>Dtr An einem wundervollen October !age, wo die Lust gleich berauschendem khampagner war, der Himmel in Saphirbläue strahlte und das Loub der Bäume in den prächtigsten Farben prangte, fand die Hochzeit von John MacDermott mit Mildred Parfons statt. Die Festlichkeit lonnte sich mit dem Wetter messen. Die schlanke, schöne Braut bot in ihrem weißseidenen Ge wände einen wunderbar liebreizenden Anblick zu dem so stattlich und männ lich erscheinenden Bräutigam, und die Hochzeitsgäste, di« sich zahlreich ein gefunden hatten, um den Ehrentag des allgemein beliebten jungen Paares verherrlichen zu helfen, waren in ganz besonders gehobener und fröhlicher Stimmung. Als die beiden jungen Menschenkin der in der blumengeschmückten Kirche durch den kurzen und feierlichen Akt vor dem Altar zum Bunde fiir's Le ben vereint wurden, schien nach menschlicher Berechnung alles auf eine glückliche, schattenlose Ehe zu deuten. John war ein tüchtiger und fleißiger Geschäftsmann, der sich überall der größten Achtung und Liebe erfreute, und Mildred wurde von ihren Be- Lezleres hatte wohl darin seinen Grund, daß ihr die sieben Jahre seit der Beendigung der Schulstudi«n in Es waren in der That sieben h?rr lich«, fröhliche Jahre gewesen! Viel leicht gerade deshalb so herrlich, weil Mildred sie in völliger Unabhängigkeit verkbt hatte. Denn das junge Mäd chen von heutzutage empfindet nichts fo drückend, als wenn es als un nützes Mitglied der menschlichen Ge sellschaft im Elternhause ein thaten loses, abhängiges Leben verbringen muß. Mildred hatte es in dieser Bezie hung ganz besonders gut gehabt. Von zärtlicher Elternliebe und Elternfürsorge umgeben, war sie an ihrer Mutter Seite in die Gesellschaft getreten und auch stets von ihr beglei tet worden. Daneben aber hatte sie sich ihr Leben ganz nach ihrem Belie ben gestalten diiresn. Sie hatte ein eigenes Malatelier besessen und sich der Ausübung ihres Talentes mit ganzem Eifer und Hingebung gewid met. Ja, zwei Jahre vor ihrer Hoch zeit hatte si« sogar mit einer gleichge sinnten Freundin in einem winzigen, mehrer« Monate einen eigenen Haus halt geführt, mit nur einer einzigen alten Dienerin, um die groben Arbei- So hatte Mildred auf sehr leichte und angenehme Weis« sich selbst ein Taschengeld erworben. Denn es ist wirklich angenehm, Zeichnungen für Buchdeckel und Illustrationen für Zeitschriften zu entwerfen oder Skiz zen aus dem UniversitätSleben u. f. w. zu liefern und dafür ein gutes, ange messenes Honorar erhatten. Es lieben^lernte und ihm ihr Jawort gab, war der Becher ihres Glückes bis an d«n Rand gefüllt. Und John fühlte sich ebenfalls un endlich glücklich. Er liebte Mildred Bewegung setzte, hieli sich John für den glücklichsten Menschen auf dem weiten Erdenrund. Mit Entzücken beobachtete er seine hosde Gattin, und silberne Thräne in ihrem schönen Auge. Zärtlich beugte er sich zu ihr herab und sagte: .Sei nicht traurig Schatz. Hege keine Furcht. Es wird meine Lebens aufgabe sein, dich zu hüten und zu schützen wie meinen Augapfel." „Wovor sollte ich mich fürchten?" fragte sie heiter. „Ich fühle mich nur so unendlich, so über alle Maßen glücklich!" Ein Jahr war verstrichen. Ein ausiyerksamer Beobachter hätt« eine klein« Veränderung in dem Benehmen des jungen Paares zueinander, eine ganz geringe Abnahme der gegenseiti ge Zuneigung wahrnehmen lönnen. Es gab offenbar Mißtöne in der Melodie ihres Lebens, die eine unbe deutende, aber unaufhörliche Reibung hervorriefen. Auch hatte Mildreds Antlitz seine erquickende Heiterkeit ver loren, sogar ein ganz lleiner