Scranton Wochenblatt. (Scranton, Pa.) 1865-1918, June 04, 1908, Image 7

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    Jehde.
>»man vo» >. ». itli«cko»stn>n».
(6. Fortsehnn?.)
Im Walde war'S traumhaft still.
Die Sonne brütete auf den rothstäm
mtgen Kiefern, und der warme har
zig« Duft hatte etwa« Berauschendes.
Welt und breit keine Menschenfeele.
Nachts geht's hier um, erllärte
Urta ernsthaft. Da ist es gar nicht
geheuer. Die Seelen der Ertrunke-
Jhm ging es durch den Sinn, daß
ei auch bei Heller MittagSgluth nicht
geheuer sein mochte, hier im
solch« Ammenmärchen?
Gewiß. Es gibt böse und gute
Geister und schlimme und heilige
Nacht«, in denen sie sich den Menschen
bemerkbar machen dürfen. Daran
lch nicht.
Ach Sie sind so ein aufgeklärter
Besserwisser! Bielleicht glauben Sie
such nicht einmal an Zauber und
Hexerei?
Doch! an Zauber glaube ich.
Nun, das ist doch wenigstens ein
Zug«ständniß. Gewiß haben Sie
auch schon die Erfahrung gemacht,
Mondnacht zwischen zwölf und eins
vor der Kirchihür vergräbt. Und
wenn die Milch von den Kühen plötz
lich blitzblau wird
Sein tolles Lachen unterbrach sie.
Ja, an welchen Zauber glalben
Sie denn? fragte Urta halb ärgerlich.
Sie lachen mich aus.
über seine eigenen Worte verlegen und
fuhr hastig fort: Gnädig« Frau, Sie
sind doch in einem modernen Töchier
liche stets die natürlichsten Erklärun
gen gibt.
Gewiß. Ich habe langathmige
Borträge über Psychophysik und di«
die Luft schlagend. Aber darauf
pfeif ich. Deswegen gibt es trotzdem
für mich Spuk und Geister.
Er amüsirte sich über diese sonder
bare Mischung von modernen Kennt
von ihnen mochte von seinem Stand
punkt einen Schritt abgehen auf
die Höhe der Dünen, wo der Wald
vor ihnen lag. Da verstummten sie
und setzten sich zwischen Ginster und
Stranddisteln in eine Sandmuld«.
Lange Zeit hindurch redeten sie
nicht, und als es dann doch wieder ge
vergangen ist! Halb Sechs, meine
Sie hasteten durch den Wald zurück.
ES fand sich indessen, daß Siewerts
Bootsleute die Geduld «rloren hatten
und schon um Fünf auf eigene Hand
Fleck kommen konnten.
Siewert erschrak im ersten Augen
blick. Von den hiesigen Booten war
keines zu Hause, das er etwa hätte
brauchen können. Nun sah er sich ge
zwungen, die Nacht auszubleiben, und
der Himmel mochte wissen, was inzwi
schen aus seinem Heu wurde. Aber
bemächtigte sich seiner, eine ganz ner
vöse Heiterkeit.
Ei thut mir leid, Ihnen meine Ge
so grausam sein, sich in das Heilig
thum Ihres Hauses zurückzuziehen
im Freien am Haff veranstalten. Be
ordern Sie Ihr Abendessen hierher,
>i»d ich bestell« da» meinige aus dem
Logirhause ebenfall» her? so ist keine»
von uns der Gast des anderen. Ich
lich«». Siewert hatte da» Gefühl des
aufschnitt, um sich vom Inhalt über
raschen zu lassen.
Er hatte bei dieser Frau mehr er
künsteltes Raffinement und größere
innere Unkultur erwartet, und fand
pfinden und einer kindlichen Ehrlich
keit. Da war nichts BerbildeteS,
Verschrobenes. Ihre wundervolle
Büschel Erika und Heidelbeerkraut im
Gürtel, da? sie am Nachmittag ge
pflückt Lachen, das
ziemlich lange Zeit, um die Zweiglein
in's Knopfloch zu stecken. Biel«n
Dank, gnädige Frau! Schlafen Sie
wohl!
Aber Urta konnte nicht gleich ein
jedem Jahr unternahm, war er wort
karger und in sich gekehrter als vorher
heimgekehrt.
dann gerade heraus ihren Bruder,
was ihm fehle.
