Scranton Wochenblatt. (Scranton, Pa.) 1865-1918, October 08, 1908, Image 7

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    MBmleirUe.
Uoman von Eos. v ildlerSfeld Ballestrem.
(13. Fortsetzung.)
,Hm. Und auf den Gedanken,
überwachen, sind Sie, wie es scheint,
nicht gekommen? Es war doch die
Möglichkeit da, daß die Petrojewitsch
dorthin zurückkehren würde", sagte
Windmüller.
„Potztausend, ja!" gab der Beamte,
sichtlich betreten, zu. „Daß ich auch
darauf nicht gekommen bin"
„Nun", meint« Windmllller, „ich
weiß ganz bestimmt, daß sie in die
Hamburger Straße zurückgekehrt ist.
daß sie mit der andern Dame hier
her gekommen ist, sich aber gleich
wieder «ntfernt hat — eine so unver
muthete Bewegung, daß m„n darüber
ihre Spur verloren hat. Sie wieder
zufinden, ist jetzt von größter Wich
tigkeit. Es soll Ihr Schaden nicht
fest machen können. Kcnsigniren Sie
sie, falls sie sich in ihrer eignen Woh
nung befindet, verhaften Si« sie, wenn
Si« ihre Anwesenheit anderswo aus
findig machen, zum Beispiel bei dem
Balerian oder bei der Dame in der
Hamburger Straße. kommt nicht
darauf an, ob die Leute in diesen
Häusern über die nächtliche Störung
unwillig oder wüthend sind. Gar
nicht! Es ist mir lieb, S-*,ulz, daß
ich Sie hier gefunden habe, denn das
spart mir «inen Gang zu dieser vorge
schrittenen Stunde. Sie sind mein
intelligentester und auch ältester Mit
arbeiter hier, Schulz «S mllßle
doch mit dem Teufel zugehen, wenn
Sie diese Petrojewitsch nicht finden
sollten, was?"
„Hoffen wir, Herr Doktor, daß ich
wieder gutmachen kann", entgegnete
der Beamte eifrig. „Aber ich wette,
Sie haben sie «h«r als ich!" setzt« er
incht ohne «inen kleinen, neidischen
Seufzer hinzu. „Na, guten Abend
denn, Herr Doktor!"
Greifensee auf die Straße.
„Wie stehen unsere Sachen?" fragte
dieser, nachdem sie schweigend einig«
Schritt« gegangen.
„Ist gar nicht zu sagen", erklärte
Windmllller achselzuckend. „Ob gut,
nein Zustande tödtlicher Angst ir
geber. Nicht mit Unrecht; in ihrer
Haut muß eS sich nicht wohl sein las
sen. Das Verborgen des Schmucks
war nicht allein eine Riesendummheit
und Gewissenlosigkeit, sondern auch
eine Art von Trotz des aus seiner
Deckung knurrenden Hundes. Und
Der Minister hatt« richtig noch
Licht. Er trat dem Detektiv, der ohne
weiteres bei ihm vorgelassen wurde,
Katze aus dem Sack: ist'S gut oder
Windmllller holte statt aller Ant
wort sein Cachenez aus der Brustta«
zellcnz?"^
„Man muß nicht alles auf einmal
haben wollen, Exzellenz", erwiderte
Windmllller mllde. „Ich habe mir
das selbst schon hundertmal wieder
i- der Brusttasche brennt, statt sein
A«u«r in tx» »hm zust/indigen und
einzig seiner würdigen Etui zu Ver
berg«»."
„Also doch ein Aiwelendiebstahl",
bemerkte der Minister finster.
„Nein, Exzellenz, die Attacke galt
der ihn verursacht, kam, den
Cmir al Omra bei Ihnen abzugeben.
Exzellenz, den an meiner Person ist
er nicht ganz sicher. Eigentlich gar
nicht. Ich bin froh, daß ich den
Schmuck heil bis hierher gebracht,
Wenn alles gut geht, dann reife ich
ich muß mich mal wi«d«r ausschlafen.
Also auf morgen, oder vielmehr auf
heute. Es ist rechi spät geworden.