harter Zug lag um ihre Mundwinkel, und ihre bisher so auffallend liebliche Stimme llang jetzt zuweilen beinahe scharf und gereizt. John, der gleich den meisten Männern in gewisser Hin sicht «einen Scharfblick hatte, erkannte zwar die Veränderung an seiner jun« g«n Gattin, sie berührte ihn auch seh, schmerzlich, aber trotz häufigen Nach, griibelns wußte er sich nicht deren Ursache zu erklären. daß Mildred ein vollkommen geklärter Charakter sei," sagte er sich. „Und doch wird sie jeden Tag launenhafter so sind? Meine gute Mutter war Bettelarmuth kosten. Mildred erwies sich als eine Muster wirthin. John sorgte reichlich für alles zum Haushalt Nöthig« und be zahlte selbst die Rechnungen. Wenn Mildred ihn um Geld bat, gab er es Was hatte sie nöthig, selbst eine Rechnung schicken zu lassen, die sie ihm präsentirt wurde? Der Ge danle, daß Mildreds Geld für irgend sich oft hatte halbtodt rennen müssen, weil sie nicht Geld zur Elektrischen besessen, und auch die Aufnahm« in hatte, aui Furcht, nicht die Eintritts bat, er möge ihr regelmäßig ein mo natliches Taschengeld geben, starrte er sie entsetzt an. .Um Gottes willen, Mildred, bist du von Sinnen?" rief er erregt. „Wozu brauchst du «in bestimmtes, persönliches Geld? Sollen wir ge sonderte Interessen haben? Meine Börse steht dir doch immer zur Ver hört dir ebenso wie mir. Gesonderte Interessen in einer Familie sind mir verhaßt. Bitte mich um etwas ande-' reS. Schatz. Jeden anderen Wunsch will ich dir mit Freuden erfüllen, aber willigen." Und John setzte eine eigensinnige, verstockte Miene auf. Mildred wandte sich stolz ab. Ihre Wangen glühten, ihre Augen glänzten. Der Gatte sah stand Mildred vorzüglich; und bis jetzt war es John stets e« leichtes ge wesen, solchen Zorn zu besiegen. Ja. es bereitete ihm sogar ein gewisses Vergnügen, Mildred in dieser Stim mung zu behandeln, ähnlich dem, wel ches ein Reiter empfindet, wenn er ein sich gegen die Zügel auflehnendes Vollblutpferd bändigt. „Sei nicht verdrießlich, Schatz," sprach er zärtlich. S«in Antlitz wurde sehr weich, er zog Mildred an sich und küßte sie, mit einem von Leidenschaft durchglühten Kusse, der Mildred sonst bis in ihres HerzenS Tiefe hätte erbeben lassen. Heute nahm sie ihn kühl hin, ohne ter Kuß erbittert ab«r einen Gatt«n aus's höchste. „Du lönntest etwas liebenswürdi- noch heute Geld?" gab sie fest zur Antwort. „Mit Ueber wählt." Fassung, und als der Abend da war, fürchtete er sich beinahe nach Haufe zu kommen. Mildred hätte ihren Zweck sehr leicht aus indirektem Wege erreichen können durch Liebkosungen, Schmeicheleien oder durch Anwendung von List. Als John, von plötzlicher Leidenschaft ergriffen, sie so heiß küßte, hätte si« nur ihre Arme um seinen Hals schlingen und ihre Wange an die seine schmiegen zu brauchen, und er wäre bereit gewesen, ihr c.lles zu gewähren. Aber das verschmähte sie. Es widerstrebte ihrer ganzen Seele, etwas erschmeicheln hieß für sie, sich eine falsche Stellung geben. Al» Johns Gattin hatte sie gleiche Rechte mit ihm und si« wollte sich um keinen Preis so weit erniedrigen, ein ihr zukommendes Recht zu erbet teln. John hätte nicht nöthig gehabt, sich vor dem Wiedersehen mit Mildred zu fürchten. Sie war nicht kleinlich und verstand sich zu beherrschen. Sie hatte ein Gewand angelegt, das er beson ders liebte. Gänzlich den Disput vom Morgen ignorirend, plauderte sie heiter und unbefangen und John hatte keinen Grund, mit ihr unzufrieden zu sein. Nur, daß seine Gattin eine Nllince weniger die Seine war als früher. Sie schien ihm fern gerückt. Er wurde