Scranton Wochenblatt. (Scranton, Pa.) 1865-1918, January 09, 1908, Image 7

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    Zik olle s«i>i>ch.
«Oman von Ottomar Enking.
lis. Fortsetzung)
Das war also die verlangte Ank
vort, und sie war zenau so ausgesal->
len, wie Flora sic sich gedacht hatte,
als sie di« Klinke zu Friemanns Bu
reauthür in die Hand nahm. Aber
trotz ihrer bestimmten Erwartung,
daß Friemann das Wort von vorhin
fiihtte sich °Flora doch jetzt tief ver
letzt.
„Es ist traurig, Friemann, daß
fortan der Schatten unseres Kindes
zwischen uns steht. O", sie ließ sich
nicht unterbrechen, „er hätte sonst auch
Bwischen uns gestanden, aber seine
Händchen hätten die unfern ange
faßt. Nun steht er mit herabgesunke
nen Armen da und verbindet uns
nicht."
In Friemann stieg «ine Angst aus,
ihn bangte für sein Haus, wo alles
glatt gehen mußte, wenn er sich wohl
darin befinden sollte.
„Du kannst unmöglich so schwer ge
tränkt sein. Flora".
„Nicht?" fragte sie erstaunt.
„Unmöglich. Du mußtest meiner
Trauer etwas nachsehen."
„Biel, Friemann. Aber ich habe
auch meine Trauer, und die müßtest
du schonen und nicht nur daran den
ken, eine eigene Trauer zu zeigen.
Denn ich durchschaue dich, Friemann."
Sie lächelte bei all ihrem Kummer.
.Ich habe es immer an dir geliebt,
daß du ganz für dich sorgst, du hast
auch das Kind als ein Stück des ei
genen Ichs vergöttert. Nun wird dir
der Schmerz um den Verlust unbe
quem. und du gießt ihn in ein ande
res Gesäß um, du bist froh, daß er
da zum Unwillen gegen mich und dei
ne Schwester wird. Aber du bist
auch wahr und sagst schließlich, was
du meinst, und darum ist dein Vor
wurf noch mehr als nur ein Versuch,
die Trauer damit zu lindern. Er
kommt dir aus dem Gerzen. Wir
müssen nun sehen, daß wir einander
nicht fremd werden, bis zu der
Stunde, wo du dein Unrecht ein
siehst. Mich findest du immer, Frie-
Sie ging, ohne ihm die Hand ge
reicht zu haben. Er aber hielt sie
nicht zurück, sondern blieb allein und
kämpfte gegen das Wort Unrecht, wo
mit : ihn dahin bringen wollte, ihr
nachzugehen und freundliche Reden
»u geben, daß sogleich alles wieder
ins Gleis käme. Auch er war immer
zu finden, auch sie konnte ja kommen
und ihr Unrecht einsehen. Dann wür
de er dazu gestimmt werden, ihr Trost
zuzusprechen. Nein, er ging ihr
nicht nach, und auch in der folgenden
Zeit waren sie sehr höflich zueinan
der.
Was aber that Nelde, um sich zu
vertheidigen? Ach. sie nahm ruhig die
Schuld auf sich. Sie hätte gleich den
Arzt holen und zu Flora schicken
sollen, sie hätte besser Bescheid wissen
müssen mit Kindern. Ja, was hätte sie
nicht alles thun müssen! So schlich sie
scheu im HauS umher und war demü
auch gegen Flora, bis die junge Frau
eines Tags zu ihr sagte: „Du willst
also wirtlich kein Wort gegen Frie
mann sprechen?"
„Das nützt nichts, Flora", erwi
derte Nelde, „er beugt mich immer.
„Hast du denn kein Ehrgefühl, kei
nen Stolz? Du bist die Unschuldigst!
Don uns allen."
dem Haus gehen, aus deines Vaters
Haus."
„Ach. Flora, aus meines Bruders
Haus. Aber wohin sollte ich?"
Flora umarmte sie. „Nelde, quäle
dich nicht. Wer weiß, wessen Thrä
nen um Markus heftiger gewesen sind,
qätte an dem ersten Abend lieber da
hei!». bleiben füllen. Er meint, Mar-
kus wäre ohne meine Aufsicht erst
recht krank geworden."