Ja, und was ich noch sagen wollte:
vielen Dank noch, Exzellenz, daß Si«
sich der Komtesse Sulau so freundlich
angenommen haben. Ein fllßeS Mä
del, nicht wahr?"
„Herzig," nickte Herr v. Word zer
streut. „Ich wollte, es fände sich je
mand, der sie dem Einfluß ihrer
Mutter entzöge —"
„Ist vielleicht schon unterwegs",
meinte Windmllller lächelnd.
„Ah ah und es scheint, als
ob Jhn«n der ganz der Recht« wäre",
entgegnete der Minister ekxnfo. Doch
dann setzte er ernst hinzu. „Und Si«
können mir keine Hoffnung machen,
Doktor?"
„Exzellenz, das Hoffnungmachen ist
ein schlechtes und undankbar«? Ge
schäft. Hab' ich mir längst abgewöhnt.
„Al/wollte er uns verhöhnen —'
„Als wollte er sagen: wer zweifelt
an mir? Grün ist zwar die Farbe
der Hoffnung, ab«r Roth ist die der
Liebe, und wo Liebe ist, da ist auch
Hoffnung! Ich gebe di« Hoffnung im
mer erst dann auf. wenn mir bewiesen
ist, daß nichts mehr zu hoffen ist. Die
ser Beweis ab«r sthlt mir bis jetzt
ohne alle Deutelei."
„Nun, um so besser," erwiderte Herr
v. Worb mit einem Seufzer. „Auch
mir fehlt bisher jeder Beweis, daß
das Dokument in die unrechten
Hände gefallen ist. Nicht das leiseste
Wölkchen der Beunruhigung, der
Still« vor dem Sturm, trübt bis zur
Stunde den politischen Himmel. Ich
glaube, ich habe Ihnen schon etwas
derartiges gesagt, als ich Sie im
Theater in Ihrer merkwürdigen Ver
kleidung traf."
„Ich trug später «in« loch merk
würdigere, und wenn es dabei auch
«inen Moment gab, wo ich für mein
Leben kein« fünf Pfennige mehr gege
ben hätte, so war es doch eine sehr
ergiebige Expedition. Vielleicht er
zähl« ich Ihnen später mal etwas
al Ömra gesunden habe. Fllr beut'
genug ich falle bald um vor Mü
digkeit."
„Bleiben Sie hier und ruhen Sie
sich auf dem Schlaffofa dort aus."
„Ein verlockendes Anerbieten, Ex
zellenz, aber die Pflicht führt mich in
mein eignes Bett, aus dem ich jeder
zeit geholt werden kann."
» « »
Greifensee verlebte den Rest dies:
Nacht in einer unbeschreiblichen Stim
mung und Aufregung. Der Anblick
deS Emir al Omra hatte ihm von
neuem den furchtbaren Ernst seiner
Lage und seiner Zukunft mit einer
Eindringlichleit vor Augen geführt,
die ihn zu ersticken drohte. Wenn nun
der Kasten nicht mehr gefunden wur
de, wenn sein kostbarer Inhalt nicht
mehr in seinem verborgenen Fache
ruhte! Er hatte ganz recht, w«nn
er in dieser Nacht dem Dokior Wind
mllller gesagt hatte, daß dies für
ihn ein ganzes verpfuschtes Leben
bedeut«!«, ein Leben voll von Reue,
wenn der einzige Moment, in dem
er in ganz überflüssiger und mißver
standener Galanter!« daS ihm anoer
traute Gut allein gelassen, dem Va
terlande nicht nur politische Nach
theile bracht«, sondern vielleicht gar
einen blutig«n Krieg, fllr en er die
Verantwortung trug cine Last, die
sicherlich zu schwer war für ein ein
ziges Paar Schultern und ihren Trä
ger zum Niederbruche bringen muß
te. Das alles hatte ihm der An
blick des Emir al Omra in die furcht
barst« greifbare Nähe ie:llckt und da
zu auch noch die drohend« Frage:
was wird deine offizielle Strafe sein?
