Scranton Wochenblatt. (Scranton, Pa.) 1865-1918, May 14, 1908, Image 7

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    Uehde.
«ioni-n von A. v. Kltnckiiwfi»«!»,
(3. Fortsetzung.)
Ja, und denken Sie, als ich dann
sah, daß es nur Lampen in einem
verglasten Raum waren, da war ich
furchtbar enttäuscht und sing an zu
weinen. So ist es wahrscheinlich mit
allen Dingen im Leben. Wenn man
sie hat, sind sie einem nichts mehr
werth. Und so wird es auch wohl in
d«r großen Welt sein, von der man
immer so viel Wesens macht.
Der lichte, warme Abend regt« of
fenbar ein gewisses Mittheilungsbe
dürsniß in ihr an. All das kam ihr
frisch und natürlich über die Lippen,
und es riß ihn unwillkürlich gleich
falls zu harmlosem Gedankenaus
tausch fort.
» Mit der Zeit lernt man dann, fein«
Sehnsucht in bescheidene Schranken
bannen, bemerkte er.
Ja? Haben Sie das schon gelernt?
Na ob!
Und was würden Si« denn wün
schen, wenn Ihnen ein Wunsch frei»
gegeben wäre?
Ein bischen aufathmen zu können.
Nicht immer nur von den Sorgen um
die Existenz ni«derg«drückt zu wer
den. Bescheiden«! kann man wohl
nicht sein. Nicht wahr?
Weiter nichts?
Tragen Sie einmal eine Last wie
ich, und ebenso aussichtslos, dann
werden Sie begreifen, daß man kei
nen heißeren Wunsch haben kann.
Man hängt doch an seiner Scholle;
sonst würde ich den ganzen Rummel
hinwerfen und fortgehen. Aber das
darf ich schon Meiner Schwester wegen
nicht. Für die muß ich weiterarbeiten.
Ist denn mit der Sägemühle nichts
zu machen? fragte th-Umhmend,
ein Vermögen.
Ja, wenn ich Geld hineinstecken
könnte.
Es siel ihm plötzlich «in, daß er
mit der Frau seines Widersachers
sprach. Ihr zutraulich kindisch-s We
sen hatte ihn das vergessen lassen. Er
verstummte nun. Sein Gesicht verfin
sterte sich.
Auch ihr kam di« Erkenntniß, daß
sie unbedacht heikeln Boden betreten
habe, und sie begann kleinlaut: Viel
leicht wollten Sie uns einen Vorwurf
machen, doch der trifft uns nicht. Ich
will indessen einmal mit meinem
Manne reden. Er hilft ja so gern,
wenn er nur weiß, daß seine Hüls«
auch angenommen wird.
Bitte, wir wollen diesen Punkt
nicht berühren! unterbrach er sie
schroff. Ich bin kein Bettler. Ueber
haupt, ich meine, daß wir zu der
G«sellschaft zurückkehren sollten.
Ihre Hand streckte sich ihm zögernd
entgegen: Jetzt ist das Eis einmal
gebrochen. Wenn wir einander wieder
begegnen, dürsten wir wenigstens die
Basis oberflächlicher Bekanntschaft
festhalten.
Er berührte flüchtig mit den Fin
gerspitzen die warme, rundliche Hand,
Werth funkelte, und der Anblick die
ses Gefunkels wühlte alle Bitterkeit
wieder in ihm auf: Gnädige Frau,
wir werden einander schwerlich wie
der begegnen. Wir Rudischker sind
ohnehin kein« Gcsellschaftsmenschen
und meiden vor allem die Orte, welche
von den Schmolinkern besucht wer
den.
Damit ging er rasch davon. Auch
ihr Gesicht war kalt geworden. Er
nahm Eindruck von paar
vorhin träumerisch gelächelt hatte.
Als die Jugend sich dann aber
mals zum Tanz im Saal zusammen
fand, vermied Siewert jede Begeg
nung der die de^
Er dies seiner Schwester
sie ihm um den Hals fiel, obwohl er
wußte, daß sich ein gutes Theil selbst
süchtiger Motive in ihren Jubel hin
einmischte.
