Scranton Wochenblatt. (Scranton, Pa.) 1865-1918, September 03, 1908, Image 7

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    von Euf, » »»ler»seld.«°»rl»rem.
(S. Fortsetzung.)
„Nun, davor sind wir ja allesammt
sicher," lacht« Tas, „wenn man nicht
gerad« Chidher, d«r ewig junge ist.'
„Oder AhaSver, der ewige Jude,
warf Greifens« ein, aber zu Tas ge
wendet.
Od«r Ahasver," wiederholte Gi
roflet düster. „Es giebt vielleicht
mehr Ahasvers auf d«r Well, als die
kurzsichtig« Morschheit sich träumen
läßt. Wiedergekommen« oder dage
bliebene. Sie hab«n g«wiß schon von
Menschen gehört oder gelesen, die
eine ganz deutlichi Erinnerung an
«inen früheren Wandel aus Erden
hatten?"
„Stuß!" sagt« Tiefenthal imßrust
ton der Ueberzeugung.
„Wallenstein zum Beispiel." fuhr
Giroflet fort, ohn« den Einwurf zu
beachten, „Wallenstein hat mehr als
«inmal gesagt, «r hätt« deutlich« Be
weise Beweis«! an -ine früher«
Existenz seiner selbst gehabt."
„Wo steht denn das?" fragte Tai
mit großen Augen.
„Das steht nirgends als in meiner
eigenen Erinnerung," erwiderte Gi
roflet mit einem Seufzer und in die
Ferne verlorenem Blick. „Wallenstein
hat es mir selbst gesagt. Es war in
Eger, zwei Tage vor seinem schreck
lichen Tode."
Tas' Augen wurden noch größer,
erstaunt und entsetzt sah sie erst den
Sprecher und dann Greisensee an,
und dann mußte sie lachen.
daß Sie Wallenst«in persönlich ge
kannt haben?" fragte sie.
„Das will ich allerdings sagen
auf di« Gefahr hin, daß die gnädigste
Komtesse mir nicht glauben sollten,"
erwiderte Herr Giroflet mit uner
schüttertem Ernst. „Denn ich gebe
zu, daß ein solches Phänomen nicht
ohne weiteres begreiflich erscheint und
bin es gewöhnt. Lachen und Achsel
zucken zu b-gegnen. Dennoch hab«
"zuthtil. Ihre Gräfin Mutter
dazu zu zählen."
.Ja?" fragte Tas mit dem freund
lich versucht. Leute mit „fixen Jd«n"
zu beschwichtigen, damit sie keinen
„Ausbruch" bekommen. „Gehörst Du
auch zu der Gemeinde des Herrn v.
Giroflet?" wandte sie sich an Greifen
see, mit der ganzcn Naivetät des Pen
sionsmädchens d«n jungen Mann in
«ine ungemein heikle Lage bringend.
„Aber, Tas wer fühlt denn den
Leuten so auf den Zahn?" sagte er
mit komischem Vorwurf. „Herr von
Giroflet pflegt jeden vor die Pistole
zu fordern, der sein hohes Alter in
Zweifel zieht."
„Nein!" rief Tas erschrocken.
„Ganz begreiflich!" schrie .Tiefen
thal" dazwischen. .Wenn man sich
schon mit Abraham über die Bich»
preise unterhalten hat, da will man
das doch nicht vom ersten bestenGrün
schnabel in Zweifel gezogen sehen
alles, was rechts und links ist, ruee,'
das will man nicht!"
„Wie ist das zu verstehen?" fragt«
Herr Giroflet scharf.
