Scranton Wochenblatt. (Scranton, Pa.) 1865-1918, January 31, 1907, Image 2

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    Der Aelteste.
Während des Lesens hörte Bert
ihre yanze Unterhaltung über den
Spaziergang, dtn die anderen plan
ten.
Bert neigte sich über sein Buch,
sagte nichts. Er fühlte nur, wie
Fräulein sich hinter ihn stellte und die
Hand auf die Stuhllehne legte.
„Gehst du auch mit uns, Bert?"
„Nein," sagte er fast unverständlich
kurz, ärgerlich über ihren absichtlich
freundlichen Ton ihm gegenüber,
während er sie immer anfuhr.
noch
absichtlich nicht.
Gott fei Dank! Auch die Person,
die er so haßte! Bevor sie kam, gleich
nach Mutters Tode, waren Riecke
und er viel mehr beisammen gewesen.
ihrem Tode hatte er sein Leben mit
ob es sich von selbst verstünde, Mut
dreien auf den Kirchhof gehen und
sie dann Blumen auf Mutters Grab
legen würden. Das Geld dazu hatte
Mutter dann wieder bei ihm wäre...
Jahr hindurch hatte er
den Wunsch gehabt, an's Grab zu
gehen. Aber er mochte Niemand bit
ten. mit ihm hinzugehen und war in
seiner scheuen Verwundbarkeit stets
fragen könnt« ...
Jetzt aber jetzt ging Vater na
türlich!
Und dann, gestern Abend sagte
Vater plötzlich: „Ich verreise heute,
nach Rotterdam, bin Montag friihe
ich gehe natürlich morgen nicht aus
der Stadt ..."
Aber Vater sagte nichts.
Mit starren Augen saß Bert und
Klickte auf sein ruhiges, unbeweg'
liches Gesicht, als er still seine Zei
tung las. Bert beobachtete in diesem
Augenblick alles scharf an ihm: seine
braune Wange, das schwarze glatte
Haar, den schwarzen Schnurrbart
und den dicken, über den hohen,
glänzend weißen Strhkragen hervor
quellenden Hals und Mutters
Ring an der Hand, mit der er die
Zeitung hielt sein« schwarz und
weiß getupfte Weste ... und dabei
ging ihm mit einem wehen, verwir
renden Gefühl immer wieder der Ge
danke durch den Kops: Er reist fort
reist fort und geht nicht zur
Mutter. Und Mutter war doch im
mer an Onkel Josts Sterbetag auf
sein Grab gegangen, um
bringen und alle Menschen tra
ten das und jetzt, wo Mutter da
lag, gingen sie niemals zu ihr.
Er hörte das Fräulein sagen:
„Solch «in Sonntag ist auch sehr
geeignet, um fortzureisen."
Vater gab kein« Antwort.
Aber Bert flammte der Haß auf
gegen die fremde Person, die vielleicht
sah, daß Vater nicht auf Mutters
Grab ging; Haß gegen seinen
Vater, daß nun auch andere Men
schen sähen, daß er nicht an Mutter
dachte. Und er litt nicht darunter,
daß sein Vater so handelte, er litt
nur um seine Mutter, in eifersüch
tigem Schmerz, daß man sie verges
sen konnte ...
Und er kam zu dem Entschluß,
allein zu gehen und Blumen auf's
Grab zu legen.
Des Morgens war er wach gewor
den mit einem ärgerlichen Gefühl,
über das er sich selber nicht klar war.
Dann fiel ihm ein, daß es Sonntag
war und er allein auf den Kirchhof
gehen mutzte.
Für seine scheue, verschlossene, leicht
verletzte Natur war es hart, so allein
nach dem Kirchhof zu gehen. Er
wehrte sich tapfer dagegen, litt aber
schon jetzt darunter.
Dennoch dachte er nicht daran, zu
Hause zu bleiben, und langsam
wuchs das Verlangen nach dem „Un
bestimmten", das er an Mutters
Grab erleben würde, das Schöne ...
Leise, aus Furcht, es könnte ihn
etwas hindern, lief er durch den
Flur und zog die Flurthiir« hinter
sich zu. Auf der Treppe fühlte er
das Geld hatte.
An der Ecke am Osterweg erblickte
er den Blumenladen.
Als er über den schmalen Gang zur
Blumenhandlung schritt, überlegte er,
was er fragen wollte. Erröthend sah
er sich um, ob Niemand da war ...
bis er in eine Art Garten hinauskam,
in dem die gläsernen Treibhäuser der
Gärtnerei schillernd in der Sonne
lagen.