Triumphire nicht zu früh! dämpft«
«r ihre Begeisterung. An die Hoch
zeit können wir sobald noch nicht den
ken. Bis der alte Wellhof sich ent
schließt, Hennys mütterliches Ver
mögen vollständig slott zu machen
und Tag vergehen, denn es steckt ja
zum größten Theil im Gut. Aber sie
ist längst mündig und kann ei ver
langen.
Zur selben Zeit fuhr Urta mit ih
rem Mann im eleganten Halbwagen
Michel. Der Rudischker ist wirklich
Die alte Geschichte. Mich nicht
Sie sah zu ihm empor und legte
sanft ihre Hand auf feinen Arm. Die
starke Persönlichkeit ihr«s Gatten im
fühlte sich so sicher geborgen an seiner
Seite, wurde von ihm gehegt und
verhätschelt. All«s Gute, alles Ange
nehm«, was ihr das Leben in den
Schooß schüttelte, kam von ihm.
» » »
Was ist das eigentlich? fragte On
kel Ewald, zu den H«ll«nstädtschen
Geschwistern ins Zimmer tretend. Un
ten am Wasser, auf d«m Lagerplatz
von Koller und Born, werdtn Ver
messungen vorgenommen.
Der Platz wird in andere Hände
übergegangen sein, nachdem die Zie
gelei «inging, meinte Anne, ohne sich
in ihrer Beschäftigung stören zu las
sen, denn sie schälte gerade Birnen.
Siewert beachtete die Frag« gar nicht.
Sich doch mal nach! drängt« der
alt- Herr seinen Neffen. Mir wird
das Gchen «in bisch«n sauer. Ich
hörte, der Baumeister Buttjereit sei
dort mit einem Ingenieur. Was kön
nen denn die wollen?
Siewert mochte seine Rechnungen
nicht im Stich lassen. Das geht uns
ja nichts an. Ohmchen.
Aber Onkel Ewald li«ß nicht locker,
w«nn «s galt, eine Neugier zu befrie
digen. Auf seinen gichtischen Beinen
humpelte er, so gut es ging, zum
Strom hinab und kam «rst nach zwei
Stunden zurück.
Wißt ihr das Neueste? begann er.
und sein Gesicht verkündet« nichts
Gutes. Der Schinolinker hat den
Platz gekauft.
Äewert fuhr auf. Bis dahin war
«s ihm immer ein angenehmer Ge
danke gewesen, daß das w«it« Moor
wi« -ine ArtSchutzwchr zwischen dem
Rudischker und d«m Schinolinker Be
sitz lag. Streckte Endrulat nun schon
die Polypenarme bis hierher aus, um
hart an seiner Grenze festen Fuß zu,
fassen?
Was will er damit?
Es thut mir leid, euch eine sehr un
angenehme Nachricht bringen zu müs
sen. Ich war s«lbst wi« vor d«n Kopf
geschlagen, als ich es erfuhr.
So rede doch, Onk«l! rief Anne
ungeduldig. Solche wehltidigen Vor
bereitungen sind schlimmer als die
Ding« s«lbst.
Endrulat läßt -ine Sagemuhle dort
errichten, di« im Frühjahr in Be
trieb treten soll.
Einige Augenblicke tiefen Schwei
gens folgten di«f«r Eröffnung.
So bestürzt waren die Geschwister,
daß «s ihnen schien, als schnüre ihnen
jemand die Kchle zusammen. Endlich
stand Siewert auf, trat ans Fenster
und lehnte die Stirn gegen die Schei
ben.
Dann gehen wir um die Eck«, sagte
er 'vor sich hin. Unsere Säge war das
«inzig«, was uns noch sich«rn Ver
dienst brachte, weil die Concurrenz
nicht näher an uns heran konnte und
die Nachbarschaft wenigstens den
Stamm unserer kleinen Kundschaft
bildet«.
Das ist doch «in- Gemeinheit!
flammte Anne auf. Das geht doch
nicht, uns so einfach todtzudrücken!
Himmelschreiend ist es!
Schrei zum Himmel, so viel du
willst, das Verhängniß wird uns
sich nichts dagegen thun?