.Zu verstehen?" wiederholte „Tiesen
thal" mit einem solch meisterhaften
Biedermannsausdruck, daß der Fra
gn das Mißtrauen nolens Dolens an
den Nagel hängen mußte. „Mir hat
neulich auch mal einer gesagt, ich
könnte den alten Lehmann wissen
Sie, den, der's immer so machte, wie
wollte nicht gewnnt ha
«in Lächeln unterdrückte. „Nur
Herr von Giroflet sieht doch so alt
nicht aus » einen
verbindlichen Lächeln und küßte der
Gräfin mit einer Ergebenheit die
Hand ,als wär« sie eine regierende
Fürstin. Das war so seine Art: jede
und jeder fühlte sich im Berl«hr mit
ihm als die von ihm am meisten ge
ehrt« und bevorzugte Person, und
das zeugt« sicher für eine sehr vorge
schrittene Lebenskunst. Es gab zwar
die höhere Verstellung. In's Gesicht
das dem Vicomte zu sagen, hätte De
witz Niemand fertig gebracht, denn
dazu war seine Art für den Moment
zu überzeugend, und seine Fr«und«,
deren er viele hatte, mehr vielleicht
als er selbst wußte, schworen darauf,
daß er g/nau fühlte, was er sagte,
und daß sein« harmlose Menschen
freundlichkeit «hn auch an unbedingte
ükgenseitigkeit glauben lieh. Ihm zu
mißtrauen, wäre einfach unmöglich
gewesen, und vermöge dieses Privi
telnd, mit dem liebenswürdigsten Lä
santen Artikel von Ihnen im „Spi
ritist" gelesen wie, Sie haben ihn
fort, „der Artikel handelt von No
täi des Stoffes geschrieben —"
„Mit der Leute, die ein paar
Stein« gefunden haben, über Babel
schreiben," fiel Giroflet melancholisch
ein. „Was die Leute über Nostra
damus zu wissen vorgeben, steht in
Wissenschaft zuckt die Achseln. Wozu
hört!"
senthal" sich abwenden mußte, denn >r
kannte die „Pose" des Herrn Giroflet,
mit der er sich seine Stellung in d«r
Gesellschaft gemacht, kannte die un
schuldsvolle Art des Japaners, mit
der er, ohne zu zucken, d«n Eiffel
willkürliche Abwenden bemerkte, konn
te mit Sicherheit nicht verneint wer
den, denn er bemerkte alles wie
sen forschenden Blick in den freund
lichen schwarzbraunen Augen, mit de
nen der asiatische Diplomat zu ihsi
aufsah. Aber „Tiefenthals" dröh
nende Versicherung, daß es ihm riesig
interessant wäre, zum erstenmal mit
einem lebendigen Japaner zu sprechen,
da er dieses Volk bisher nur aus d«r
Operette „Der Mikado" kenne, amü
sirte den Vicomte so sehr, daß er laut
Tas hatte sich beim Eintritt des
Vicomte etwas zurückgezogen, wurde
aber jetzt von ihrer Mutter in den
ten:
„Mein lieber Vicomte, gestatten
Sie mir, Sie meiner Tochter vorzu
stellen!"
Ununee drehte sich beflissen um und
machte beim Anblick der jungen Dame
eine Bewegung der Ueberraschung, die
verrieth, daß auch er ein Mensch war,
gewissen Gefühlen zugänglich.
„Meine gnädigste Komtesse," sagte
er strahlend, „ich glaube, nein, ich bin
sicher, Sie gestern Nachmittag schon
gesehen zu haben. Ich ging hier vor
bei, und Sie standen in einem Zwie
gespräch mit dem Droschkenkutscher."
„Das heißt," fiel TaS lachend ein,
„ich zankte mich regelricht mit ihm
um die Fahrtax«! Er verlangte mir
eine Mark zu viel ab, und da ich bloß
noch fünfzig Pfennig in der Tasche,
beziehungsweise in meinem ganzen
irdischen Besitz hatte, so mußt« ich
den Kampf schon aufnehmen, trotz-
Gräfin mehr aus Pflichtgefühl für
die Aesthetik des Vorganges, als aus
Interesse zur Sache, während die än
liche sogenannte Noblesse. Aber
„ernst ist der Anblick d«r Nothwen
digkot", sagt Schiller. Und mit diin
schung und gab nach. Ergo müßtest
Du der Indiskretion des Vicomtes
«ine Dankadresse für Dein« r«stir«nde
fünfzig Pfennig stiften."
„Es ist wahr," jubelte Tas amu
siri. „Was soll's sein, Herr Bicomte
Nougat oder saure Drops?"
„Hahaha! Nun weiß man ja
gleich, was Eure Lieblingsschleckerei
ist," lachte.Tiesenthal" mit Behagen.
.Verrathen, Komtessel!"
„Ach, woher nur!" vertheidigte sich
Tas, wie «in« Rose erglühend, aber
ihre Wahrheitsliebe siegte ohne
Kampf. .Mm," macht« sie, mit der
Hand auf den Magen. .Giebt's denn
überhaupt was Besseres als Nougat?