Da streckt« der alte Premierleut
nant beide Hände vor sich hin und
sagte hastig: „Nicht wahr, liebeS
Kind, das ist ganz zwischen euch bei
den Eheleuten, wie?"
„Gewiß, Papa, vergib, du hast
recht, so etwas darf nicht aus den ei
genen vier Wänden heraus."
„Ach," meinte Frau Emilie, die
auf dem Sofa lag und ihre Ehaussure
bewunderte, „die Männer sprechen von
uns, daß wir Launen haben, aber ich
kenne nichts Launenhafteres als diese
Männer selbst. Nein, sie wollen nur
Frau gibt ihnen recht. Es sind Kinder,
„Emilie", fragil der Premierleut
nant, kannst du nicht ein wenig ga
lanter gegen mich sein, wo ich doch
„Ack> du bist ein lieber Mensch",
sagte Frau Emilie und zog das „ie"
so lang aus, wie sie es aus der Büh
ne gewohnt gewesen war. „Wenn
ich von den Männern spreche, dann
denke ich nicht an dich dabei. Von
dir habe ich nichts von alledem erfah
ren, was ich über die Männer sage.
An dich reicht keiner heran. Aber
Flora soll sich nicht grämen."
„Sie soll", fiel Durenhardt ihr
in die Rede, „vor allen Dingen, was
ihr Haus angeht, auch im Haus be
schlägen kam. Aber Flora hatte doch
das Bedürfniß, eine Seele ihr eigen
zu nennen, in die sie ihre Gedanken
ausschütten konnte, «ußek dem Haus
gab es keine solche Seele, und im
Haus selbst? Friemann saß in sei
nem Bureau und arbeitete, sie sahen
einander fast nur bei den Mahlzei
ten. Dann ging er freundlich um
mit Flora und war auch nicht un
freundlich gegen Nelde, aber die böse
Minute wurde nicht ausgemerzt, und
so blieb alle Freundlichkeit ober
flächlich.
nicht gehen, und da war denn nur
noch Nelde übrig, Nelde, die nicht
loskam aus dem Schuldbewußtsein.
Es gelang Flora leicht, das Mädchen,
das sich in der letzten Zeit von ihr
zurückgehalten hatte, wieder für sich
zu gewinnen. Es brach bei Nelde die
hohe Wesen, zu dem sie selbst fast
schmachtend aufgesehen hatte. Und
das kam vornehmlich daher, daß Flo
ra nicht mehr so nahe bei Friemann
Die beiden Freundinnen hingen an
einander, und Nelde brauchte keine
Eifersucht auf Friemann zu spüren.
Aber es kam so weit, daß Friemann
eifersüchtig auf Nelde wurde. Er
sah, wie die beiden zusammenstanden,
er fühlte manchmal in ganz kleinen
Dingen, wie sein Wille vor dem ei
nigen Willen der beiden Frauen wei
chen mußte, und er empfand diese
Freundschaft als Partei gegen sich.
„Habt ihr euch eigentlich verbündet
gegen mich?" fragte er Flora. „Ich
merke, daß ich nach manchen Dingen
„Guter Friemann", entgegnete Flo
ra, „nun siehst du bei uns etwas Bös
williges. Verbündet, o ja, wir sind
Verbündete, aber gegen dich gibt es
nichts in diesem Haus."
Vor solcher Rede mußte Friemann
still sein, aber die Eifersucht quälte
ihn dennoch, denn seine ganz geheime
Sehnsucht zog ihn wohl zu Flora, er
hätte sich schon jetzt bitterlich gern
mit ihr ausgesöhnt, er war sogar
manchmal Im Begriff, zu ihr zu ge
hen und ja, selbst so weit flogen
seine Gedanken schon ihr sein
Unrecht, nein, seinen Irrthum einzu
gestehen. Und als er immer davon
träumte, wie herrlich es sein müsse,
mit Flora wieder einig zu werden und
die trübe Vergangenheit zu vergessen,
da kam eines Tags Advokat Sommer
zu ihm.