Nichts ist mir, wich er aus. Im
mer, wenn man nicht schwatzt wie eine
IoS ist.
Eindruck, daß Henny ihm einmal die
Hand auf die Schulter legte und
freundlich sagte: Warum gibst du dich
anders al« dir »u Muth ist? Meinst
du, ich hätte kein Ohr für die feinen
Untertön« deiner Stimmungen? Ich
weiß ja doch, daß dich eine geheime
Hand und preßt« sie flach gegen sein«
Stirn.
Sie glaubte zu begreifen. Auf den
Feldern gedieh >a alles, soweit dies bei
der schlechten Beschaffenheit de» Bo
dens überhaupt möglich war; wenn
ihn also etwas bekümmerte, so konnte
eS nur die eine große Kalamität sein,
welche die ganze Gegend in Athem er
hielt: die steigenden Holzpreise. Mit
tröstenden Worten versuchte sie ihn
darüber zu beruhigen, meinte, dai
könne nicht mehr lange so fortgehen.
Der Bogen sei zu straff gespannt, und
Endrulat müsse schließlich billiger
verkaufen, wolle er nicht verkrachen.
Er müsse sich Absatz schaffen. ES fei
seinem Schulfreund, Baron Hol
ten. der im Gouvernement Kowno an»
sässig war, daß er dessen wiederholten
nun endlich Folge
Bi» zum Grenzort benutz»? er di«
Bahn; jenseits der Grenze erwartete
ihn der Wogen deS Barons.
D«r vollständige Wechsel der Um
gebung, der Siewert jedesmal auffiel,
sobald er den Boden deS „hülfen"
Rußland betrat, verfehlt« auch jetzt
nicht seine zerstreuend« Wirkung. Auf
viele Werst kein Gehöft, verwahrloste
st«iniibersät« Felder, baumlose Weg«,
dann Ortschaften, die sich Siädie
l schmutzstarrende Dörfer waren, in
deren Gassen Schwein« und unsaubere
Kinder Dazwischen bunte
davonführte, zuerst am Ufer deS Rie
men hin, dann, links abschv.'nkend.
Immer tiefer in's Land, durch «ndlofe
Waldungen, morastige Straßen.
Die ländlichen Herrensitze lagen
halbe Tagereisen von einander ent
pflegte Parkanlagen, machte sich deut
sches Element geltend, sei eS, daß die
Besitzer oder die leitenden Beamten
Baron Nolten indessen war Balte
von Geburt und «in seßhafter Herr,
d«r der Jagd und dem Ackerbau ob
lag. Sein langgestrecktes, gelbgesiri
chenes Haus umschloß die ganz- russt-
Winter hier so viel erträglicher macht
als in Deutschland, besaß riesige
Kachelöfen, in denen nährend der kal
ten Jahreszeit mit sorgloser Holzver
schwendung Tag und Nacht einge
feuert wurde, gleichzeitig Flure und
Treppen angenehm durchwärmend.
Es besaß auch große, fast bis zum
Erdboden reichende Fenster und grüne
Jalousien, di« in heißen Zeiten Luft
gaben und d«m Sonnenschein wehiten.
lirten Untersätzen Theegläser und
Fruchisäsie und Consekt für etwaig«
Besucher bereit.
schwand wie Schnee vor dem März
wind bei der herzlichen Begrüßung,
die ihm von dem alten Freunde zu
gut, di/ Glieder zu bewegen,. d«n
Garten, die Ställe, die Meute anzu
sehen, all die Steckenpferde des einsam
hier lebenden Junggesellen.
Spät Abends saßen die Herren
mit d«r Pfeife unter dem hölzernen
Borbau der Hausthür und sprachen
über russische und deutsche Zustände.
Nolten war sehr b«redt. Er genoß
eS, einen deutschen Gast zu haben, mit
dem er sprechen konnte, wie ihm die
neur hinterbracht nxrden könne. Er
erzählte rastlos von Dingen, di« den
anderen kaum interessirten, sprach
über die Verhältnisse sämmtlicher Be
sitzer auf fünfzig Werst im Umkreise.
Du siehst, daß die Polen hier unser
gefährlichstes Element sind, schloß er.