So wie ihn die Türken auf den Jahr
märkten verkaufen. Wird in Japan
auch Nougat gemacht?"
„Der beste Nougat, den's über
haupt giebt," versicherte Ynunee mit
einer Eindringlichkeit, als bestätigte
er die höchsten Güter seines Belkes.
„Unser Zucker und unser« Man
deln —"
„Was wird durch dieses
brach ihn die Gräfin mit einerScherz
haftigkeit, hinter der eine so schnei
dende Schärfe steckte, daß der Harm
loseste darüber nicht gelächelt hätte.
„Durch Jahre suche ich den intellek
tuellen Ton zu heben und zu veredeln,
und nun wird ganz laut von Drosch
kentaxen, Nougat und anderen solchen
Dingen v«rhand«lt, di« ja ganz in
teressant sein mögen für Leute mit
einem bestimmte» beschränkten Ge
sichtskreise —"
Sie brach ab, wi« ange«kelt von der
Sache, und warf TaS einen wenig
freundlichen Blick zu. den Greisensee
ihr mit einem dicken Strich aus's
jberbholz schrieb.
.Ah, natürlich, wenn man, wie
gnädige Gräfin, auf gewissen Höhen
WM —" sagte der Vicomte mit sei
nem liebenswürdigst - harmlosesten
Ausdruck. „Ach, leider ist für all«
dort oben nicht Platz! Ich beneide
Ihre Höhe, aber sie erreichen Ver
niessenheit für mich!"
„Für mich ist das Bergsteigen über
haupt nichts," erklärte „Tiesenthal"
gemüthlich. „Da bleibe ich schon lie
ber unten und rede von Dingen, die
mich angehen. Und dann sehr Ihr,
Frau Gräfin, w«nn ich bei mir im
Treibhaus bin und eS läßt einer mal
die Thür auf. daß so «ine Lunge^voll
das außerordentlich wohl.
Paßt einmal auf, die frische Luft, di«
Euch Tas in Euern stilvollen Salon
schafft, wird Euch riesig gut bekom
men und Euch wieder jung machen
na, sagen wir dreist so um ein fünf
zehn Jährchen Minimum. Nicht aus
wendig, wißt Ihr, denn das habt
Ihr nicht nothwendig, aber inwen
dig!"
Der Dienez, der mit dem Thee ein
trat, unterbrach diese kunstlos« R«d«,
welche die Gräfin mit einer wahren
Märtyrerinien« angehört. Eine Ant
wort darauf unter ihr«r U«berwürde
haltend, beschäftigte sie sich mit der
Zubereitung des Thees, wobei Giro
flet, nachdem sie TaS nicht eben sehr
freundlich abgewinkt, zu ihr trat und
ihr mit leiser Stimme etwas sagte,
was „Tiefenthal", trotzdem er mit ei
ner Gewandtheit, die ihm keiner zuge
traut hätte, auch an den Theetifch
trat, nicht verstand. Aber seine Nähe
gab den Gedanken der Gräfin jeden
falls «in« unvorhergesehene Richtung,
denn ihm eine Tasse reichend, spendete
sie ihm ganz unerwartet ihr müdestes
Lächeln und sagt« mit ihr«r losesten
Stimme:
„Da Sie, lieber Baron, für die
Jugend mit ihrer mir soll ich sa
gen leid«r unverständlich geworde
nen Brutalität d«s Ausdrucks so vi«l
Sympathie haben ich will ja gern
zugestehen, daß das Aufwärtsschreiten
erst mit der Erkenntniß dessen, was
das Leben ist und fordert, kommt
so könnten Sie für meine Tochter, die
meinem innern Leben natürlich noch
himmelfern stehen muß, «twas thun,
was man so im mißv«rstandenen Be
grisfe .Amüsement" nennt. Wollen
Sie?"
„I nu ja 'i kommt drauf an,
was es fein soll," erwiderte .Tiefen
thal" treuherzig. „Nur, wenn ich
etwa Kopfstehen oder auf den Händen
laufen soll, dazu bin ich jetzt ein
Bissel ungelenkig geworden—"
Die Gräfin erwiderte die meister
haft gespielte Begriffsstutzigkeit mit
einer abwehrenden Handbewegung.
