Scranton Wochenblatt. (Scranton, Pa.) 1865-1918, July 09, 1908, Image 7

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    Fehde.
Vioman vo« A. ». Klinckowstron».
(11. Zortsetmng und Schluß.)
Das wird er wohl.
Du sagst das so ruhig, als handle,
«S sich um eine Vergnügungspartie.
aber es geht um meine Existenz.
Was kann ich dabei thun? Ich
mische mich da gar nicht ein, denn du
wirst nicht verlange«, daß ich mich
deinetwegen in Ungelegenheiten brin
ge und die Konzession verliere.
Wenn ich nur ein paar Stunden
Vorsprung habe, bin ich gesichert.
Drüben finde ich schon für mein
gutes Geld einen Unterschlupf.
Ja, aber die wird «r dir nicht las
st».
Endrulat s«tzte sich und starrte vor
sich hin.
Meine Frau müßte vorläufig hier
bleiben, begann er dann.
WaS zum Henk» fi«l dir ein, das
Weibsbild mit her zu bringen? Ich
will si« nicht behalten.
Du wirst si« behalten und dann,
sobald ich dir von drüben Nachricht
gebe, über die Grenze geleiten. Ihr
paß ist in Ordnung. Wehe dem.
»er ihr ein Haar krümmt! Du m«inst
wohl, ich läge jetzt ganz am Bod«n,
aber ein Mann wie ich fällt imm«r
wieder auf die Füße, und es ist nicht
gerathen, mit mir zu brechen.
Ich will dir «inen Rath geben.
Das schlau« Gesicht des Wirth» ver
zog sich grinsend. Schicke die Frau
zum Rudischker und laß si« mit ihm
verhandeln. Diese jungen Herren sind
ja galant. Vielleicht, daß er um
ihretwillen ein Auge zudrückt.
Endrulat fuhr auf. DaS Blut
schoß ihm jäh zu Kopf. Nein! Nie
mals! Zu dem nicht!
Dann thu, was du willst. M«in
Borschlag ist gut, aber du bist mit
dem Weib so zimperlich, als wäre es
«ine Prinzeß.
Wenn es «in and«r«r wäre! Nur
Traust du ihr so wenig? Jede
Frau würde das doch für ihren
Mann thun, wenn es sich um das
Aeußerste handelte. Warum nicht
deine?
Weil Ich kann dir das
nicht erklären. Genug, es geht in
diesem Fall nicht.
Jener begriff und lachte. Ja,
wenn die Dinge so stehn. Aber dann
gerade.
Ich will nicht. Ich muß es so
versuchen. Wenn es nur erst dunkel
wäre! So lange noch Tageslicht ist,
Der da oben wird dir aufpassen,
wenn er nicht schon j«tzt drauß«n
steht.
Das wird nicht so leicht gehn. Ein
schneidiger Kerl, der Rudischker, und
stämmig! Der ist dir gewachsen.
Thür fand. Die unerwartete Be
gegnung mit Siewert hatte ihre Le
vensgeister förmlich gelähmt.
Auch er setzte sich, stützte den Kopf
Urta!""
Ich weiß es.
Ich muß dir das Geständniß ma
chen, daß es für mich eine Existenz
frage ist, unbehelligt über die Grenz«
Existenzfrage?
Ich kann jetzt nicht viel Wort«
darum machen. Du erfährst alles
später, mein Kind. Aber die Be
gegnung mit dem Rudischker war
Warum sollt« er?
Weil er w«iß, daß ich vtrsolgt
werde. Zum Donnerwetter, Urta!
dert. Nur um den freien Weg b.tt«
Ich soll zu ihm gehen? Ich soll
ihn bitten? Das kann ich nicht.
Lekenlang die Tri«bs«ver aller Hand«
lungen gewesen war, kam zum
Durchbruch. Vor sein«r persönlichen
Sicherheit trat alles andere in den
Hintergrund, auch di« Liebe zu ihr,
in die sich immer ein gute» Theil
Eitelkeit eingemischt hatte. Es kam
Ihm oo?, als halte st« sein Schicksal
in der Hand und ihn fallen
Treffen, verlegte sich auf's Betteln,
Zollhinterziehung unumwunden zu.
Während Endrulat sprach, wechselte
Frau Urtas Gesicht Sausdruck. Aus
geS Staunen, dem sich schließlich ein
Anstrich schmerzlicher Verachtung bei
gefellte.
