Die HelgolS«>eri«. v»n H. A. »ogel. Mit einer gewissen Ungeduld und nervösen Unruhe stand Grete auf d«in kleinen Holzbalkon des Rickmer Hahn schen Hauses, von dem eine kleine, ge wundene Holztrepp« herab auf den Falm führte, und blickte am Fahr stuhl vorüber über die Steinmauer ins Unterland, das vor Nebel absolut incht sichtbar war. Ein leichter Seufzer hob ihre Brust. Endlich wandte sie sich halb ärger lich um und sprach in das Nachbar fenster: „Hör mai, dicke Wonne, das war ein höll'scher Reinfall mit dem Nerven zu erholen, gehen sie ja vor Langeweile kaput. Ist ja noch kein Hund da außer dem Nebel, der am Fenster sichtbar. „Grete, wie oft soll ich Dir sagen, daß Du Dir das burschikose Wesen mir gegenüber ab- Ton nur übel deuten könnten. Das kanst Du in Gottes Namen zu Haus" „Sache!" unterbrach sie Grete schmollend und zuckte di« Achseln. „Und wieder" „Und mit Recht. Ein« Tochter hat nicht so mit der Mutter zu reden", mahnt« das gutmüthige Kugelgesicht. „Die Berliner Rang« Lotte Bach von der Georgy spricht auch so", ver harrte Grete dickfellig. rath Maria Herbst und hielt die Ohren zu. „Mari«, schrei nicht so! Meine Ner ven!" gab Grete trocken zurück. „Nerven! Netven! Zu meiner Zeit gab's so etwas nicht. Wenigstens nicht daß so ein Windikus" — „Mama!" bat Grete in schmerzlich flehendem Ton, und ihre feucht gewor- Ferne. l d "be , k schlimer als daS ewige Drandenken. Glaub Deiner alten Mutter." „Ich denk' ja gar nicht dran", kam eS bebend von Gretels Lippen, in die sich die kleinen Oberzähne gruben. „Doch. Mich hintergehst Du nicht. Du denkst an ihn. Und es gibt Dir gungen einzog, mußte das erst entde cken. „Referendar Wolf" und „Käthe Gerhardt" waren si« polizeilich ange meldet. Pfui Teufel." schrieben." „Da kennst Du Gustav nicht!" rief Grete stolz. „Gustav hat nie etwas Schlechtes gethan und wird nie „Aber Grete!" rief die Frau Ge- Lied singen?" tind ohne erst die Ant yreulichen kleinen Chorgesang eines Volksliedchens. Grete lackte und warf ihnen einen Groschen hinab. Freudig führte. Wie leichter Dampf stieg der Nebel empor. Die Dächer des Unterlandes wurden sichtbar, eines nach dem an dern, dann die Biologisch« Anstalt, der Strand, d«r glitz«rnde Meeresspie !var eS so klar, daß man ganz deutlich die Düne und darüber hinaus die fi schenden Segelboote erkennen konnte. Grete jauchzte auf: „Mama Ma rie Mutting Goldproppen Hitte, bitte, machen wir «ine Rund> sahrt! Sich nur, «ie schön e« wird. Wer weiß, wieviel solcher Tage wir haben werden jetzt im Juni, wo noch kein« Saison ist." gen und sich d«r Landungsbrücke nä h«rn. Sofort boten verschiedene Schiffer mit rosirt«r Oberlipp« und semmel blondem Knebelbart. ganz in teget hoffblaueS Tuch gekleidet, ihren Kahn zu einer Rundfahrt an. Grete wählte achtend^ „Marie, fei nicht so bewegt und komm", befahl Grete, die wieder ihren thut un! nifcht." Boot fuhr, leicht gewiegt, die Küste entlang. Anfangs seufzte zwar die Frau Geheimrath einige „Vchs" und „Os", so oft der Kahn etwas hopst« und seitwärts an die Wellen klatschte, aber nach und nach gewöhnte sie sich si^saß^.st""^ Grete strahlt«. Es war aber auch zu wunderschön, als man dicht an den Über SV Meter hohen, rothen, pittores ken Felsen vorüber fuhr, am Mönch