„Ich bitte Sie meine Tochter
wird doch über diese barbarischen
Amüsements hinaus sein," meinte sie
mit einem wirklich ehrlich entsetzten
Blick auf die ahnungslose Tas. „Ei
leicht di« Güt« haben würden, Si« in
ein Theater zu führen. Man giebt
da im Kronprinzentheater ein neues
Stück, ein« Operette, glaube ich, die
sehr amüsant sein soll nicht wahr,
Herr Giroflet?"
junge Damen," erwiderte der Ange
redete mit ein«m raschen Blick auf
seine Wirthin.
„Tiefenthal" zögerte einen Mo
ment, denn der zarte Auftrag stand
eigentlich nicht in seinem Programm,
aber d« raschen Ueberlegens ge
wohnt, das ein Hauptfaktor in seinem
Berufe war und ihn zum blitzlicht
ähnlichen Ueberblick für alles Für
und Wider geschult, dauerte die? Zö
gern nicht länger, als in den Charak
ter seiner Rolle paßte.
.Eigentlich hab' ich heut' Abend
abreif«n wollen," sagte er mit der
charakteristisch«!! Ehrlichkeit des von
ihm repräsentirten braven Muster
gutSbesitzerS, „aber das passirt einem
doch nicht alle Tage, daß man «in
hübsches junges Mädel ausführen
darf. Geht dnr höllisch glatt 'runter,
das! Sagt emal, Komtessel," schrie
er über die Schulter weg, „wollt Ihr
h«ut' Abend mit mir in s Kronprin- !
zentheater?"
„In die neu« Operette?" rief Tas
vergnügt. „Das ist ja reiz«nd! Darf
ich denn aber?" setzte si« zu ihrer
Mutt«r gewendet hinzu.
dert« die Gräfin.
„Ja, kommst Du d«nn nicht mit,
Mama?"
„Rein ich Operetten sind
nicht mein Genre. Und da di« Ge
leg«nh«it für Dich so günstig ist —"
„O, ich kann ja aber gut auf eine
ander« wart«n, mit Dir, Mama!"
„Nein, nein nimm nur die
Güte des Barons heute an," rief die
Gräfin mit ungewohnt«! Hast. „Ich
habe füi heut' etwas anderes vor
eine Verabredung, wobei ich Dich doch
nicht mitnehmen könnte, und damit
es Dir nicht zu einsam zu Hause ist.
wärst Du im Theater ja vorzüglich
untergebracht slli d«n Abend."
„Tiesenthal" hatte inzwischen sei
nen Plan gemacht, sieilich wohl auf
Kosten der persönlichen Freiheit des
noch ahnungslosen Greisensee, der mit
beiden Ohren sozusagen dieser merk
würdigen Entwicklung dieses so wie
so merkwürdigen Besuches zuhörte
und d«n Mund schon zu einem „aber"
aufmachte, das er nur mit Mühe un
terdrückt-, weil ihm di- Person von
Tas in dieser Gesellschaft gegen d-n
Strich gehen wollte. Daß Windmül
ler „Vertrauensperson" war, hielt das
„aber" noch nicht zurück, denn gestoh
lene Dokument- und Werthsach«n wa
rm am Ende doch noch ander« Ob
jekte als junge Mädchen, aber man
durfte dem großen Mann« wohl nicht
eher hindernd cntgegentreten, bic man
wußte, was er beabsichtigt-.
„Schön," sagt« dieser, „das wäre
also abgemacht, und prächtig wollen
wir uns mitsammen amüsiren, gelt,
Komtessel? Na. meine Alt« wird
nicht schlicht eifersüchtig sein, wenn
ich ihr das erzähle! Ei verflixt! Ja.
aber 'n Brief muß ich ihr schon schrei
ben hm, ja, das muß ich. Könnt
Ihr mir 'nen Bogen und ein Eouvert
stiften, Frau Gräfin?"
.Gewiß, gern, lieber Baron. Wol
len Sie an meinem Schreibtisch
schroben?" war die bereitwillige Ant
ort, und „Tiesenthal" folgte ihr in's
Nebenzimmer, das, im unbequemsten
und verrücktesten „Ueberstil" eingerich
tet, d«r Gräfin als .Studio" diente,
wie sie d«n Raum zu nennen beliebte;
„Boudoir" war so .überlebt".
