Scranton Wochenblatt. (Scranton, Pa.) 1865-1918, October 10, 1907, Image 7

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    Zik M BMO.
Noman v«n Ottomar Enking.
<B. Fortsetzung.)
„Du hast Dich ja Klossal angestrengt
mit Deiner Rede," sagte Advokat
Eomm«r zu Achim, „ganz mytholo
gisch Ich ?abe diese Edda auch mal
in der Hand gehabt, aber ich bin nicht
draus klug^,geworden."
„Ja, weißt Du, Onkel," entgegnete
Achim eifrig, „die Religion der alten
Germanen zieht mich mächtig an. In
der letzten Zeit beschäftige ich mich auch
sehr mit dem Buddhismus. Es ist
unendlich schwer, sich eine religiöse
Weltanschauung zu bilden. Ich
fühle mich innerlich geradezu zerris
sen." Achim sprach das mit tief be
„Na, wenn Du nur äußerlich noch
„Ja, ja, Onkel, das sagst Du so."
Damit nahm Achim düsteren Ant
litzes das Glas Kognak vom Brett,
„Es thut mir furchtbar leid, daß
Friemann heute nicht hier ist. Ich
von Heidelberg ist ein weiter Weg,
md das Examen steht vor der Thür."
„O, Onkel Thorsten! Diese Exa
mina! Wir Philologen haben es da
mit noch schwerer als die Juristen."
„Ja, Dir sieht man es an," meinte
Markus Thorsten.
Aussehen geht^."
„Laß lieber den Likör, Mutter,"
>hr" °°"
ten schöne Opernmelodien auf dem
Klavier. Achim wollte das Lied vom
Bierlala anstimmen, aber seine Mutter
stecken.
„Ick Hess dat Land löst, und ick lann
„Es sollen aber bloß Villen hin,"
„Gott, Ellerbek, hier ist wahrhaftig
ttias kann doch zu Dir auf's Rath
„Ach wat, Rathhuus!" brummte
klias.
„So, nun ruh' Dich aus, mein
Kind," sagte Baurath Thorsten.
Nelde hob sich auf die Zehen, küßte
Bild ihrer Mutter. Unter Thränen
wurden Stühle gerückt. Tische umge
setzt, und die Teller klapperten. Das
Geräusch schmerzte Nelde, und sie blieb
wach, bis es still wurde. Nun umfing
es sie wohlig, ein sanfter Schimmer
drang durch den Vorhang, und im
Dämmerlicht sah sie auf dem Tisch den
großen Blumenstock, den Thomas ihr
Morgens gebracht hatt«. Sie schloß
die Augen, indeß der Schlaf wollte
erfaßte der Wunsch die
S» faltete sie die Hände über der
Lrust und betete. Rasch kam der
Schlummer, und Nelde Thorsten
träumte ihren zarten, jungfräulichen
Traum.
Als es Herbst wurde, kam Frie
mann, Herr Referendar Friemann
Thorsten, nach Hause. Er saß mit
Vater und Schwester in der Wohn
stube und trank Kaffee. Er sah um
das Kinn herum sehr struppig aus.
„In Süddeutschland ist wohl die
Barbierseife ausgegangen, wie?"
fragte der Baumeister.
„Ja, weißt du, lieber Papa," ant
wortete Friemann er nannte seinen
Bater immer Papa „das mußt du
gütigst entschuldigen, ich lasse mir
nämlich den Bart stehen, das gibt
mir hier von vornherein «in gewisses
Prä. Die Koggenstedter kennen mich
nur als Jungen, und es ist gefährlich,
wenn man sich ihnen nicht einmal ra
dikal veränd«rt zeigt, sonst bleibt man
das ganze Leben hindurch der junge
Thorsten, und dazu habe ich ktine
Lust. Laß ich mir den Bart stehen,
so bekommen si« einen ganz anderen
Eindruck von mir. Si« wissen, daß
ich mit der Jugend abgeschlossen
„Ach nee. Schon?"
„In gewissem Sinn« doch. Man ist
alter Herr, Beamter, Bizefeldwtb«!
und so weiter, da fühlt man sich vei
hältnißmäßig sehr reis, und deshalb
muß man der Volksseele imponiren."
Er kraulte sich in d«n dunkelsltisch
rothen Stoppeln, daß es knisterte.