Daß sie nach d«m schärfsten Maße
gemessen werden wllrd«, »«rstand sich
von selbst die Teufelsinsel, auf
der er im besten Falle Jahre s«in«S
Leb«ns in moralischer zuzu
bringen hatte, würde schon gefunden
Landkarte stineS Vaterlandes zu se
hen war. Es mußt« ja «in
statuirt werden an ihm, man mußte
den Präzedenzfall schaffen für künf
tige Vorkommnisse der Art.
Arme Tante Liese alle Opfer,
'ite si« g«bracht, waren umsonst o,
is war grausam!
Stöhnend warf Greifens«« sich auf
s«in Bett. DaS Leid um die gute
Tante Liest, seine treue, aufcpstrnd«
Pflegemutter, war fast noch größer
als sein eignes; denn er konnte sich
schließlich noch irgendwo in der W«U
«Me bescheidene Existenz schaffen; aber
was blieb ihr, die nur für da» eine
Ziel, „ihren Jungen", gedacht, geson
nen und gedarbt hatte? Sich«r ge
darbt, am eignen Leibe, nur um ihm
eine Karriere zu »«rfchasfin. Arme
Tante Liese wie würde sie den
Schlag in ihren Jahren überwin
den?
Inmitten dieser unerträglich quä
lenden Gedanken und Vorstellungen
siel Greifensee «in Li«d ein, daS
er einmal hatte singen hören und das
die Z«il«n enthielt: „Und jede dunkl«
Stund« birgt einen Funken Licht —"
Er wußte nicht, wie er dazu kam, an
dieses Lied zu denken, aber als er
sich wieder und wieder, ganz unbe
wußt die Schlußzeile vorsagte, da
schien ihm s«in« Lage nur noch trüber
und jammervoller, denn «r wußt«
plötzlich, daß auch in di« Nacht dies»
36 letzten Stunden seines Lebens ein
Lichtstrahl gefallen war: Tas! Ein
trockenes, heftiges Schluchzen erschüt
terte den Körper des jungen, kräfti
gen ManneZ, als er urplötzlich d«n
Namen dieses „Funken Lichts" sich
vergegenwärtigt«, der in daZ Dunkel
gefallen war, das ihn umgab! Tas!
Mit wahrer Inbrunst hofft« er, daß
nicht er dieselbe Rolle in ihrem Leben
gespielt, das auch so unbehaglich
und gefahrdrohend für ihre jung«
Seel« vor ihr lag, denn was sollte di«
Hoffnungslosigkeit dazu in ihrem
Dasein?
ES war ja aussichtlos, völlig aus
sichtslos! Selbst wenn er «inen un
befleckten Namen mit seinem Herzen
und seiner Hand darzubringen gehabt
hätte, wie sollte er ein« Frau stan
desgemäß erhalten? Und TaS war
selbst arm wie ein Kirchenmaus, 's
ist doch zu merkwürdig, daß immer
die, welch« man am n«tt«st«n findet,
an die man so sicher, wie 2 mal 2
4 ist, sein Herz verliert, i: »-er zu de
nen gehören, die da serschont gebii«-
b«n sind vom „Fluche desMammons",
! it d«m sich das Leben doch so be
haglich anläßt!
Und doch Greifensee dachte mit
Rührung und schmerzhaft zusammen
g«!rampftem Herzen an den „Funken
Licht", der in seine dun'els» LebenS
stunde gefallen war. Tas! Das war
das Weib nach seinem Herzen, war
das Ideal, das er sich zurecht^ge
dirte" junge Dame mit verlockender
Goldgrundirung über den Weg ge
kreuzt war. Ja, ja, Goldfisch« hätt«
ein« so heilige Angst vor dem „Ver
kaufen" gehabt hätte und vor d«r
Aussicht auf ein langes, ödes Leben
neben einer Frau, die er nicht liebte.
Tas! Ach, Tas! Und selbst wenn alles
gut ginge, wenn di« drohend« Wölk«
am Horizonte seines LebenZ sich z«r
theilte TaS h«imzuführ«n, ausg«-
stattet von ihrer Mutt«r mit demsel
b«n Gelde, das der Preis hätte sein
sollen für seinen Ruin —? Voraus
gesetzt nämlich, daß Doktor Wind
t«.'trotz der^LöMlattprob«^
würd« TaS auf all« Fäll« nicht mehr
wiedersehen. Es würde keinen Werth
haben und ihm nur das Herz schwer
machen.
