Scranton Wochenblatt. (Scranton, Pa.) 1865-1918, May 16, 1907, Image 3

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    Herbststurm.
Roman von Ida Bov-Ed
(9. Fortsetzung.)
Die alte Frau von Benrath hatte
ein schwarzseidenes Kleid oon vergan
gener Mode an und erschien noch län
ger und dünner als sonst. Ihre Au
gen waren kaum zu erkennen, so eng
hatte sie die Lider zusammenge
schlossen. und wie immer,, wenn sie
nicht gerade fest mit dem Rücken an
gelehnt saß, hielt sie den sehr kleinen
Kopf mit der tausendfach zerknitter
ten Gesichtshaut sehr vorgeneigt.
.Sie hat was von 'ner gebeugten'
Straßenlaterne", sagte der Bürger
meister drastisch. Er grollte ihr, er
fühlte sich von ihr als Narr behan
delt, weil sie ihm dreißigtausend voll
Enthusiasmus versprochen hatte, um
sie noch selbigen Tags zurückzuziehen.
So'n nobler Kerl er immer sein
wollte das konnte er doch nicht
ganz überwinden.
„Straßenlaterne? Nee mehr
Kängeruh", sagte Frau Marya Keß
ler; „und elend! Wie aus 'm Sarg
„Ja, miserabel. Wie von Nervo
sität ausgerieben", meinte der Bür
germeister.
„Aber die Enkelin sieht pompös
aus", sprach Fedder bewundernd.
„Finden Sie das?" fragte Frau
Marya Keßler gedehnt und in
ihr betontes „das" so viel abfällige
Kritik legend, daß Fedder, der allen
Leuten nach dem Mund sprach, gleich
hinzusetzte: „Nur ein bischen auf
fallend."
Freilich fiel Brita Benrath auf.
Sie strahlte von Vorfreude, von Neu
gier, von dem Bewußtsein, ein wun
dervolles Kleid anzuhaben. Daß
Ethel Stevens es ihr mit all den an
deren geschenkt hatte, als sie Ethel
zu ihrer Aussteuer alles mu be
kam, wußte hier ja kein Mensch. Und
Brita hatte es nicht einmal zu mo
dernisiren brauchen. Was eine
Amerikanerin von vollkommener Ele
ganz den einen Winter sich angeschafft
hat, war im folgenden selbst in einer
europäischen Hauptstadt noch von der
neuesten Mode. In Wachow aber
schien es fast extravagant.
Der Amtsrichter kam auf die Ben„
rath'schen Damen' zu und begrüßte
die Großmutter. , sch
losen, kupferbraunen Haar. Und wie
leicht und fein diese dünnen, dünnen
Stoffe und Spitzen über das blasse,
bläuliche Seidenkleid hinflössen. Wie
köstlich die Schultern geformt waren,
und wie die weiße Haut leuchtete ...
Brita wurde roth sehr roth.
Er sah eS mit Herzklopfen. Glü
hende Freude erfüllte ihn.
Denn sie wußte ja nun von ihm
... viel ... alles ...
Sie hatte ihn gelesen.
sähig war ...
Furcht des Weibes vor der Gewalt
einer Leidenschast ...
seh«n."
Sa besser zu werden ..."
In diesem Augenblick erklangen
vom Tanzsaal her lebhaste Töne in
Waldhorn blies, und zwei Geigen
fiedelten hinein in Walzertakte, die
der Klavierspieler Schmeckebier mit
robust zuhauenden Händm aus den
Tasten holte. Man spürte: Dieser
Mann machte sich mit einer entschlos
senen Munterkeit an die Arbeit.
Und in eben diesem Augenblick
fuhr ein seltsamer Schreck oder
Brust...
Eine Lächerlichkeit ...
Etwas gaüz Aeußerliches, Alber
nes . Mit keinem Gedanken hatte
werde sie wiedersehen, endlich und
ganz gewiß. Sehen im vollen Glanz
ihrer jungen Schönheit.
Und nun dachte er blitzschnell: Ich
kann doch nicht mit ihr tanzen!?
Er war nie ein Tänzer gewesen.
Immer hatte er sich ziemlich fern von
allem banalen Gesellschaftstreiben ge
halten. Verschlug ihn der Zufall
einmal auf Bälle,, sah er zu er
freute sich an der Grazie, lachte über
Plumpheit, bemerkte allerlei kleine
Einzelbilder in dem ewigen, endlosen
Wandelpanorama, das den umfassen
den Titel führt: „Menschen unterein
ander" und fühlte sich durch die eine
oder andere Beobachtung doch für
das Zeitopfer entschädigt. Für einen
Künstler, der sieht, giebt es keine
Erwartete Brita, daß er mit ihr
tanze? Würde es sie kränken, ent
täuschen, wenn er es nicht that?