Der Alte schmunzelte, er amüsirt«
sich über s«inen zielbewußten, früh in
reifes Alter gelandeten Sohn. Es war
nicht seine Art. wie Friemann sprach
und dachte, aber eine gewisse Achtung
konnte ihm der Baumeister nicht ver
sagen.
Nelde meinte, indem sie ihren Bru
der von der Seite ansah: „Du siehst
greulich aus, Friemann! Ich mag
dich so nicht leiden."
„Wart« nur, Schwesterlein. Wenn
ich erst ein schöner Mann mit 'm
schönen Bollbart bin, sollst du was
erleben, wie dich d«ine Freundinnen
um den Bruder beneiden. Ich glaub«
aber kaum, daß ich mich hier verhei
rathe. Das gibt zu große Familien
kisten, und dafür bin ich im Grunde
nicht. Di« kosten Zeit, Geld und Ge
müth. Mit diesen drei Dingen muß
man heutzutage sparsam umgehen."
Lachend schlug Baumeister Thorsten
„Du scheinst dir ja das Leben un
gemein praktisch einrichten zu wollen."
„Ja, lieber Papa, was hat es
denn sonst für einen Zweck?" Frie
mann lehnte sich in das Sopha zurück
und blies kunstvolle Ringe aus Cigar
rendampf. Der Alte sah ihn mit sei
nen hellen Augen an.
„Ja, na ja," meinte er schließlich.
„Jeder muß wissen, wie er am besten
durchkommt. Ich würde dir sonst ra
then, mit dem Gemüth nicht allzu
sparsam umzugehen, so sehr ich es lo
be, daß du mit Zeit und Geld sorg
sam wirthschaften willst. Die Aus
gaben, die man mit dem Gemüth
macht, tragen reiche Zinsen."
Friemann zuckte die Achseln.
„Aber," sagte der Alte w«it«r, „es
gibt auch Menschen, die mit dem Ge
müth sparen müssen, weil sie eben
nicht viel davon haben." Er wurde
ernst. „Und ich will dir nicht wün
schen, lieber Friemann, daß du zu
diesen gehörst, denn das sind im
Grunde recht arme Menschen."
„Bewahre, lieber Papa, aber ich
habe mir fest vorgenommen, mich in
jeder Beziehung scharf an der Kan
dare zu halten, sonst bringt man es
zu nichts." Friemann stand auf. „Ach,
Nelde, du könntest mir beim Auspa
cken helfen, wie? Oder eigentlich, du
könntest erst mal das Zeug aus dem
Koffer nehmen, hier ist der Schlüssel.
Das andere können wir heute Abend
besorgen. Ich muß noch aus."
Nelde gehorchte und hängte das
gute Zeug in den Schrank. Herr Re
ferendar Friemann Thorsten aber
ging zum Stammtisch in der golde
nen Traube, wo sich die Offiziere des
Koggenstedter Jnfanteriebataillons,
He Herren vom Amtsgericht, die
Aerzte und die übrigen Honoratioren
einfanden. Friemann war sehr höflich
gegen den Herrn Amtsrichter und ließ
die Witze wegen seines Stoppelfeldes
ruhig über sich ergehen. Er hatte die
Genugthuung, daß man von ihm
sprach, und erzahlte lustige Verbin
dungs- und Examensgeschichten.
D«n nächsten Morgen sagte er zu
Nelde: „Ach, Nelde, weißt du, du
könntest zu Ellerbeks und Onkel
Elias hingehen und um Entschuldi
gung bitten, daß ich diese Woche noch
keine Antrittsvisite mache. Ich muh
erst ein bischen menschlicher ausse-
D . W si s s V tS
war ihm in dies«n Tagen die Haupt
sache. Er stand oft vor dem Spiegel
und b«fah die Haare, ob sie in der
letzten Nacht zugenommen hätten.
Dann richtete er sich sein Zimmer ein.