Greifens«« «rhob sich von stimm
Marterlager und stieß di« Fensterla
den auf es war Tag. Nicht der
Tag der großen Welt, auch noch nicht
«inmal d«r Tag d«r Geschäftswelt
In Läden und Bureaus, e'cr >er Tag
der Kehrichtwagen, der ersten Bäcker
jungen :nd der Milchkarren. Greifcn
f« l«hnt« sich hinaus in die kalte, fro
stige Morgenluft, di« ''> n erschauern
ließ nach der durchwachten Nacht. Die
aristokratisch« Mariannenstraße, die
keine Kaufläden hatte, lag noch in
Hausmeister oder die bessere Hälfte
eines solchen schon daS Trottoir vor
dem betreffenden Hause k«hrt«. Um
alle drei Schritt stehen, um etwas zu
essen, das er sich aus einem Papier
wickelte. Als er damit ' rtig war,
warf er das zusammengeballte Papi«r
in die Gosse, spuckte aus und gröhlte
in durchdringenden Tönen aus voller
„ES wogen die goldn«n A«h —ren
Im leucht«nd«n So —onnenschein —"
fuhr zurück und hielt sich
seiner Thür und würd« b«i der
Summirung sicher nicht übersehen.
Die Todten reiten schnell mit die
nen Rekord.
Greifensee hatte das Gefühl, als
stürzte plötzlich die Decke auf ihn
herunter sein« überreizten Nerven
er — daS war besser unter
freie?» Himmel, dem grauen, trüben,
rauchgeschwärzten Himmel der Groß«
stadt; aber das Gefühl der Unend
lichkeit, der Weite nimmt oft am er
sten den Alp vom Herzen, den Alp oer
Stubendecke, und wär' sie immerhin
Atheinlos eilte der Attache durch
und bog ohne Wissen und Wollen
Als er sich dessen bewußt wurde,
ließ er im Tempo nach und schöpfte
Athem. Wie kam er nur i» die Re
gentenstraße? Die hatte er seinem
festen Entschlüsse nach gestern zum
letztenmal betret:.i. Umdrehen! Es
hatte ja gar keinen Zweck, sich durch
Borbeigehen an No. ""7 das Herz
erst schwer zu machen. Aber er ging
thür sich von innen öffnete, langsam,
n.iihsam, wie eS so die Art dieser
schweren Thuren ist, und dann flog
heraus, daß er von dem Anprall fast
in den Rennstein geschleudert
wurde.
„Tas!" rief er mit einem merk
würdigen Gemisch von Jubel, Tadel,
Freude und Abwehr >i Ton. „Tas!
Ja, um Himmels willen, du saust
ja noch genau so wie früher aus
den Thüren heraus und rennst die
Menschen rettungslos um. WaS
willst du denn j«tzt schon auf der
Straße?"
„Einen Brief wollte ich in den
Kasten stecken, Fritz, ehe die Leute
aufstehen und erst di« Adresse lesen
und ehe erst ein großes Gefrage ent
steht", sagte Tas athemlos. „Die
ganze Nacht hab' ich gesessen und
über den dummen Brief nachgedacht
!ch mir die Arbeit sparen können —"
„Aber, Tas, davon versteht ja kein
Mensch «in Sterbenswort", unterbrach
er si«. „An wen hast du denn den
Brief geschrieben?"
„An dich natürlich!"
„An mich natürlich", widerholte er
verblüfft. „Warum denn „natür
lich"?"
„Weil doch ein Wunder geschehen
mu', um dich zu retten", sagte sie l«i
-s«, die großen, veilchenblauen Augen
fragte er rauh.
„Das steht alles in dem Triefe",
erwidert« si«, dies Objekt etwas zer
drückt aus der Kleidertasche ziehend.
„Hier hast du ihn die Freimarke
darauf kannst du wieder im Wasch
becken abweichen, weißt du, denn sie
ist doch noch nicht gestempelt."
