begraben, den
Jungen, den lieben, kleinen Jungen,
und dann hat er wenigstens sein
Grab.
Und in der dumpfen Stube ringt
das Weib denselben Kampf. Aber ue
schreit nicht auf, als sie denkt: „Dann
haben wir wenigstens sein Grab." Sie
stens sein Grab!"
Es ist nicht ihr Kind, um das sie
ringt. Nicht ihr Kind! Nein, geboren
hat es eine andere, ein armes, un
glückliches Geschöpf, dos ihr Kind dem
Waisenhause geben mußte, weil sie ci
In dem kleinen Haveldorfe war 's
gewissermaßen Sitte geworden, daß !>ie
Leute Waisenkinder aus der großen
Stadt in Pflege nahmen. Und nie
kleinen Wesen hatten eS meistens gut,
d. h> sie bekamen Nahrung und Klei«
wollten, und >n Leuten waren si« eine
materielle Hilfe. So ein kleines We
sen aß sich mit heran, und wenn das
Vierteljahr um war, bekamen die Leute
das Pflegegeld; und Geld ist dort
knapper als alles andere.
Und Gerbers hatten sich auch „ihr:n
Hungen" genommen. Aber si« thaten
leer in den vi«r Wiind«n, sie waren
beide noch jung genug, um Kinderge
schrei anzuhören. Und er schrie tüch
tig, der kleine vierwöchige Erdenbür
ger, aber er entwickelte sich prächtig,
und sie hatten ihre helle Freude an
ihrem „Jüngsten".
So war er unter ihren sorgenden,
pflegenden Händen sieben Jahre ge
wachsen, und fest war er auch in ihre
des, ihr Junge sollte eine gute Schul«
genießen. Mit solch stolzer Hoffnung
hatten sie nie von ihren eigenen Kin-
Bis vor einer Woche hatten si« in
ihrem großen, ruhten Glück gelebt,
da kam der Schlag, der sie so hart
nichts weiter herausgekommen, a>S
daß der Junge bis Ende des Som
mers in der guten Läft bleiben sollte,
aber dann willten ihn die Eltern
ben.
Und das Recht war auf der leibli
chen Mutter Seite.
WaS nutzte es, daß sie sich beide
sieben lange Jahre um das Kind ge
sorgt und gemüht, daß sie aus dem
kleinen zappelnden Wurm eine süße
Menschenknospe herangezogen hatten.
Was nutzten all' die durchwachten
Nächte, was oie wunderbaren Fr:u
denstunden, die sie mit ihrem Jungen
wirchlebt? Es war nicht ihre« LeibeS
So hatte man denn den schweren,
schweren Schritt gethan und dem klei
nen siebenjährigen Menschenkind ge
sagt, daß der fremde Mann und sie
sremde Frau von nun M sein Vater
und sein« Mutter sein!, daß es nicht
seine Eltern gewesen, die er als Eltern
geliebt.
Der kleine Junge konnte das nicht
begreifen, aber er war zu klug, als
daß sie ihm einfach alles hätten ver
schweigen und ihn in andere Lebens
verhältnisse bringen können. Er
fragt« und wollte wissen, ob er von
hier fort solle, und da hatte ihn Ger
ber in die Arme gerissen und «S ihm
schonungslos gesagt, daß es so s«i,
daß ihn die fremden Menschen holen
„Dann haben wir w«nigstens sein
Grab!"
Warum ringt sie noch so hart mit
dem Tode?
Um das Kind, wenn ihr der Siez
wirklich gelingen sollte, der anderen -u
geben, weil das seine Mutter ist?
erträglicher geworden.
Frau Gerber hat das Giebelfenster
deüber von Gerbers Fenster liegt zer
splittert am Boden.
DaS Kind bäumt sich hoch auf:
„Mutter, Mutter!"
Seit Tagen ist «S der erste klare
Laut.
ist bei Dir, habe keine Angst mehr.
Mutter bleibt bei Dir, bleibt immer
bei Dir, Liebling, Mutter geht nie von
bleiben, sei ganz ruhig, Mutter sitzt an
Deinem Bett!"
Leise hat sie den Knaben zurückglei
neuert sie die Kompresse, streichelt über
daS kleine abgezehrte Gesichtchen, dabei
immer beruhigende Worte murmelnd.
DaS Kind athmet ganz tief auf.
athmet di« reine, regenfeuchte Luft,
dann schließt es die Augen und schläft
ein. Zuerst kommt der Athem noch
hastig und fiebernd aus der Brust.
ab«r dann wird er gleichmäßiger.
Schweiß bricht aus allen Poren; ruhig
und fest schläft das Kind seiner Gene
sung entgegen.
Und nun verläßt die treue Pflege
rin leise ihren Platz, In ihrem Ge
sicht zuckt und arbeitet es, der furcht
bare Kampf ist vorüber daS Leben
hat gesiegt.
ner Frau: liebes e»
-h ß d
„Es ist gut, daß er lebt es Ist
nen Wolk«f«tztii die ersten Sterne
auf.
Für die Küche.
Kaltes Schüsselsletsch.
