Scranton Wochenblatt. (Scranton, Pa.) 1865-1918, August 01, 1907, Image 2

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    Die HelgolS«>eri«.
v»n H. A. »ogel.
Mit einer gewissen Ungeduld und
nervösen Unruhe stand Grete auf d«in
kleinen Holzbalkon des Rickmer Hahn
schen Hauses, von dem eine kleine, ge
wundene Holztrepp« herab auf den
Falm führte, und blickte am Fahr
stuhl vorüber über die Steinmauer
ins Unterland, das vor Nebel absolut
incht sichtbar war. Ein leichter Seufzer
hob ihre Brust.
Endlich wandte sie sich halb ärger
lich um und sprach in das Nachbar
fenster: „Hör mai, dicke Wonne, das
war ein höll'scher Reinfall mit dem
Nerven zu erholen, gehen sie ja vor
Langeweile kaput. Ist ja noch kein
Hund da außer dem Nebel, der
am Fenster sichtbar. „Grete, wie oft
soll ich Dir sagen, daß Du Dir das
burschikose Wesen mir gegenüber ab-
Ton nur übel deuten könnten. Das
kanst Du in Gottes Namen zu Haus"
„Sache!" unterbrach sie Grete
schmollend und zuckte di« Achseln. „Und
wieder"
„Und mit Recht. Ein« Tochter hat
nicht so mit der Mutter zu reden",
mahnt« das gutmüthige Kugelgesicht.
„Die Berliner Rang« Lotte Bach
von der Georgy spricht auch so", ver
harrte Grete dickfellig.
rath Maria Herbst und hielt die
Ohren zu.
„Mari«, schrei nicht so! Meine Ner
ven!" gab Grete trocken zurück.
„Nerven! Netven! Zu meiner Zeit
gab's so etwas nicht. Wenigstens nicht
daß so ein Windikus" —
„Mama!" bat Grete in schmerzlich
flehendem Ton, und ihre feucht gewor-
Ferne. l d "be , k
schlimer als daS ewige Drandenken.
Glaub Deiner alten Mutter."
„Ich denk' ja gar nicht dran", kam
eS bebend von Gretels Lippen, in die
sich die kleinen Oberzähne gruben.
„Doch. Mich hintergehst Du nicht.
Du denkst an ihn. Und es gibt Dir
gungen einzog, mußte das erst entde
cken. „Referendar Wolf" und „Käthe
Gerhardt" waren si« polizeilich ange
meldet. Pfui Teufel."
schrieben."
„Da kennst Du Gustav nicht!" rief
Grete stolz. „Gustav hat nie etwas
Schlechtes gethan und wird nie
„Aber Grete!" rief die Frau Ge-
Lied singen?" tind ohne erst die Ant
yreulichen kleinen Chorgesang eines
Volksliedchens. Grete lackte und warf
ihnen einen Groschen hinab. Freudig
führte.
Wie leichter Dampf stieg der Nebel
empor. Die Dächer des Unterlandes
wurden sichtbar, eines nach dem an
dern, dann die Biologisch« Anstalt,
der Strand, d«r glitz«rnde Meeresspie
!var eS so klar, daß man ganz deutlich
die Düne und darüber hinaus die fi
schenden Segelboote erkennen konnte.
Grete jauchzte auf: „Mama Ma
rie Mutting Goldproppen
Hitte, bitte, machen wir «ine Rund>
sahrt! Sich nur, «ie schön e« wird.
Wer weiß, wieviel solcher Tage wir
haben werden jetzt im Juni, wo
noch kein« Saison ist."
gen und sich d«r Landungsbrücke nä
h«rn.
Sofort boten verschiedene Schiffer
mit rosirt«r Oberlipp« und semmel
blondem Knebelbart. ganz in teget
hoffblaueS Tuch gekleidet, ihren Kahn
zu einer Rundfahrt an. Grete wählte
achtend^
„Marie, fei nicht so bewegt und
komm", befahl Grete, die wieder ihren
thut un! nifcht."