sich eines .kleinen Risses" be wußt, der nach und nach zur „un überbrückbaren Kluft" werden konnte. Als indeß die Tage verstrichen, ohne daß Mildred auf das unliebsame Thema zurückkam, betrachtete John die Angelegenheit für abgethan. Er erkundigte sich noch einige Mak, ob Mildred irgendwelcher Gelder be dürfe, aber ihr gelassenes „Nein, danke," war so bestimmt, daß er ge liches Gefühl —, daß seine Gattin ihren Vater um Geld gebeten hätte. Das war allerdings entsetzlich! Doch nein. Das konnte nicht 'ein! Mildred besaß selbst zu viel Stolz und auch zu viel Rücksicht aus den Stolz ihres Gatten —, um einen der artigen Schritt zu thun. Nach reiflicher Ueberlegung, um sei ner Frau in der streitigen Sach« etwas entgegen zu kommen, legte er, was er noch nie gethan, eine Rolle Banknoten in ihre Schreibtifchschub lade, damit ihr Geld zur Verfügung stände, ohne die Formalität einer Bitte. verstohlen hinein, um zu sehen, ob die Banknoten fort wären. Doch sie lagen noch unberührt. „Ich glaube", sagte er sich, .es wäre am Ende doch bequemer gewesen, wenn ich Mildred ihren Wunsch er füllt hätte. Ich fange allmählich an, mich wie ein Schurke zu fühlen, und fürchte, sie hält mich auch für einen solchen. Aber jetzt ist es mir zu Als John einige Wochen später sein Kontor betrat, bemerkte sein Kompagnon zu ihm: „Ich muß dir gestehen, lieber Freund, daß, meiner Meinung nach, der Stift deiner Gattin nichts durch die Ruhepause verloren hat. Ihr Bild im Clarion ist geradezu groß artig! Annie hat mir erzählt, daß Mildred fleißig bei der Arbeit ist und auch die Absicht hegt, sich wieder ein Atelier einzurichten. Ich denke aber, sie muß deine Gattin wohl falsch verstanden haben, denn du hast mir doch gar nichts davon angedeutet. Aber es ist eine vorzügliche Idee. Denn die Ehe soll nicht das Geni« der Frau unterdrücken." Es war gut, daß Radclisfe die Ei genthümlichkeit besaß, wenn er ein Thema berührte, sich d«s langen und breiten darüber auszulassen. So fand John Zeit, sich zu sammeln, ehe er leichthin entgegnete: .Mildred handelt darin ganz nach ihrer Neigung. Bin weit davon ent fernt, ihr Genie unterdrücken zu wol len. Sie hat reichlich Zeit; und ich finde auch, daß es ein Jammer ihr Talent einrosten zu lassen." In Anbetracht, daß sein Partner ihm die erste Andeutung von Mil dreds Wiederausübung ihrer Kunst machte, bewies John in seiner Ant wort einen bewundernswerthen Takt. Mildred erwähnte ihrem Gatten gegenüber nichts von der Wiederauf nahme ihres früheren Berufes. Erst einige Zeit später kam dieses Thema zur Sprache. Es war an einem prächtigen Win termorgen. John schlug seiner Gat tin eine Spazierfahrt für den Nach mittag vor. Mildred war früher von solchen Ausflügen stets entzückt ge wesen und er wollte gern, daß sie sich zum erstenmal mit einer wundervol len Zobelgarnitur, einem Geburts tagsgeschenk von ihm, schmücke. merkte er. Mildreds Antlitz überzog ein Schatten und l-ise entgegnete sie: „Ich wünsche, ich iönnte dich beglei ten. Aber es geht leider nicht. Ich habe eine nothwendige Verpflichtung. Um die Wahrheit zu gestehen, ich habe eine Arbeit in Händen, die ich zur bestimmten Zeit abliefern muß. Und da die Tage jetzt so kurz find, muß ich jede Minute d«i so schnell entflie „Was ist das für eine Arbeit?" fragte er kurz. „Ich male ein Sortiment Menü karlen für Daisy Hend«rsons Gesell schaft, und sie müssen heute fertig werden, John." „Du du malst Meniikarlen für Geld, Mildred du malst Karten für Alex Henderfons Gattin und sie bezahlt sie dir?" stieß er erregt „Gewiß, lieber John. Daisy be