Scranton Wochenblatt. (Scranton, Pa.) 1865-1918, April 18, 1907, Image 2

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    Sei«e Kleine.
....„Denn also, meine lieben Kon
firmandinnen, müsset ihr nun auch,
ehe ihr an des Herren Tisch tretet, des
Psalmenlieds Davids eingedenk sein,
der da bittet: .Schasse in mir, Gott,
«in reines Herz und gib mir einen
Die Stimme des Predigers in der
Konfirmandenstunde sprach weich und
eindringlich. Eben war noch ein Ki
chern und Flüstern während seiner
Worte gewesen-, jetzt schwiegen die
Mädch«n, die höheren Töchter, vor sei
nem ernsten Blick.
„Noch wenige Wochen nur... und
ihr müßt die Kinderschuhe ausziehen,
in denen ihr so leicht und sicher die
glatte Straße im Elternhause ge
schritten seid. Rüstet euch darum zu
dem neuen Weg« mit Gottvertrauen
Da schubste Suse. Unter dem Tisch
zwingenden Stoß.
Da blieb Hilde trotzig sitzen. Das
Lachen begann schon wi«d«r ihre gan
ze kindliche Gestalt zu durchrütteln.
Der Geistliche sah es nicht mehr.
Er hatte den Kopf zum Gruß geneigt
und die Sakristei verlassen.
Die Predigerstunde war für heute
packen.
Hilde und Suse am lautesten.
Ein paarmal steckte der Küster den
Kopf zu der kleinen Thür hinein und
bat sich Ruhe aus. Es nützte nicht viel.
Wie die aufgescheuchten Vögel schirrte
das nun zwitschernd auseinander, auf
die Straße, in den Märzschnee, den
mitten durch vorwitzige Frühlings
sonnenstrahlen ein« dunkle Wetter
wolke urplötzlich wieder auf die Erde
hinabgestrcut.
„Schade",... dachten einige lenzes
schnfüchtige höhere Töchter.
„Fein",... meinten andere, die
leichten, glitzernden Schneesternchen
aus den dunklen Mänteln bewun
dernd.
Hilde und Suse sahen weder Schnee
noch Sonnenschein. Arm in Arm
schritten sie die Straße hinab, plau
dernd, kichernd, ausgelassen.
„Hast du den Quatsch verstanden?"
Sus«, di« kleinere und jüngere
Die feinen, schlanken Schultern
zuckt«n leicht.
glaube nicht!... Js ja auch
Konfirmandenstunde ich
hab' mich todtgelacht! Sie hat die
Psalmen auch nie gekonnt! Na ja ...
und hat das was geschadet?... Nein!
Mit sechzehn ist sir eingesegnet wor
den, mit siebzehn hat sie sich verlobt,
»nd ein Jahr später war die Hochzeit!
Sie hat ihren Leutnant gekriegt, den
sie wollte, braucht bei ihm k«ine Psal
men zu können und lebt alle Tag«
herrlich und in Freuden!"
Suse lachte.
„Thut sie das wirklich? Papa mein
te neulich, als ich ihm von deiner
Schwester erzählt«, ich sollte nicht so
ausschneiden! So ein junger Offi
ziershaushalt... wenn kein großes
Vermögen da ist wie bei euch, kann
es gar nicht so üppig sein!"
Hilde schluckte.
„Quatsch!... Ueppig!... Davon
habc ich ja gar nichts gesagt! Anne
marie ist jedenfalls immer sehr zu
frieden und fidel! Und mein Schwa
ger Hans auch! Mama und ich. wir
wir in Potsdam drüben sind!"
„Dein Papa nicht?"
„D...0ch!... Aber der fährt sel
ten mit... er hat so viele Vorlesun
gen jetzt vor den Ferien! Zu Ostern
will er mit rüber! Na... jedenfalls
Du... das muß großartig werden!
Zum ersten Male Hauptperson, Suse!
... Lad«t ihr viele «in?"