Boot fuhr, leicht gewiegt, die Küste
entlang. Anfangs seufzte zwar die
Frau Geheimrath einige „Vchs" und
„Os", so oft der Kahn etwas hopst«
und seitwärts an die Wellen klatschte,
aber nach und nach gewöhnte sie sich
si^saß^.st""^
Grete strahlt«. Es war aber auch
zu wunderschön, als man dicht an den
Über SV Meter hohen, rothen, pittores
ken Felsen vorüber fuhr, am Mönch
und am Predigerstuhl, unter denen
Links der weite, glitzernd«, endlose
Wellenspiegel rechts das uralte, ro
mantische Eiland. Kleine Quallen und
wand einige Male aufschlug, wurde
es plötzlich Nacht um Grete: die Sum
men waren surrend und erschreckt her
„Gott ist daS schön! Sind diese
auf den Felsen starrend.
„Nei, nur bis Ende Juni. Wenn
ein Stück „Stift" abbeißend,
thige Chaminadesche Lied: „Ee cher
ses Lied! Diese Stimme! Das konnte
gen.
Als sie nach beendeter Rundfahrt
„Na siehst Du. ich sagte es ja gleich:
Leiche, Bretel."
„Und Du wie'n Todt«nkops, Mut
ti", versuchte Grete zu scherzen. Dock
selbst die Nähe der Mutter nicht ha
ben, nichts nur Einsamkeit. „Weißt
Du was, Mutti, Du bleibst hier im
Kurhaus und trinkst 'n ordentlichen
Idee? Na, in Gottes Namen. Aber
rcn Zufälle des Lebens? Was sollte
ihn den Referendar Wolf. Auch er
»er bebend, steckte st« LllhrS einen Tha»
«r zu: „Da nehmen Si« rasch! Si«
Ich bitte Si«, beschwör« Si« «S
ihr« Braut, verstehen Sie?"
Lührs lacht« «in gutmüthiges, brei-
Wolf zahlt« draußen; f«in Blick fiel
Ball im Kurhaus war, borgt« si« sich
das Kostüm und li«ß sich ihre Kleider
in ein Tuch einschlagen, daS si«, al!
mit nach Hause zu eilen.
Sobald Lührs aus dem Lad«n trat,
stürzte Wolf auf ihn zu und fragte,
seines Weges.
Wolf fragte den Photographen. Der
antwortet«: „Das war die Stine, die
Wolf faßte es nicht. Diese Ähnlich
keit! Aber so ähnlich! Sollte «im Hel
geßlichen Grete ähnlich sehen können?
War er deshalb nach Helgoland ge
kommen, um sich durch dieses Fischer-
Frau Geheimrath Herbst fand den
Einfall ihrer Tochter total verrückt.
Wenn auch vielleicht im ganzen noch
keine so bekannte Sommergastin. daß
st« so etwas Auffallendes, Extrava
gantes thun könne. Das dürfe eine
in Zivil dort fei.
Schließlich behielt natürlich Grete
wieder recht, insbesondere, als die
Der Abend kam heran; fern über
der See stand eine schwarz« Wolken
wand, aus der es wetterleuchtete. Der
te. Die Helgoländer Musikkap«ll« ließ
Walzer od«r «in Rh«inländ«r war.
Dabei spielte sie nur drei Stücke, die
„ad insinitum" wi«d«rholt wurden:
„Komm, Karlin«k«n, komm' „Auf
dem Baum« hängt 'ne Pflaume"
und „d«n lieben Schaffner". Schön
war eS nicht. Ab«r die Leute kamen
mit d«r Absicht hin, sich zu unt«rhal
ten, und unterhielten sich auch.
Grete allein war in furchtbarer
Aufregung. Si« fpi«lt« abseits von
Mama sitzend die Komödie mit
Lührs weiter. Sie tanzte mit Nie
mand, jedem halbverlegen dankend,
und versteckt« sich hinter Lührs' brei
tem Rücken, den die Geschichte äußerst
amllsirte sowie auch die übrigen
Schisser, die zusammen an der Garde
robenthür unter dem Orchester stan
den.
erblickte sie Gustav drüben; neben
ihm an der Wand, in Schwarz geklei
det ein bildschön«», bltichts Mäd
chen, daS noch kein« SIlb« g«sproch«n,
nur Gustav oft ang«s«hen hatte; er saß
still neben ihr, in die tanzenden Paare
blickend. Da tanzte wieder jeneS
Fischermädchen an ihm vorüber
mit ihrem Verlobten. Er stand auf,
sah nach, wohin si« sich f«tzt«, ging
dann auf sie zu und forderte sie zu
einem Tanz auf. Grete verbarg sich,
ihr Köpfchen tief senkend, hinter dem
Rücken Lührs' und schloß die Aug«n,
da sie fühlte, wie es Nacht um sie
Lührs etwas finster zu.