Mensch in der Welt? In der Gefahr
hinter ihr, wollte aus einer Neigung
Kapital schlagen, die ihr selbst ver
dammungswürdig schien und die er
kannte.
Hör auf, Michael! sagt« sie endlich.
Ich kann dich nicht so sehen. Ich
Willst du es thun?
S!« biß sich auf die Lippen und
schwieg. Ihr war zum ersten Male
ein Zweifel an ihn gekommen, und aus'
schien ihr, als geriethe jedes Vertrauen
zu ihm in's Wanken. Ihr klangen
seine Wort« im Ohr nach: Genau so
grundlos, wie mich der Rudischker be
schuldigt, das Kapital seiner Groß
mutter unterschlagen zu haben, so be
haupten sie jetzt, ich habe die Zollhin
terziehung im Großen betrieben.
Kannst du überhaupt mit gutem Ge
wissen «in« Bitte an Hellenstädt rich
ten?
nicht mehr so recht glauben.
Sprichst du vielleicht von der Erb
schaftSangelegenheit?
Ja.
Biete ihm, was du willst.
Er ist nicht käuflich.
Jeder Mensch ist käuflich.
theiligt hast.
In d«r litauischen Bevölkerung steckt
neben viel roh«m Aberglauben ein tief
ken.
Ich will alles ersetzen! stieß er her
vor.
schnürte. Ihr Mann hätte sie also
tene Todtenstille: Wie viel war es?
Vierzigtausend Thaler. Aber die
ssrau hätt« es mir ja selbst gegeben,
wenn sie am L«ben geblieben wäre.
hatte. Sie liebte mich. Sie fragte
nichts nach der Tochter. Es geschah
ganz in ihrem Sinne.
Dung, wurde der jungen Frau ansich-
Frau Endrulat! Sie? Bei
die Thür. Ich möchte mit Ihnen re
den, Herr von Hellenstädt. Wo ei sich
um e-nste Dinge handelt, darf man
Handbtwigung nach dem zweiten vor
handenen Stuhl hin und b«obacht«te
abwartendes Schweigen.
Mein M?nn muß flüchten, begann
sie unvermittelt mit gepreßter Stimme
und wurde dunkelroth vor Scham.
Ich weiß es.
Er fürchtet, Sie könnten ihn anhal
ten lassen, noch ehe er die russisch«
Grenze erreicht.
demoralisiren und uns alle zu schädi
c«n drohte, habe ich bekämpft. Txr
am Boden Liegende ist vor mir sicher.
Si« wolle» ihn also unbehindert fei
nes Weges ziehen lassen?
liebt. Ich hindere ihn nicht.
Ich danke Ihnen.
Lassen Sie mich ganz ehrlich sein,
Frau Endrulat. Vielleicht würde ich
unter anderen Behältnissen einer be-
Haben, aber was ihn trifft, auch
auf Sie zurück, und deshalb stehe ich
davon ab. Sie wissen wohl nicht, um
wa» es sich handelt.
Ja, i' weiß all«». Er hat für f«ine
Rechnung in großem Umsana Waaren
über die Grenz« schmuggeln lassen.
Aber bedenken Sie, daß die Bevölke
rung hier das beinahe als ihr gute»
Recht betrachtet, daß sie nichts Berbre
cherffche» darin sieht.
Und der Mißbrauch, den er mit
Brahm» Namen getrieben hat wir
wollen e» nur direkt Fälschung der
Unterschrift nennen und die Manl-
Recht?
Da» hat »rein Mann gethan?
Ich denke, Sie wissen alles?
Nein, ' 5» nicht da» nicht!
Aber daS ist doch der Kernpunkt.
Deswegen flüchtet er ja.
Urta schlug die Hände vor das Ge
sicht und fing an zu weinen.
sanft: Weinen Tie nicht, Urta. Ich
Ihnen gegenüber gestellt werden!
Mir nicht. Ich verlasse die Gegend
für immer.
Sie verlassen Rudischken? — Jetzt?
Vor Ihrer Hochzeit?
abgebrochen und weder ein Gut mehr,
noch eine V'aut. verstehen Sie das
nicht, Urta?
Die junge Frau sah Ihn angstvoll
und zweifelnd an und fragte dann
leise.' Geschah e! um um meinet
willen?
Er schwieg.
O. wären wir un' nur nie begeg
net! sagte sie, tief ausseufzend, und
ihre Thränen strömten noch reichli
cher.