Nichts. Das Großkapital v«r»
schlingt eben di« kleinen Leute. Und
ihm wird es obtndrein eine Freude
sein, g-rad- uns den Todesstoß ver
s«tzen zu können.
Wenn ich nur ein Mann wär«! rief
Ann« heftig. Ich würde ihm schon den
Boden heiß machen, würde unterm!-
niren und wühlen, bis «r zu Fall
samm«n. Er biß sich auf die Lipp-n:
An d«n kann man nicht heran. Der
ist gerissener als wir alle miteinander
So ganz unantastbar wäre er doch
nicht, meinte Onkel Ewald, und sein
runzliges Gesicht vrrzog sich in arg
listig« Fältchen. W«nn man es nur
Was?
D«n unerlaubten Grenzhandel zum
Beispi«l. Es heißt ja, daß er den
für seine Rechnung betreiben läßt.
Aber niemand wird ihn überfüh
ren.
Ja, wenn man von vornherein die
Flinte ins Korn wirft! sagt« Ann«
achselzuckend.
Ich haltt das überhaupt für leeres
Geträtsch. Der Grenzdienst wird so
kleinen Gewinns willen seine Stel
lung zu riskiren.
Henny kam zufällig gerade jetzt
herüber, um mit ihrem Verlobten ein
Stündchen zusammen zu sein, denn
er konnte sich nur selten von der
Wirthschaft frei machen. Man theilte
ihr die Unglücksnachricht mit, und
Sieivert fügte hinzu: Ich fürchte,
Liebst«, daß das uns«r« Heirath ins
Ungewisse hinein Unier
unausbleiblichen Zusammenbruch mit
hineinzuziehen. Ich werde mich nach
einem andern Beruf umthun müs
s«n.
zu aufgeregt, um vor d«r Hand Ent
schlüsse zu fassen, aber ich denk« doch,
Ich kann mich nicht von meiner
Frau ernähren lassen.
Davon ist keine Rev«, d«nn du s«tzt
dafür deine Arbeitskraft ein. Wir
wollen nur mit Ruhe überlegen, was
sich thun läßt. Vielleicht fällt uns
ein guter Ausweg ein. Trennen kann
uns das jedenfalls nicht.
Er drückte ihr stumm die Hand.
Si- hatten nicht di- Gewohnheit, sich
in großen Zärtlichkeiten zu ergehen,
wennschon man es dem Mädchen an
sah, daß es selig gewtsen wäre, wenn
er es einmal herzhaft in die Arm« ge
nommen und geküßt hätte, wie es bei
andern Brautleuten war. Aber er, der
unter diesem blassen nordischen Him
mel, inmitten d«r herben Sprödigkeit
einer Natur aufwuchs, di« nur spar
sam und zög«rnd gab, gehörte zu je
nen Zurückhaltenden, die jede Ge
fühlsbekundung scheuen. Und viel
leicht war sein Empfinden ihr gegen
über auch mehr guter und h«rzlich«r
als heißer Art.
Eines starken Gefühls jedoch war
er fähig. Er konnte hassen. Der stille,
zähe Haß bedurfte nicht d«r lachenden
Sonne, d«r reifte auch unter grauem
Himmel, nicht rasch ausbrechend wie
b«i den Menschen südlicher Zonen,
doch langsam und st«tig. Und als auf
dem Landungsplatz unten am Wasser
das mächtig« Gebälk emporstieg, das
die Größe des Endrulatschen zukünf
tigen Sägewerks «rkennen ließ, zehrt«
ihm der Groll am Herzen. Er wurde
noch wortkarger als sonst. Sein gan
zes Sinnen drängte sich zusammen in
d«m einen Gedanken, daß er End
rulat einmal an die Kehle springen
müsse, wi« «in Wolkshund dem halb
stanimesvttwandten Wolf. Dieser
Vergleich lag ihm näher als ein an
derer. denn im Winter verirrten sich
nicht selten Wölfe aus den russischen
Forsten hierher, und man hielt zu
ihrer Abwehr jene scharfen untersetz
ten Hunde, di« grimmig und verbis
sen der Fährte folgten.