„Ja," sagte dieser und dehnte sich
nach seiner müden Gewohnheit im
Sessel, „diese Cigarette, weißt du, ist
gut. aber ich habe zu Haus «ine mit
Opium, wunderbar. Ein Dampf zum
Verschlucken." Und außerdem meinte
er dann im Gespräch- „Mein hochver
ehrtes Fräulein Johannsen ist nun
an den Pforten des Klosters ange
langt. Da wird sie Buße thun für
fremde Sünden, denn sie selbst hat,
soviel ich weiß, nie welche begangen.
Nun stehe ich armer Junggeselle in
der Welt da und suche eine linde
meine Häuslichkeit bereiten könnten,
wie ich sie liebe. Aber di« Wahl unter
den Jungfrauen und Wittwen dieses
Koggenstedt, ist schwer. Tante Mila
hat sich mir angeboten, indeß ich be
nähmst doch am liebsten eine Bekann
te. nicht wahr?"
Sommer nickte.
Da stieg «S Friemann fast heiß auf,
und er fragte: „Ob sich da zum Bei
spiel nicht Neide nützlich machen könn
te? Meine beiden Damen hier streiten
sich »m die Häuslichkeit, das Reich ist
zu klein für zwei."
Advokat Sommer blickte auf Frie
mann mit einem Ausdruck, der fast
Schrecken bedeutete. „Nelde?" fragte
„Meinst du, daß Nelde zu mir gin
ge?"
„Wenn ich es ihr vorstelle", entgeg
nete Friemann, „sicher".
„Das wäre allerdings ein sehr
glücklicher Ausweg", sagte Advokat
Sommer. Er lehnte sich in den Ses
sel zurück, als >abe er etwas Ueber
raschendes gehört, das er erst richtig
in sich aufnehmen und dessen Folgen
er erst ordentlich ermessen mußte.
„Sehr glücklicher . . . Ausweg", wie
derholte er unwillkürlich und schaute
dabei vor sich hin, als könne er sich
von der Ueberraschung noch immer
nicht so leicht erholen. „Und du
meinst. . .?"
.Ja", antwortete Friemann noch
mals mit der Bestimmtheit, die er
in sich hatte, wenn er sich klar ge
worden war, wie er zu einem Bortheil
für sich gelangen tonnte. „Ja, ich
meine".
Die beiden Männer sprachen an
diesem Nachmittag noch lange mitein
ander, und ei war merkwürdig, daß
Advokat Sommers Stimm« immer
leiser und heiserer wurde. Auch Frie
mann dämpfte seinen Ton, und als
Advokat Sommer endlich ging, hatte
er ein heißes Gesicht. Friemann beglei
tete ihn bis vor die Thür u. sagte zum
Schluß: „Ich stelle deinen Plänen
nichts in den Weg."
„Aber ein Menschenopfer?" fragte
„Nun, man muß die Sache nicht
bei ihrem grausamsten Namen nen
nen."
Advokat Sommer machte eine Ver
beugung und schied hastig^
„Flora", sagte Friemann, als er
später zu feiner Frau kam, die vor
einem Kasten mit Photographien faß
und ein Bild nach dem andern her
ausnahm, um es zu betrachten und
mit dem leisen Seufzer, den die Erin
nerung uns abpreßt, zu den übrigen
zu legen. „Flora", aber er räusperte
sich, wie wir immer thun, wenn wir
etwas sagen wollen, das mit unserm
Gewissen nicht ganz übereinstimmt.
„Sommer war eben bei mir."
„Ich weiß", entgegnete Flora und
beschaut« einen Kopf mit wallenden
Haaren. Sie nickte, der war auch
schon todt, und ihr war noch, als sähe
sie fein Spiel.
„Ja, er war bei mir", hub Frie
mann wieder an und setzte sich. „Er
ist nun bald allein, und das wird ja
nicht leicht für ihn. Seine Haushäl
terin geht fort."
„Ja", warf Flora dazwischen. Sie
wurde aufmerksam, denn wenn Frie
mann ihr so gleichgültige Dinge
erzählte, so steckte immer etwas da
hinter. „Ins Heiligengeistkloster, nicht
wahr?"
„Ja, da hat sie sich eingekauft, das
heißt, Sommer bezahlt es."