Er hatte ein starkes Empfinden
davon, daß es seiner Persönlichkeit
nicht anstehen würde zu tanzen ...
Hendrick Hagen, der walzt ... sein
Geschmack lehnte sich dagegen auf...
Und er beantwortete all diese in
blitzrascher Schnelligkeit durch seinen
Kops wirbelnden Gedanken auch
schon, kaum daß sie entstanden, mit
einem festen „Nein!".
Aber irgendeine undeutliche
Schmerzempsmdung, eine Unruhe be
fielen ihn.
„Ich tanze nicht, mein gnädiges
Fräulein," sagte er mit einem etwas
erzwungenen Lächeln, „wenn Sie er
lauben. will ich Ihnen andere Tän
zer ..."
Aber da kamen schon andere und
Oberleutnant Püllmann, der sich von
seinem Kameraden, dem Bezirksadju
tanten Oberleutnant Müller, vorstel
len ljeß. Denn Müller hatte schon
einmal die Ehre gehabt
Und zugleich waren alle Scheu, alle
Befangenheit von Britas Wesen wie
fortgeweht.
„Guten Tag," sagte sie vergnügt,
„guten Tag."
Und reichte Andre schlankweg die
Hand...
Und war sehr lebhaft mit den bei
den Offizieren.
Den hohen, grauhaarigen Mann an
ihrer Seite schien sie nicht mehr zu
sehen.
Er trat zurück.
Das war ja ganz natürlich so von
ihr ganz klug sogar ...
Aber der Ton, in dem sie „guten
Tag" gesagt, hallte doch in ihm nach.
Wie ein starker Freudenklang war er
Er hatte dem „Tänzer" gegolten,
sagte er sich; sie als Fremde mochte
eine rührende kleine Mädchstenangst
gehabt haben, ob sie auch genug tan-
Er wußte, daß Andre und sie
sich auf eine fast romantische Weise
kennen gelernt hatten. Andre selbst,
der an jenem Abend so unerwartet
spät heimkam, erzählte den Grund
dieser Verspätung.
Und so unbefangen fröhlich sprach
jedem andern.
Alles, was geschah, schien ihm Ver
gnügen zu machen, weil alles zum
zugehört hatte wie Jemand, d?r ein
köstliches Wissen hat und es nur noch
nicht verrathen will ... Wir gut,
Und es gibt Work, ganz abge-
Zwei Menschen, die sich „sehr
hatte, sie sei „sehr nett."
dieses Urthett ...
Wie köstliche Musik hallte es in
Das gab ihnen für das beobach
tende Auge des Mannes etwas Ge
schwisterliches ...
Wie, wenn Vorbedeutung
Schleier noch verbirgt, gibt^ ihr Ostarle,
seltsame Kräfte eine freudige,
spannungsvolle Ungeduld wirkt aus
ihr hinüber zu dem, der ihr entgegen-
Hagen schloß einen Mo-
Nur um zu genießen,. waS durch
ihn hindämmerte.
Nur um sich von diesen'lauten und
eifrigen Menschen zu scheiden, die sich
in's Vergnügen hineinsteigerten ...
Fedder Whist spielen?" fragte der
Amtsrichter, indem er den
in seine Träume Versunke
n«n am Arm packte. Denn
er hatte es eilig. Er rannte zwischen
seinen Gästen hin und her, um alle
nach ihren Wünschen unterzubrin
gen.
.Nein, danke. Ich sehe beim Tanze
i>u.-
Der Amtsrichter stürzte weiter mit
seinen vier Kartenkönigen in der
Hand, um nun einen davon dem
Doktor Georg Fedder anzubieten.
Der besprach sich gerade sehr eifrig
und geheim mit seinem Bruder Her
mann. Die Fedders thaten nichts
ohne einander, und Georg war die
Intelligenz in diesem Verband der
Interessen. Jetzt hatten sie sich ge
rade klar gemacht, daß sie ganz in die
zweite Reihe gedrängt werden wür
den, wenn sie sich nicht an „Neu-
Wachow G. m. b. H." betheiligten.