An dem breiten, bohnenförinig ge
stalteten Schreibtisch mit seinen
Bronzeutensilien in v«rzerrten For
men nahm .Tiefenthal" Platz, und
die Gräfin gab ihm einen Briefbogen
und Umschlag mit stilisirtem Blumen
schmuck, aus d«m, in der so beliebten
Symbolik der l-tzten Kunstrichtung,
Schlangen züngelten.
„Nee, habt Ihr denn nicht einen
gewöhnlichen glatten Bogen?" fragte
er ungenirt. „Meine Alte hat näm
lich ein«ii gräßlichen Grugel vor
Schlangen, und für mich alten Kerl
sieht so 'n Giggerlpapier so unpassend
aus!"
Achselzuckend gab die Gräfin ihm
ein dickes, rauhes, weißes Papier mit
Umschlag, und während sie in den
Salon zurückkehrte, fing «r an zu
schreiben; nicht gerade mit der Ueber
schrift: Lieb« Throne, aber immerhin
Mei oder drei Zeil«n, di« er dann in
das vorher einer genauen Inspektion
unterzogene Couvert steckte. Danach
schien er eine Weile ganz in die Be
trachtung der Objekte auf dem
Schreibtisch versenkt, ja, es darf nicht
diskretion beging, di« Löschblattunter
lage, auf der er geschrieben, zu durch
blättern und einen Notizblock auf
seinen Inhalt zu prüfen. Auch für
die Durchsicht eines Adreßbuches im
grünen Maroquineinband zum Pri
er sich gemächlich und trat wieder in
den Salon.
„So," sagte er, »das wäre besorgt.
.Harte Arbeit, das Schreiben
Schriftsteller würde ich nie werden,
das steht bombenfest! Na, und nun
iverd« ich mich drucken, damit ich
pünktlich hi«r s«in kann, um nirin
Komtessel abzuholen. Ich hab' di«
Ehre, Frau Gräfin, und wenn Sie
etwa einen Auftrag für mich haben
Fritz, Du kommst doch mit, oder
haste noch nicht genug Thee g«fchlap
pert?"
.Sie haben Ihren ja noch nicht
wie sagten Sie? Geschlappert!" rief
der Vicomte, auf die von „Tiesen
thal" sortgestellte Tasse deutend. „Die
deutsche Sprache hat immer neue
Ueberraschungen sijr mich. Ich habe
das Zeitwort „schlappern" noch nie
gehört!"
„Ich würde es an Jhrer^Sklle
schungen erlebeni wenn Sie irgend
eine hohe Würdenträger!» zum Bei
spiel dienstbeflissen fragen wollten, ob
si« etwas zu schlappern befiehlt!"
.Jede Sprache hat ihre Fallen, vor
denen man sich zu hüt«n hat," ließ sich
Herr Giroflet melancholisch verneh
men.
„Ah, ich verstehe: der Herr^Baron
„Dialekt sprach er," erklärte Grei-
und einem ganzen Blick auf Tas setzte
«r hinzu: „Ja, ich komme natürlich
mit."
In Gedanken verloren stieg er
stumm mit seinem Begleiter die Trep
pen hinab, und auch bis zur nächsten
Straßenecke kam lein Wort über sein«
Lipp«n. Da aber, ehe sie di« Straße
kreuzten, blieb er stehen:
»Sehen Sie," sagte er fast feierlich,
.das ist doch das größte Räthsel, was
es in der Welt giebt: wie kommt eine
so gräßliche Mutter zu einer so rei
zenden Tochter?"
Und da Windmüller - Tiefenthal
auf diese tiefsinige Frage im ersten
Moment nicht gleich eine befriedigende
Antwort wußte, setzte Greifensee in
ehrlichster Entrüstung hinzu:
„Auf die Dauer muß si« ja b«i der
Mutter einfach verkommen, und statt
daß man sich des armen Mädels et
was annehmen kann, sitzt nun der
g«lbe Japaner ob«n und schneidet ihr
nach Noten die Cour!"
Windmüller sah seinen Gefährten
mit einem Auge an und schüttelte den
Kopf, aber nicht unfreundlich; ja, in
der Mißbilligung des Gedankengan
ges des jungen Mannes lag sogar ein
entschiedenes Wohlwollen.