Warum machte ihr kluger Mann
solche Umw«ge? Es mußte etwas
Wichtiges und nicht ganz Richtiges
sein, was er ihr mitzutheilen hatte.
Sie paßte auf, sagte aber nichts, son
dern zwang ihn durch ihr Stillschwei
gen weiter zu reden.
„ES ist nun", begann er von
neuem und sprach immer rascher, um
die Last loszuwerden, „für ihn nicht
leicht, eine neue Hausdame zu bekom
men. Er hat ja auch allerhand Ei
genarten. Von auswärts will er
nicht gern jemand haben, und hier in
Koggenstedt sieht er auch nirgends
eine passende Kraft. Das heißt, wenn
ich nirgends sage, so ist das nicht
ganz richtig, er hat vielmehr daran
gedacht, ob bei uns vielleicht je
mand entbehrt werden könnte. . .
Nelde. . ."
Friemann, der sonst so fein und
wie ein Rhetor die Worte setzte, kam
ins Stammeln und Stottern, und
Flora begriff nicht, warum es ihm so
sauer wurde, in der Art von Nelde
zu sprechen.
„Du meinst", fragt- Flora, damit
nur die Sache ruhig und klar bespro
chen werden konnte, „Nelde sollte zu
ihm übersiedeln und ihm die Wirth
schaft führen?"
„Ich meine?" entgegnete Friemann.
„Nein, ich wäre nicht daraus gekom
men, aber Sommer.. .
denken? Aber da er an sie denkt, so
wäre es dir sympathisch, wenn Nelde
seinen Gedanken folgte, nicht
wahr?"
„Offen gestanden, ja, Flora". Nun
hatte Friemann beinah kein böses
Gewissen mehr, er brauchte nicht mehr
zu sitzen.er räusperte sich nicht, sondern
sprach frei, und seine Augen blitzten
auf Flora hin. „Ich will dir sagen,
warum. Nach meiner Ansicht ist bei
unserm kleinen Haushalt für eine
Hausfrau zu thun, nicht aber für
zwei. Nelde hat hier alte Rechte, und
ich bin der Letzte, der sie darin be
schränken will. Aber auch du, Flora,
hast Recht«, und wenn sie jünger sind
als NildeS, so sind sie umso stär
ker. Du bist die eigentliche Herrin
im Haus. Du mußtest ab«r zusehen,
daß Nelde nach c!ter Gewohnheit wal
tet."
Hi«r unterbrach ihn Flora: „Es
hat mich nie gestört. Neide ist un
endlich taktvoll."
theil werden ließ.
.Es liegt mir auch fern", begann
er von neuem. „Nelde in irgendeiner
Weise zu bezichtigen, daß sie deine
Rechte mißachtet oder beeinträchtigt,
Thatsache ist aber, daß du von selbst
dazu nicht so ganz kommst, diesem
Haus dein Gepräge aufzudrücken, so
lange N«lde am Alten festhält, was ja
an und für sich im hohen Grad lo
benswerth und gut ist. Ich ehre und
achte, wie du weißt, alle Pietät, ich
habe aber Sehnsucht nach dir gehabt,
weil du einCharakter bist, der Eige
nes in sich birgt."
Flora verneigte sich. O, ihr Herr
Gemahl war galant wie seit langem
nicht. Was er wohl vorhatte?
„Und diese deine Eigenart sähe ich
nun gern in meinem Haus herrschen.
Ich leugne nicht, daß du schon vieles
in deinem Sinn umgestaltet hast zu
meiner großen Freude. Dein Ge
schmack ist für mich maßgebend."
Wieder neigte sich Flora. Der
.Und bei aller Pietät bin ich doch
von dem Gefühl durchdrungen, daß
wir Lebenden uns auch ausbreiten sol
len, wie es unserer Weile entspricht.
Darum muß ich die Pietät auch sozu
sagen räumlich beschränken."
Ja, dachte Flora, das verstehst du,
lieber Freund, und hinter den Räu
men schließest du zu.
„Ich habe meines Vaters Arbeits
stube im alten Zustand gelassen."