Das elegante Direktorstöchterlein
„Natürlich! Alle Bekannten und
Verwandten! Das Essen wird im
Hot«l bestellt, di« Feier ist zu Haus!
Nc weißt« ... wenn man seine Ein
segnung nicht mal ordentlich feiern
5011... was dann?"
wer.... was? Satintuch oder Krepp
....oder Voile muß man doch min
roth« Augen..... haste gesehen? Die
hat geheult, sagt Irma Wellner, weil
sie nicht alles neu vom Kopf bis Fuß
kriegt! Ihre Mutter hätt« g«m«!nt,
das wär« nicht nötig."...
Darauf sagte Hilde nichts. Ganz,
ganz leise seufzte sie. Mama würd«
sicher heut« wieder in sehr schlechter
ckerig... und Mama bekam ihre ner
vösen Zuständ«. Ab«r na... Hilde
hatte sich schon daran gewöhnt, es war
bisher immer noch alles gut abgelau
fen .. es würde auch diesmal so sein!
An der nächsten Straßenecke trenn
ten sich die Freundinnen.
Das Schneetreiben hatte aufgehört,
durch die Wolken drängte sich ein letz
ter blaßrother Sonnenstreifen, dann
Hilda beschleunigt« ihre Schritte.
Aus der Treppe nahm sie immer zwei
Stufen mit einem Male, das Köpf
chen ganz schwer und voll lauter herr
lichen Ideen für den Einsegnungstag.
Zuerst ging sie zu Papa. Das that
sie immer so, wenn er zu Hause war.
„Meine Kleine" nannte er sie. Das
klang so süß, viel süßer als „miine
Große", wie Papa zu Annemarie sag
te. Seltsam! Er sagte das auch immer
in einem ganz anderen Ton. Bei der
verwöhnten Schwester hatte er immer
das zweite Wort betont... „M«in«
Gr0ß«"... b«i sein«! Jüngsten be
tonte er das erste Wort „Mein«
Kleine"
Warum er das wohl that? muß
te Hild« plötzlich denken. Weil sie sein
hclles Haar und seine Hillen Augen
hott«, während Annemarie mit ihren
dunklen Locken der Mutter glich? Oder
weil schon von frühester Jugend an
ihr Spielwinkel in Papas Studier--
ftub« war? Nicht wie Ann«mari« im
Kinderzimmer, n«in, ein ganzes klei
nes Ofeneckch«n hinter Papas Schreib
tisch, in dem gerade ein Stühlchen, «in
Puppenbettchen und eine winzige,
wacklige Kindcrkommode Platz hatte.
Das alles stand heute noch da. Papa
hatte sich an die Sachen so gewöhnt,
«r wollte das da in sein«r Nähe behal
ten. Eigentlich schämte sich Hilde,
wenn Bekannte das sahen. Und sie er
klärte ihnen j«d«smal, daß sie schon
ewig lange mit den Dingern nicht
mehr spiele. Dabei sah sie aber sehr
scheu Papa an, was er zu dieser Lüge
sagte. Denn manchmal in gar so
einsamen Dämmerstunden, wenn Papa
so stumm und v«rsunken in seinem
großen Stuhle saß. spielt« Hilde doch
damit. Dann kniete sie vox dem Bli
chen, strich mit zärtlichem Finger die
Kissen und Deckch«n glatt und nahm
zitternd vor Entzücken aus der
mod« ein spinnenfeines Kleidchen nach
dem anderen, um sie ihrem alten,,
blassen Wachslinde der Reihe nach an
zuziehen. Und dann sang sie auch
manchmal dabei. L«ise... unhörbar
fast ... aber sie sang doch
Davon wußte nur Papa, kein
Mensch sonst... es war auch eigend
lich zu albern für «in sechzehnjähriges
Mädchen!
Heut« hatte d«r Professor schon Licht
in seinem Arbeitszimmer. Er schrieb
so hastig, war so in sein W«rk vertieft,
daß er es gar nicht hört«, als Hilde
eintrat.