„Na," meinte er trocken, „Sie kön
nen ihn ja heut' Abend im Theater
ablösen, denn ich rechne sehr auf Ihre
Anwesenheit. Unter meiner Patro
nage ist das durchaus erlaubt. Uebri
gens als ich mich zur Erreichung
eines bestimmten Zweckes heute zu der
Gräfin begab es wird Sie viel
leicht interessiren, zu hören, daß ich
von diesem Zweck« wirklich etwas er
reicht habe da ahnt« ich freilich
nicht, daß ich damit zum Läni
merhirten avanciren würd«. Das
kam mir überraschend."
Greisensee mußt« unwillkürlich lä
cheln.
„Ganz sind Sie in Onkel Tiefen
thals Geist doch noch nicht eingedrun
gen, sonst würden Sie „Gänsejunge"
gesagt haben," meinte er und setzte
dann ernst hinzu: „Entschuldigen Sie
meine scheinbare Teilnahmlosigkeit
an unsern Angelegenheiten, aber
auch mir ist etwas überraschend ge
kommen. Zunächst: Unter welchem
Vorwande wollen Si« sich des Amtes
als Lämmerhirte entziehen?"
„Gar nicht will ich mich ihm ent
ziehen, die Sache paßt mir ganz gut,"
war die überraschende Antwort.
Greifens« blieb stehen.
„Aber doch nicht in dieser
Maske?" fragte er entsetzt. „Das
Spiel war schon oben bei meiner
Tante gewagt genug, denn wenn On
kel Tiefenthal davon erfährt, was
soll ich dann sagen? Doch öfsentlich
in's Theater können Si« so nicht ge
hen!"
„Wer A gesagt hat, muß auch B
sagen," «ntgegnete Windmüller achsel
zuckend. „Gewiß könnte ich mich ganz
leicht drücken, aber wie es ist, paßt
es mir so besser. Mit meinem Ori
ginal werden wir die Sache schon in
Ordnung bringen, und sollte ich selbst
zu diesem würdigen Manne reisen.
Der Onkel Tiefenthal bleibe ich nun
mal für heute, daran läßt sich nichts
mehr ändern. Beabsichtigt hatte ich
es nicht, aber das Bild hat sich ver
schoben. Ich komme nun, bis «s Zeit
phongespräche der öffentlichen
Fernsprechstelle ablassen."
„Konnten Sie nicht einfach als
Windmüller zu meiner Tante ge
hen?" fragt« Greisensee vorwurfsvoll.
„Giroflet - Ahasverus und d«r Vi
dec «rstere sogar sehr persönlich," ent
gegnet« Windmüller. „Ich hätte ja
wohl eine andere Maske wählen kön
hat auch jetzt noch sehr viel« Vortheil«.
Für Sie, Herr von Greisensee! Bil
den Sie sich mal jetzt ein, Sie sind
Sindbad, der Seefahrer, und ich bin
Ihr Meergreis die Stunde, wo
Sie mich wieder loswerden, wird
Der Trost auf künftige Zeiten ist
immer «in recht mangelhafter, beson
ders, wenn einem die Gegenwart un
der junge Mann keine greifbaren Re
sultate von dem räthselhasten und,
wie er in seinen innersten Gedanken
sich zu bemerken erlaubte, thörichten
Beginnen des berühmten Detektivs
sah. Er selbst kam sich dabei vor
wie ein Kind beim Blindekuhspielen.
Aber was Half'S der „Meergreis'
war so gut wie s«in Wort, und nach-
„lch fünf
Schlafstubenthiir und hatte mir au»
der Bibliothek des Herrn Barons ein
Buch entlehnt. Ohne dem Herrn Ba
ron zu nahe treten zu wollen: das
darüber eingenickt, machte aber gleich
auf, als die Thür zum Wohnzimmer
aufgeklinkt wurde. Ich wie ein ge
ölter Blitz in di« Höhe fahren, war
«ins, aber ich hatte das verflixte Buch
vergessen, und bums! fällt das dabei
zu Boden. Danach die Thür wieder
sachte zugemacht wurde."
.Es«l!" sagte „Tiesenthal", indem
er hinzufügt«: „Ich meine die Per
son, die die Thür gleich wieder zuge
„Ach nein, der Esel war ich," «nt
gegnete Pfifferling mit schönerSelbst
«rkenntniß. „Ich war aber gleich mit
einem Satz an der Thür und sah in
den Korridor hinaus, aber der war
so leer wie meine Tasche."