Das sagst du sehr oft, mein Freund,
dachte Flora. „Im übrigen aber
lebe ich hier." — Ja, du mein Freund!
Flora mußte lächeln, und er bemerkte
es und besann sich rasch. „Mit dir
natürlich. Du verstehst mich, nicht
wahr?" Dieser kleine rhetorische Feh
ler machte Ihn ärgerlich auf sich, und
so war er, als er weiter sprach, nicht
recht ist. . . ich denke. . ." Nun hatte
er sich wieder gefaßt. „Es ist that
sächlich so, daß in diesem Haus zwei
Gewalten leben, nicht etwa im Kampf
miteinander, sondern in vollem Frie
den, aber doch zwei Gewalten, die kei
ne rechte Harmonie aufkommen las
sen. Ich bin rücksichtslos genug,
meine Schwester weit hinter meine
Frau zu stellen. Du wirst vielleicht
über brüderliche Härte die mir
Klage ruhig auf mich und sage mir:
du kannst nicht darüber klagen, daß
ich als Gatte deine Rechte nicht in
vollstem Maß ehre."
Er hielt einen Augenblick inn«,
solch eine Pause war gut, so konnte
das Wort eher seine Wirkung thun,
und that es auch. Flora hörte aus,
über den Photographienlasten hin
wegzustreichen, sie wandte ihrem
Mann das Antlitz zu, die Blicke der
Gatten trafen einander, und eine
Zärtlichkeit leuchtete in ihnen.
„Ein anderes kommt hinzu", fing
Friemann schwungvoll wieder an.
„Und dieses andere Moment ist der
Umstand. . ." Ja, das war nicht
ganz geschickt, aber das lag daran,
daß Friemann jetzt auf ein Verhält
niß zu sprechen kam, das er nicht
leicht erörtern konnte, ohne sich vor
Flora zu beugen. Aber er war aus
Klugheit entschlossen, sich zu beugen,
und so floß bald seine Rede weiter:
„Du wirst nicht leugnen, daß seit dem
Tod unseres kleinen Jungen. .
Wieder stockte er hier, diesmal aber
war es nicht Verlegenheit, die ihn
h«mmte, sondern jener Druck, den wir
Thränen kommen wollen. „Seitdem
ist etwas zwischen uns getreten."
Da konnte Flora nicht mehr fchwei
gen.D , Sch id F e
Friemann beharrte bei seinem Ent
schluß. sich zu beugen, seine Sehn
sucht nach Flora war groß.
„Es ist möglich", sagte er, denn ein
konnt« er sich trotzdem nicht abringen.
„Bitte, laß das. Flqra, wir wollen
den alten Streit nicht erneuern, Mar-
Jst dir das recht?"
höre mich an. Du bist eine verhält
nißmäßig ruhig«, um nicht zu sagen
kalte Natur." Flora wandte das
lich. . ."
ab.
"n d«r Welt fübren »erden. Ich
zu versöhnen. Ich bin bereit, dir in
Zukunft, wenn ich bisher etwas ver
säumte, alles zu geben, was dir ge
bührt. Darum bitte ich dich, Som
mer Plan nicht zuwider zu sein, son
zu überreden, daß sie darauf eingeht.
Sie bleibt in der Stadt bei Ver
wandten, sie hat dich jeden Tag, so
daß du auch nichts entbehrst, sie be
kommt einen selbständigen Wirkungs
kreis in einem stillen Haus, sie lernt
etwas Neues kennen, woran es ihr
bis jetzt gefehlt hat. mir,
laß es mich offen sagen, den Weg frei,
der hoffentlich zu deinem innersten
Herzen führt. Du siehst, daß mein
ganzes Streben darauf hingeht, dein
Glück fest zu gründen, ohne Nelde im
geringsten zu schädigen. Darum bitte
Ich uni deine Hilfe."