Sie stand ein Weilchen r«gungslos
auf dem Teppich und sah ihm zu. Sie
sah seinen geneigten, grauen Kopf, das
blasse, gefurchte Profil und die schlan
ken, iib«rschlank«n Händ«, auf denen
das Lampenlicht die blauen Ad«rn
durchschimmern ließ.
„Wie alt er wird," dachte Hilde er
schreckt. „Wie elend er aussieht! Wa
rum schreibt er auch zu Hause noch so
viel? Sein« Vorlesungen in der Uni
versität strengen ihn doch schon genug
„Papa" .. ri«f sie halblaut.
„Na, meine Kl«ine! Mal wieder
fromm gewesen? Dann geh nur zu
Mama, die hat schon nach dir ge
fragt."
„Ach Gott, Papachen ... fromm!
Wie du das sagst! Wer ist denn heut«
noch fromm? W«r hat denn das noch
nöthig?.. Die Menschen alle sind doch
heute viel zu modern dazu!"
lichrs Mädel gefragt: .Warst du
Rasch trat sie hinter des Vaters
Etichl.
Es macht... so müd«! Aber" ... Er
«r gequält.
Als das Mädchen regungslos bei
ihm stehen blieb, schob «r es ungedul-
si« sollte ihm, dem Pro
s«ssor, dem Allwissenden, Helsen?...
Was er damit wohl gemeint hatte?
D«m Papa h«ls«n!... Sie hätte dos
wohl gern gethan ... aber es war
„Bist du's, Hilde?" fragte sie, als
„Ja, Mama!"
„Gott sei Dank, daß du kommst!
Du brauchst dich erst gar nicht lange
„Ja," sagte Hild« leise, ~«r sieht
höchlich ' 'ch da '
verstehe Papa nicht! Als ob wir über
unsere Behältnisse lebten! Ich hatte
Anstatt, daß er sich als Vater über sol-
Hand am Tischrand fest.
„Hat... Papa das ... alles so ge
sagt?" ...
mutige Frau Professor zuckte di« Ach
Papas Art!"
„Ja"., nickt« Hild«. Und dabei
als d«r Bat«r.
hörte sie plötzlich die Worte des Pre
gebt.". ch H z
Die Kleine wurde plötzlich in die
sem stummen Sinnen zur Großen ~.
Mama! Meine alt« Wäsche ist doch
glaube! Und das Kleid... Muttchen
.F P fss 1
„Aber Hilde... das ist ja Cheviot
... den deine Schwester damals nicht
w011te."...
Hilda nickte. Das junge Gesicht
fchaft... brauche ich doch nicht!"
Die schlanle Frau Professor sah
kerzengerade neben ihr«r Tochter, un
den.
«Aber, um Gottes willen ...
Rum denn das alles .., Hilde?" Da
hielt sich das blonde Mädel nicht län
»nd durch echter Liebe voll: „M eine
Kleine!"
Ter Brutofen.
habendi- Gwcke gesetzt,
„Wir haben Mitte August, es wird
Mund.
„Der Brutofen, so das ist also
das Neueste?"
ten," erklärte Herr Mainländer. „Das
„Ich brüte auch nicht ant-
Brutofen."
nelle."
den künstlichen Waben," nickte Fräu
lein Tip^,
Herr Mainländer schnippte ärger-
sich schon seit langem vorgenommen
hatte, mit sechzig Jahren das Geschäft
aufzugeben. dem Billenstädtchen
der neuesten Theorien. Daß er dabei
allerlei Mißerfolge erlebte, hätte we
nig zu sagen gehabt, wenn nicht seine
grüßt hätte. Ihr selbstgefälliges „Ich
Aber das lag durchaus nicht in
ihrer Art. Als am Nachmittag die
Brutmaschine ankam und Abgeladen
„Als Zierrath des Borgartens "
ckt
Dutzend einlegen. Zum Versuch ge
nügt das. Es ist schon so spät, bald
September. Nächstes Jahr brüte ich
italienische Kisteneier?" fragte Fräu
lein Tips.