Ja, gab er Hilter zu und trat zum
Kamin, beide Hände auf da» Sim»
Gluth starrend.
Ihre Augen beigneten sich. Sie
wußten beid«, daß sie d«n Glanz ge
fehe.i hatten, den das Leb«n für sie
hätt« haben können.
begann er nach einer Paus« wieder,
mit einem kläglichen Versuch, zum
Scherz hinübe zu lenken.
Sie sind nicht arm! unterbrach sie
Ihn ungestüm. Sie haben die Erb
schaft Ihrer Großmutter zu beanspru
chen. Mein Mann gestand mir eben
zu. daß dtt auf vierzigtausend
Also doch! entfuhr es ihm trium
phirend. Endlich gefkht er e» ein!
Ich stehe dafür gut, daß Ihnen und
Ihrer Schwester da» Kapital auf Hel
ler und Pfennig ausgezahlt wird.
Wovon? fragte er trübe lächelnd.
Ich fürchte. Sie sind die Vermö
genslage Ihres Maiknes nicht orien
tirt.
Es ist da bei meiner Heirath ein
Kapital für mich sichergestellt wor
den.
Und Sie glauben, daß ich unter den
obwaltenden Umständen etwas von
Ibnen annehmen würde?
Sie müssen! Ich will nicht Ihre
Schuldnerin bleiben.
Dion kann nicht die Rede sein.
Geher Sie lieber, Frau Endrulat!
Gehen Sie zu Ihrem /kann. Er soll
sich eilen. Jede Stunde Versäumniß
könnte «rhängnißvoll für ihn fein.
Sie erschrak und lief verstört zur
Thür. Wie hatte si- das vergessen
Leben Sie wohl, Urta! sagt« Sie
wert leise, als sie schon auf der
Schwelle stand. Ich verlasse noch in
diesem Augenblick das Hau», denn
wir zwei dürfen nicht unter einem
Dach« bleiben. Aber vielleicht wird
unser« Zeit doch noch einmal kommen.
Er führte stumm und ehrerbietig
ihre Hand an seine Lippen. In ihrer
Haltung lag eine ruhig: Würde, und
liebt, wie in diesem Augenblick.
Ihre Lippen zitterten. Sie hätte
ihm so gern ein Wort de» TroskS ge
sagt, aber wo hätte sie in der Lichtlo
sigieit ihres eigenen 'chweren Herzen«
ein solches finden können? Und so
ging sie still mit gesenktem Kopfe hin
aus.
Endrulat schritt inzwischen in sei
nem Zimmer rastlos bin und her, wie
«In Thier Im Käsig.
Al» Urta eintrat, war er
mit «in«m Sprung bei ihr
und faßte sie am Arm. Ein Gemisch
von Eifersucht und Angst funkelte ihr
auS seinen Blicken «ntz«g«n. Er sah,
daß si« geweint hat e.
Du bliebst lange, Urta.
Er hindert dich ni>-.., sagte sie ernst.
Der Weg ist fr«!.
Durch die zusammengebissenen
Zähne zog er die Luft mit einem pfei
fen' n Laut ein. Ungeheure Erleich
terung malte siw in seinem Gesicht.
Sie hatte halb und halb gedacht, er
werde in letiter Stunde doch noch Oll
sen, doch in der Sorge um sein« per
sönlich« Sicherheit schien die Liebe zu
ihr nahezu erloschen. Nur an sich
Also, dann leb wohl, mein Kind!
E» bleibt dab«i: nein Vetter bringt
dich zu mir, wenn ich Nachricht sende,
wo immer ich auch sein mag. Ich habe
alles mit ihm abgemacht.
dich In Acht. Urta! Ich habe d«m
Adam scharfe Weisungen gegeben.
Herr v n Hellenstädt verläßt in
diesem Augenblick daS Hau».
Sie trat zu ihm heran, nahm sein«
gute» Wort! Michael. daß du
mir vergiebst!
WaS soll ich dir vergeben? rief er
barsck, und versuchte, ihr die Hand zu
entziehen. Etwa die Liebelei mit dem
Menschen? Nein! Wenn ich nicht in
dieser ekelhaften Lage wäre, so hätte
ich wohl andere Maßregeln ergriffen,
darauf kannst du dich verlassen!