Die Schläger mit den farbig aus
geschlagenen Körben hingen kreuzweis
über dem Sopha. In di« Mitte ka
men das Cerevis und das Band und
zu beiden Seiten di« Mützen, deren
eine viele Landesvaterstiche aufwies.
in dessen Porzellandeckel d«r Vur
schenschastscirkel und die Inschrift:
». l. Thorsten,
—74" angebracht war. Eine
schwierige Kunst war es für Frie
mann, die Büch«r richtig hinzubrei
ten. Er schlug die Pandekten und
andere Werke an einer beliebigen
Seite auf und legte sie hin, aber er
mußte lange hrobiren, ehe er die rich
tige Stelle dafür Landen hatte, so
daß sie gut wirkten. ES mußte näm
lich aussehen, als sei darin
aus der Hand gelegt. Ja, sie mußten
schräg übereinanderliegen, und es
dauerte lange, bis er mit seiner An
ordnung zufrieden war. Dann nahm
er vom Bücherbort einen Band
Shakespeare und warf ihn zu den
juristischen Bänden er hatte eben
auch noch andere Interessen als nur
die Liebe fürs Fach. Auch ein Bänd
chen Kant erhielt f«in«n Platz aus dem
Arbeitstisch. O ja. er hielt was auf
allgemeine Bildung. Ueber das Bett
kam der Vizefeldwebeldegen, und da
zu hängte er Bilder von Verbin
die rechk viele Schmisse im Gesicht
hatten, und auf denen unten große
Cirkel gezeichnet waren. So richtete
sich Friemann seine Bude gemüthlich
ein für die Zeit, da er sich dah«im
von d«r Anstrengung des Lernen! er-
Neld« half ihm g«treulich. Sie
diente Hm und horchte auf alle die
Gefchichnn, die er ihr von seiner Stu
dentenzeit vortrug. Da sah sie unter
den Büchern ein Mädchenbildniß her
vorragen, das zog sie heraus. Ein lie
bes, lustiges, unschuldiges Gesichtchen
blickte sie an.
„Wer ist das, Friemann?"
„Ach das!" sagte er und wollte ihr
das Bild aus der Hand nehmen,
aber sie wandte es um. Aus der Rück
seite stand mit feiner Schrift ein Ge
dicht, das begann: „So lange noch
die Sterne ihre Bahn Am stillen
Firmamente . . und unten war zu
lesen: „In ewiger Liebe. D«in« Ma
thilda" Nun hatte ihr Friemann das
Porträt weggenommen.
„Wer ist daS, Friemann?" fragte
Nelde nochmals in mädchenhafter
Neugier. „Deine Braut?"
„Nee, mein Engel!" Friemann
„Aber nxnn si« dir ihr Bild
schenkt?"
„Bild ist kein Berlobungsring,
liebes Schw«sterlein."
„In ewiger Liebe?"
Friemann lachte wieder: „Ja, die
Ewigkeit, die muß jetzt ein rasches
Ende haben."
„Wie das, Friemann?"
„Siehst du, liebe Schwester, von
dieser Sache verstehst du nichts, und
ich wünsche auch gar nicht, daß meine
Schwester etwas davon weiß. Das ist
nichts für ein junges Mädchen aus
gutem Hause.
Er warf-das Bild in «ine Schub
lade. Nelde konnt« nicht weiter fra
gen, aber es dämmerte ein Mitleid in
ihr auf für das lustig«, liebe Mäd
chen, das ihrem Bruder ewig« Liebe
geschworen hatte, und sie stellte sich
vor, wie vergrämt das Mädchen nun
in der Ferne saß. Zugleich jedoch
beugte sie sich innerlich vor ihrem
Bruder, er kam ihr sehr stark vor,
und sie schaute ihn mit anderen Augen
an. Er war ein Mann, und etwas
Geheimnißvolles wob sich um ihn.
Und sie hatte Angst sür sich selbst, ob
einer verließ, dem sie ewige Liebe ge
schworen hatte. Nein sie wollt« kei
nem ewig« Liebe schwören und nie-
Endlich war Friemann courfähig,
wie er sagte, so daß er sich auch an
derswo als in der goldenen Traube
zeigen und die Besuche bei der Fa
milie machen konnte. Er zog sich einen
s»inen schwarzen Rock zu den grauen
Hosen an, setzte seinen mächtigen Cy
nen Handschuh über die link« Hand.
So ging er zuerst zu Ellerbeks
und gab im Hausflur zwei Karten
großen, blauen Blumen und vielen
goldenen Tupfen. Auf den Möbeln
lagen überall kunstreiche Antimakas
sardecken. Friemann mußte lange
warten und besah sich die O«ldruck«
an d«n Wänden und die Goldfische
in dem Bassin. Di« schnappten nach
durcheinander.