und am Predigerstuhl, unter denen Links der weite, glitzernd«, endlose Wellenspiegel rechts das uralte, ro mantische Eiland. Kleine Quallen und wand einige Male aufschlug, wurde es plötzlich Nacht um Grete: die Sum men waren surrend und erschreckt her „Gott ist daS schön! Sind diese auf den Felsen starrend. „Nei, nur bis Ende Juni. Wenn ein Stück „Stift" abbeißend, thige Chaminadesche Lied: „Ee cher ses Lied! Diese Stimme! Das konnte gen. Als sie nach beendeter Rundfahrt „Na siehst Du. ich sagte es ja gleich: Leiche, Bretel." „Und Du wie'n Todt«nkops, Mut ti", versuchte Grete zu scherzen. Dock selbst die Nähe der Mutter nicht ha ben, nichts nur Einsamkeit. „Weißt Du was, Mutti, Du bleibst hier im Kurhaus und trinkst 'n ordentlichen Idee? Na, in Gottes Namen. Aber rcn Zufälle des Lebens? Was sollte ihn den Referendar Wolf. Auch er »er bebend, steckte st« LllhrS einen Tha» «r zu: „Da nehmen Si« rasch! Si« Ich bitte Si«, beschwör« Si« «S ihr« Braut, verstehen Sie?" Lührs lacht« «in gutmüthiges, brei- Wolf zahlt« draußen; f«in Blick fiel Ball im Kurhaus war, borgt« si« sich das Kostüm und li«ß sich ihre Kleider in ein Tuch einschlagen, daS si«, al! mit nach Hause zu eilen. Sobald Lührs aus dem Lad«n trat, stürzte Wolf auf ihn zu und fragte, seines Weges. Wolf fragte den Photographen. Der antwortet«: „Das war die Stine, die Wolf faßte es nicht. Diese Ähnlich keit! Aber so ähnlich! Sollte «im Hel geßlichen Grete ähnlich sehen können? War er deshalb nach Helgoland ge kommen, um sich durch dieses Fischer- Frau Geheimrath Herbst fand den Einfall ihrer Tochter total verrückt. Wenn auch vielleicht im ganzen noch keine so bekannte Sommergastin. daß st« so etwas Auffallendes, Extrava gantes thun könne. Das dürfe eine in Zivil dort fei. Schließlich behielt natürlich Grete wieder recht, insbesondere, als die Der Abend kam heran; fern über der See stand eine schwarz« Wolken wand, aus der es wetterleuchtete. Der te. Die Helgoländer Musikkap«ll« ließ Walzer od«r «in Rh«inländ«r war. Dabei spielte sie nur drei Stücke, die „ad insinitum" wi«d«rholt wurden: „Komm, Karlin«k«n, komm' „Auf dem Baum« hängt 'ne Pflaume" und „d«n lieben Schaffner". Schön war eS nicht. Ab«r die Leute kamen mit d«r Absicht hin, sich zu unt«rhal ten, und unterhielten sich auch. Grete allein war in furchtbarer Aufregung. Si« fpi«lt« abseits von Mama sitzend die Komödie mit Lührs weiter. Sie tanzte mit Nie mand, jedem halbverlegen dankend, und versteckt« sich hinter Lührs' brei tem Rücken, den die Geschichte äußerst amllsirte sowie auch die übrigen Schisser, die zusammen an der Garde robenthür unter dem Orchester stan den. erblickte sie Gustav drüben; neben ihm an der Wand, in Schwarz geklei det ein bildschön«», bltichts Mäd chen, daS noch kein« SIlb« g«sproch«n, nur Gustav oft ang«s«hen hatte; er saß still neben ihr, in die tanzenden Paare blickend. Da tanzte wieder jeneS Fischermädchen an ihm vorüber mit ihrem Verlobten. Er stand auf, sah nach, wohin si« sich f«tzt«, ging dann auf sie zu und forderte sie zu einem Tanz auf. Grete verbarg sich, ihr Köpfchen tief senkend, hinter dem Rücken Lührs' und schloß die Aug«n, da sie fühlte, wie es Nacht um sie Lührs etwas finster zu. „Gut. Lührs! Da sind zehn