E» ist n!>7 das, denn das kam ge
»en meinen Willen, und ich habe dich
nie Hinteler gen. Aber vorhin, wie
du mir so viel eingestandest, da habe
ich ja, da stieg ein Gefühl der
Nichtachtung in mir auf. Ich hatte
dich immer so hoch gestellt, und der
Rückschlag kam zu plötzlich. Aber ich
'esaß kein Recht dazu, und ich dachte
sind vielleicht derantwortlicher für al
les zu machen als du selbst.
Genug, genug! unterbrach er sie.
löste sich in Weichheit auf. Erschloß
d::rch über Weideland und durch Ge
strüpp führte. Sein Schritt war leise
und elastisch, wie der einer Katze,
sich jetzt kahles Gelände hin. Das
fernung, die ihn von dem nächsten
Busch trennte. Wenn er den erreicht
hatte, war er geborgen.
Mit einem Satz nahm er den klei
nen Graben, der die europäischen Kul
turstaaten von Abasien trennte,
>nd dann still und horchte. Kein
verdächtiger Laut weit und breit.
Flüchtig glitt er durch das Halbdun
kel der öden Fläche hin, die der Nebel
einhüllte. Mit einem Male aus
diesem Nebel ein russischer Anruf.
EndrulatS Mus'e'r strafften sich.
Er ioar nicht feige. Wo es um Tod
u.id Leben ging, kannte er kein«
Furcht. Nur vor der Schande, im An-
dtt ganzen Gegend von seiner
seiner vertraut hatte. Wie ein
wild.-r Rausch stieg's ihm zu Kopfe.
Er war wieber jung und in seinem
ureigensten Element. Die vierzig
Jahr« mit ihrem glänzenden Aufstieg
"
vor dem schützenden Gehölz, wurde «»
ihm dunkel vor den Argen. Er strau
chelte, taumelte nos ein paar Schritte
und fiel bann vornüber der Länge
nach zu Boden, wie ein gefällter
der Ausübung seines Berufes geschos
sen hatte, und sa>< ihm in's Gesicht.
Ein belustigtes Lächeln schien auf die
hatte da, wo er einst den Grund zu
feinem Aufstieg legte, sein Ende ge
sunden.
ihm wohl. Keine drückenden Sorgen
mehr, die ihm Nachts den Schlaf
raubten, ke'ne Aufregungen irgend
zum Schweigen bracht«. Er war auch,
b«i gänzlicher Bedürfnißlosigkeit, in
der Lage gewtscn, fast sein volles ho
die Sehnsucht nach der deutschen Hei
math blieb ewig wach. Er sehnte sich
nach der armseligen Scholle, auf der er
geboren worden, nach den wehenden
Birken vor den Fenstern des Rudisch
ker Häuschens, und er sehnt« Nch auch
nah« angstvoll vermied, ihm in seinen
Gedanken feste Formen zu geben.
Brahm hatte ihm ein paarmal ge
schrieben und Geld angeboten, aber
Brahm war kein xuter Briefschreiber,
er umging, vielleicht geflissentlich, ge
rade das, was Siewert gern gehört
hätte, und dieser wiederum stellt«,
ebenfalls geflissentlich, in seinen Ant
worten gerade nicht diejenigen Fragen,
die seinem Herzen am nächsten lagen.
Nur daß lakubeit Schmolinken ver
kauft habe, erfuhr er, und dann noch
so ganz nebenher, daß der russische
Fiskus Beschlag auf das Endrulat
sch« Vermögtn bis zur Höh« d«s Wer
thes d«S schon nutzbar gemachten
Waldgebietes gelegt, im Uebrigen aber
Frau Endrulat aus dem weiterlaufen
den Eontrakt herausgelassen hab«, so
daß ihr noch ein kleiner Rest Kapital
geblieben sei, obgleich auch von dem
nenspekulationen des verstorbenen
Mannes verloren ging.
Von Anne kam kein St«rb«nSwort.
sein heimliches Davong«h«n ixrziehen.
Auch nach ihr sehnte er sich krankhaft,
und wie er jetzt in der herbstlichen
Morgenfrühe ü! r '.ie Wiesen schritt,
das Gesicht der aufgehenden Sonne
rende Frage an daS Geschick, ob er
denn noch nicht g«nug gebüßt und ge
litten habe, ob ihm das Leb«n nicht
endlich auch seinen Antheil an Glück
zuwenden wolle.
weiß«n Glanz «in tunkler beweglicher
Punkt jenseits der Wiesen auf. Er
n ußte, es war das der berittene Bote,
der ihm zweimal wöchentlich deutsche
eingetroffen waren, und er Pflegte den
Mann meist ohne Spannung zu er
warten, weil der fast nie
es ihm, als müsse cr dem Boten entge
aenstürmen, als habe das sreuon«
Morgenlicht ihm zum «rsten Mal« die
d«r Frage In Au»siHt ge
rungen in ihm wach und ein quälende!