Da rauschte Frau Bürgermeisterin
Ellerbek, herein in schwarz und mit
„Ach, entschuldige, mein lieber
Friemann, ich war gar nicht ange
zogen, wir haben so viel reinmachen
müssen, und mein Mädchen taugt
nichts. Man muß alle Arbeit selbst
thun." Nun besann sie sich, daß sie
doch ein wenig verstimmt gegen ihren
Neffen war. „Wir haben schon ge
glaubt, du kämst gar nicht."
„Ja, verehrte Tante, ich hatte
nur . . ." Friemann strich sich über
den Bart. „Ich bin auch sonst noch
nirgends gewesen."
„Na, das versteht sich von selbst",
antwortete Tante Lite.
Studien an den Kirchengrabsteinen
lrieb."
Der Gruß that der Frau Bürger«
Neisterin wohl, ihre Verstimmung
»erschwand. „Ellerbek ist auf dem'
Kathaus, du glaubst nicht, was er
>u thun hat, wo die Stadt immer so
weiter wächst. Aber wasda hinein
!ommt, diese Fremden, mit denen hat
man nur seine Scherereien, und Eller
bek müßte noch viel strenger sein."
Zum drittenmal« machte Friemann
nne B«rbeugung. Sie unterhielten
nahen Blutsverwandten. Dann lies
sie zur Thür und rief: „Ahchim!" Sie
wandte sich ins Zimmer zurück: „Ja,
du bist ja nun so weit, aber was un
vas glaubst du gar nicht, und das ist
alles so furchtbar schwer." Wieder
war sie an der Thür: „Ahchim, Frie
mann ist hier."
„Ach den Augenblick!"
Achim erschien in seiner Haus
joppe.
„Ja, du hättest dir doch einen Rock
anziehen können", sagte seine Mutter.
Achim wurde noch röther, als er
schon war. Friemann aber wußte
das Gespräch gewandt auf andere
Dinge zu leiten. Er war sehr lie
benswürdig gegen Tante Lite, so daß
als er sich verabschiedete.
„Ich geh noch'n Ende mit, Mut
ler", meint« Achim.
„Ja, aber nicht lange und binde
dir das Halstuch um."
Halstuch um."
„Ja, der macht auch Besuche.
Bind es um."
Die beiden jungen Leute gingen
Halstuch unter den Rockkragen, denn
er geniert« sich vor seinem Better
Friemann. Er hatte Mühe, mit sei
nen kurzen Beinen neben Friemann
Schritt z>r halten. Friemann frag
te: „Was hast du denn für Aussich
ten?"
„Ja." sagte Achim und legte den
Kopf zur Seite, „ich werde wohl hier
am Gymnasium ankommen. Mutter
„Und du?"
„O, ich laß mich später als Rechts
anwalt nieder, hier ist noch was zu
kommen."
„Ja,"seuszte Achim, „du bist eine
ander« Natur als ich. Mir fehlt das
Selbstbewußtsein. Ich habe so viel
in mir, aber «s ist alles nicht klar."
Er bewegt« beim Sprechen seine flei
schigen Hände »ifrig in der Luft.
schritt. „Mein größtes Unglück ist
es, daß ich links bin."
Friemann sah ihn verwundert an:
„Warum kommodirt dich daS denn?"
„Ja, weißt du, die ganze Welt ist
für mich umgekehrt, ich muß mir
em w^^wuernd^ws
Hier ging Friemann sehr bald wie
der fort. Auf der Straße zupfte er
seinen Rock zurecht und besah sich von
Visitenkarte, die er vorher genau an
geschaut hatte, ob sie auch ganz sauber
ragte aus. Schwüler Parsümgeruch
sich müde in den Polsterstuhl. Frie-
Scharf sann «r nach, was «r erzählen
sollte, und dann fiel ihm eine Verbin
dungsgeschichte «in.
er, „hatten die jungen Leute riesigen
Krach. Sie wollten den Klöß, den
Sohn vom wirklichen Geheimen
der war in Couleur losgegangen und
hatte da eine ganz tolle, betrunkene
Kiste angestellt, den wollten si« . . ."
„Lieber Friemann," unterbrach ihn
Advokat Sommer, „thu mir d«n ein
zigst«n G«fall«n über diese Affären
bin ich wirklich hinaus. Ob so ein
junger Mann bei seinen Herzensange
legenheiten eine bunt« Mütze aufhat
oder nicht ..."
kann mir d«nk«n, Pardon."
Wieder würd« «s «in«n Augenblick
still, bis Advokat Sommer sagte:
„Deine Schwester hat sich herausge
macht, sie ist wenigstens sehr groß ge
worden. Das muß dir aufgefallen
sein."