Georg hatte auch gewußt, wie Geld
flüssig zu machen sei, wobei zugleich
beide Brüder doch die Hoffnung heg
ten,, daß die Geschichte noch scheitern
würde. Sie haßten Berthold und
gönnten ihm nicht, daß er, wie wahr
scheinlich, im Aufsichtsrath später der
Mrende Geist werden würde, denn
Berthold, der fremd Zugezogene,
hatte schon seit vielen Jahren den
eingesessenen Georg Fedder mit
Praxis überholt.
Georg Fedder nahm eine Karte,
und der Amtsrichter eilte weiter.
Hendrick Hagen stand einsam. Er
empfand es nicht. Vielleicht traute
sich keiner recht an ihn heran. Man
hatte so wenig Interesse mit ihm ge
meinsam, eigentlich gar keine. Die
älteren Herren fanden sich zu Skat-
und Whistpartien zusammen, bespra
chen Geschäfte mehr noch und eif
riger als etwa Politik- oder Lokal
fragen oder die Geembeha.
Um die weißgedeckten Tische saßen
die älteren Damen und ertrugen höf
lich lächelnd und plaudernd ihr Loos,
das sie nach kleinbürgerlicher deut
scher Sitte eigentlich vom Vergnügen
ausschloß.
Hendrick überflog das alles mit
einem Blick und hatte einen Moment
das Gefühl, als sei er auf einen
Schützenball verschlagen. Sein Ge
schmack als Künstler, sein Bedürfniß
nach vornehmen Lebensform lehnte
sich gegen dies alles auf. Eine leise,
hochmüthige Ungeduld machte ihn
Wie alle diese Menschen strahlten
im Behagen an ihrer eigenen Würde
... oder wie feierlich steif sie wurden,
wenn sie versuchten, einen leichten
Ton anzuschlagen.
Und doch waren es alles Menschen
von guter Erziehung, aus angesehe
nen Familien.
Wie kam das? Woran lag das?
Die Kleinstadt war es nicht. Auch
nicht dieser Wirthshausraum.
Hendrick hatte das Aehnliche be
obachtet in Gesellschaften der Haupt
städte Deutschlands er hatte ge
sehen, daß in prachtvollen, künstlerisch
geschmückten Räumen der gleiche Ton
der Unfreiheit und der Steifheit er
klang. Er wußt« auch, woran es
lag. Oft dachte er: Wir sind wie
Leute, die, zu Vermögen gekommen,
sich nun zunächst erst mal schöne Klei
der und feine Sachen anschaffen.-
Unsere Möbel, unsere Tafeln, unsere
Röcke fangen an, aristokratisch zu
werden ... aber eben nur sie ...
Und seine empfindliche Seele sehnte
sich nach Schönheiten, Freiheiten ...
Eine Geselligkeit ersehnte er, in
fürstlichen Formen. Aber erfüllt mit
einem feinen, freien, geistigen Gehalt.
Er liebte es, sich zwischen wissen
den, klugen, wortgewandten Men
schen zu bewegen, die den Muth hat
ten, über alles zu sprechen, weil sie
durch vollkommenste Erfahrung wie
der eben so unbefangen geworden
waren die Kinderseelen ohne Erfah
rung ...
Er liebte schöne Frauen und ele
gante Männererscheinungen in Klei
dern, die dem Auge Wohlthat wur
den ...
Und er sah Mensch«n im „Staat"...
In dieser Umwelt gab es nur einen
Anblick, sie erträglich zu machen.
Brita!
Er trat in die Thür zum Tanz
saal. Da überraschte ihn zunächst
ein Schauspiel ... Er hatte keine
Ahnung davon gehabt, daß der Bür
germeister ein leidenschastlichtr Tän
zer sei trotz der sünsundvierzig Jahre
und trotz der Körperfülle. Denn
wenn diese auch ziemlich gleichmäßig
auf die ganze Gestalt vertheilt war,
auf zweihundertzwan'zig bis zweilKn
dertdreißig Pfund war der Bürger
meister immerhin zu schätzen. Roth
war sein Gesicht unter dem blonden
Haar, und er legte sich ein wenig hin
tenüber. Aber trotzdem: Er tanzte
elegant, sehr '«cht und mit sicherer
Führung. Man sah Frau Antoinet-
das Vergnügen an, mit ihm zu
derentwillen er diese Stunden ertrug:
Sie tanzte noch oder schon wieder mit
Andre.
Es war sehr reizvoll, ihnen zuzu
sehen. Die Harmonie in ihren Be
wegungen war überraschend. Es
tonnte scheinen, als hätten sie von
ihren frühesten Kindertagen an nichts
gethan, als sich zusammeu eingetanzt.