sitzt ihr eigenes, zum unbestrittenen Gebrauch verfügbares Taschengeld und wird mich reichlich sür meine Arbeit belohnen. Ich habe seit eini ger Zeit die vor unserer Heiraih aus geübte Beschäftigung wieder aufge nommen. Ich sprach zu dir noch nicht darüber, weil mir immer die günstige „Aber, Mildred, du hättest mich doch um Rath fragen müssen. Was müssen die Menschen davon denken?" „Das ist mir höchst gleichgültig. Mir kommt es nur auf die Meinung meines Gatten an. Aber da ich die sen Schritt thun mußte und du mei ner Ansicht unvermeidlich Widerstand entgegengesetzt haben würdest, so han delte ich allein. Ich mußte mir Geld erwerben, um ein Taschengeld zu haben, worüber ich frei verfügen konnte, oder ich wäre gestorben. Und ich denke doch nicht, daß du meinen Tod gewünscht hättest." „Ich werd« dir so vi«l monatliches Taschengeld geben, wie du wünschest, liebe Mildred. Aber von diesem wahnwitzigen Projekt mußt du Ab stand nehmen. Es würde mir sogar geschäftlich schaden." „Das sehe ich nun nicht ein," ent gegnete sie, mit einem rebellischen Funkeln in den braunen Augen. Seine blauen blickten sie fest und ent schlossen an. Wieder, wie schon einst, stellten sich die beiden Augenpaare, aber diesmal waren die Waffen ge streckt. Endlich brach John das Schweigen. „Ich bitte dich innig, Mildred, nimm lein« weiteren Aufträge von Nachbarn und Freunden an. Thue es mir zuliebe. Willst du für die Oeffntlichleit arbeiten, so werde ich die nicht im Wege stehen. Ich streich« die Flagge. Ich bin sehr thöricht und despotisch gewesen und habe die holdeste Gattin, die je ein Mann sein eigen genannt hat, in der verächtlich sten, verabscheuungswerthesten Weise behandelt. Aber ich liebe sie, und bitte sie von ganzem Herzen, mir zu verzeihen, und verspreche ihr, von nun an ein guter Gatte zu sein!" Und Mildred vergab ihm. Der Friede war wieder hergestellt. Die Ehegatten regelten die Bedingungen ihrer künftigen Finanzen in friedlich ster Weise, und am nächsten Tage be gleitete Mildred John auf der Spa Aber der kleine Riß hatte doch eine einen? anderen wundervollen October tage in Mildreds Armen Gottes bestes Geschenk für eine Frau ihr erstgeborener Sohn ruhte. Mütter^ i. Sie saßen um den runden Tisch wie alle Abend. Die Lampe brannte. Frau Bruckner strickte an einem wol lenen Herrensocken. Die graue Haus katze lag behaglich schnurrend aus dem Schooß der alten Dame und rührte nur zuweilen den Kopf, wenn der wollene Faden ihr Ohr streifte. Ger trud, dit älteste Tochter, besserte Wäsche aus, und Lisa, die das Leh rerseminar besuchte, saß über ihre Bücher gebeugt. Die beiden anderen schwiegen stets, so lange Lisa arbei tete, und hatten dies« Ruhe doch nie peinlich empfunden. Heute aber lastete das Schweigen auf ihnen. Das lang sam monotone Ticken des Regulators machte die Stille nur noch drückender, Zuweilen flog ein verstohlener Blick Gertruds zu der Mutter hinüber, die ruhelos die Hände bewegte und die Augen nicht vom Strickzeug hob. Wo di« Gedanlen der alten Frau jetzt weilten, das wußte Gertrud nur zu gut. Sieben langsame tiefe Schläge der alten Uhr klangen fast feierlich durch Auf und nieder stichelte die Nadel Gertruds, und nichts verrieth, daß das junge Mädchen angestrengt aus jedes Geräusch im Hause lauschte. Es war die Stunde der letzten Ab«ndpost. Aber auch Lisa war nur noch schein bar mit ihren Gedanlen bei der Ar beit. Nach einigen Minuten trafen sich die Augen der Schwestern für eine Sekunde. Es lag Frage und Ant wort in dem Blick. Dann stand Lisa auf, trat an den Bücherschrank, kramte einige