Es war nun inzwischen Winter
gewordin. Nach mildem Herbst hatte
er urplötzlich str«ng eingesetzt. Unab
lässig wirbelten di« Flocken bei hefti
gem ' Nordwest, undurchdringliche
Wäll« in Hohlwegen und auf den
Deichen bildend. Ueber d«in w«iten
Moor lag ein feierliches Leichentuch,
und zwischen all d«m Weiß floß
schwarz der schweigsam« Strom, bis
trockener Frost kam und auch seiner
Meister wurde.
graublauer Decke, und d«r Verkehr,
d«r während d«r Uebergangszeit ge
stockt hatte, nahm neuen Aufschwung.
Statt der Flöße und Zillen, die im
ten, glitten leicht« Schlitten auf lan
gen, vorn stark emporg«krUmmt-n
Kufen mit Frachten und Menschen
dahin. Hier und da war die Span
nung im Eis zu groß, dann kam ein
dumpfer Knall, wie ein Schuß klang
es, und qutrüber bildeten sich schmale
Spalten, in denen das offene Wasser
gurgelte. Doch daran waren die klei
nen, schorfbeschlagenen litauischen
Pferde gewöhnt und nahmen mit
leichtem Sprung das Hinderniß, wo
bei ihnen die lange, w«it vorausgrei
fende Stangendeichsel «inen sichern
Halt gab.
Der Schlittensport war hier in der
Gegend lebhaft im Schwung. Lustig
bimmelten die Glöckchen über den ste
hend«» Strom, und warm «ingepack
le Menschen mit den landesüblichen,
Kopf und Hals vermummenden Kap
pen. di« nur für die Augen ein Visir
offen ließen, tauschten im Vorüber
sghren heitere Worte.
Leutnant Tennert war auf diesem
Wege schön am frühen Nachmittag
aus seiner Garnison nach Rudischken
Anne zu sehen, und Siewert fühlte
sich höchst überflüssig. Ohnehin schien
ihm die Liebelti zwischen den beiden
ziemlich aussichtlos, und er konnte den
Verkehr doch wiederum nicht verbie
ten, weil er das «inzige Sonnenlicht
in dem arbeitsreichen Leb«n seiner
Schwester war.
Onkel Ewalds Anwesenheit mochte
dem Anstand genügen. Siewert schütz
te ein Geschäft vor, spannte seinen
Schlitten «in und l«nkt« zum Strom
hinab. Es war ihm nach Luft und
Bewegung zu Muth. Er fuhr an die
sem Tage einen Vierjährigen eigener
Zucht, der schnellfüßig und sicher
ging, und hatte Freude an der flot
i«n Gangart des Schwarzbraun«»,
den die "R-montecommission wegen
sein«r Kleinheit im Sommer zurück
gewiesen hatt«. Vor ihm her ftog ein
"kn
Wettlauf auf. Ein förmliches Ren
>s!s. Eine Meile legten sie auf diese
beugt« sich vor, um d«m Lenktr ini
Gesicht zu sehen, wobei er ein wenig
di- Zügel anzog.
Letzteres that der and«re gleichfalls
und lachte. Am Lachen merkte Sie
wert erst, daß diese Gestalt >m Pelz
mit d«r litauisch«« Kappe die ein«r
Frau sei. Aus d«ni Visir blickten ihm
die großen bräunlichen Augen der
Endrulene entgegen. Ihm war's nun
höchst unlieb, so wie «in Toller Hinte,
ihr drein gejagt zu sein, aber si« rief
unb«fang«ii, noch ganz unter dem
Eindruck des fröhlichen Jagens: Ei
nen samostn Traber haben Sie da,
Ist d«r Braune zu haben?
Nein, ich verkaufe ihn nicht.
Nicht für achthundert Mark?
Er schüttelte den Kops.
Nicht für tausend?
Nein.
Zwölfhundert bot sie.
Siewert würd« nun doch schwan
kend. Das war ein schönes Geld. Und
er sagt«: Sind Sie denn auch befugt,
so mit den Hunderten um sich zu wer«
Sonst würde ich doch
nicht bieten. Aber ich möcht« ihn erst
mal selbst in der Hand haben. Er
geht wohl stark auf den Zügel? wie?