Greifensee sah ?rst das ihm hinge
ha>t:ne Schriftstück, das unnöthiger
weise mit einer Zchnpfennigmarl« be
klebt war, an und dann die Schreibe
rin, deren reizendes Besicht deutlich
den Ausdruck der Sorge und Angst
trug.
„Dank« schön, Tas", sagte er, „aber
da du doch nun mal hi«r bist und ich
auch, da könntest du mir eigentlich
besser selber sagen, was in dem Brie
fe steht. Komm mit mir die Straße
hinauf bis zur Regent«nalle: dort
trifft man um dies« Zeit keine Men
schenfeele, dort können wir ganz unge
stört reden."
„Ja, daS ist das beste, Fritz", nickte
sie zufri«d«n. „Ich ha'°- dir schrecklich
wichtige Sachen mitzutheilen."
darauf", erwiderte er, und sie setzten
sich in Marsch. ,Wie und wo in aller
Welt kanst du etwas über meine An
gelegenheiten erfahren baben, die au
ßer mir, meines Wissens, nur drei
Menschen kennen!"
„Wahrscheinlich, Fritz!" sagte TaS,
rasch vorwärtsschreitend. „Ich weiß
auch nicht, was es ist, daS dich so
so unglücklich macht, aber ich weiß,
daß dich nur «in Wund«r noch «tten
kann."
„TaS —!"
„Pass' auf, ich werde dir alles er
zählen, so rasch, wie ich kann, denn
ich muß natürlich bald nach Hause
zurück, sonst wird womöglich Lärm
geschlagen, wenn ich nicht da bin.
Oder auch nicht vielleicht ist's hier
anders als im Institut, wo man
sicherlich Kopf gestanden hätte, wenn
Wesen wäre. Ich glaube nicht, daß
Mama Kopf stehen würde, wenn >ch
wieder verduftet«. Thrlich ich
glaub's nicht. Na, daS gehört aber
hier und werde dir alles sagen, Ja,
eS ist besser, als wenn du den Brief
liest, denn ich hab« gar nicht recht
gewußt, wie ich das alles sagen
sollte, geschrieben nacht sich so et
was einfach lächerlich, und es ist doch
im höchsten Grad« ernst. Sind wir
hier in der Regentenallee? Gut, dann
pass' auf. Fritz: Also, ich kam ge
stern Abend aui dem Theater und
hörte, daß Mama zu Hause wäre,
> ich nicht verstanden habe. Ich wollie
Mama nun gern erzählen, wie nelt
Herr und Frau von Word -u mir ge
wesen, denn sie. hatte vorher all«
möglichen Verhaltungsmaßregeln ge
kanntschaft solch hochgestellter Persön
lichkeiten machen sollte. Ich hatte
auch beschlossen, die schnöde Flucht
von Onkel Tiefenthal einfach mit
diplomatischem Schweigen zu überge
nicht erst in Teufels Küche zu brin-
wichtigen Grund aehabt haben,
nicht? Hoffentlich ist er nicht krank
geworden, Fritz, denn ich bin ihm gut,
„Man sah's zwei Küsse hast du
Greifens« eifersüchtig ein.
„Zwei?" fragte Tas zweifelnd.
„Zwei!" bestätigte er mit Nachdruck.
„Zwei Küsse in das alte, verschminkte
Gesicht ich hätte mich bedankt —"
„In das aber, Fritz! Schminkt
sich denn der Onkel T"fenthi/l?"
sich in Gedanken einen KlapS auf den
Mund für diese eines Diplomaten
selbst eines angehenden, alsolui ta
delnSwerthe Vergeßlichkeit. „Ich hab'
ja bloß Spaß gemach."
„Spaß gemacht! Mir ist aber gar
nicht zum Spaßmachen zumuihe", rief
TaS vorwurfsvoll. „Du siehst doch,
daß ich in solcher Angst bin, um dich
dumme Lpäße machen!"
Greifense« sah ein, daß er sich
nach dem sehr wahren Sprichwort:
schöner Offenheit:
„Sei nicht böse, TaS! Der Spaß
„Ach, ab«r, Fritz!" erwitxrt« sie
schnell versöhnt mit einem halben La
chen, das in einem andern Augenblick
und dann besann sie sich und wurde
roth. „Sei nicht so komisch e.-
laß mich reden, denn ich muß heim
wo war ich denn stehen geblieben?