Ein Mann band hier auf dew
Knieen liegend einen jungen Stalnm
auf.
Der Gärtner bemerkte ihn nicht.
Schüchtern stellte Bert sich dicht hin
ter ihn und sagte dann leise:
„Haben Sie auch weihe Blumen?"
Der Mann blickte auf und nickte
langsam.
„Nur weitze? ... Gelbe sind ja
wohl auch gut?"
Bert war verwirrt und hörte nicht
gut, was er sagte, konnt», auch in die
sem Augenblick nichts weiter sagen
als ein stotterndes: „Ja/
Langsam stand der Mann auf und
trat durch einen engen kleinen Weg
auf die Stelle, an der abgeschnittene
Rosen in einem Topf mit Wasser
standen.
Er nahm die feinen, weißen Blü
then zwischen seine erdigen, schwarzen
Finger und hielt sie Bert hin.
„Es ist wohl für ein Grab?"
fragte er dabei und griff nach einem
Tops mit weißen Rosen aus der hin
tersten Reihe.
„Ja." sagte er kurz.
Aber der Mann achtete nicht auf
ihn, hatte ihn nicht einmal angesehen.
Gleichgültig ruhig steckte er die Rosen
zusammen. „Für wieviel wünschen
Sie?"
„Für einen Gulden zwanzig," sagte
Bert von Selbstgefühl erfüllt. Der
Mann hielt ihm das Bukett hin:
Ihnen?"
Als er aus der Gärtnerei trat, er
füllte ihn ein gewisses Gefühl der Be?
friedigung, daß die Blumen so schön
zur Erde gesenkt. Das Bukett dicht
alle zu Hause schnürte ihm die Kehle
»u.
Aber sein Verlangen, bei der Mut
ter zu sein, trieb ihn weiter. Schnell,
hatte er es gefühlt es gab
hier etwas von ihr finden müßte,
etwas Tröstliches, Herrliches, etwaS
von früher, nicht aufgeben. Beküm
mert und in höchster Angst merkte er,
daß «r sich jetzt, wo er hier stand,
plötzlich ihr Gesicht nicht mehr vor
stellen konnte. Sonst wohl stets
und jetzt, jetzt konnte er sie
nicht einmal sehen —je mehr er ver
suchte, sich ihre Züge zu vergegen
wärtigen, desto weniger gelangtes
plötzlich nicht mehr so viel daran lag.
Neben ihm scharrten Füße auf
dem Sand. Wie ein Schlag durch
fuhr es seinen Körper. Er blickte
auf.
Zwei Damen und ein junges Mäd
chen blickten ihn voll Mitleid an und
sahen dann auf den Stein mit den
Blumen und dann wieder auf
Er hörte das Mädchen etwas
sagen wie: „Der Junge da ..."
Dann kam das Gefühl der Ver
lassenheit, das er soeben noch auf dem
Weg gehabt hatte, wieder heftiger zu
rück. die bittere Kränkung, die er
in den Blicken der beiden Damen ge
lesen hatte: Mitleid, daß er so allein
da stand.
Er so allein mit seinem schweren
Kummer unter all den großen Men
schen, die ihn verwundert anblickten
und heftiger, aber doch erleichternd
brach der alte Schmerz plötzlich wie
der durch und mit hartem, trocke
nem Schluchzen in seiner Kehle rief
er verzweifelt immer wieder das eine
Wort: „Mutter! Mutter! —Mut
ter! —"
Es war so still rings um ihn her,
daß er sich plötzlich rauh und hart
aufschluchzen hörte, und er erschrak
vor seiner eigenen heisernen Stimme.
„Nun liegen die Blumen da
aber es bleibt doch alles dasselbe
Mutter so weit Mutter kommt
nie mehr zurück."