„Ich habe mir Brahmaputra be-
Wirthschafterin.
hart.
Mit der Schaumkelle holte !ie die
wendete die Eier. Am fünften Tag
nahm er die Eier einzeln heraus und
prüfte sie mittels Durchleuchtung.
„Wenn jetzt in der Mitte ein dunk
ler. faseriger Kern erscheint, dann sind
die Brutkeime in Ordnung." erklärte
er Fräulein Tips.
Aber es erschien nichts, die Eier
waren vollständig undurchscheinend,
eines wie das andere, so hoch er auch
die Lampe schraubte, und so sorgfäl
tig er den Refleltor einstellte. „Der
Eierprüser taugt nichts, oder die Eier
sind zu dick," meinte er, indem er sie
wieder in den Brutofen legte.
„Wenn nur nichts damit vafsirt
ist", warf Fräulein Tips bedenklich
abweisend. „Die beste natürliche
Glucke kann nicht so gleichmäßig brü
ten wie eine Maschine."
Er hatte nur ein mitleidiges Lä
cheln, als seine Wirthschaften» einige
Tage später triumphirend erzählte,
daß ihre Küchelchen jetzt ausgebrochen
wären.
„Wie viel sind es denn?" fragte er.
„Sieben Stück."
.Das ist eine böse Zahl. Da sehen
Sie, wie wenig Verlaß auf die Na
turbrüterei ist. Ich erziele wenig
stens neunzig Prozent."
„Wenn die Henne durch die Ge
schichte mit dem dummen
nicht gestört worden wäre, hätte es
auch mehr gegeben," vertheidigte
Fräulein Tips ihre Glucke.
„Na, in zehn Tagen sind meine
auch so weit," meinte er.
„Ich glaube es nun einmal nicht,"
sagte das Fräulein kopsschüttclno.
Natürlich mußte Herr Mainländer
sich die Minorkaküken doch einmal an
sehen. Wie dunkelgesärbte Kanarien
vögel saßen sie unter dem Brntlorb
und antworteten mit gellendem Pipen
auf den Lockruf der Glucke.
„Es ist eigentlich ganz gut, daß es
nicht so viel sind," sagte er zu der
Wirthschaften«, „da kann die Glucke
nachher meine Hühnchen dazunchincn."
Aber da kam er schön an. Für
seine Riesenküchelchen sollte er sich mir
dazu
„Dann werde ich selbst Glucke spie
len, das geht auch, wenn man auf»
doch ab. Man sollt«
„Nicht möglich!" Fräulein TipZ
war starr. „Alle zwölf?"
„Nein, nein, nur sieben", kam es
mit den E.ern etwas pas„rt
„Ja, was soll denn damit v'.ssirt
sein?" fragte die Haushälleein.
„Schlecht ausgebrütet werden sie sein.
sehen?"
des Brutofens. starrte sie^in
Wüthend stürzte Fräul.'iir Tips
Fremder: „Wen stellt das Bild
! B«rmiith«rin: „Meinen Al
ten!"
nein?"
Vermietherin: „Meinen Ael»
testen!"
Je nachdem. „Wir Ihr«
Aelteste beim Zeitungslesen die Färb«
wechselt!" „Ja, beim politisch«»
Nachrichten grün und gelb."
Noble Bekanntschaften.
Frau (deren Mann im Zuchthaus
ist, stolz): „Heute hab' ich wieder
meinen Mann besucht!... Na, was
der im Zuchthaus für noble Bekannt
schaften hat Barone und Bankdi
rektoren.. .und alle sagen s „Du" zu
einander!"
-- Aengstlich. Alte Jungfer
.Darf ich, Auguste?"
Fremder. „Das Bett scheint
Hausknecht: „O bitte, das ist
Komplizirter Aerger.
„Weshalb ist denn der Herr Rech
nungsrath heut' so schlechter Laune?"
„Ach, der hat sich gestern Abend