„Ja," antwortete Friemann mit
einem gewissen Stolz, „sie entwickelt
sich."
„Hast du denn den andern Herr
schaften schon Dein« Ehrfurcht be
ziigt? Verdirb es um Gottes willen
nicht mit Tante Lite, die kann dir
Deine ganze Karriere schmeißen."
Friemann versichert«, daß «r nichts
versäumt hab«, und si« redeten aller
hand von seiner Zukunft. Sommer
meinte: „Auf mich kannst Du dich
verlassen. Ich habe es längst satt,
mich mit den Angelegenheiten meiner
Koggenstedter Mitbürger zu befassen.
Ich trete sie Dir lieber ab."
Das war es, was Friemann hören
wollte. Er bewundert« nun di«
Bronzen und macht« seine Bemerkun
gen über die Bilder, und Advokat
Sommer gab ihm in seiner nachlässi
gen Weise die Erklärungen dazu.
Auch dieser Besuch war abgemacht,
da lenkte Friemann die Schritte zu
Tante Mila. Sie hauste okxn in
einem alten Giebel und öffnete ihm
selbst die Thür.
„Laß die Karte stecken, mein Jun
ge," sagte sie, „wir ja,
daß Du mich stark im Negligö an
triffst." Dabei zog sie di« roth«
Nachtjacke enger um die Brust zusam
men. „Aber eine einsam« Jungsrau
braucht sich für niemannd zu
schmücken."
Si« traten ins Zimmer. Bunt
durcheinander lagen da alle Sachen,
die Tante Mila im Laufe des Tages
zu benutzen Pflegte, und es roch ge
waltig nach Zigarren.
„Ach," rief Friemannn, und er ge
brauchte das Lieblingswort seiner
Tante, „bei Dir sieht es ja noch im
mer so romantisch aus wie srüher."
Tante Mila lächelte: „Zw bist ein
kleiner Schmeichler, lieber Neffi.
Das warst Du schon immer, beson
ders wennn Du die braunen Kuch«n
bei mir holen wolltest, weißt Du
noch? Sie haben wohl jetzt k«in«n
R«iz m«hi sür Dich, wie? Sonst
könnnte ich Dich bedienen."
Friemann winkte lebhaft ab, aber
da» Glas Bier, das ihm Tante Mila
bot, nahm er mit Dank, und sie
trank auch eins.
Mas macht dein Bater?" fragte
Tannte Mila. „Ist er mit Dir zu
frieden?"
aber das scheint mir selbstverständ
„Stolz lieb ich den Spamer. Ja,
mein Junge, Du hast Taltnte. Aber
willst Du wirklich später hi«r in
Koggenstedt bleiben?"
„Warum nicht? Ich lann hier leicht
mein« viertausend Thaler verdienen,
habe das schöne Haus, und Vater Ist
bekannt. Ich find« es praktisch, wenn
ich mich hier niederlasse. Die Kon
turrenz läßt sich noch halten, und
wenn man sich amüsiren will, kann
Friemann entwickelte seine prakti
schen Lebensanschauungen, und Tante
Mila stimmte ihm in allem zu. Sie
that das mit ihrem spöttischen Gesicht,
von dem man nie recht wußte, ob sie
jemand ernst nahm oder sich lustig
über ihn machte. Friemann ging auf
ihren Ton ei», aber er war doch froh,
als er sich wieder draußen befand.
Die Atmosphäre bei Tante Mila war
er pwtzUch, bog in die Linden
straß« und trat in ein einzeln stehen,
des Haus ein. Eine kleine Frau
lam ihm entgegen.
„Ach,"rief sie, „ist dai aber lieb von
wir ja garnicht verlangen."
„O. Tante Möller!" wehrt« Frie
mann sb, ließ sich den Cylinder ab-
G«sicht. „Di« sind wohl sehr an
spruchsvoll?"
„Ach, daS kann man eigentlich nicht
Meisterlohn."
„Ja, das schon", sagte Friemann
„Meiner Ansicht nach sollte Bater das
HauS aber doch verkaufen. Es lostet
uns verhältnißmäßig viel."
„Da kämen wir gewiß höher in der
Miethe, und Du kannst denken, die
Lehrer sind hier nicht gut gestellt.
gelegen waren.
„Wir halten alles, so gut wir nur
können", sagte Frau Möller.