„Gut. Lührs! Da sind zehn Mark
für Euch alle. Trinkt. Und wenn die
alle sind, bekommt ihr neu«. Ab«r Ihr
müßt dafür mit Eurer Stine einen
Helgoländer Tanz tanzen", rief Gu
stav Wolf und fixirte dabei Stine, die
sich abwandte.
Die andern Männer ergriffen sie
aber und zwangen sie zu bleiben. Man
begann zu schreien, zu lachen, in die
Hände zu klatchen, mit d«n Füßen zu
trampeln, und alle waren freudig mit
Gustavs Borschlag einverstanden. Gre
te sah ein, daß sich da ein Sträuben
als vergeblich erwies, wenn si« sich
nickt verrathen wollte. Sie richtete et
was an ihrem Mieder und an ihren
Bändern, um erst zu sehen, wie denn
dieser Helgoländer getanzt würd«.
sie dock bald treffen! Doch eS sah
Mit einem Male riß sie sich los,
und da sich ihr die Thränen gewalt
ken, einem dumpfen Triebe folgend.
Da hört« sie rasche Tritt« hinter
sich. Sie begann zu laufen, ihr Ver-
Lippen auf den ihren fühlte.
„Grete, Grete ich wußt' eS ja,
so etwas gibt's nur einmal aus der
Welt! Nun halt« ich Dich und lass'
waren es Minuten, waren es Stun
den? Ein Gewitter zog in der Ferne
vorüber. Sterne funkelten, und ein
Meeresleuchten zog in die Nacht hin
aus.
„Nicht Dein« Armuth, Gustl, nur
nur jene Frau, die bei Dir wohnt.
Das hat Papa"
„Das hat «r glauben können? Gro
ßer Gott! Sieh, ich war arm, meine
Eltern waren todt. Da hat sich ein
Maler meiner angenommen und bat
mich studieren lassen. Er war ein
leichtsinnig«! Patron gewesen, doch ein
guter, edler Mensch. Mit 32 Jahren
starb er, mein einziger Freund, dem
ich alles verdanke. Er hatte eine Toch
ter, «ine taubstumme, die kaum zehn
Jahre alt war. Natürlich nahm ich sie
zu mir; sie, früh reif, lernte mir die
Wirthschaft führen und blieb bei
mir. Du sahst sie im Saal. Gott, es
klingt ja ein bißl romantisch aber
bei den Sternen schwöre ich Dir, mein
einziges Lieb, es ist die Wahrheit
Das hätte sich alles mit einem Wort
aufgeklärt. Aber das kommt davon."
fuhr er verbissen, wie mit Haß fort,
„wenn man einen einfach hinauswirft,
Sie küßte ihm den Unmuth von der
Stirne und si« kehrten zurück zu
der zum Tode erschrockenen Mama
Geheimrath. Ein paar Worte unter
richteten sie von allem. Gustav holte
das bleiche, taubstumme Kind in
Gretes Alter und führte es zu
Grete. Mit großem, unirdisckem Blick
b«trachtete sie Grete und die alte Da
me, küßte beiden, leise streichelnd, die
Hände und barg sich dann fast ängst
lich an Gustavs Schulter.
Spielte auf einmal das Orchester
so richtig und gut? Oder waren es
n«ue Weisen? Es war ja so schön
so schön! Gustav flog mit seiner Grete
durch den Saal, und Lührs trampelte
und klatschte vor Freude den Takt da
zu. indes das taubstumme, bleiche
Kind ihr« Hand wie bittend in die der
alten Dame legte.
Diesen Tanz verstand die „Helgo
länderin" besser zu tanzen! Auch tanz
te es sich leichter mit diesem Tänzer!
Ter alte Herr.
Buchhalter war er; dreißig Jshre
lang Buchhalter in ein und demselben
Geschäft. Vom ersten Tage an am
gleichen Pult» auf dem gleichen Sche
mel und vor dem gleichen Tintenfaß.
Nur die Arbeit war ein wenig an
ders geworden. Si« hatte sich sozu
sagen „gehoben", hatte sich verant
seinen Händen lag die Führung des
Hauptbuchs. Jenes wichtigsten Bu
ches aus jedem Geschäftsbetrieb, das
die Buchhalter nur mitScheu aufklap
pen und mit Feierlichkeit zu beschrei
ben beginnen. Denn die Buchstaben
der Zeit, der Betrieb des Geschäfts.
den, später ließ man es werden, wie
es wollte.