Probiren Si« es.
Dann lassen Sie uns die Schlitten
wechseln.
Sie geriethen beide in Eifer. Urta
ließ den Worten rasch die That fol
gen und saß nun im Rudischker
Schlitten, während Siewert im
Schinolinker Platz nahm. Dicht ne
beneinander fuhren sie, die junge
Frau mit achtsamem Blick Gangart
und Bau des Pferdes prüfend, der
jung« Mann kurze Rathschläge erthei
lend. Das hatte einen ganz freund
schaftlichen Anstrich, und über der
Freud« an ihr«r sichern Zügelführung
vergaß er in der That, daß etwas
Braun« gefällt mir mehr und
mehr! rief si«. Er ist prachtvoll in
der Hand. Wenn Sie also mit zwölf
hundert einverstanden sind, so gehört
" Dann ist's gut. Ich bin damit ein-
Es war so kalt, daß der Dampf,
der den heißen Gäulen «ntströmt«,
sich sofort iristallisirt«, Mähnen und
Nüstern allmählich mit weißem Reif
bedeckend. Da wendete Urta und sag
te: Die Pferd« müssen unbedingt.aus
ruhen, ehe wir die Heimfahrt antre
ten. Wir haben sie zu scharf herge-
Wir wollen in der Krugwirthschaft
dort einkthren, sie abreiben und eine
halbe Stunde unter Decken stehen las
sen.
Sie lenkten zum Ufer hinauf, ga
ben ihre Anordnungen und traten
dann in die Schenkstub«, die zu die
ser Stunde noch le«r war, obwohl es
schon zu dämmern begann. Der nied
rige Raum mit dem rauchgeschwärz
ten Quergebälk füllte sich erst später
nach Schluß d«r Arb«itsz«it auf d«n
Holzplätzen.
Ich denke, wir trinken Kaffee,
scharfe Luft ordentlich Appetit ge-
Sie bestellt«, nahm die Kappe ab
und ließ den Pelz von den Schultern
gleiten, denn der riesige Kachelofen
strömte wohlig« Gluth aus.
Siewerts Augen streiften sie mit
unwillkürlicher Bewunderung, Ihre
Wangen waren vom Wind frisch ge
röthet. Er meinte noch nie ein rei
zenderes Geschöpf gesehen zu haben.
Da sagte sie unbedachterweise im
Lauf des Gesprächs: Ich lasse also
das Thitr gegen sofortige Zahlung
von einem der Leute abholen, di« zu
ihn mit Grimm und Wuth erfüllte
Und «r that sich keinen Zwang an.
Sie sollte es erfahren, wie es in Ru
ein Mörder, der seine Opfer langsam
verbluten l!«ß.
Ruinirt sind wir! stieß er hervor.
Ihr Mann hätte uns ebensogut gleich
durchschneiden können, denn
aus der Welt schaff««. O der
Bitte, v?rg«b«n Sie mir.
Nein, gab sie zurück. Ich wußte
wirklich nicht, daß die Dinge so ste
h«n. Ich wollte, mein Mann hätte
'das nicht gethan. Er mußte ja wis
sen.
Und als Siewert still blieb und vor
sich hinstarrte, fuhr sie fort: Wenn
ich es mir frühtr »fahren hätte, daß
«stickt. Mein« Eltern standen auch
vor d«m Ruin, ehe ich heirathete.
Glauben Sie mir nur, Ich habe das
nicht vergessen, wenn ich auch jetzt
gedankenlos in den Tag hineinzule
ben schein«.
Er sah ihr beschämt in di« Augen.
Die sanft« Nöthe dieses temperament
vollen Geschöpfes, von dem er eine
hochfahrende Abfertigung jetzt nur
verdient hätte, entwaffnete ihn, und
einem raschen Impuls folgend, zog
er di« Hand der verachteten Endrulene
an feine Lippen. Wenn Sie wüßten,
wie ich es bereue, Ihnen all das ge
sagt zu haben. Ohrfeigen möchte ich
mich selbst.