Mien« Hausbesitzers, der es sich
zum Dienst anrechnet, daß er jemand
bei sich wohnen läßt.
Noch ein paar Visiten machte Herr
Referendar Friemann Thorsten, und
als er nach Haus kam, lag auf sei
ner Stube ein Paket für ihn.
„Das ist eben angekommen", berich
tet« Nelde, „aus Heidelberg."
„Endlich!" meinte Friemann kurz.
„Ist es von der . . .?"
„Ja, mein Kind, wie Du siehst."
Er hielt den Postabschnitt hin.
„Das sind meine Brief« und sonsti
g«n Sachtn. So muß man alles
wieder haben."
„Du hast ganz mit ihr gebrochen?"
Friemann nickte.
„Aber wie nimmt si« «s denn auf?"
„Das wird sie wohl bri«flich mit
theilen. Aber ich denke, sie wird
vernünftig fein. Was nicht geht,
geht nicht."
„Weiß Bater etwas davon?"
„Nein, was sollte das meinen al
ten Herrn interesstren?"
Nelde war es unbegreiflich, wie ihr
Bruder Geheimnisse vor dem Bater
haben konnte.
„Geheimnisse find das nicht, lieb«
Nelde," erklärte ihr Friemann, „aber
ich bin selbstständig genug, um mir
das Leben so einzurichten, wie es mir
gut erscheint, und ich werde deshalb
meinen Bater nicht mit solchen
Sachen belästigen. Dos muß man
alles allein abmachen."
Wieder hatte Nelde ties«s Mitleid
mit dem Mädchen, das ihrem Bruder
die Briefe und das andere zurück
schickte, w«il er nicht» mehr von ihr
wissen wollte. Wieder empfand sie
schwer das Unrecht, das ihr Bruder
that, aber wieder beugte sie sich vor
ihm und war ihm dienstwilliger
denn zuvor.
» » »
Ja, Herr Ref«r«ndar Friemann
Thorsten war ein ganzer Held. Frau
Bürgermeister Ellerbek stellte ihn
ihrem Sohn Achim, als leuchtendes
Beispiel hin.
„Friemann trägt di« Manschetten
viel weiter als Du, Achim", hieß es.
„Friemann geht jeden Tag zwei Stun
den spazieren. Friemann liest nie
im Bett. Friemann raucht
so und das Messer so. Ja, Frie
mann, Friemann. .."
Achim hatte viel unter seinem inus
terhasten Vetter zu leiden, aber er
trug es geduldig.
„Siehst Du, Mutter." sagte Achim,
„Du hast recht, aber Vorwürfe kannst
Du mir nicht machen. Wir Menschen
sind verschieden im Gehirn. Ich neh
me mir so viel vor, ach, was nehme
ich mir alles vor, aber ich bring« es
dann doch nicht zu End«. Ich bin
zu w«ich, und dafür kann ich nichts."
Nun bedauerte Frau Bürgermeister
Ellerbek gleich ihren Sohn und er
mahnte ihn, er solle nur ja und ja
nicht zu spät arbeiten. Mit dem
Arbeiten war es freilich nicht weit
her, denn wenn Achim Ellerbek Erd
öl verbraucht«, so that er das nur,
um heimlich Gedichte zu machen, die
er hinter d«m großen Schrank v«r
barg, weil Mutter ihm doch keine ab
geschlossenen Schubladen gestattete.
Er trug sein Geschick bekümmert,
aber mit d«m Bewußtsein, daß er da
zu erkoren wäre, ein Gedrückter zu
bl«ib«n sein Leben lang. Dafür
schweifte sein« Phantasie um so weiter
er ein großer, stolzer, reicher Fürst,
dem alles auf «in«n Wink zu Füßen
wühlen.
(Fortsetzung folgt.)
Aufrichtig. Sonntagsreiter
(zum Pferdeverleiher): Was kostet
Für dir Küche.
Feine K a l b s r o u la d e n.
Man schneidet aus der Keule hand
große und fingerdicke Schnitzel, klopft
sie gut und salzt nach Bedarf. Als
dann bereitet man fein gehackte Cham
pignons und Petersilie vor, giebt von
diesen 2 Theelöffel, sowie eine Messer
spitze voll Butter in die Mitte, rollt
die Rouladen zusammen und umwi
ckelt sie mit festen Fäden. Nunmehr
giebt man di«f«lb«n in geschlagenes
ter auf allen Seiten bräunlich. Von
Zeit zu Zeit gießt man einige Löffel
voll Bouillon an das Fleisch und läßt
zur Sauce.