Immer hatte Flora ihre Freude
daran, wenn sie ihren Mann zielbe
wußt eine Sache vertreten sah, wenn
sie merkte, wie er allen Widerstand in
sich und außer sich geschickt oder mit
Macht überwand, wenn sie fühlte, wie
klug er bei aller Ehrlichkeit die Mittel
anwandte, die ihm gegeben waren,
um die Gemüther nach seinem Willen
umzustimmen. Sie hatte eine köst
liche Freude daran, ihren Mann zu
beobachten, und je thatkräftiger er
seine Zwecke verfolgte, um so mehr be
wunderte sie Ihn. Wenn aber ein Weib
einen Mann bewundert, so gibt es
ihm gern nach, und zu dem Wohlge
fühl des Bezwungenseinö kommt auch
noch das Bewußtsein hinzu, daß der
Mann um eben des Weibes willen so
geschickt und tüchtig ist. So wird aus
der Bewunderung leicht ein liebendes
Gefühl, denn auch die edelste Frau
schmeichelt es, wenn ein Mann sich
durch Gestrüpp zu ihr hindurchwindet,
und di« beleidigte Frau wenn an
ders sie nicht zu den kleinen Seelen
zählt, denen eine Beleidigung ein
Pfund Ist, womit sie wuchern die
beleidigt« Frau vergibt gern, auch
schon, wenn der Mann nur andeutet,
daß er ihre Verzeihung sucht. Sie
mag den Mann nicht beschämt vor
sich haben, sie will achten, was sie
liebt.
Flora hatte es eilig, Friemann jeg
liche Beschämung zu ersparen. Jetzt
durfte sie nicht mehr stillschweigen,
jetzt hatte sie gesiegt, und nun galt es,
trotzdem sich ihm fein als Besiegte zu
zeigen.
„Auf meine Hilfe, wie du es
Stimme war verhalten, denn feine
Bitt« setzte sie in jene Verlegenheit,
die die zarte Seele stets fühlt, wenn
sie um eine Gunst angesprochen wird,
„ich möchte es gar nicht
Hilfe nennen, denn was du
daß,ich selbst die Erste sein will, die
mit Nelde von dem Plan redet." Sie
erhob sich. „Und was du sonst noch
gesagt hast, Friemann, das soll mir
durchs Herz gehen. Es war schmerz
lich, daß wir am Grab unseres Kin
des nicht ganz eins wurden."
Sie lehnte sich an ihn. Das war
seit langer Zeit das erstemal. Er
preßte sie heftig an sich, und als
sie stärker athmend geschlossenen Au
ges den Kopf zurücksinken ließ, da
küßte er leidenschaftlich ihre Lip
pen. . .
So war es wieder Nelde, die Gro
ßes zwischen Friemann und Flora
zustande brachte, obgleich sie für sich
selbst gar nichts wirken konnte. Als
Flora allein war, dachte sie nach,
sie nicht wußte, und sie zürnte ihrem
Mann nicht, weil er ihr etwas ver
schwiegen hatte.
hatte recht allein mit ihm zu le
ben, so still und bescheiden Nelde auch
war. Sie nahm ihr drückte
fühlt? sich ausgesöhnt mit ihrem
Mann. Das war Neides unwillkürli
ches Werk.
er gab beim Abschied Flora einen Kuß
und klopfte Nelde auf die Schulter.
So aufgeräumt hatten sie ihn lange
ihr Friemann hatte zutheil werden
lassen.
„Er ist bei guter Stimmung",
„Das wird wohl so bleiben, hof
fentlich", entgegenete Flora. „Wir
haben uns ausgesprochen, auch über
ihres Mannes und hielt ihr Verspre
chen. „Gestern ist Sommer hier gewe
mehr, den Flora zu gehen hatte, bis
sie Nelde sagen konnte: „Hättest du
nicht Lust, ihm di« Wirthschaft zu
führen?"
Nelde blieb darauf lange still, zu
letzt überflog ein bitterer Zug ihr Ge
sicht, und sie antwortete: „Ihr wollt
mich gern los sein."
„Hast du so trübe Erfahrungen im
tes denken mußt? Nein, Nelde, es ist
kannst."
„Ich vermisse hier nichts, du bist
gut gegen mich."
b S "h t "
stellen."
„Also doch los sein", sagte Neld«
und sah traurig vor sich hin.
Flora stützte das Kinn auf den
Ellbogen und sah sie forschend an.