Urta wurde ganz roth. Man küßt«
in ihren Kreisen den Damen nicht die
Hand, und sie schlug jetzt wirklich die
'"der" ehemalige Offizier und
Mann der wohlerzogenen Gesellschaft,
dem dies« Höflichkeit so geläufig war.
daß si« nichts mehr besagt«, dacht«
wiederum: Warum wird sie verlegen?
Und mit einmal schoß ihm ein häßli
cher Gedanke durch den Sinn. Dieses
junge schöne W«ib war das höchst«
Gut des alten Endrulat. Die ganze
Gegend wußte es, mit welch ungeheu
rem Stolz ihn dieser köstlichst« Besitz
erfüllte. W«r ihm den nahm, traf
ihn ins Herz.
Siewert rief sich gleich danach zur
Ordnung, aber der Gedanke war
doch dagewesen und umflatterte ihn
noch wie ein böses G-istchen, das
man gebannt zu haben meint, und
das doch die leisen Spuren seiner un
heilvollen Gegenwart zurückließ. Er
lehnte sich mit beiden Armen auf den
Tisch und bog sich näher zu ihr hin,
mit forschenden Augen die ihren su-
Endrulat war also für Sie
so ein« Art Erlöser aus drückender
Lage?
Ja.
Schade, daß «S kein Besserer sein
Bitte, kein Wort mehr gegen shn.
Er mag seine Fehler haben, und die
erklären sich leicht aus dem Leben,
das er geführt hat, ab«r im Grunde
ist er doch der beste, großmüthigste
Wenich.
Lieben Sie ihn d«nn? fragte «r
staunend, starken Zweifel im Ton.
Lieben? wiederholte sie nachdenk
lich und fuhr nach einer Weil« «hrlich
fort: Ich glaube nicht, daß dies das
richtige Wort ist. Er imponirt mir,
txnn'er hat seinen Weg mit eiserner
Enerke gemacht. Ich stell« ihn un«nd
lich hoch.
Er lächelte ungläubig.
Ja. Sie lachen, ab«r Ihre Heiter
keii ist ganz unangebracht. Wer seine
starke Individualität zur Geltung
bringt und d«n Erfolg zu sich heran
zwingt, den muß man bewundern
Demnach wäre ich nur Ihrer tief
sten Nichtachtung würdig, denn die
Erfolge sprechen nicht für mich. Glau
ben Sie indessen, nicht, daß es auch
etwas auf die Vornehmheit der Ge
sinnung ankommt? auf d«n itxalen
Inhalt eines Menschenlebens?
Ein derartiger Ausspruch war noch
n:e in ihren Gedankenkreis getreten.
In ihrer Welt galt der äußere Er-
Jch weiß nicht, was Sie damit
meinen. Was verstehen Sie unter
Vornehmheit der Gesinnung? Ich bin
ganz bereit, eine Privatlektion von
Ihnen entgegenzunehmen.
Sie sagte das lächelnd und ganz
leichthin, aber Siew«rt begriff doch,
daß «r soeben von ihr eine kleine Lek
tion erhalten hab«, und verstummte.
Es fiel ihm ein, was er kurz zuvor
noch gedacht hatte. Das war sicher
nicht vornehm gewtsen. Ihre Frage
brachte ihn geradezu außer Fassung,
und Urta fuhr fort: Mein Mann ist
Das ist Politik. Er will populär
ein Opfer zu, von dem er keinen Vor
theil hat! Das Volk braucht er, wenn
er sich bei irgendwelchen Wahlen tin-
Siew«rt empfand etwas wi« Be
dauern, als sie heftig ihre Kappe er
griff und d«r blond« Kopf unter der
dann, als sie zum Eis hinablenkte:
Ich darf nicht allzu oft mit dieser da
zusammentreffen.
daß du die unten in Rudischken
ruinirst? Ab«r als sie vor ihm stand,
sank ihr der Muth. Sie fürchtete sich
verkleinern, und sagte nur: Ich habt
ein Pferd gekauft, d. h, du mußt mir
das G«ld dazu geben, denn in meiner
Wieviel denn, in«in H«rzch«n?