Ja, ja! pflichtete Siewert zerstreut
bei, schon halb überwältigt von Mü
digkeit.
Diese Großthuerei neben v«rloder
ter Wirthschaft wirkt direkt demora
lisirend. Es ist hier gar nicht glän
zend mit uns bestellt, trotz aller
Schlösser und englischen Parks. Die
Bauern revoliiren schon hier und da,
und wenn selbst ein Mann wie der
Graf Milizecki auf mehr als wackeli
gen Füßen steht, purzeln di« anderen
natürlich beim ersten Anstoß.
schüttelte die Schläfrigkeit ab. Mili
rons neue Nahrung. Er erzählte, daß
der Graf in Petersburg einen fürst
lichen Haushalt führe und eigentlich
nur zur Jagdzeit mit großem Gefolge
feine hiesigxn Besitzungen aufsuche.
Na, was soll ich dir sagen, fuhr er
fort. Die Dinge stehen jetzt so bei
ihm, daß letzthin schon ein Halsab-
Der wird wohl daran glauben müs
sen. Wenn man bedenkt, daß Mili
zecti bisher hier kaum das nothw«n-
Jagd nicht zu schädigen, daß der
Wald für ihn blos «in Luxusbesltz
war, daß ihm Luchse, Wildkatzen und
MilizeckiS Beamte in seinem Namen
jede» Kaufangebot ab.
So ein Krach kommt manchmal
über Nacht. Er trug die Nase immer
sehr hoch und rechnete nie. Es wird
ihm jetzt wohl selbst eine Ueberra
schung gewesen sein, daß er bis an den
Hals in Schulden steckt.
Ist der Berkauf des Waldes schon
perfekt?
Nein. So viel ich weiß, ist «ine
Einigung noch nicht erzielt. Der
Kownoer Mann will zu feinem Gelde
kommen und denkt wohl, daß er den
riesigen Holzbestand bei starkem Druck
um ein Butterbrot erstehen kann. Je
denfalls wird er nur den dritten Theil
dei Werthes geboten haben.
Und wenn man ihn überbietet?
Der Baron lachte schallend. Willst
Ich persönlich selbstredend nicht,
wenn sich aber zum Beispiel ein Kon
sortium fände
Dann wird Milizecki natürlich dem
Hochstbietenden den Borzug geben, dai
liegt auf d«r Hand. Hier herum fin
det sich indessen Niemand, der so
kolossale Summen dran setzen mag.
Dai Holz Hot nur für den Werth,
der mit dem billig«» Wassertransport
rechnen kann.
DaS dacht« ich eben auch. Könnte
ich vielleicht gleich eine Depesche be
fördern lassen?
Nolten war wiederum sehr erhei
tert: Du denkst wohl, du bist in
Deutschland, mein Lieber. Ich habe
anderthalb Stunden bis zum nächsten
Postamt und lasse di« Postsachen nur
zweimal die Woch« abholen. Aber
wenn du willst, thue ich für dich ein
Uebriges und schickt morgen früh hin.
Zu dieser Stunde wäre kein B«amter
mehr aufzutreiben.
Siewert lief noch immer unruhig
hin und her und verfant in Nachden
ken. Du mußt mir Snzeihen, wenn
ich meinen Besuch bei dir auf ein
Minimum beschränk«, sagi« er endlich.
Morgen wir einen guten
schlösse, das dem Graben Milizecki
Er wurde sehr aufgeräumt, obgleich
die nervöse Erregung, in der er sich
befand, Appetit und Schlaf
war ihm ein seltenes Jagdobjekt, und
dann führte ihn das Dreigespann
wieder über Stock und Stein der deut
schen Grenze entgegen.
Ich bin vielleicht wieder hier, ehe
dann bleibe ich jedenfalls länger.
Nach seiner überstürzten Heimkehr
fuhr Siewert viel in der Gegend um
her, verhandelte mit den Herren bei
verschlossenen Thüren. Sie kamen
auch da und dort unauffällig
wegung machte sich unter den Mühlen
btsitzern und Holzhändlern geltend,
die alle schon seit geraSmer Zeit mit
vermindertem Betrieb gearbeitet hat
ten, während das Holz sich auf dem
Endrulat'schen Lagerplatz in riesigen
Stapeln austhürmte. Auch das Flö
ßerwesen auf dem Strom hatte sich
naturgemäß vermindert, da Endrulat
die Dinge gemächlich
nur soviel in seinen russischen Wal
dungen schlagen und stromabwärts
treiben ließ, als er zunächst absetzen
zu können meint«, nxnn di« Consu
menten klein beigaben. Daß sie dai
mit der Z«it thun mußten, schien ihm
zweifellos.