„Ich wußte, daß deine Seele verletzt
sein würde, wenn ich dir den Vor
schlag machte, aber Nelde, ist es nicht
nothwendig für dich, daß du deine
Seele auch einmal kräftigst?"
„Wozu? Ich lebe so hin und werde
so sterben." Sie sagte die Wahrheit
über ihr ganzes Dasein in aller Ein
fachheit und Trübsal. Flora fühlte,
daß sie recht hatte, aber es galt doch,
sie aufzurütteln.
Leben hat sich mir noch nicht
aufgeschlossen", erwiderte Nelde. „Ein
mal nur. . . habe ich durch das
Schlüsselloch blicken dürfen, dahinter
muß es herrlich sein, so viel habe ich
wohl gesehen, aber ich bin an meine
eintönige Ebene gewöhnt, laß es herr
lich dahinter sein mir thut sich
Flora schalt sich, sie hatt« nicht zart
genug die Hände um Neld«s Herz ge
iegt, sie hatte ihr Schmerz bereitet.
Sie wollte das Gespräch abbrechen,
dann aber dachte sie an Friemann,
wie er nie von etwas abließ, bis er
den Preis gewonnen hatte. So über
wand sie die Hindernisse und fing von
Neuem an: „Ich habe Dir nie eine
Unwahrheit gesagt, Neld«, d«nn Un
wahrheiten sagen die Menschen nur,
wenn sie sich selbst oder die and«rn,
mit denen sie reden, nicht achten. Du
wirst jetzt nicht davon abgehen, daß
wir Dich los sein wollen, ab«r ich
schwör« Dir, Du gehst doch einen fal
schen Weg. Ich hab« Dir gerathen,
Dir einen andern Kreis zu suchen, als
Friemann schroff g«gen Dich auftrat.
Ich bin nun ausgesöhnt mit Frie
mann und weiß, daß er Dir so leicht
kein Unrecht mehr zufügen wird, schon
mir zuliebe. Du bist frei in Deinem
Entschluß, aber das bitt« ich Dich zu
verstehen: gerade wo Friemann jetzt
wieder in alter Herzlichkeit zu mir ge
kommen ist, möchte ich ihm eine rechte
Hausfrau sein und mehr für ihn ar
beiten als bisher. Ich möchte auch
seinem Wunsch willfahren und hier
bis jetzt aus Rücksicht auf Dich unter
ließ. Sei mir nicht böse, Nelde, wenn
ich in Zukunft öfter eingreife in das,
was Du als Dein Reich empfindest:
sei nicht bös«, wenn ich Deine Pietät
kränke, nicht böse, wenn ich" sie
senkte die Stimme „vielleicht fort
an häufiger bei Friemann bin als bei
Dir. Siehst Du, das hat es mit dem
nennst. Bin ich ehrlich?"
„O ja," sagte Nelde, „und ei ist
schon der rechte Ausdruck."
Flora erneuerte nicht den Streit
um das Wort. „Aber." sitzte sie ihre
Rede fort, „wir denken wahrhaftig
auch an Dich; Dir etwas Neues zu
geben, Dich zu nöthigen, daß Du
Dich in fremde Verhältnisse zurecht
findest, ist eine Aufgabe für uns,
Nelde. Solch ein Zwang wird Deine
Lebenskraft vermehren. Du wirst fri
scher davon. Dein Vaterhaus, in dem
Dir alles alt und bekannt ist, macht
Dich am Ende selbst vor der Zeit alt
und entsagend."
„Und Onkel Sommers Haus haltet
Ihr für das rechte?"
„Durch Sommers Frage an Frie
mann ist ja überhaupt erst die Idee
bei uns rege geworden, daß Du Dich
einmal anderswo umsehen könntest.
Ist Dir Sommer nicht angenehm,
was ich schließlich begreift, so wäre
es ein kleines für Dich, das dünne
Band wieder zu lösen, und Du kehr
test zu uns zurück, unsere Arme sind
offen."
Erst blickte Nelde zweifelnd aus
Flora, txmn aber schwand d«r Zwei
fel, als sie ihre Schwägerin so frei
von Unwahrheit vor sich stehen
sah, und sie antwortete: „Ja."
(Fortsetzung folgt.)
Fiir die Küche.