Zwölfhundert Mark.
I, du bist wohl nicht bei Trost!
Zwölfhundert verlangt, ist ciuH
schließlich mit sechshundert zufrieden.
Ich mag nicht handeln. Es ist ei«
Staatsgaul und ich macht« das Ange
bot,
W«m?
Dem Rudischker, Du begreifst, daß
ich gerade da nichts abstreichen möch
te.
sich scharf aus ihr Gesicht.
Weil die Hellenstädts Arme sind,
len.
Wirklich, Michael? Du baust dock
Werk muß dabei bankerott werden.
Es konnt« den Anforderungen nichi
genügen, und mir paßt« die Lag«.
Wußtest du nicht, daß du sie damil
kann, wird beiseite geschoben und an
die Wand gedrückt. So ist es überal!
in d«r Welt, Di« Störmung der Zeil
hat einen Zug ins Groß«. Alliierten
bilden sich Ringt in der Industrie,
und ich gehe stark mit der Idee um,
auch hier alle Interessent«!, d«Z
Stromgebiets zu einem großen Gan
zen zu vereinigen, das die Vetheili
gungszissern normirt und die Holz
preise diktirt.
Wußtest du, daß du sie ruinirtesN
wiederholte sie beharrlich, ohne von
s«in«m wortr«ichen Projekt Notiz
nehmen, das nur den Zweck zu haben
schien, ,si« abzulenken.
Was siillt dir eigentlich ein, mich
in dieser Weise zu verhören? fuhr e,
auf. Bin ich dir Rech«nschaft schuldig?
Aber Urta ließ sich nicht einschüch
tern: Zum wenigsten habe ich als
d«ine Frau das Recht, auf «ine ehrli
che Frage eine ehrliche Antwort zu
v«rlang«n, wi« ich sie dir geben wür
de, wenn du der Frag« wärst.
Also ja denn! ja! ja! ich wußt«
es.
O, wie konnt«st du! Sie sind ohne
hin arm.
Das durfte für mich nicht in Be
tracht kommen, wo weitausgreifend«
Interessen im Spiel sind, bei denen
man di« ganz Schwachen und Unfä
higen ausmerzen muß. Außerdem will
denn, daß sie zu Kreuze kriechen,
Und das letztere ist wohl für dich
d«r Kernpunkt der ganzen Angelegen
heit.
Möglich, daß du recht hast, gab ei
lachend zv. ,
Urta setzte sich auf s«in«n Schooß
und l«hnt« ihre Wange an die fein«!
Du bist ja im Grund« großmüthig,
und hinterher wird es dich reuen.
Nun bin ich aber neugierig. waZ
du von mir haben willst, sch«rzte er
und streichelt« ihre Hand. Du machst
mir dein Compliment doch wohl mii
«in«m Hintergedanken.
Kaufe den Rudischkern ihr klein«?
Sägewerk ab, sage, daß du dich voi
der Concurrenz sichern wolltest.
sag«, was du willst, aber richte si«
nicht zugrunde.
Ich denke nicht daran. Laß mich
nur los, denn ich seh dir's an, daß
du «s mir abschmeicheln willst. Was
bildest du dir denn ein? Das würd«
ein kleines Vermögen kosten.
Gewiß nich' mehr, als du für mei
ne Brillanten bezahlt hast. Deinen
Millionen gegeniiber käme die klein«
Summe überhaupt nicht in Betracht,
M«in« Millionen werden allgemein
überschätzt, auch von dir, wie es
scheint. Wenn dir aber so viel daran
liegt, so darfst du d«ine Brillanten
verkaufen und den L«ut«n damit hel
fen. Ich habe nichts dag«g«n.
Er sah sie lauernd und spöttisch
von der Seite an, aber Urta erwi
derte rasch: Gut! das soll denn ge
schehen. Ich würd« mich schäm«n, den
ich wüßt«, daß in unserer unmittelba
ren Nahe Menschen sind, die durch
uns zugrunde gehen. Morgen früh
fahre ich nach Königsberg, zu d«m
Juwelier, von dem du die Steine ge
kauft hast. d 'd' "l
te des Werthe? zahlen.
natürlich nur gescherzt und würd«
dir solch ein« Thorheit direkt ver
bieten,
Befehl geben" den Wagen am kom«
bereit zu halten.