Gefühl. Warum schrieb ihm diZ
Mädchen jet : nach so langer Zelt?
Was konnte es vrn i>m wollen?
-ugen.
M«in lieber Freund!
Es wird Sie in Erstaunen setzen,
Zeit hindurch Ihren Aufenthaltsort,
lösen, das doch eben nur, wie über
haupt jede Berlobung, eine gegenseitig«
Prüfungszeit fein sollte. Sie sehnten
sich, Ihrem Temperament gemäß, nach
dem starken W«in der groß«n Liebe,
und ich konnte Ihnen nur, meinem
Temperament entsprechend, das matte
Getränk einer sanften, ruhigen Zunei
gung reichen. Ich überseh« jetzt auch
die Verhältnisse, unter deren Zwang
Sie stand n, und weiß, wie viel Muty
von Ihrer S«ite dazu gehört«, jeven
w«ltlichen Vortheil über Vord zu wer
fen.
Anfänglich, das gestehe ich, -in
pfand ich Abneigung gegen die Frau,
die als Bestimmung in Ihr Leben und
damit in das mein« trat, und hielt
mich von ihr fern. "Iber dann kam
Frau Urta Endrulat eines Tag«S zu
mir, und vor ihrer wahrhaften Natur,
in« sich unt«r d«n schweren SchicksalS
schlägen zu ruhiger Groß« entfaltete,
schwand mein Groll. Wir sind
Freundinnen mit der Zeit geworden,
Urta und ich.
DaS Kapital Ihrer Großmutter ist
von ihr zur Hälft« an Ihre Schwester
Anne Tennert ausbezahlt worden, zur
Hälfte auf Ihren Namen bei der Ver
einsbank hinterlegt. DaS Geld kommt
Ihnen zu. Wie lange soll es dort noch
unbenutzt liegen bleiben? Mit dem
Rest des ihr verbliebenen kleinen Ver
mögens hat Urta aus zweiter Hand
Rudifchken gekauft. Man hat das
hier in der Gegend taktlos gesunden,
aber ich weiß wohl, warum sie es that.
Sie lebt ganz abgeschieden für sich und
wirthschaftet unter meiner Beihilfe.
Es ist indessen nichts mit der Frauen
zimmerwirthschaft. Die Hand de»
s>errn fehlt in Rudischien. Wenn auch
ich nun Urta im Stiche lasse, so ge
schieht das in erster Linie freilich, weil
mein Vater im Frühjahr gestorben ist
und sich damit zu viel traurige Erin
nerungen an den Ort knüpfen, an dem
ich so lange mit ihm lebte, in zweiter
Linie jedoch, weil ichcho-ffe uzo denke,
daß Sie zurückkehren werden, um ein
nicht ausgesprochenes, aber nichts
destoweniger stillschweigend gegebenes
Wort einzulösen. Welches Ovium sich
knüpfen mag. die Frau hatte nicht»
damit zu schaffen, und Sie werden
ihr den Ihrigen geben.
Mich finden Sie nicht mehr in oer
Rachbarschaft, denn ich trete in ten
nächsten Tagen als Pflegerin in «in
von mir mitgegründetes Kinderhum
der Provinzialhauptstadt eil, waS
lch bitte ZI« jedoch,
meiner mit freundlichtn Gefühlen zu
gedenken, und bin mit h-ezlick)«:ii
Gruß
Ihr« aufrichtige Freundin
Henny Mellhzf.
Als Siewert diesen ruhigen, sachli,
chen Brief zusammenfaltete, wußte e,
so deutlich, als habe eS ihm Jemand
mit klaren Worten gesagt, daß di>»
die letzte und größte Liebesthat dri
stillen, sanften Mädchens sei, . as ewH
j seine Braut gewesen war. Sie hatt»
! den Stachel au» seinem Gewissen neh>
men und ihm freie Bahn geben wcl.
! len, und gerade darum empfand ei
' d«n Stachel noch schärfer als 'onsi.
Aber daneben sprang ein ungeheure!