Pfeffer, Muskatnuß, drei Eßlöffel
Rahm, drej Eßlöffel Wasser und zwei
Französische Kartof-,
felsupp«. 1 Quart geschälte, in
Scheiben geschnittene Kartoffeln, eini-
Petersilien-Wurzeln werden mit ma
geren Schinken (Reste) und mit But
ter hellgelb geschwitzt, dies mit 2
Quart leichter Fleisch- oder Knochen
brühe aufgefüllt. Salz, Pfeffer, et-
Gefchabt°es Rinderfilet.
nig zur Sahne gerührte Butter sowie
die Hälfte des FleifchpeptonS unter
daS Fletsch, salzt es, formt daraus
ein Beefsteak und brät es 3 Minuten
ln Unze Butter. DaS-übrige Pep-
Milch, 3 —4 Löffel Mehl, sieben gan-
Salz verquirlt. AuS dieser Masse
mengerollt fervirt werden.
Englischer Kartoffel-
Pudding. abgeschälte,
Brei gerührt, mit Pfund geschmol
zener Butter, Pfund feinem Zucker,
einer Prise Salz, Pfund Korin
then, fünf zerquirlten Eiern und ei
nem Weinglas voll bestem Sherry
(im Nothfall einigen Löffeln gutem
panirt und in Butter schön goldgelb
gebraten. Dann richtet man die
Schnitzel auf einer runden Schiissel
Spiegelei und garnirt di« Schüssel
abwechselnd mit Mixpickles und Erou
tons von Sardellenbutter und Ka
viar.
Rinderbraten mit Pap
rika. Ein gut abgehangenes Stück
Rindfleisch von fünf bis sechs Pfund
wird geklopft, gesalzen, sehr dicht mit
feinen Sp«ckstreif«n gespickt, vorsich
tig mit wenig Paprika bestreut und
in eine Pfanne gelegt, in der man
Speckscheiben in Butter hat gelb w«r
den lassen. Dazu fügt man ein«
Schöpfkelle Fleischbrühe, verkocht diese
mit zwei Löffeln Essig, zwei Löffeln
Wein, einer zerschnittenen Zwiebel
und Zitronenschal« und gießt dies
durch ein Sieb. Wenn der Braten
aus der Psann« genommen ist, ver
kocht man den durch ein Sieb gerühr
ten Bratensaft, macht die Sauce mit
etwas in Wasser verquirlter Corn
stärke seimig, fchm«ckt ab, und gießt
die wohlschmeckende Sauce über den
tranchirten Braten.
Sandtort«. 1 Tasse Butter,
1 Tasse Zucker. 2 Tassen Mehl. 4
Eier, 2 Eßlöffel Brandy, die Schale
einer Citrone. Die Butter wird ge
schmolzen und von dem Salz getrennt.
Nachdem sie erkaltet, zu Sahne ge
rührt: nach und nach die Eigelb,
Zucker, Mehl abwechselnd, löffelweise
untergerührt. Hat man diese Masse,
immer nach einer Seite. bis 2
Stunden tüchtig gerührt, so thut man
den Brandy und zuletzt den sehr stei
fen Schnee der Eier darunter. Die
Form wird mit Butter ausgestrichen
und mit geriebener Semmel gut aus
gestreut. Die Torte bäckt bei guter
Unterhitze bis zwei Stunden.
Frische Rinderzunge mit
Zwiebelfauce. Die Zunge
wird ipit Wurzeln und Zwiebeln
langsam in Salzwasser weich gekocht.
Sie wird hierauf in kaltes Wasser
getaucht, die weiße Haut abgelöst und
wieder, bis zum Zerlegen, in heißem
Sud aufbewahrt. Zur Sauce we-r
den 3 Zwiebeln zerschnitten, in But
ter hellgelb geröstet und mit 3 Löffel
Mehl zu einer Mehlschwitze angerührt.
Sie wird mit 3—4 Löffel Weinessig
und 1 Glas Weißwein abgelöscht und
mit 3—4 Schöpflöffel Fleischbrühe
zu einer liimigen Sauce gekocht. Die
Zunge wird in Scheiben geschnitten
fervirt, dazu die Sauce.