Ach ja also: Ich legte nein« Sa
nier nach dem Salon, und weil so
dicke, schwere Portieren t'e Zimmer
verbinden statt der Thüren, da hörte
unterhielt sie sich mit dem Besucher,
einem alten Herrn mit «iner schrecklich
dem Rücken gegen das Eßzimmer und
sprachen über Medien, Spiritismus
und magnetisch« Rapporte und was
den ich auf dem Biif«tt vorfand, da»
heißt, was drauf lag. Na, endlich
brachte der alte Herr eine
glaube, er hatte bei Mama dinirt
sagte: „Auf Wiedersehen denn, Frau
der Thür bekomplimentirte, kam ein
neuer Besuch und es war elf Uhr
vorbei, Fritz! Wo vernünftige Men
schen zu Bett liegen! Ich guckte durch
einen Ritz zwischen den Portieren und
pflegt« —"
„Ich w«iß du meinst den „H«rrn
Chevalier de Giroflet"," fi«l Sreistn
fee ein, dessen persönliches Interesse
„Richtig, Giroflet heißt der Be
nahm ich ein« jedenfalls mit dem Ku
chen auf dem Büfett vergessene Platte
Zeug aufzuessen."
„Aber, Tas, du hattest d'ch schon
d«n ganzen Kuchen —" warf Greifen
see besorgt ein.
„Ganzen Kuchen!" wiederholte
Tas entrüst«t. „Weißt du denn, wie
viel es war? Na also! Sechs oder
Levkojen nicht mehr leid'n können
dieser Giroflet sich wieder gedrückt
hatte. Aber mir blieb schon der erst«
Bissen im Munde stecken, als ich ihn
mit seiner ti«fen Grabesstimme sagen
kann, denn ich habe einen Neroenchvt
gehabt, den ich so bald nicht Werve
überwinden können." Nun bitt' ich
dich, Fritz! Dem sein „Nervenchok"
kommt der freche Kerl dazu, meine
Mama „Maja" zu nennen? Mama
muß die Unverschämtheit überhört ha
ben, denn sie gab de^:
„nächster söniice und magnetischen
Rapporten", was weiß ich? Leider
oder vielmehr Gott sei Dank, nahm
er dabei auf derselben Stelle Platz,
wo der eben fortgegangene Besucyer
gesessen hatte, und es entstand ein«
Paus«, gerade still zu sitzen
niesen mußte. Auf einmal sagt Ma
ma leise, aber weil alles so 'tili
war, konnte man doch jedes Wort oer.
stehen: „Herr von Greifens!« ist also
nicht vereist?" Du kannst dir denken,
Fritz, wi« ich die Ohren spitzte 's
ist mir erst später eingefallen, daß
ich ja eigentlich die Rolle des Lau
schers a:> der Wand spielte, was sehr
unrecht ist, aber im Augenblick habe
ich mir, weiß Gott, nichts Schlim
mes dabei gedacht; ich wollte mich ja
bloß nicht sehen lassen! Du mußt
nicht denken, daß ich die Gewohnheit
habe, die Leute 'u belauschen, in Ge
gentheil, ich halte das für ein sehr
unsauberes Geschäft, Fritz, aber ich
mein« heut', der li-be Herrgott selbst
muß mir gestern Abend das Bewußt
sein dafür entzogen 'aben, weil ich
plötzlich, als dein Name genannt wur
de, aufvaßte wie ein Luchs. „Nein,
er ist nicht verreist, dank Ihrer guti
gen Vermittlung", sagte der Mensch
darauf. Und wie ich'S ordentlich
fühlte, daß Mama dazi: lächelte,
wahrhaftig, das habe ich gefühlt, da
sagte er bissig: „Aber er wird wohl
sehr bald verreisen in» Privatleben
oder mal vorher ein bißchen auf Fe
stung." Fritz, ich kann dir sogen, mir
ist ganz kalt geworden, trotzdem ich
nicht gleich begriff, was diese Wort«
bedeuttn. Ich hab« mir das erst spä
ter klar gemacht. Mama sagte dann
nach einer Weile: „Sie glauben also
wirklich, daß die Affär: v?n nachthei
ligen Folgen für den jungen Mann,
meinen Verwanvt-n, fein kann?"