Augenblicke darin herum und da/ Gesuchte aus ihrem Zimmer holen. Gleich darauf räumte Gertrud die Arbeit zusammen und sagte: „Es wird wohl Zeit zum Abendbrot, Mut ter. Soll ich Dir eine Eierspeis« Frau Bruckner hob den Kopf und sah die Tochter mit unruhigen Augen an. .Laß nur, ich habe keinen Hun ger." „Nein, Mutter, das g«Ht nicht, Dr hast auch Mittag so wenig gegessen. Man muß dem Magen nur recht freundlich etwas anbieten, dann nimmt er es schon," versuchte sie zu scherzen und strich zärtlich über die Welten Hände. Sie sprach lauter als sonst und rückte die Stühle zurecht. denn ihr scharfes Ohr hatte das Off nen des blechernen Brieflastens gehört. Dann ging Gertrud ruhig hinaus und mit denselben gleichmäßigen Schritten bi» zur Küche, deren Thür sie lers« hinter sich schloß. Sofort verwan delte sich ihre scheinbare Ruhe in ner vöse Erregung. Am Herd lehnte Lisa, blaß und verstört, einen Brief in der Hand. „Mach doch auf, schnell!" „Aber ich kann nicht es ist schlimm ausgegangen, sonst hätte er ttlegraphirt!" Hastig nahm ihr Gertrud den Brief aus der Hand und riß den Umschlag auf. Ihre Augen flogen über oas Briefblatt dann ließ sie es zu Bo den fallen und bedeckte das erblaßte Gesicht mit den Händen. „Verurtheilt?" fragten Lisas be bende Lippen saft unhörbar. Nur «in Nicken, ein Schluchzen war die Antwort. „Still!" Man hörte da» Oefsnen der Wohn zimmerthür. Hastig griff Lisa den Brief auf und steckte ihn in die Ta sche. „Sie darf es heute zur Nacht noch nicht erfahren." Und dann hantirten sie beide in der Küche, klapperten mit den Schüsseln und sprachen so ruhig, als seien ihnen nicht eben die Augen voll Thränen ge standen. Als Frau Bruckner eintrat, sah sie forschend von einer zur ande ren. „Hast wohl schon Hunger, Mut ter?" fragte Lisa freundlich. „War wieder nichts im Blies kastel,?" „Ich werde gleich nachsehen." Langsam kam Lisa zurück und schüttelte den Kopf. „Noch nichts —" die alte Dame starrte in das knisternde Holzfeuer. Zärtlich schlang Gertrud den Arm um den gebeugten Nacken der Mutter.^ „Rege Dich nicht so auf, es wird alles gut werden." Frau Bruckner sah sie zweifelnd an. .Dann wäre doch wohl schon Nach- ist die Verhandlung ver tagt." „Meinst Du? Aber es sollte doch heute Früh das Urtheil gesprochen „Vielleicht hat sein Anwalt noch einen Entlastungszeugen gesunden." Das war ein Hoffnungsstrahl und eine Erklärung für das Ausbleiben der Nachricht. Frau Bruckner ging in's Wohn zimmer zurück. Die Katze lag auf ihrem Platz und blinzelte si« an, aber die alte Dame fetzte sich nicht. Sie trat vor das Bild eines jungen Man nes, das an der Wand hing, und forschte mit Angst in den kecken, lebenslustigen Augen. „Mein Junge mein Herzens junge nein, ich glaub's nicht, daß Du etwas Schlechtes gethan hast! Du konntest wohl schwach und leichtsinnig sein aber ein Verbrecher »ie mals! " . Die Töchter kam«n herein und deck ten den Tisch. Sie sprachen von häuslichen Dingen, sprachen ohne Pause von den Nichtigkeiten des All tags, um jede weitere Frage der Mut ter zu hindern, die ihnen die mühsam erzwungene Ruhe hätte rauben kön nen. . „ . Unendlich träge schlichten die Zeiger der alten Uhr vorwärts, drei endlose Stunden bis zum Schlafengehen. Dann wünschten sie der Mutter eine ruhige Nacht, noch einmal betheuernd, daß sie von der Unschuld des Bruders fest überzeugt feien. Endlich konnten sie flüsternd das Entsetzliche besprechen, konnten schluch zend den Kopf in die Kissen bergen und wachend den Morgen erwarten, Immer die Worte überlegend, die einer Mutter sagen mußten, daß ihr einzi