Man nimmt gewöhnlich Kalbfleisch
zu diesem kalten Abendgericht, kann
aber auch halb Schweinefleisch nehmen.
Man vertheilt das Fleisch in passend«
Stück«, wäscht es, brüht 2 Kalbsfüßc
und thut beides gut verschließ
bares Geschirr, in dem man es mit so
viel Wasser übergießt, daß das Fleisch
eben bedeckt ist. Nachdem es ge
schäumt Ist, fügt man «in Glas Weiß
wein, ein Glas Essig, Salz, Pfeffer
körner, Piment, etwas Citronenschal«
und zwei Lorbeerblätter Hinz» und
kocht das Fleisch langsam gar, aber
nicht zu weich, weil es sonst leicht fase
rig wird. Man schichtet di« Fleisch»
stücke dicht in eine irdene Schüssel,
siedet die Brühe etwas ein, entfettet
und klärt si«, fügt «ine Messerspitze
Fleischextrakt und ein Blatt weiß«
aufgelöste Gelatine an und gießt di«
abgekühlte, lauwarme Brühe dann
über das Fl«ifch. Man stürzt das
Fleisch beim Anrichten und giebt e»
nur mit Essig. Oel und Mostrich zu
Tisch, oder reicht, wenn man es seiner
servirrn will, ein« R«moladensauc« ne
benher. .
Ochsenzung«. Sie schmeckt
gepöckelt, oder gepöckelt und geräuchert
besser als frisch, namentlich wenn fi«
nicht zu scharf g«salz«n und zu stark
geräuchert worden ist. Beim Einkauf
wähle man st« möglichst dick, mit
ziemlich glatter und nicht zu harter
Haut, um sicher zu fein, daß sie jung
und zart ist. Will man die Zung«
frisch kochen, so schneid« man zu«rst
den Schlund ab und wäss«r« sie dann
ein« voll« Stunde in reichlichem kal
ten Wasser, bevor man sie mit an
derem Wasser zum F«uer setzt! Eine
gepöckelte Zunge muß man über Nacht
einwässern und eine geräuchert« min
desten? 24 bis 36 Stunden im Was
ser liegen lassen, ehe man sie kocht.
Enten und Hühner bereitet
man in Griechenland häufig auf fol
gende schmackhafte Weife: Das ge
putzt« Huhn oder di« Ent« wird in
einer Kasserolle mit heißem Fett auf
allen Seiten braun gedünstet und
dann auf einen Tell«r g«l«gt. In
dem zurückgebliebenen Bratensaft«
dünstet man nun eine fein geschnit
tene Zwiebel, Petersilie, die blättrig
geschnittene Leber und den Magen de»
Geflügels, eine Handvoll fein ge
schnitten«, geschält« Mandeln, ebenso
riel Rosinen, Pfeffer und ein Stück
chen nudlig geschnittenen Sellerie,
bestreut das Ganz« mit wenig Mehl,
gießt etwas Wasser daran, läßt ei
eine Weile v«rkoch«n, legt dann daS
Geflügel in diese Sauce zurück und
dünstet es darin, gut zugedeckt, we
nigstens 1 Stunde bei langsamem
Feu«r.
Gemischte Suppe. In einem
gut passenden Schmortopf werden Z
Unzen Erbsen, 2 Nnzen Linsen und Z
Unzen weiße Backbohnen (alles ein
zeln über Nacht eingeweicht) langsam
ein Weilchen gekocht, dazu fügt man
5/2 Unze gebrüht«, abgeschwemmte
Graupen, Unze g«brüht«n abge
schwemmten Reis, einige würflich ge
schnittene Kartoffeln, etwas würflig
geschnittenes Suppengrün, 2 Unzen
würflich geschnittenen fetten Speck,
etwas Salz, Gewürz, 2 Quarts Was-
oder Gänsefleisch oder Hammelfleisch.
Wenn das Fleisch und die Hülsen
früchte weich sind, wird das Fleisch
gend,
Rindfleisch in saurer
Milch gedämpft. Ein Stück
Rindfleisch vom Schwanzstück (unge-
Nelken eingerieben. Dann werden k
Unzen Butter und etwas Nierensett
gelbbraun gemacht; das Fleisch wird
und schmeckt ab.
Selleriesalot von Stan
gense Neri«. Man kocht «in«
Butter mit 1 Theelöffel Mehl, 1 Eß
löffel Tas-lsenf, 1 Eßlöff«l Zuck«r,
Th«elöffel w«ißen Psesser zusammen
reibt, bis es glat ist. Dann rührt
rder sauer, zu der Mayonnaise und
hebt sie vom Feuer, sobald sie sich
verdickt hat. Ist di« Dressing zu dick,
so verdünne man sie durch Hinzugab«
von Rahm oder Milch. Den Stan
gensellerie hat man gewaschen und,
Zoll lang« Stücke geschnitten. ES
darf kein Tropfen Wasser an dem
Sellerie sein, wenn man die eiskalte
Sauce darüber gibt, und der Salat
muß sogleich zu Tisch gebracht werden.