Mark für Euch alle. Trinkt. Und wenn die alle sind, bekommt ihr neu«. Ab«r Ihr müßt dafür mit Eurer Stine einen Helgoländer Tanz tanzen", rief Gu stav Wolf und fixirte dabei Stine, die sich abwandte. Die andern Männer ergriffen sie aber und zwangen sie zu bleiben. Man begann zu schreien, zu lachen, in die Hände zu klatchen, mit d«n Füßen zu trampeln, und alle waren freudig mit Gustavs Borschlag einverstanden. Gre te sah ein, daß sich da ein Sträuben als vergeblich erwies, wenn si« sich nickt verrathen wollte. Sie richtete et was an ihrem Mieder und an ihren Bändern, um erst zu sehen, wie denn dieser Helgoländer getanzt würd«. sie dock bald treffen! Doch eS sah Mit einem Male riß sie sich los, und da sich ihr die Thränen gewalt ken, einem dumpfen Triebe folgend. Da hört« sie rasche Tritt« hinter sich. Sie begann zu laufen, ihr Ver- Lippen auf den ihren fühlte. „Grete, Grete ich wußt' eS ja, so etwas gibt's nur einmal aus der Welt! Nun halt« ich Dich und lass' waren es Minuten, waren es Stun den? Ein Gewitter zog in der Ferne vorüber. Sterne funkelten, und ein Meeresleuchten zog in die Nacht hin aus. „Nicht Dein« Armuth, Gustl, nur nur jene Frau, die bei Dir wohnt. Das hat Papa" „Das hat «r glauben können? Gro ßer Gott! Sieh, ich war arm, meine Eltern waren todt. Da hat sich ein Maler meiner angenommen und bat mich studieren lassen. Er war ein leichtsinnig«! Patron gewesen, doch ein guter, edler Mensch. Mit 32 Jahren starb er, mein einziger Freund, dem ich alles verdanke. Er hatte eine Toch ter, «ine taubstumme, die kaum zehn Jahre alt war. Natürlich nahm ich sie zu mir; sie, früh reif, lernte mir die Wirthschaft führen und blieb bei mir. Du sahst sie im Saal. Gott, es klingt ja ein bißl romantisch aber bei den Sternen schwöre ich Dir, mein einziges Lieb, es ist die Wahrheit Das hätte sich alles mit einem Wort aufgeklärt. Aber das kommt davon." fuhr er verbissen, wie mit Haß fort, „wenn man einen einfach hinauswirft, Sie küßte ihm den Unmuth von der Stirne und si« kehrten zurück zu der zum Tode erschrockenen Mama Geheimrath. Ein paar Worte unter richteten sie von allem. Gustav holte das bleiche, taubstumme Kind in Gretes Alter und führte es zu Grete. Mit großem, unirdisckem Blick b«trachtete sie Grete und die alte Da me, küßte beiden, leise streichelnd, die Hände und barg sich dann fast ängst lich an Gustavs Schulter. Spielte auf einmal das Orchester so richtig und gut? Oder waren es n«ue Weisen? Es war ja so schön so schön! Gustav flog mit seiner Grete durch den Saal, und Lührs trampelte und klatschte vor Freude den Takt da zu. indes das taubstumme, bleiche Kind ihr« Hand wie bittend in die der alten Dame legte. Diesen Tanz verstand die „Helgo länderin" besser zu tanzen! Auch tanz te es sich leichter mit diesem Tänzer! Ter alte Herr. Buchhalter war er; dreißig Jshre lang Buchhalter in ein und demselben Geschäft. Vom ersten Tage an am gleichen Pult» auf dem gleichen Sche mel und vor dem gleichen Tintenfaß. Nur die Arbeit war ein wenig an ders geworden. Si« hatte sich sozu sagen „gehoben", hatte sich verant seinen Händen lag die Führung des Hauptbuchs. Jenes wichtigsten Bu ches aus jedem Geschäftsbetrieb, das die Buchhalter nur mitScheu aufklap pen und mit