ger Sohn fortan ein Gebrandmarkter sein würde 11. „Mama! Mama! Sieh doch mal schnell heraus!" Ein Kopf reckte sich zur Höhe des Parterrtfensters, eine magere Hand klopfte ungeduldig an die Scheiben. Die v«rwittwete Frau Regieningi baumeister von Winter saß mit der Excellenz von Zehlendorf am Kaffee, tisch. Sie stand rasch auf und ging zum Fenster, den einen Flügel öff nend. „Was willst Du denn, Karl?" „Nein, sieh nur mal die zwei Kater an. wie die sich wüthend anfauchen!" Der jung« Mann stieß ein wieherndes Lachen aus und schlug sich vor Ver anllgen aus die Schenkel. „Ich bitte Dich, Karl, was sollen die Nachbarn denken! Komm doch herein, ich habe Besuch." Frau von Wint«r schloß das Fen ster und kam etwas verlegen an den Kaffeetisch zurück. „So ist er nun. Es macht ihm das größte Vergnügen, die Thiere zu be obachten. und er hat solche Freude an allem, was da kreucht und fleucht schade, daß er nicht Naturforscher ge '°°Die"swbenthür wurde jetzt ausge rissen und herein stürmt«, noch immer laut lachend, ein hochgewachsener, aber durch die vornübergeneigte schlotternd« Haltung vi«l kleiner wirkender Mensch von etwa dreißig Jahren. Sein schmales, völlig bartlose» Gesicht mit der weitoorspringendin Nase und den tiefliegend«» Augen strahlte vor Ver gnügen. „Nein, war das spaßig! Hast Tu es gesehen, Mama, wie sie sich an fauchten?" „Karl, willst Du nicht erst Excel lenz von Zehlendors begrüßen?" „Ja, guten Tag, Excellenz. Haben Sie es auch gesehen? So saßen Sie sich gegenüber." Er krümmte den Rücken, streckte den Kopf vor und ahmte das Fauchen der Kater nach. „Karl!" „Aber so laß mich doch, Mama," sagte er ärgerlich. „Ja. die Thiere sind manchmal so komisch." meinte Excellenz begütigend. „Nicht wahr? Und gerade die Katzen. Die müssen Sie manchmal beobacht«», wenn sie verliebt sind! Das ist zum Todtlachen! „Soll ich Dir Kaffee einschenken?" fragte Frau von Winter rasch, denn es wurde ihr heiß bei dem Gedanken, daß ihr Sohn wieder eine detaillirte Schilderung seiner Katzenstuvien zum Besten geben könne. Aber da trafen seine Augen die Schal« mit Backwerk und blieben daraus hasten. „Ja, Kaffee und Kuchen. Ist wel cher mit Schlagsahne dabei?" Die Mutter legte ihm ein paar Stücke auf den Teller und nun waren die fauchenden Kater vergessen. Mit Gier verschlang Karl den Kuchen, dann langte er nach der Konfettschale und suchte heraus, was ihm gefiel. Die beiden Damen unterhielten sich nun eifrig von ihren gemeinsamen Be kannten. Dann sprachen sie von ihren Reis«plänen und die Excellenz er zählte, daß sie diesen Sommer in's Gebirge gehen würden, denn ihre Söhne wollten durchaus Hochtouren ausführen, nachdem sie schon >m vori gen Jahre einige Berge von mehreren tausend Meter» erstiegen hätten. Karl horcht auf. Er legte beide Hände auf die Kniee und bewegte unaufhörlich den Oberkörper taktmaßig osr und zurück. Seine Augen leuchteten und er wartete ungeduldig, daß die Ex cellenz eine Pause machen sollte. AI» aber die alte Dame immer weiter sprach, fuhr er plötzlich dazwischen: „Wissen Sie wohl, wie hoch der Köl ner Dom ist? Nein, das wissen Sie nicht! Und der Straßburger und der Ulmer Dom und der Eiffelthurm?" „Karl, das interessirt Excellenz ja ließ sich nicht irre machen. Wie ein Automat, so plapp«rte er die Höhenmaße aller berühmten Bau werke der Welt herunter. Dabei rieb er die Kniee mit den mageren Hän den und hielt den Oberkörper unab lässig in Bewegung. Endlich sah er die Excellenz triumphirend und Bei fall heischend an. „Es ist verwunderlich, daß Sie alle diese Zahlen so merken lönnen," sagte