Und ordentlich ernst und eifrig sahen
sie dabei aus. Als würde ihre Ehre
Schaden leiden, wenn sie diese Auf
gabe nicht glänzend lösten.
Hendrick Hagen sah ihnen zu ...
Und ihn wiederum beobachteten ein
paar Damen, die mit Theetassen oder
Fächern in den Händen um einen der
Tische saßen und mit Raubthierhun
ger nach Gesprächsstoffen ausspähten.
.Ich weiß nicht," sagte Frau Dok
tor Georg Fedder, nachdem sie Hagen
durch ihren goldgefaßten Kneifer be
obachtet hatte und ihr rosigblondes
Mopsgesicht nun der Nachbarin zu
wandte, „ich weiß nicht er ist doch
fast Altersgenosse von meinem Mann.
Aber er wirkt viel jünger."
„Macht die Gestalt!" sprach die
Baronin Meinshagen,. die straff mit
mageren Schultern dasaß, und deren
Sie wußten nicht, daß die Jugend
lichkeit in Hendrik Hagens Erschei
nung von jeinen Augen kam.
Sie sahen es nicht, daß er die jun
gen, ganz jungen Augen des Dichters
oder des Liebenden hatte ... was
.Wie muß ihn das langweilen,"
flüsterte die Doktorin Fedder,. „so
zuzugucken ... Gott, und er lächelt
junge Gestalt es flattert« in so
dür/te!
ten durcheinander.
Frau Marya Keßler am Arm des
Oberleutnants Müller, der umsichts
sammen zu sein. Aber Brita wurde
gerade von ihrer Großmutter festge
halten. Und was für ein gequältes
Gesicht sie machte, als sie nun zuhörte
und antwortete ...
Ja, Brita dachte: Es.ist schrecklich!
„Doch. Fast swmm."
„Gott, was soll ich noch viel sagen?
Wenn du ihm immer so viel..
„Borlügst!" hatte sie sagen wollen.
Und erschrak doch darüber.
„Es ist meines BaterS Mutter/
Und außerdem dauerte die Groß
mutter sie. Die alt« Frau schlief
fast gar nicht m«hr. Brita freilich
merkte es nicht, aber sie hatte gerade
noch heute gehört, daß Mamsell zu
Herrn Ludewig sagte, Großmama sei
die halbe Nachi umhergewandert,
worauf Herr Ludewig fast roh ant
wortet«, das sei ja kein Wunder.
Immer hatte Großmama Kopfweh,
fung." s t B t
trotzig.
Und dann: „Es ist meine Pflicht,
während sie zugleich that, als biege sie
an dem Ausschnitt von Britas Kleid
eine Schleife zurecht.
zu denken, zu glauben.
„Das wäre entsetzlichl Du muht
Jetzt schlidderte der Oberleutnant
„Zur Quadrille, gnäd'ges Fräu
lein zur Quadrille."
„Aber ein nettes Visavis!" befahl
Brita gleich.
„Herr von Marschner mit dem ei
nen Fräulein Fedder ..
„Famos!" sagte Brita.
Frau von Benrath, lang, vorge
neigt und mit halbgeschlossenen Au
gen, kehrte in den Salon zurück.
Dort stand unterdessen,, auch hart
unter der gipsenen „Flora", Andre
Marschner und unterhielt sich mit
Berthold.
„Wir gehen noch immer um die.
Frage herum."
„Das kann aber doch nicht dau
ern," sagte Doktor Berthold, „wie
„Ich sonst auch nicht. Aber sehn
Sie mal, lieber Herr Doktor: Zum
erstenmal seit zehn, elf Jahren bin
ich in guter Laune und herzlicher Art
Berthold lächelte dem jungen, von
Herzlichkeit und Wichtigkeit leuchten
den Gesicht zu. Ein famoser Jungem
dachte er wohlgefällig, und das Kna
benhafte steht ihm gut.
„Als Sie damals bei mir waren
„Wollt ich auch erst. Aber dann
Sturm wie ein Wesen, das man ent
kleidet hat. Auf der Landstraße wa
ren die Wagenfurchen zu Wasser
tal hatte sich der Herbst auf die
ist: Mir bleibt Rothe Heidts Er
Mutter vertreiben! Ich liebe ihn
den Tod ... Gott, ich finde eS
langsam: „Ich glaube, es ist nicht
allein das Andenken an Ihr« Mut
ter ... Er glaubt, nirgendwo bessere
Mama. Das mit der „Sammlung
zum Schaffen" ist blos Einbildung,,
nicht von Ihnen, aber von ihm,
wenn er'» so gesagt hat. Es gibt
allerwärts Tinte und Papier. Aber
lassen wir das heute. O die
Musik fängt an ... Noch flink eine
Frage: Ist die alte Frau von Ben
rath sehr wohlhabend?"