Anfang Auyust unternahm Siewert
eine zweite Reife über die Grenze, und
zwar in Begleitung einiger anderer
Herren. Wiederum gab ein, diesmal
gemeinschaftlicher, Jagdauiflug den
Vorwand dazu.
Sieh ja zu, daß du zur landwirih
fchaftlichen Ausstellung wieder zurück
bist, Aben>> vor sei
aut, fthätzte sie wie keinen zweiten
Menschen in der Welt, aber über all
den geschäftlichen Dingen, die ihn
wührend der letzten Zeit in Athem er
halten hatten, kam es ihm vor, als sei
er innerlich ein ganz kl«in wenig von
im vergangenen Jahr hast aus Er
furt kommen lassen. Das ist doch
eine Pracht! So was gibt eS in der
ganzen Gegend nicht wieder, auch nicht
in d«n größten Gärten. Wir können
sie ja ausstellen, schlug er scherzend
vor. Bielleicht bekommen wir einen
I wo! Di« behalten wir für unS.
Sie sind ja noch nicht einmal in vol
ler Blüthe. Schade, daß ich zu brü
nett bin und Henny zu blaß, sonst
könnten wir auf dem großen Som
merfest der Ausstellung Sträuße da
von tragen, aber dies matte Blau steht
uns beiden nicht gut zu G«sicht.
Bor Siewerts Aug«n erstand in
diesem Augenblick daS Bild einer hell
leibhaftig im weißen Kleide vor sich
zu sehen, einen Strauß Hortensien im
Gürtel, und dai matt« Blau der Blü
then gab ihrer Schönheit ein beson
ders zartes Gepräge.
Warum siehst du denn auf einmal
so verdrießlich aus? forschte Anne
rücksichtslos. Beruhige dich, wir ver
greift» uns schon nicht an d»n«n
kostbaren Blumen.
Er lachte und sprach dann von an
deren Dingen, aber das Bild ging
ihm nach. Ei drängt« ihn förmlich
dazu, ein«n großen Büschel von diesen
Hortensien abzuschneiden, die in d«r
That eineSeltenheit waren,und sie der
Endrulene zu schicken, denn er hatte
ihr ja versprochen, sich zu revanchiren,
als sie ihm auf der Nehrung das
Sträußchen schenkte, und das war
bisher noch immer unterblieben. Es
hätte dies indessen wie der Versuch ei
ner Annäherung an Schmolinken aus
gesehen, und so unterdrückte er den
Wunsch und reiste am folgenden Mor
gen ab.
Di« Herren blieben über eine Woche
aus, und als sie heimkehrten, stand
auch schon die Ausstellung vor der
Thür, die daS Interesse der ganzen
Provinz seit lange in Anspruch nahm.
Noch war nichts üb«r d«n wirtlichen
Zweck jener Fahrt in di« Oefsentlich
keit gedrungen, aber SiewertS Gesicht
trug einen triumphirenden Ausdruck,
wie «r elastisch vom Wagen sprang,
der ihn vom Friihzuge geholt hatte,
und SiegeSfreude lag in feinen Bli
cken, die nach der Schmolinker Höh«
hinflogen.
Es war ein Sonntagmorgen. In
Fabrik und Wirthschaft ruhte der Be
trieb, und ein« wohlthuende Stille lag
llb«r dem ganzen GeHöst.
Wir essen heute früh, bedeutet«
Anne ihrem Bruder. Henny kommt
zu Tisch und dann fahren wir alle
miteinander mit der Bahn zur Stadt
zur Eröffnung der Ausstellung. Vik
tor trifft unS dort.
DaS ist mir alles sehr recht, nickte
er heiter und schlenderte dann ein
wenig nach der Fohlenkoppel hin, weil
er nichts zu thun fand.