die alte Dame freundlich. „Ja. nicht wahr! Ich habe ein Buch, darin sind alle berühmtes Bau werk« abgebildet und beschrieben." Er lachte glücklich wie ein Kind, das man gelobt hat. „Ich will das Buch mal holen, Excellenz, damit Sie sehen, daß ich mich nicht geirrt hab«." Hastig sprang er auf und lief aus dem Zimmer. „Es ist merkwürdig, dies Gedächt niß!" sagte die Excellenz, um der Mutter über die peinvalle Situation hinwegzuhelfen. „Ja, es ist sein größtes Vergnü gen, di«s Buch, das er in meines Mannes Bibliothek fand, immer wie der durchzulesen. Das Interesse an schönen Bauwerken hat er von seinem Vater geerbt. Als Knabe wollte er auch Baumeister werden und dann kam der Gehirntyphus Sie wissen ja wohl. Karl ist solch ein guter Sohn und ich würde sehr einsam sein ohne ihn, deshalb ist es mir ganz recht, daß er sich zu keinem Beruf ent schließen konnte. Er scheint manch mal noch ein wenig kindisch. Leben, das wir führen. Meine Pen sion reicht ja sür uns beide, und mit dem Vermögen will ich ihn in ein Stift einkaufen, damit er eine Hei math hat und nicht ganz verlassen ist, wenn ich mal nicht mehr bin. Denn er ist viel zu gutherzig und viel zu vertrauensvoll, er würde von d«n Menschen nur betrogen werden." Frau von Winter sprach hastig und war bemüht, den Eindruck abzuschwä-- chen, d«n die Katzenscene auf die Excellenz hinterlassen haben mochte. Karl brachte das Buch nicht. Aber aus einmal hörten die beiden Damen unter dem F«nster wieder das Fau chen und darauf ein unbändiges Ge lächter. Frau von Winter schwieg plötzlich und es zuckte schmerzlich in ihrem Ge sicht. Aber die Excellenz that, als bemerkte sie das gar nicht und sagte lächelnd: „ES liegt so viel kindliche Heiterkeit in dem Wesen Ihres Soh nes." Dankbar sah die Mutter auf. „Ja, er ist ja auch noch so rein und Menschen sein, denn Niemand versteht ihn so gut wie ich." Verschnappt. Sie, bei Antritt ihrer Badereise: „Du wirst doch hoffentlich keinen Augenblick ver gessen. lieber Eduard, daß du verhei rathet bist?" Er: „Aber Karollne, ich denke ja immer mit Schrecken da rin!" —A us der Rolle gefallen. Klein-Anna (mit der Mama an ei nem Sliaßenbettler vorübergehend): „Ach, sieh Mama, den armen Mann! Taubstumm ist er und vier Kinder hat er, dem mußt Du «twas geben!" D«r Taubstumme: „Entschuldigen Sie, das ist ein Fehler auf dem Schildchm fünf Kinder hab' ich!" Vater (nach dem Rückgang der Verlobung zum Ex-Bräutigam): „Da ist der Ring zurück, den Sie meiner Tochter gegeben haben und hier auch Ihre sonstigen Geschenke!" Ex - Bräutigam: „Dreißig Pfennig bekomme ich auch noch für drei Trambahnfahrten!" Naive Frage. Junge Frau (besucht ihre Freundin im Pensionat): „Nun muß ich aber trachten, daß ich wieder heimkomme; wir wollen heut' zuhause noch ein Schwein schlachten!" Freundin: „Schlachtet Ihr das ganze Thier auf einmal?" Der Schwerenöther. zienraths zur Tafel; was hat's da ge geben, Herr Leutnant?" »Sekt, Austern. Trüffeln und gebrochen« Herzen." Tat» Monokl. „Endlich bin ich so weit, daß ich'» halben kann, und nu muß ich grad' heute immerfort niesen!" Ein Bor sichtiger. „Wa auf ihrer Ballonfahrt?" „Na wenn Wir in flüssige Luft gerathen?!" Angewandtes Sprich wort. Richter: „Warum haben Sie denn Ihrem Nachbar Beit gleich zw«! Ohrfeigen hintereinander gegeben?" schnell, lnd Sie wissen ja .wer schnell gibt, gibt halt doppelt!" „Ja, da hätten Sie sich eben da- Nn«r»,lii>ier. „.. Woaßt D'., Han»l, mit der Viehwirthschaft i«'» nix mehr i' leg' ml' jetzt auf d' Eommerfrisch-
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