Berthold war nicht ihr Rechtsbei
was er dachte, um so mehr, als er zu
einem Klienten sprach, dessen Inter
essen er seit vielen Jahren wahrzu-
Und Berthold sah etwas ganz Sin
ter einem Wagen, darin ein Mädch«n
saß mit weißem Gesicht und lühnge-
togenem. blauem Hut auf iiipkerfar
tenem Haar.
Leise und sehr langsam, als könne
jedes seiner Worte mal vor Gericht
kommen, sprach er: „Ich fürchte,
Jserndorf sitzt bis an die Bodenfen
ster voll Hypotheken ... Wenn's nicht
gar bis an den Schornsteinrand
ist ... Wer weiß, wie alles aus
sieht, wenn die Alte mal die Augen
schUeßt ...
zum Beispiel, daß er im Auftrag ei
nes Hypothekengläubigers unter Kla
geandrohung die am ersten October
fällig gewesenen und nicht bezahlten
Zinsen hatte fordern müssen, und
daß sie trotzdem noch nicht gezahlt
worden waren. Aber das wäre in
diskret gewesen.
„O," sagte Andre ...
Mit einem kurzen Bedauern. Aber
seine junge Männlichkeit mußte aus
der ungünstigen Auskunft irgendeinen
Gewinn ziehen ... Seine Augen
strahlten. Er sah aus wie Jemand,
der einen beruhigenden, beglückenden
Gedanken hat ... der sich als Trö
ster, als Retter fühlte ...
Er wollte noch etwas sagen oder
fragen. Aber da kam Püllmann und
rief: „Wo bleiben Sie denn!"
Mit dem Accent eines Mannes,
der einfach alles bedroht sieht. Und
Andre mußte eilen, um sich Fräulein
Georgine Fedder zu holen, weil die
Quadrille wartete.
Wieder stand Hendrick Hagen und
sah nun zu, wie die Quadrille sich ab
wickelte. Aber anders sah er ...
Die Musik mißhandelte sein Ohr.
Es wurde grotesk, mit welcher prä
zisen Genauigkeit all diese Menschen
ihre Schritte, Verbeugungen, Hand
reichungen ausführten. Es war eine
Farce, wie sie dabei einander zulach
ten.
Es war eine Unbegreiflichkeit, daß
sie, die Einei. ihr Wesen verwandelte
in diesem kindischen Thun...
nicht das Geschöpf, das sich selbst
Oder fügte sie sich einem Zwang
dem thörichten, gesellschaftlichen
Zwang, der auch die Feinsten, Erle
sensten zum Gewöhnlichen herab
zwingt?
Hatte er nicht selbst schon heute
verbindlich zu den Ueberflüssigkeiten
der Rede, zu den Albernheiten des
Thuns gelächelt?
Würde sie nicht fühlen, daß seine
Blickt an ihr hingen? Oder war sie
klug, schamhaft, sto>lz ... wollte nicht,
daß diese Platten in das Süße, Hohe
hineinsehen sollten, das sich zwischen
ihnen entspann ... Waren ihr viel-
Rhythmus gleitend schritt, die Rhyth
gewesen. Sie athmete förmlich aus
Rolle. Im Hause der Steoens hatte
sie sich immer betont, aus allen Ecken
und Winkeln ihres Wesens ein bis
chen Hochmuth, ein bischen Blasirt
ten.
stehen.
lächelte: „Wie unterhältst du dich?
Papa!
Mit Absicht! Oder nur so hinge»
kehrston, der zwischen ihnen herrschte,
endlich dies Wort ein?
Kam es ihm unwillkürlich? Viel-
Vortsezung folgt.)
Fir die Küche.