Gedämpftes Lammfleisch
mit Gurken. Eine Keule wird
gehäutet, geklopft und mit Salz be
streut. in einer tiefen Pfanne mit
Speckscheiben und einigen zerschnitte
nen Zwiebeln auf beiden Seiten ge
bräunt und unter öfterem Zugießen
von kräftiger Fleischbrühe oder Was
ser langsam weichgedämpft, wobei
man das Fleisch mit der kurzeinge
kochten Brühe häufig begießt. Sechs
Gurken schält man, schneidet sie in
dünne Scheiben, dllnlet sie in Butter
weich, stäubt einen Löffel Mehl darü
ber, schüttet Fleischbrühe und ein we
nig Essig zu, läßt alles noch ein»
Weile verkochen, rührt die Brühe mit
einem Ei ab und gibt Gemüse und
Fleisch zu Tisch.
Gebratenes Suppen
fleisch. Wenn das Rindfleisch in
d«r Brühe halbweich gekocht ist,
nimmt man es heraus, läßt es etwas
abkühlen und schneid«! «s in Scheiben.
In einer Kasserolle hat man halb
Schmalz, halb Butter zerlassen, einige
zerschnitten« Zwiebeln, drei zerschnit
tene Karotten oder Mohrrüben darin
anbraten lassen, giebt das Fleisch
dazu, würzt mit Salz, Pfeffer und
etwas Gewürz und läßt es darin vol
lends weich dünsten. Kurz vor dem
Anrichten giebt man I—2 Lössel
Wein dazu. Di« Fleischscheiben legt
man in eine tiefe Schüssel, rührt die
Sauce durch ein Sieb, v«rkocht si« mit
kn wenig Braunmehl, schmeckt ab und
Beschainelkartoffiln oder Kartossel-
Griespudding mit Käse.
Man läßt S Unzen feinen abge
schwemmten Gries in Quart Was
ser, Quart Milch und 2 Unzen
Butter aus dem Feuer unter bestän
digem Rühren zu steifem Br«i kochen,
bis er sich vom Gefäß ablöst. Dann
schüttet man ihn in ein« Schüssel, läßt
ihn vollständig auskühlen und ver
mischt ihn mit 4 Eidottern, Käst
(Schweizer- oder Parmesankäse), et
was Äilz, geriebener Muskatnuß
und dem steifgeschlagenen Schne« der
Eiweiß, füllt die Mass« in eine mit
Butter ausgestrichene, mit geriebtner
Semmel bestreute Form und kocht den
Pudding eine Stunde lang im Was
serbade. Dann wird er gestürzt und
zu kaltem Schinken oder „Boeus a la
mode" gereicht.
Klobs aus Fischresten.
Zwei geriebene Milchbrötchen läßt
man mit zwei Eßlöffeln voll Milch
durchweichen, giebt dann zwei Eier,
zwei Kartoffellöffel voll schaumiger
Butter, etwas Pfeffer und Salz und
ein Pfund roheS gehacktes Fleisch da-
mischt alles recht innig, formt
drückt und bäckt sie in 20 Minuten
von beiden Seiten goldbraun aus.
Als Beilage eignet sich jede Art von
Salat mit frischem Gemüse.
Gebackene Brotschnitten.
Man schneidet möglichst gleichmäßige
Schnitten von altbackenem Weißbrot,
legt sie in eine flache Schüssel neben
einander, übergießt sie mit etwas
Rothwein, den man mit ein bis zwei
Eig«lb abgerührt hat, wendet sie in
Mehl, bäckt sie in heißem Schmalz,
bestreut si« mit Zucker und überstreicht
sie mit Himbeermarmelade.
Gedämpfte Hühner. Zwei
gut gereinigt« junge Hühner werden
in etwas Brühe (im Nothfall Was
ser) nebst Speck- und Schinkenschei
ben, Wurzelwerk, einigen kleinen
Zwiebeln, Salz, Pfefferkörnern und
etwas Citronensast langsam weich ge
dämpft. Indessen putzt man 1 Pfund
Champignons, schneidet sie in Stücke,
dünstet sie in etwas Butter, streut
Mehl darüber, giebt etwas Wasser,
ein halbes Glas Weißwein und den
Saft einer Citrone dazu, verlocht al-