Feierlichkeit zu beschrei ben beginnen. Denn die Buchstaben der Zeit, der Betrieb des Geschäfts. den, später ließ man es werden, wie es wollte. Damit also hatte sich der alte krohme längst schon abgefunden. Und vormachen? Sie wußte ja doch, daß Buchhalter im Laufe der Jahre ein wenig schief werden.' trippelnden Schritten, die fest und korrekt ein ganz bestimmtes Maß ein hielten. Er war eben ein Gewoh»- effen. trinken und schlafen, das ge hörte ebenfalls als fester Bestand zu seinem gleichgesormten Leben. Und in dieses stillerbaulich« Dasein kam nun plötzlich eine große. Aende- Pl»tz getheilt. Di« Jungens! Es kam ihm fast lächerlich vor. daß er unter ihnen neigt«, und bemerkte nicht, wie ein leises Lächeln den jungen Leuten um den Mund zuckt«. Er fand es so nur recht und richtig, und nur deshalb hatte er's gethan. Doch als er dann wieder an seinem Pulte saß, da war es ihm, als läge plötzlich etwas Frem des in der Luft, etwas das dort nicht Und er öffnete das Fenster und ließ den ersten Hauch der jungen das Hauptbuch bis aus den nächsten Tag verschob. Er war seiner heute nicht sicher. Ihm drückte etwas auf das Herz, und er konnte sich nicht er klären. was es war. War's das Neue, das in sein Leben getreten? War's etwa Angst vor der Zukunft? Oder war's nur der Frühling? Und er sann zurück der hatte ihn die weiche, linde Luft umwehte, dann waren ihm wohl die Glieder ein wenig schwer und müde gewesen; aber bracht, daß er sich ordentlich wieder jung fühlte. Und jetzt?— Seine Blicke irrten immer wieder hinüber in den Und die beiden jungen Menschen, einst seine Schüler, jetzt seine Herren, merkten es wohl, was in ihm oor inen und überlegten; und si« kamen zu dem Resultat, ihm Zeit zu gönnen und zu warten. der eine. „Gewiß. Ihm und dem Bater. Die Umstände, die sie zum ersten mal ihre frische Lebenskraft rühren ließen, waren ihnen »och so neu und kaufmännische Weisheit mit breiten Suppenkellen! Was konnte er also gegen Vorhaben einwenden? Er, hatte! sieht!!"' """" """ Da lachten sie beide. „Wer soll es wie wir!" Und der älter« der beiden Inhaber nahm ihn dann noch beiseite. „Sit Krohme! Das verträgt die heutige Zeit nicht mehr. Wer heute im Ge schäftsgeben etwas erreichen will, de: schätzte. Wie hatte sich das geändert! Wie der Vortheil! Er lachte plötzlich auf. Aus Mit- Ab«r «r wollte kein Mitleid! Er flocht 112 ocht und sten Morgen. Als die Frühjahrs herniederschien, und die Gärtner das Welke und Matte aus den Gärten ausrotteten, um dem Frischen und Herr Schisser seinem Personal di« Mittheilung: „Er ist unserem Haust stets ein und Berather Es war nämlich auch im Geschäft die Zeit der groben Inventur. „Die Aussicht, Herr Wirth, die «Ja, das ist das Merkwürdigst« zehnten Glas Bier so recht gefällt!" wollte. . . und Ivenn's auch nur mit Wort gehalten. A.: Man mag von Schulze sagen, wa! Wort! B,: Finden Sie? A.: Ja, er hat sich vor einem Jahr voa mir zwanzig Mark geborgt und da lichkeit ni« vergessen! B: Na, Angebetete?" durchgeht): Brr, die scharfe Luft, Nordpol zu entdecken. Böse Krankheiten. A.: Ist es denn wahr, daß der Tragödi ist? B.: Jawohl, man hat die Leiche obduziert. A.: So! Woran ist er denn gestorben? B: Er hat Roseiiblüth, Vertreter der Firma Veil> chendust