! GlllckseligkeitSgefiihl in ihm auf, im!
er fuhr sofort zu Baron Nolten ui.t
saate:
Ich bitte dich, mich au» meine,
Stellung zu entlassen, sobald du Er
satz für mich gefunden hast. Ick
möchte heimkehren.
Di« boshaft« Nicht«
Nichte (zum kahlköpfigen Onkel, der
der Wind den Hut fortwehte): Di
mußt ihn mit der Hutnadel anstecken
Onlel, wie ich es bei mir mache!
—Berechtigt« Empörung
Schriftsteller: Den Kollegen Geist
mayer, den gemeinen Menschen, grüß
ich nicht mehr auf der Straße. Be>
kannter: Warum nicht? Schriftsteller
l schafft-" !
FSr die KSche.
Kalte russische Fisch
schüssel. (Zeitdauer zw«i Stun
den). Man kann jeden größeren Fisch
verwinden, der sich zum Kaltessen
eignet, in Rußland sind die Süßwas
serfische sehr beliebt dazu. Sie wer
den roh aus den Gräthen gelöst,
dann kocht man sie sammt diesen
mit reichlichem Gewürz, Wurzelwerl
und einem kleinen Essigzusatz ab, sie
müssen sehr gut abtropfen. Dann
entfernt man alle Gräthen, legt die
Stücke in eine Glasschüssel und gar
nirt di« einzelnen Stücke event, mit
Kr«bsschwänzen, Mohrrüben (belie
big ausgestochen) unk Citronenscheib«
chen. Bon der durchgesiebten Fisch
brühe macht man einen hellen Aspik,
bei dem ein kleiner Zusatz von
Fleischextrakt sehr angebracht-ist, und
gießt den Aspik, wenn er recht gut
ausgekühlt ist, allmählich über den
Fisch, der hiervon vollständig bedeckt
sein muß. Dazu servirt man extra
recht kalten, geriebenen Meerrettich.
Spinat auf bürgerliche
Art. Der Spinat muß sorgfältig
verlesen und gut gewaschen werden,
ein Sandkörnchen zurückbleiben darf,
wenn er schmackhaft sein soll. Dann
wird er in kochendem Salzwasser
einige Minuten abgewellt, mit kal
tem gekühlt, ausgedrückt und seinze
hackt. Nun läßt man I—21 —2 Löffel
Mehl in Butter gar und gelb wer
den, gibt etwas Wasser oder Brühe
Spinat damit gut durchkochen, dann
schmeckt ab und richtet ihn auf er
wärmter Schüssel an. Der Spinat
muß beim Kochen öfter tüchtig ge
rührt werden, da er leicht anbrennt.
Wer ihn herzhafter liebt, gibt etwa»
gehackte Sardelle oder Hering mit
hinzu.
Feine Spargelspeise.
Man macht einen Psanntuchenteig
von 4 Eßlöffeln voll Mehl, das mit
kalter Milch glatt gerührt wird, S
Eigelb, das Weiß« zu Schnee geschla
gen. Von dieser Masse bäckt man 4
Pfannkuchen und streut auf den er
sten Pfund gekochten, sein gewieg
ten Schinken. Auf den zweiten
Pfannkuchen, der auf den «rsten ge
legt wird, streicht man ein« gelocht«,
g«wi«gt« Kalbsmilch. Auf den drit
ten Pfannkuchen kommt geriebener
Parmesankäse oder Champignons,
und der letzte wird darüber g«d«ckt.
Nun w«rd«n zwei große Büchsen
Brechsparg«! in den Büchsen od«r fri
scher Spargel h«ißg«macht. Spargel
sauce wtro von zwei guten Kochlöf»
feln voll Mehl mit einem Stück But
ter und saurem Rahm zubereitet, Z
brühe ausgefüllt und unter beständi
gem Rühren ausgekocht. Beim An
richten werden die Spargel mit der
Vorzüglicher Butter kn»
chen. Man setze einen Hefeteig an,
indem man Tasse Milch, lau
warm, mit erwärmtem M«hl zu ei»
und für ein«» Cent frische Hefe dazu
gibt, die man mit 2 Theelöffel Zu
cker, ohne Wasser, glatt gerührt hat.
D«n Teig schlägt man S Minuten
und läßt ihn an einem warmen Platz
Zwiebel und löscht mit einem
Lössel Bouillon ab, fügt etwas Ma
deira hinzu und servirt sofort.
Tasse lochende Milch zu, rührt sie
ten.