Damit also hatte sich der alte
krohme längst schon abgefunden. Und
vormachen? Sie wußte ja doch, daß
Buchhalter im Laufe der Jahre ein
wenig schief werden.'
trippelnden Schritten, die fest und
korrekt ein ganz bestimmtes Maß ein
hielten. Er war eben ein Gewoh»-
effen. trinken und schlafen, das ge
hörte ebenfalls als fester Bestand zu
seinem gleichgesormten Leben.
Und in dieses stillerbaulich« Dasein
kam nun plötzlich eine große. Aende-
Pl»tz getheilt.
Di« Jungens! Es kam ihm fast
lächerlich vor. daß er unter ihnen
neigt«, und bemerkte nicht, wie ein
leises Lächeln den jungen Leuten um
den Mund zuckt«. Er fand es so
nur recht und richtig, und nur deshalb
hatte er's gethan. Doch als er dann
wieder an seinem Pulte saß, da war
es ihm, als läge plötzlich etwas Frem
des in der Luft, etwas das dort nicht
Und er öffnete das Fenster und
ließ den ersten Hauch der jungen
das Hauptbuch bis aus den nächsten
Tag verschob. Er war seiner heute
nicht sicher. Ihm drückte etwas auf
das Herz, und er konnte sich nicht er
klären. was es war. War's das
Neue, das in sein Leben getreten?
War's etwa Angst vor der Zukunft?
Oder war's nur der Frühling?
Und er sann zurück der hatte
ihn die weiche, linde Luft umwehte,
dann waren ihm wohl die Glieder ein
wenig schwer und müde gewesen; aber
bracht, daß er sich ordentlich wieder
jung fühlte. Und jetzt?— Seine Blicke
irrten immer wieder hinüber in den
Und die beiden jungen Menschen,
einst seine Schüler, jetzt seine Herren,
merkten es wohl, was in ihm oor
inen und überlegten; und si« kamen
zu dem Resultat, ihm Zeit zu gönnen
und zu warten.
der eine.
„Gewiß. Ihm und dem Bater.
Die Umstände, die sie zum ersten
mal ihre frische Lebenskraft rühren
ließen, waren ihnen »och so neu und
kaufmännische Weisheit mit breiten
Suppenkellen! Was konnte er also
gegen Vorhaben einwenden? Er,
hatte!
sieht!!"' """" """
Da lachten sie beide. „Wer soll es
wie wir!"
Und der älter« der beiden Inhaber
nahm ihn dann noch beiseite. „Sit
Krohme! Das verträgt die heutige
Zeit nicht mehr. Wer heute im Ge
schäftsgeben etwas erreichen will, de:
schätzte.
Wie hatte sich das geändert! Wie
der Vortheil!
Er lachte plötzlich auf. Aus Mit-
Ab«r «r wollte kein Mitleid! Er
flocht 112 ocht und
sten Morgen. Als die Frühjahrs
herniederschien, und die Gärtner das
Welke und Matte aus den Gärten
ausrotteten, um dem Frischen und
Herr Schisser seinem Personal di«
Mittheilung: „Er ist unserem Haust
stets ein und Berather
Es war nämlich auch im Geschäft
die Zeit der groben Inventur.
„Die Aussicht, Herr Wirth, die
«Ja, das ist das Merkwürdigst«
zehnten Glas Bier so recht gefällt!"
wollte. . . und Ivenn's auch nur mit
Wort gehalten. A.:
Man mag von Schulze sagen, wa!
Wort! B,: Finden Sie? A.:
Ja, er hat sich vor einem Jahr voa
mir zwanzig Mark geborgt und da
lichkeit ni« vergessen! B: Na,
Angebetete?"
durchgeht): Brr, die scharfe Luft,
Nordpol zu entdecken.
Böse Krankheiten. A.:
Ist es denn wahr, daß der Tragödi
ist? B.: Jawohl, man hat die
Leiche obduziert. A.: So! Woran
ist er denn gestorben? B: Er hat
Roseiiblüth, Vertreter der Firma Veil>
chendust <k Co." „Schön, bitte
Ist wohl Ihr Geschäftsführer, der
Herr Alois?" .Nein, mein Hau»»
Unecht!"