„Sonst noch was zu melden?"
fragte Greisensee auf einen ermahnen
den Blick Windmüllers.
„Frau von Seewirth haben heut'
Kaffeevisit«, und so an zwölf Damen
sind dazu angetreten," berichtet« Pfif
ferling. „Ferner ist der Konditor
junge gekommen und hat dazu ein«
Eisbomb« gebracht, und Fräulein
Lina hat alle Händ« voll zu th'un
mit der Bedienung d«r Damen. Die
aus dem dritten Stock sind auch da
bei. Die Studentin kam gegen drei
Uhr heim, als di« Herren eben fort
waren, und ist vor zehn Minuten
wieder ausgegangen, mit einem gro
ßen, verschnürten Packen beladen.
Botschaften für den Herrn Baron sind
„Na, es ist gut, Pfifferling Sie
können jetzt gehen, müssen aber um
ein halb sieben Uhr wieder hier sein,"
sagte Greisensee, und als der Auf
wärter mit einem .Schön, Herr Ba
ron," verschwunden war, sah er sei
nen Gast erwartungsvoll an.
Windmüller zuckte mit den Achseln.
.Es ist vielleicht noch gar nicht so
schlecht, daß das heruntergefallene
Buch die Person verscheucht hat, die
das Zimmer betreten wollt«," meinte
er nachdenklich. „Pfifferling kann
sich auch nur eingebildet haben, daß
man di« Thür aufg«macht hat."
.Darf man frag«n, was die für
Ihre Zwecke praktisch erreichten Re
sultate Ihres Besuches bei meine.
Tont« sind?" fragte Greisensee nach
einer Pause.
Windmüller holte aus der Brust
tasche seines Rockes ein zusammenge
faltetes Stück rosa Löschpapier hervor
und trat damit vor den Spiegel auf
de: Konsole zwischen d«n beiden Fen
stern.
„Die Frau Gräfin," erklärte er,
„ließ mich meinen Brief der ne
benbei, wi« Si« wohl errathen haben,
eine Finte war auf ihrer höchst
stilvollen Löschmappe ihres Schreib
tisches schreiben. Ich habe für die
Löschmappen mich in meinem Beruf
intereffirender Leute eine ganz beson
ders zärtliche Neigung, speziell, wenn
sie Damen gehören. Und die Frau
Gräfin hat dazu noch die Gefälligkeit,
einen herrlichen geschliffenen Steh
fpiegel auf ihrem Schreibtisch stehen
zu haben, natürlich nur, um sich selbst
ungehindert beim Schreiben bewun
dern zu können. Aber der Grund ist
ja gleich. Nun, diese Löschmappr,
nach der mein Sinnen und Tracht««
ging, hat mich, wi« so ost schon, nicht
im Stiche gelassen; ich habe ihr sogar
ein Blatt entführt gestohlen, wenn
Sie wollen und wenn Si« dqs/
darauf abg«löfcht« Negativ «in«s Au
tozraphs Ihrer Frau Tante als Po
sitiv sehen wollen, so treten Sie n»»
eb«n mal vor den Spiegel hier!"
Greifens«« zögerte einen Moment
vor der ihm zugemutheten Indiskre
tion, so sehr war er noch „Neulings,
aber dann siegte doch Etwas in dem
Blick« seines Er traten
vorgehaltenen Löschblatt« die ziemlich
deutlich abgedruckte Zeil« ab:
«i
-fensee mit dem .Emir" morgen nach
Nordland abreist. Maja.
„Was sagen Sie dazu?" sr«ß<»
Windmüller, das Blatt wieder «in
steckend. „Maja hat also «inen Tag
früher als Sie selbst daß
land bringen sollten. Und wem auch
diese Mittheilung gemacht worden ist
leider hat di« Löschmappe mir da
rüber die Auskunft versagt s»
dürfte sich die Frau Gräfin vertrau
lich mit ihm oder ihr
denn st« zeichnet mit ihrem Vorna
men. Maja man denkt unwill
kürlich an den unheilbringenden
Schleier d«r Maja, des Urwesens
weiblichen Theil nach buddhistischer
Lehre."
„Arme Tas," sagte Greifensee
halblaut.