Auf dem Wege über's Moor kam
ein Wagen daher, noch ganz klein in
der Ferne, aber Siewerts scharfer
Blick erkannte doch schon das Jucker
gefährt der Endrulene, die offenbar
zur Kirche fuhr. Er ging rasch in
den Garten, an dessen östlichem Ende
die Landstraße vorüberführte, und als
Urtas Wagen den Zaun erreichte,
lehnte er wie zufällig mit beiden Ar
men über dem Staket und grüßte.
Sie hielt an. Ein paar banale
Worte flogen hin und her, und Sie
wert hatte Gelegenheit, die luxuriöse
und diskrete Eleganz der jungen Frau
zu bewundern. Ihre helle Straßen
toilette mochte mit allem, was dazu
gehörte, um alft tadellos Ganzes zu
wirken, einige Hunderte gekostet haben.
ES ging ihm durch den Sinn, daß
vielleicht «inmal Lebenslagen an sie
herantreten konnten, die sie zwangen,
diesen Luxus aufzugeben, den si« nun
schon als etwas Selbstverständliches
betrachtete. Wie würd« sie sich dann
zu ihrem Gatten stellen? Ein alter
Mann, der mitten im Reichthum saß,
sah sich ander» an als einer, der sei
nem jungen Weibe aus Sparsamkeits
gründen jeden Wunsch abschlagen
mußte. Und dann fragte er: Sie
kommen auch heute Nachmittag zur
Eröffnung der Ausstellung?
Natürlich. Ich habe mich schon
lange darauf gefreut, einmal wieder
hatte den Leuten nichts gethan,
schlug Ihnen vielleicht nur mit dem
Zurschaustellen Ihrer großen Elegan,
tn'i Gesicht, doch der Mann war i»
Augenblick wohl der bestgehaßr«
Mensch in der ganzen Gegend.
ich Ihnen ein Produkt daraus zu
Füßen leg«, bemerkte er. Sie wissen,
ich bli«b Ihnen noch einen Strauß
schuldig. Warten Sie, bitte, einen
Augenblick.
Siewert schnitt eiltg di« schönst«.
Blüthendolden von den blauen Hor
tensien und reichte sie ihr über den
Zaun.
Wie herrlich! rief Urta mit unge
künsteltem Entzücken. Ich sah diese
Farbe noch nie.
Sie ist auch eine Seltenheit, aber
wi« ich letzthin den Strauch in Blüthe
fand, dachte ich gleich, daß das etwas
für Sie sein müsse: bei Ihrem
Haar und Ihren Farben
Ja? dachten Sie dai wirtlich?
Beide blickt«» plötzlich zu Boden,
doch ali die junge Frau hastig dankte
und sich dann anschickt«, ihren Weg
fortzusetzen, begegneten sich ihre Au
gen. In den seinen laß ein merkwür
diges Flimmern und in den ihren
etwai Scheues.
Er kehrte mit heißem Geficht zum
Hause zurück und bleib allein, bi»
sein« Braut vorfuhr. Da» Braut
paar war zum ersten Mal« länger als
eine Woche getrennt gewesen, und die
Begrüßung hätte daher von seiner
Seite schon etwas zärtlicher ausfallen
dürfen, aber es schien, als sei er in
Gedanken nicht ganz bei der Sache.
Freilich küßte er Henny die Hand und
zog sie an sich, doch das geschah wohl
mehr freundlicher Gewohnheit zu
folge als aus lebhaftem Bedürfniß,
und wie sie feine Umarmung innig er
widerte und ihm die Lippen zum Kuß
bot, berührte er mit den seinen nur
ihre Stirn. Erst ihr erschrockenes,
fragendes Gesicht brachte es ihm zum
Bewußtsein, daß sie berechtigt sei,
mehr Wärme von ihm zu erwarten,
und er streichelte liebevoll ihr schöne»
schuldigend, halb beschämt: Mein lie
be», gute» Kind!