„Glauben?" wiederholie Herr von Gi
roflet, „liebe Maja, ich bin dessen
sicher, und Sie müssen sich darüber
auch klar gewesen stin, daß Sie Ih
ren kostbaren Verwandten damit kalt
stellten. Wir haben eS Ihnen sogar
sehr hoch angerechnet, daß Sie im
Interesse der Sache nicht an ver
wandtschaftliche Interessen dachten.
Daß der Coup ein Reinfall war, wol
len wir Ihnen nicht zur Last l«gen
Ihre Informationen kannten da?
nicht vermuthen lassen —" „Ein
Reinfall?" fragte Meiia mit einem
Aufschrei. „Ja", sagte er. „Das
Geheimfach enthielt ein G«vichl.
Thatsächlich das Gedicht, das die
„Stunde" heut' früh an erster Ste.i«
abdruckte. Daß sie das konnte, ist
mein Fehler wenn man h«ftig
wird und die Nerven verliert, so
rächt sich das immer merken Sie
sich das! Also, »ntweder man hat
Wind bekommen und daS Dokument
zurückbehalten. WaS ich für daSWahr
scheinliche halte, weil der süffisante
Mensch, dieser Doktor Windmllller
seit mehr als einer Woche in d«r Re
sidenz ist und sein« Anwesenheit im
Auswärtigen Amt nachgewiesen wor
den ist; od«r Ihre Informationen -
hören ins Ressort der Tatarennach
richten—" Jetzt fiel Mama ein und
redete sehr erregt, was i'; nur sehr
mangelhaft verstanden habe, weil ich'»
gar nicht begriff ich glaubt aber,
sie vertheidigte sich rnd bracht« Be
weist, aber sie redete so schntll, wi«
ich gar nicht geglaubt habe, daß sie »
könnte. Mißt du, begriffe^
gut gemerkt und mir später in der
Nacht ordentlich überhört denn daS
hab« ich sehr gut begri,', i, daß du
von etwas bedroht bist. Nun, der
Herr von Giroflet unterbrach Mama
etwas unhöflich, wie mir vorkam,
und sagte ihr ganz schnoddrig und
schlechtlaunig, sie sollte doch warten,
ähnliches), der Herr Attache
springt über die Klinge, es müßt«
genug"."
(Fortsetzung folgU
Für die Küche.
Kartoffelsuppe mit To
xi aten. 2 Pfund geschälte, gewa
schen« und in Stücke geschnittene Kar
toffeln werden mit Salzwasser und
Gewürz gargekocht und durch ein
Sieb gestrichen, dann mit etwas ko
chendem Wasser oder kochender Brüh«
mit einem Stück Butter wieder auf
das Feuer gestellt. Inzwischen hat
man ungefähr k—B Tomaten gut
abgerieben, in Stücke geschnitten, in
einer kleinen Kasserolle mit wenig
Wasser ganz weich gedünstet und
durch ei> Haarsieb gestrichen. Dieser
Tomatenbrei wird zu der Kartoffel
suppe gefügt, alles zusammen ein
Weilchen gekocht und schließlich die
Suppe gut abgeschmeckt. Man kann
sie über gerösteten Schwarzbrotwllr-
Schinken Aus 2
ganzen Eiern und 2 Eidottern wird
mit dem nöthigen Mehl und Salz
ein guter fester Nudelteig gemacht,
der nach dem Trocknen dünn ausge
rollt und in nicht zu breite Nudrln
geschnitten wird; dies« läßt man in
siedendem Salzwass«r gar kochen
und dann ablaufen. Dann dünstet
man 2 feingehackte Zwiebeln und 2
Eßlöffel feingehackte Petersilie in zer
lassener Butter durch, mischt dies zu
1 Pfund magerem feingehacktem
Schinken, 6 —K zerquirlten Eiern
und N Quart fetter saurer Sahn«.