„Ja, arm« Tas," wiederholte
Windmüller ohne Ueberraschung über
die Wirkung feiner Enthüllung. „Das
kleine Komtessel hat zwar wohl nicht
mehr allzu viel Illusionen über ihre
Mutter, ab«r auch der letzte R«st wird
nicht mehr lange vorhalten, wenn ein
gütiges Geschick sie nicht bald an einen
andern Ort verpflanzt. Wir müssen
jetzt herausbekommen, an w«n ditf«
Mitteilung gerichtet war.
„Eine unmöglich« Sache," meinte
Greifens««.
«DaS Wort .unmöglich" existirt
(Fortsetzung folgt.)
Für die Köche.
Allerlei Einmach-Recepte.
Tomaten süß einzuma,
chen. Man nehme hierzu sehr reift
und möglichst kleine Früchte, halte sie
einen Augenblick in heißes Wasser
und ziehe ihnen alsdann mit einem
Messerchen die Schale ab. Auf 1
Pfund Tomaten rechnet man den
4. Theil Zucker, also Pfund, wel-
Feuer nimmt und die Früchte darin
während einiger Minuten dreht.
Dann nimmt man sie mit dem
Schaumlöffel behutsam heraus und
kocht den Saft noch etwas ein, gießt
ihn über die Früchte und läßt sie 2
bis 3 Tage stehen. AlSdann gießt
man den Saft ab, kocht ihn eine
Weil« und dreht, vom Feuer genom
men, abermals die Tomaten darin,
noch zweimal, legt zuletzt die Toma
ten in Gläser, gießt den kurz einge
kochten Saft darüber und verwahrt
sie mit Rumpapier bedeckt und gut
zugebunden an kühlem uno trockenem
Orte auf.
Gelbe Rüben oder Karot
te n sollen zum Einmachen möglichst
sung darüber gegossen und etwa
—2 Stunden lang sterilisirt. Bei der
Verwendung läßt man sie im Wasser
bad heiß werden und dann auf einem
Seiher gut ablaufen. Unterdessen be
reitet man von Butter, Mehl, Peter
silie upd Fleischb»ühe ein« gelblich«
Sauce, würzt mit Salz uno Muskat
und läßt die Kartoffeln darin durch
ziehen.
Zuckergurken. Man nehme
große grüne Gurken, schält sie, schnei
de sie in vier Theile, einmal der
Läng« und einmal der Breit« nach
durch, leg« sie ungefähr fünf Minuten
in kochend heißes Wasser, dann zum
Abtrocknen auf einen reinen Durch
schlag. Indessen koche man 1 Quart
Weinessig, 24 Unzen Zucker, 2 Stück
Zimm«t, schäume selbiges. Nehme
dann die Stücke Gurken, stecke an je
des Enoe «in« Nelke (woraus di«
Köpfe entfernt sind) und lasse sie in
dem Essig glasig kochen; dann gieße
man das Ganz« in ein irdenes Gefäß
zum Kaltwerden. Den nächsten Tag
lasse man alles gerade kochind heiß
werden, schütte es wieder in das Ge
fäß, den dritten Tag lass« man nur
den Essig aufkochen, fülle die Gurken
in die Gläser, vertheile den Saft kalt
darüber, verschließe sie fest und stell?
sie zum Aufbewahren an einen kalten
Ort.
Bohnen. Man schneidet die Boh
nen fein in lange Streifen, kocht sie
in Salzwasser weich, packt sie in Ein
machgläser, läßt etwas Essig kochend
heiß werden und gießt davon aus
jedes Glas einen Eßlöffel voll. Dan»
frisch.
Zwetschgen in Essig. Auf
Pfund Zucker und 1 Pint leichten
Essig (Weinessig). Die Zwetschgen
müssen alle einzeln mit einer Nadel
10 —20 Mal gestochen werden, damit
sie nicht aufspringen. Essig, Zucker,
etwas ganzen Zimmet und «in paar
nem halben Löffel Pfefferkörner, Nel
pier in kühlem Kell«r aufbewahrt.
K a l t e R o t h w e i n - Sauce.
Man verrührt eine Obertass« guten
Rothwein mit zwei gehäuften Eßlöf
feln fein gestoßenen und durchgesieb
ten Zucker und zwei Eßlöffeln Johan
nisbeer- und Himbeergelee oder frisch
ausgepreßtem Fruchtsaft in einer Por»
zellanschiissel so lange kalt, bis sich die