Annes frohe Laune bracht« dann
alles in's rechte Geleise. Sie brachen
auch gleich nach Tisch auf, nahmen
Onkel Ewald mit und fuhren zur
Bahn. Niemand gab acht darauf,
daß Henny ein wenig stiller blieb al»
sonst. Dieses Brautpaar ließ sich ja
nie in großer Zärtlichkeit gehen, wie
Anne und Biktor es thaten, die sich
seltener sahen, aber es Pflegte doch
beim Kommen und Gehen Küsse zu
wechseln, und daß dies nun heute
unterblieben war, schien Henny wie
ein Symptom, von dessen Ursache sit
sich nicht Rechenschaft abzulegen
Später im großen Menschenstrom
kam sie allerdings zu ihrem Recht,
denn Siewert hatte ihr den Arm ge
geben und machte sie eingehend auf
alles aufmerksam, was ihn selbst in
teresstrte. Da fühlte sie wieder, daß
seine und ihre Interessen Hand in
Hand gingen, und ihr Gesichtchen ge
wann Freudigkeit und Leben zurück.
Ei gab «in ungeheueri Gedräng«
im großen Ausstellungsgelände, und
ei gehörte schon die Riesengestalt dei
alten Endrulat dazu, um in der
Meng« aufzufallen. Vielleicht fiel
der Schmolinker auch nur auf, weil
die Menschen, die ihn kannten und die
fast sämmtlich mit ihren Interessen
am Holzhandel betheiligt waren, sich
bei seiner Annäherung zurückzogen.
Auch diejenigen, deren Interessen
er eigentlich gar nicht angetastet hatte,
mieden ihn, denn er hatte ihnen die
Macht dei Großkapitals gezeigt, sie
merken lassen, daß er die kleinen
Leute tn di« Tasch« stecken könne, wenn
«r wolle, und da wurden sie stutzig
und nahmen Partei für die Geschädig
ten. Am liebsten wären sie über ihn
hergtfallen, wi« ein Krähenfchwarm,
der mit scharfen Schnäbeln auf den
Uhu stößt; nur daß sie das nicht wag
ten, well viele von ihnen ihm gegen,
über unter pekuniären Verpflichtungen
standen. Er war nun einmal in Acht
und Bann gethan und sollte ei auch
merken. Wie durch eine Gasse schritt
er hindurch, grüßte nach rechts und
links und lächelte spöttisch, wenn sein«
Grüße nur sehr oberflächlich erwidert
wurden.
Er trug den weißblonden Kopf noch
höher als gewöhnlich und sah sogar
noch jünger und lebenskräftiger au»
als sonst. Offenbar machte eS ihm
Spaß, d«r össentlichen Meinung die
Stirn zu bieten. Aber di« junge
Frau an feinem Arm, die während
deS Sommer» und seit dem kecken
Schachzug ihr«» Mannes sich nicht in
größerer Gesellschaft gezeigt hatte,
empfand die Folgen ihrer lsolirten
Stellung. Zunächst bemächtigte sich
ihrer Staunen, dann Mißbehagen,
und schließlich richtete si« sich trotzig
auf und nestelte sich fester in den Arm
ihre? Gatten, nur zuweilen nervös an
d«r Unt-rlipp« nagend. Aeußerüch
ganz unbekümmert, gingen die beiden
ihres Wege» und kamen endlich auch
an den Rudifchkern vorüber.
(Fortsetzung folgt.)
Getroffen. Dichter: Ja, wel
ch« Kleinigkeit das Dichten! Ich
schüttl« die Bers« aus d«n Aermeln.
Kritiker: A«rmlich genug sind sie.
Erkannt. „Ich bin ganz
erschöpft. Eben walzte ich mit der
dicken Räthin." „ES ist umsonst,
lieber Freund; di« Tochtu ist seit
Sünden »ider das Haar.
Wir begehen viele Sünden gegn»
unseren Körper und mißhandeln die
einzelnen Organe, mit und ohn«
Wiss«n, oft sträflich. So auch unser
Haupthaar, das doch namentlich, bei
drn Frauen ein Gegenstand zärtlich
ster Sorge sein sollt«. Me aber wird
ihm von vielen mitgespielt! Schon
das feste Abbinden deS sog. Schöpfe»,
der ali Stützpunkt für die spätere
Frisur dient, ist ein arger Mißgriff.
Dadurch werden die in der Kopfhaut
eing«bett«ten Haarpapillen, auf denrn
die Haarwurzeln mit ihrem untersten
Theil, der Haarzwiebel, ruh«n, un
natürlich gezerrt und gereizt und da»
Wachsthum der Haare beeinträchtigt.