Zuletzt »«rmischt man die abgetropf
ten Nudeln damit, würzt mit Salz
und geriebener Muskatnuß, füllt
alles in «in« mit Butter ausge
strichen« Form, l«gt «inig« Butter
stückchtn obenauf und bäckt die Speise
SO—4o Minuten.
häutete? RindSfikt wird in Butter
«in« Halde Stunde gebraten. In einer
anderen Kasserolle läßt man Butt«r
heiß werden, giebt gekochte, grün« Erb
sen, etwas Madeira und feingeschnitte
nen Schinken hinein und gießt die«
über das Filet.
KalbSragoutmitfrifchen
Gurken ist ein an der feinsten Tafel
gern gesehenes Gericht. Zw«i bis
dr«i Pfund BrufMeisch vom Kalb
w«rdtn in ansehnlich« Stückchen ge
schnitt«n, mit «in«m Quart Wass«r be
deckt und mit dem nothwendig«» Salz
w«ich gekocht. Aus einem Löffel Pal
min und zwei Eßlöffeln Mehl be
zwei bis drei frische Eurken, die
man geschält, entkernt und in Stück«
von der Größe der Kalbfleischstiickchen
zertheilt hat, hinein und fügt die bis
auf ein Pint eingekocht- Kalbfleisch
brühe zu. In di«s«r Sauc« dünstet
man die Gurk«nscheiben etwa 2t)
Minuten lang, legt das Kalbfleisch
hin«in und streut «in«n Eßlöffel voll
feinen Dill beim Anrichten darüber.
Gedünstet« Fleifchroula
den. Man hackt die Reste von ge
kochtem Rind- und Schweinefleisch,
vermischt sie mit ettvas frischem, ge
hacktem Fleisch, «in bis zwei geweich
ten, gut ausgedrückten Ämmeln, drei
bis vier geputzten, gewässerten, entgra
t«t«n, gehackten Sardellen, Pfeffer.
Salz, einem Ei, etwas geriebener Ci
tronenschale, einem Theelöffel Citro
nensaft, fein gehackter Petersilie und
nach Bedarf etwas geriebener Sem
mel, formt länglich - runde Rouladen
davon und wendet sie in Mehl. In
einer Kasserolle läßt man zerlassene?
Speckfett oder Schmalz oder geklärte
Butter heiß werden, rührt zwei bis
drei Löffel Mehl hinein, dünstet die
Einbrenne hellbraun, verkocht sie mit
Wasser oder Brühe, dann mit etwas
gehackter Zwiebel, Salz Pfeffer, drei
Nelken, einem Stückchen Zucker und
Citronenschale, schmeckt ab und legt
die Rouladen hinein. Dieselben müs
sen auf gelindem Feuer unter öfterem
Schütteln der Kasserole gar dünsten,
während man die Sauce abschmeckt
und in Eidotter abzieht.
Sellerie-Suppe. Man
schält 3 bis 4 Knollen Sellerie, kocht
sie in Salzwasser weich und schüttet
sie zum Ablaufen auf ein Sieb. Dann
schneidet man die Hälfte der Sellerie
knollen in fein« Scheiben, legt sie
in die Suppenterrine und stellt si« b«i
s«ite. Die ander« Hälfte wird durch
ein Haarsieb gestrichen. Aus 2 Un
z«n Butter und 2 Unzen M«hl b«-
r«it«t man ein« w«iße Mehlschwitze,
rührt sie mit Fleischbrühe an, giebt
zwei Eigelb«, Salz, Muskatnuß und
d«n durchgerührten Selleritbrei dazu,
sottet es über die Selleries-^ben.
Rindszungemilßosinen.
Man rtinigt und kocht die Zunge
Brüh«, l«gt sie einen Augenblick In
kaltes Wasser und «ntfernt die Haut
und all« anfehnlichenFitzin davon und
legt die Zunge über Nacht in die
Brüh«. Am nächsten Tag hebt man
vorsichtig das Fett von der erkalt«t«n
Brühe, giebt 1 Tassevoll Rosinen, 1
Eßlöffelvoll gebräuntes Mehl glatt
verdickt die Brühe,
ten kochen und gießt di« Sauce über
die Zunge. Heiß od«r kalt zu s«r»
«ieren.