Er durchlebte nun wieder den Tag,
da Mutter gestorben war. Groß
mutter hatte ihn allein nach oben ge
bracht und sie war, den Arm um
seinen Hals, neben ihm stehen geblie
ben und Mutter hatte da so
schrecklich still und bleich gelegen
er hatte nicht gewagt, sich zu rühren,
hatte nur immer nach Mutters Ge
sicht sehen müssen, bis er zuletzt nichts
mehr sah ... vor Thränen ... Und
Großmutter hielt ihn nur so ganz
leise fest und nickte still vor sich hin
und dann kam Großvater auch
nach oben und der suhr Mutter still
über's Gesicht und er hörte
Großvater leise flüstern ... „Marie
chen" so nannte er Mutter immer,
gerade als ob Mutter noch klein wäre
und dann sah er,, daß Großvater
auch weinte. Mit Großvater und
Großmutter war er dann nach unten
gegangen. Aber später, als Mutter
trauriger geworden. Das Schreck
lichste war, daß sie nicht mehr am
Fenster oder im Sommer im Garten
eintrat, dann blickte sie auf und dann
erzählte er ihr alles, dann sahen sie
so traulich beisammen. Wenn Vater
behalten können, dann wäre es gar
nicht so schlimm gewesen. Jetzt war
zu Hause alles traurig. Und das
Fräulein! Sie sollte nicht immer
so liebevoll zu ihm thun, unerhört!
Manchmal sieht's so aus, als dächte
sie, sie wäre ebenso wie Mutter,
dächte, dah er e? zufrieden wäre,
wenn sie ihn so an sich zieht ... Und
das kann nun niemals mehr anders
nirgends Trost finden konnte, drang
eine harte, bittere Erkenntnih, jetzt,
wo er zum erstenmal das grohe Le-
mit polternden Stößen über die
Fläch«. Bert schauderte, zitternd
steckte er die Hände in die Taschen
Leise schellte Bert, ging still durch
dem alles von dem stillen Leben alter
Menschen sprach, stets klein und
fremd.
und Großmutter, jeder an einer Seite
des Tisches saßen. Sein tauber
Großvater hinter der Zeitung, die er
hoch vor seinem Gesicht hielt, um das
letzte Herbstlicht zu fangen, das däm
ten auf dem Schoos
Bert stand mitten im Zimmer, ver
legener als sonst seine hohe Kna
benstimme schnappte über, als er dem
ter!"
„Junge, bist du's?"
zurück und sah über die Brille zu ihn!
hin: „Tag Kind!"
Und das war alles so gewöhnlich,
Zangen,
„Ja, Großmutter."
„Wo bist du gewesen?"
Eben wollte er es erzählen da
d' Schw st ch s?"
Bert?" erklang seine gütige Stimme,
Brille fort, sein Enkelkind an. Bert
„Ja, hübsch. Grohvater."
Und plötzlich dachte er: Grohvater
Es alles still. dem^ruhi
sehnte, das wohl vorhanden war" das
sie aber nicht zeigten. Und zuerst
nach Mutters Tode war das Verlan
gen, hier in der großen Stille dar
über zu sprechen, in Bert so groß,
daß es sich Lust machte in dem
Wunsch: Von Mutter hören mit
Großvater und Großmutter von
„Was denn, Bert?"
wollte ... Großmutter, das Buch ...
von neulich ... hast du das soch?"
Eine Enttäuschung glitt über ihr
Gesicht sie wies mit stiller, kalter
Gebärde hinter sich. „Da steht es."
Aber Bert rührte sich nicht. Er
hatte sich umgewandt und sah hinaus
in den Garten. Ein Schluchzen
schnürte ihm die Kehle zusammen, im
schweren Kampfe mit sich selbst.
Und in bitterem, leidenschastlichem
Vorwurf weinte es in seiner Kinder
seele:
von Mutter?"
Hinter ihm, wo er stand seine
schlanke Knabengestalt zeichnete sich,
scharf von dem fahlen Lichte des ster
benden Herbsttages ab —, tauschten
so ähnlich, ihrem Mariechen die
selben Augen, derselbe Mund, der
Junge muhte sich bei so alten Leuten,
wie sie waren, sicher langweilen
dah heute seiner Mutter Sterbetag
wau ...? Schon ein Jahr .... Ach
nein Kinder vergessen so schnell
man konnte eZ solch' einem Kinde
schrecklich still ... Kein Laut! Plötz-
Es durchfuhr Bert wie ein Schlag,
als Grohmutter es so plötzlich sagte.
Endlich sagte er: „Ja, Großmutter."
s / cht 112 "h t sich cht
Weile, endlich fragte sie: „Ist Papa
„Nein," schüttelte Bert den Kopf.