Die Haarpapille ist der Nährboden
des AarS, in d«m das Blut rastlo»
cirkulirt; von hier aus, also von der
Wurzel au» und nicht, wie man ge
meinhin annimmt, an der Spitze,
wächst da» Haar, und barumist ei
dringend erforderlich, den Mutterbo»
den des HaarS, eben jene Papillen,
bildungsfähig und lebenistark zu er
halten.
Dies geschieht in erster Linie durch
Kämmen und Bürsten. Doch bringen
Kämmen und Bürsten dem Haarbo
den leider in vielen Fällen mehr
Schaden als Nutzen, weil sie falsch
ausgeführt werdrn und die Haarpa»
Pillen somit übermäßig reizen. Wer
hätte nicht schon gesehen, wie nament
lich jung« Mädchen mit dem Kamme
auf ihr dichtes, langes Haar loswü
sten! Da setzen sie den Kamm oben
auf dem Scheitel an und ziehen ihn
mit aller Kraft durch di« ganze Läng«
deS Haars herunter, zerren ungedul
dig auf verworrene Haarpartien lo»
und werfen den Flausch Haare, den
sie dabei „ausgekämmt", wir sagen
mit Gewalt ausgerissen haben, achtlos
in den Ofen. Auch der kräftigst«
Haarboden kann eine solche Mißhand
lung aus die Dauer nicht aushalten,
ohne zu streiken. Um daS Haar nicht
nutzlos zu schädigen, muß man eS,
besonders wenn eS lang und stark ist,
stets an den Spitzen auizutämmen
beginnen und von da allmählich wei
ter nach oben rücken, wobei man, um
den Zug des Kammes abzuschwächen,
di« höher gelegenen Partien de» Haa
res mit der linken Hand festhalten
soll. Das ist sozusagen halb« Arb«it,
und sie wird noch erleichtert, wenn
man das Haar vor d«m Kämmen
sanft und strichweise gebürstet hat.
Trägt man das Haar in Zöpfen,
so flechte man diese nicht auf. son
dern kämme sie, gleichfalls an der
Spitze beginnend und den Zopf oben
festhaltend, damit auch nicht der ge
ringste Zug auf die Haarwurzeln
übertraoen wird, Strähn für Strähn
Manche Damen lieben es, recht
scharfe Bürsten und spitzgezähnte
Kämm« b«i ihrer Toilette zu benutzen.
Auch das ist eine Sünde wider den
Haarboden, ebenso wie das allzu
kräftig« Aufdrücken mit beiden Hand
werkszeug«», die der Kopfhaut nicht
selten so lange zusetzen, bis dies«
wund ist oder gar blutet, wie dai
rücksichtslose Kämmen gegen den
Strich und daS allzu feste Einsiechten
ziehen der Brennscheere die Haarpa
pill«n gelockert, bei vorsichtiger Hand
habung aber nur Form und Färb«
deS fertigen HaarS nachtheilig beein
flußt werden. Ein guter Frisirkamm
muß rund abgeschliffen« Zahne haben
und vollkommen glatt polirt sein, weil
etwa vorhandene rauhe Stellen an
Zinken oder Griff beim Kämmen ein
zelne Haare festhalten und beraui
reißen können. Auch die Borstrn der
Bürste dürfen nicht zu kurz und steif
und zu dicht abgebunden fein, wenn
sie nicht «ine zu starte mechanische
Reizung auf den Haarboden aus
üben und da» Haar ohne Zerren glät
ten sollen. Am besten wähl! man
Bürsten mit mittellangen, mäßig har
ten, ziemlich weitstehenden Borsten.
Kamm und Bürste sind natürlich
durch häufiges Waschen stets peinlich
sauber zu halten, da man das Haar
sonst „verschmiert". Durch das Wa
schen weich gewordene lassen
mittelst Wasser und Seif«. Wer fein
drei Wochen gründlich wäschl und
spült, wer Schuppen- und Feitabla
gerungen aus dem Haarboden duldet
und wohl -gar mit Oel und Salben
und Puder dagegen zu Felde zieht,
der ist schlechter Haarverwalter
Der Bettler eomme il
faut. Bankier (in dessen Kontor
ein total zerlumpter Bettkr er
zukoinmrn? Bettelnder Strolch^
wenn ich nicht in Bisitentoiktte