Apfersinenreis. Ein hal
bes Pfund Reis wird mit heißem
Wasser gebrüht und mit Wasser, einer
Prise Salz, etwas Citronen- und
Apfelsinenschale, einem Löffel Zucker
weichgelocht. Die Körner dürfen aber
nicht zerkochen. Dann preßt man aus
B—ö8 —ö Apfelsinen den Saft aus, hüte
sich aber, die Körner darin zu lassen,
weil es sonst leicht bitter schmeckt, süße
es reichlich und vermische es mit dem
noch warmen Reis. Man giebt den
Reis erkaltet in einer Glasschale zu
und garnirt mit Apfelsinen-
G«backen« Eier. In einer
nicht zu tiefen Pfanne kocht man zwei
Quart Wasser mit einer halben Tasse
Essig und einem Löffel Salz. Wenn
das Wasser im Kochen ist, schlägt
man frische Eier rasch hinein. Die
Eier müssen 4 Minuten nur an der
Seite des Feuers kochen. Dann
löffel aus dem Wasser, schneidet die
Ränder glatt, bedeckt sie mit gerie
bener Semmel, unter die etwas Par
mesankäse gemischt wird, bäckt die
Erer in Backfett schwimmend, gold
gelb und reicht eine warme, feine
Senfsauce dazu.
Eier - Zwiebeln. Große
spanische Zwiebeln höhlt man aus.
macht aus dem Ausgehöhlten sowie
tinigen Scheiben Schinken und dem
' nöthigen Gewürz eine feine Farce, die
man etwas aufbratet. Etwas davon
füllt man auf den Boden jeder Zwie
bel, schlägt je ein ganzes Ei darauf,
setzt die Zwiebeln in eine Kasserolle
und dünstet sie in Butter. Sobald
die Eier anfangen fest zu werden,
gibt man Farce, einige Tropfen
Würze und geriebenen Parmesankäse
obenauf, glasirt mit glühender Schau
fel und fervirt sofort; wenn man will,
mit Madeira- oder Sardellensauce.
Wohlschmeckende Lima
bohnen. Dies« weicht man über
Nacht in Wasser. Am Morgen wird
das Wasser abgegossen, und man
bringt die Bohnen mit kochendem
Wasser zum Feuer. Für 1 Pint
Bohn«n sind 2 Quart Wasser zu neh
men. Nachdem die Bohnen 2 Stun
den langsam gekocht haben, wird das
Wasser abgegossen. Dieses kann zur
Suppe gebraucht werden. Nun ver
rührt man 1 Eßlöffel Butter mit 1
Eßlöffel Mehl, gießt unter beständi
gem Rühren 1 Pint heiße Milch da
zu, giebt die Mischung über die Boh
nen, würzt mit Salz und Pfeffer
nach Geschmack und läßt das Gericht
Ofen brodeln.
Lammbraten. Eine Deli
katesse des frühen Frühjahrs ist jun
ger Lammbraten. Das Lamm darf
allerhöchstens drei Monate alt sein.
Man bereitet es auf folgende Art sehr
pikant zu. Je nach Bedarf sind eine
oder beide Keulen zu waschen, zu
häuten und mit fein gestoßenem Pfef<
fer und Salz einzureiben. Hier und
da werden mit dem Messer Einschnitt«
gemacht und etwas Rosmarin, etwas
Knoblauch und etwas Salbei hinein
gesteckt, die vor dem Anrichten heraus
gelöst werden müssen. Man setzt da»
Fleisch mit reichlich zerlassener Butter
beiz di« Keulen müssen Stunden
bei guter Hitze braten, sind aber mit
gebuttertem Papier zu bedecken, das
Stunde vor dem Anrichten zu ent
fernen ist. Sie müssen während der
Bratzeit oft begossen werden. Nach
dem das Papier entfernt ist, wird
Citronensaft über die Keulen gespritzt
und Stückchen frischer Butter auf dai
Fleisch gelegt. Jeder Hammelbraten
muß auf besonders heißer Schüssel
angerichtet werden. Die Sauce ist
mit Mehl sämig zu machen, etwas ge
wiegten Salbei und Petersilie mischt
man darunter. Länglich geschnittene
in Petersilie und Butter geschwenkte
Kartoffeln, Scheiben von abgeschälten,
sauren Gurken und in kleine Röschen
getheilter Blumcnkohlsalat werden
ringsum garnirt.
Zwei Stunden. Man kocht
Pfund weiße, gut verlesene Bohnen
Sieb und läßt das Wasser vollstän
dig ablaufen. Dann kocht man einige
Löffel Mehl mit etwas von der
Brühe, in der man den mageren Speck
Zwiebeln, etwas feingehackte Petersi
lie, etwas Salz, Pfeffer und Majo-
Gefüllte Eier. Man hal
ndem man sie mit dem stumpfen
Znde in Kartoffelpüree stellt. Dazu
!ine Curry-Sauce.