Rasch schlang sie ihre zitternden
Arme um ihn, zog ihn an ihr- Brust,
und ihre bebende Hand fuhr lieb
kosend über sein Haar:
„Armes Kind lieber Junge
Bert —."
dah sie verstand, was es ihm gewesen
war. Und er fühlte auch:
„Grohmutter hat genau solchen
Druck auas seinen Arm legte.
Stuhl sah, fragte sie:
„Willst du hier mit uns essen,
tt ch " d
Die Poesie des wandernden Thes
piskarrens und die Riesenphantasie
ihrer Unternehmer Schmierendi
rektoren nennt der Volksmund dies«
Braven sind selbst unserem nüch
ternen Jahrhundert erhalten geblie
ben. Einen Beweis hierfür giebt der
Theaterzettel einer kleinen westtzreu
ßischen Stadt. Auf diesem kündigt
der Herr „Direktor" das erste Aus
treten seines neuengagirten Regis
seurs in dem Kadelburg-Schönthan'-
schen Lustspiel „Die berühmte Frau"
>an. Dieser ein« Tit«l d«s Stückes er
scheint ihm jedoch nicht ausreichend
zu sein, deshalb giebt er jedem ein
zelnen Akte noch einen oder mehrere
Untertitel. Diese lauten: 1. Akt:
„Moderne Kinder" oder „Die Verlo
bung durchs Telephon", 2. Akt: „Lie
be, wie süß bist du" oder „Zum
Aufs", 3. Akt: „Noch eine berühmte
Frau". Doch das genügt ihm noch
lange nicht. Zur weiteren Aufklärung
fügt er eine Kritik über die Erst
ausführung des Stückes in Mark I g
bei und schreibt wie folgt: „Hochge
ehrtes I'. IV Publikum. Ueber dieses,
Beifall das Theater."
»er Wetftnachl»»aum im Dienste
de« Thierschutz«»
Die Frage: Was macht man mit
men? beantwortet ein Thierfreund in
Deutschland wie folgt: „Damit es
dem Weihnachtsbaum nicht so trau
die kalten Monat« hindurch für al
les gefiederte Gethier gedeckten Tisch.
Man wird sich bald wundern, wie
Theorie »«»Praxi«
Der College-Abiturient hatte Stel
lung in einem Geschäftshaus« gefun
fragte:
„Verstehen Sie Griechisch?"
„Ich hab« einen Preis für Grie
chisch erhalten."
„Latein?"
„Sicherlich."
„Vollständig."
„Geschichte?"
„Die Rechte und Pflichten der
Bürger und Volkswirthschaft?"
Papierkorb aus und dann bringen
Sie diese Briefe zur Post."
Lakonisch. „Täte, was is
'ne Heirath aus Liebe?" —. „Was
Reflexion. Autor (bei der
Premiere): „So ein nervöses Publi
kum! Gleich den ersten Akt lassen sie
Idealer Wunsch. Onkel:
„Na, Otto, was möchtest Du werden,
wenn Du groß bist?" Otto: „Am
liebsten möchte ich ein Gerippe in der
«erfehtt- Höflichkeit.
Flüchtiger Dichter, im Au
genblick seiner Verhaftung: „D«r
Menschheit ganzer Jammer faßt mich
! Der größte Erfinder.
Frau Müller: „Wissen Sie, mein
Mann ist doch der größte Ersind»
der Neuzeit." Frau Schulz: „Aber
Sie scherzen wohl?" Frau Müller:
„Durchaus nicht! Sie sollen nur mal
kommt!"
Zerstreut.
Der Herr Professor ist soeben im
Begriff, sich auf Anrathen des Arzt«s
wiegen zu lassen. Eh« er die Wag«
besteigt, macht seine Gemahlin ihn
darauf aufmerksam, dah er doch ein
genaueres Gewicht seines Körpers er
zielt, wenn er sich seines Ueb«rzieh«rs
entledigt. Das leuchtet ihm ein. Er
zieht den Ueberzieher aus, nimmt ihn
über den Arm und läßt sich nun
S«ktionsb«fund. Es
wurde festgestellt, daß Gen. Trepow
an einer Entartung des Herz«nS ge
storben ist. Die Entartung war
um so merkwürdiger, als er gar keins
hatte.
men gratulir'n!"
B-Shasi.
bekomme ich Gänsehaut!"
Ausweg. Nachbarin: „Man
hört gar keinen Wortwechsel mehr bei
Ihnen! Vertragen Sie sich jetzt so
gut mit Ihrem Mann?" Hausftau:
„Das weniger; gber wir Habels die
hat!"