Endrulat war seiner junge« Frau
ohnegleichen. Obgleich er sehr fest auf
dem Geldbeutel zu sitzen pflegte, hätte
er auf ihr Geheiß willig das Gold
Warum interessirst du dich nur so für
diese Angelegenheit?
Weil ich möchte, daß du in den
(Fortsetzung folgt.)
Für die Küche.
Treffliche Bohnensuppe.
Man weicht die Bohnen ein Pfund
Pfund Bauchspeck mit 2>/» Quarts
Sellerieknolle daran, salzt die Brüh«
und schüttet, wenn sie kocht, bie Boh
nen hinein. Man kocht Sp«ck, Gemüs
es weich ist, heraus uifd seiht die
Brühe durch. In Heller, zerlassener
Butter schwitzt man zwei Löffel Mehl,
würflig geschnittenen Gemüse, den
Speck und «ine kleine Büchs« Brech
spargel in die Suppenterrine. Die
strichen und mit der Suppe nebst ei
nem Theelöffel Fleischextrakt verkocht,
die übrigen Bohnen läßt man ganz in
der Suppe heiß werden. Mit etwaK
Majoran oder Petersilie wird die
Suppe gewürzt über die Zuthaten ge
schüttet und für sich gekochte Salzkar
toffeln und einige in breite Scheiben
geschnittene Frankfurter Würstchen
dazu gegeben.
Grüne Bohnen (Fade). Die
Man läßt sie in viel Butter oder fei
nebst 1 schlichten Theelöffelvoll Back
dicken Milch gewonnen hat, setzt man
ihn in die Nähe des Ofens. Die all
mählich fließend werdend« Masse rührt
man Salz, Kümr, ,l und etwas recht
fetten sauern Rahm, setzt die Schüssel
auf den Ofen und kocht ven Käse auf.
Einfaches Borgericht aus
Kalbsbratenresten. Ein klei
ner Kalbsbratenrest, der zu einem grö
ge werden sehr fein gewiegt. Man
braucht sechs Eßlöffel gehackten Bra
ten, vermischt ihn mit der Herings
gcdämpften Zwiebel, sechs Eßlöffel ge-
Masse gefüllt und deren Oberfläche
mit etwas Buiter beträufelt. Man
backt die Speise zwanzig Minuten,
stürzt sie und bestreut si« beim An
richten mit gehackter Petersilie.
Pr ü n e l le n s a u c e (zu Klößen
oder Mehlspeisen). Pfd. in Wasser
geweichte Prünellen fetzt man mit >,4
Quart Wasser und einer Obertasse
Weißwtin, etwas Zucker, an dem
trone abgeritbtn hat, einem Stück
chen Zimmt und 3 feingestcßenen, ge
rösteten Zwiebäcken auf gelindes
Feuer, läßt sie IS —20 Minuten gut
oerkochen, rührt die Mc.sse durch ein
Sieb und schmeckt die Sauce auf
Zucker ab.
Dauphin« ist wohl eine der
feinsten M«hlsp«isen und bietet die
Annehmlichkeit, daß man sie schon
Tags zuvor backen kann. Man rührt
S Unzen Butter zu Schaum, fügt 3
Eidotter, S Unzen Zucker, Saft und
Salz und I>/» Pfuird Reismehl hin
zu, zieht den Schnee von sechs Eiweiß
durch die Masse und bäckt sie eine
Stunde bei gelinder Hitze, Man
irllrzt auf ein Sieb und läßt sie
schneidet man sie in dicke Scheiben,
bestreicht sie mit beliebiger Marme
lade, schiebt die Speise zusammen und
überzieht sie mit steifem, durch Va
nillezucker gewürzten giweißschaum
von 4 Eiweiß, dann überbäckt man
die Mehlspeise noch ?ebn Minuten,
bringt si« rasch zu Tisch und reicht
gezuckerte Beeren dazu.