Scranton Wochenblatt. (Scranton, Pa.) 1865-1918, November 29, 1906, Image 2

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    »er »u«p.
Bo ch W°L Wald^r^^
„Komm, mein Schatz und tauz
mit mir!"
Wortlaut dieses lustigen Lie-
Eine von den die wie ein
frohes Gerücht Stadt und Land
durcheilen und einem überall entge
«in kurzes heißes Leuchten auf.
„Es ist seltsam, welchen Einfluß
die Musik auf das Kind hat, sonst
solche einfache Lieder Werth und Gel-
Ivenn Sie uns wieder verlassen!"
Das sollte bald geschehen! Die
aufsteigende Verkehrswille des Frem
denstromes, welcher sich zur Winters-
Neinen Rest der blinkenden Tropfen
deutlich der schale Bodensatz des sie
haltenden Lebensbechers sah?
Man sagt ja, daß Schwindsüchtige
bis zum letzten Athemzuge hoffen.
Der sich schwer aus der Brust los-
Lunge langsam zu Tode penigte,
unter dessen harten Qualen der ganze
Körper zuckte und schüttelnd bebte,
die fieberisch glänzenden Augensterne
und die drückende Mattigkeit, welche
jede schnelle Bewegung lähmte, deu-
Teten das sichere End« aller Noth in
nicht zu ferner Zeit an. Aber auch
krank sein könnte; ein schlechter
Gatte, aber ein zärtlicher Vater. Das
Kind war sein Abgott. Aus seinen
Erbtheil der Mutter.
er die Kleine durch die Luft, daß sie
so wortkarge Mensch? er wurde nicht
müde, dem Kinde daS Wort Pa-pa
vorzusprechen, von txm gierigen
Brust,
gegen.
Genen lebendigen Säften hingebend
genährt und selbst entsagt hatte? als
die köstliche Frucht zur schönsten
tödtlichen
ren?!
Bahnhos eilenden Gestalt ihres Man-
Er wußte es wohl, aber mit grau
samer Freude zerrte er in den ächzen
den Saiten des zarten Instrumentes,
mit plumper Faust riß er an den
straff gespannten Nerven, daß sie
trilmmern. denn mit ingrimmiger
Genugthuung berichtete er ihr von
dem Wohlergehen, von der besseren
Aufnahmt und Pfleg« bei fremden
Menschen.
Von Tag zu Tag wurdt sie stiller.
Das Wetter war anhaltend warm
und ruhig, ihre sieberbrennenden
Augen sahen leer und gleichgültig
aus das weißschimmernde, schneebe
deckte Gebirge, dessen reine, leichte
Luft schmerzmildernd die wunde
Brust durchströmte. Sie bat mich
selbst aus Mitleid und Selbstsucht
selbst formte die lockende Weise:
letzten Male. hHs Z
Mit fliegender Hast eilte sie auf
dem in Gedanken tausendmal gemach
ten Wege die Straße entlang
stumpf und verständnißlos sah der
Mann ihr nach und hatte auf meine
stummes, blödes Achselzucken.
Am Abend kamen sie zurück; ich
hörte lautes Stimmengewirr, ein kur
zes Aufkreischen des Kindes, einen
schweren Hustenanfall, der mit wilder
Gewalt lange die hemmenden Wände
zu fpengen drohte dann kamen
schleppende müde Schritte ganz lang
sam die Treppe herauf.
Draußen lag dichter nasser Nebel
im Thal, hing triefend an Aesten und
Zweigen und verzerrte alle Umrisse
in's Ungemessene. Gespenstische.
j Nun trat das lautlose, hastige
Treiben im Hause ein, wenn es einen
Schwerkranken in seinen Wänden
birgt. Die Stimmen sind zum Flü
stern herabgedämpft, dem Sonnen
lichte wird der Weg versperrt, damit
der Abschied vom lebenswarmen Licht
nicht noch schwerer wird. Die hell
hörigen Holzwände ließen nur manch
mal ein würdiges Aufhusten, ein
schweres Seufzen aus dem Kranken
zimmer hindurch. Ganz aus der
Hörweite der Mutter schlief das Kind
in seinem Bettchen.
Da, am zweiten Abend nach der
aufreibenden Reife mit der schweren,
glücklich wieder errungenen Bürde
durch die mordende, nebelgetränkte
Abendluft, da hebt im Nebenzimmer
ein Rennen und Laufen an, ein
röchelndes Gurgeln das klatschende
Aufschlagen einer Flüssigkeit auf die
Dielen wird durch den spitzen Ton
eines auffallenden klirrenden Eimer-
Henkels unterbrochen. Dann schallt
das Schlagen von Thüren durch das
Haus, deren breites Hallen von dem
Schrillen einer Klinke kreischend zer
rissen wird. Das laute Schreien de!
Plötzlich schiebt sich eine Gestalt
meine ich. wenn dann wird es
schon ruhig werden, es hat doch sonst
immer—" sein Mund verstummte,
sein Blick suchte schuldbewußt am
Boden, und geduckt wie ein geprügel-
und Flecken. Der leise Wind streifte
tenden, reinen Schmeselder auf den
Bergfirmen k«Hen langsam die
schweren bltsgrauen Schatten der
wachsenden Dämmerung gespenstisch
nach, bald lag die Natur in ihren
trostlosen, düsteren Netzen wie unter
einem mühsam verhaltenen Wei
nen da.
Die grauenhafte Todtenstille im
Hause ließ ein unterdrücktes Schluch
zen aus dem Nebenraum noch ein
dringlicher erscheinen; aus dem ver
hängten Bauer des Kanarienvogels
drang ein scheuer, einsamer Laut und
sank hastig in dem lastenden Schwei
gen unter.
Ein gütiges Schicksal wollte nicht
doppelt qualvoll Tropfen um Tro
pfen langsam aus dem gesprungenen
samem Geiz die Scherbenrände/auf
einanderpassend, ein Blutsturz zerriß
jäh die Wand des Gefäßes, und der
hervorschießende Lebensstrom ent
führte auf breiter Bahn die Seele
Tas Gruppenbild.
aber das I'. 8.! „Liebe Josefa,"so
Tag und Nacht danach Dies« Bitte
das Bild ist fertig."
Richtig das Gruppenbild! Na
türlich, versprochen hatte ich das bei
jedem Besuch. Aber Großmutter
wußte gar nicht, aus welche Schwie
stadt ... na ja, es gab zwei ganz
tüchtige Photographen am Platz«.
Aber der eine oerstand nicht in
das letztemal um einen gemeinsamen
Gang zum Photographen drängte.
Unser Ernstchen ist zudem auch nicht
mehr vor den verhängten Kasten zu
bringen, seit er das Ding mitsamt
dem Photographen über den Haufen
und auch Lieschen ist mit der Ge-
schichte nicht so richtig einverstanden,
weil sie vorher erst immer gründlich
gewaschen wird und lieber Faxen!
macht als einige Minuten still sitzt.
Aber mit den Kindern würde ich
schon fertig werden, wenn ich nur
meinen Mann auf meine Seite ge- !
bracht hatte. Am Abend machte ich
also klar zum G«f«cht: „Hör' mal
Männchen, nun aber wirklich
s?t/°""
Mein Mann brummte etwas, was
so klang: „er fei kein Erbschleicher",
aber als ich mich zu einem länger
währenden Portrag« anschickt«, gab
er sein Einverständnis dahin zu er
kennen, daß er nächsten Sonntag vor
mittag mit zum Photographen pil
gern woll«. Hätte ich nämlich meinen
Vortrag «rst begonnen, würde er d«n
rechtzeitigen Anschluß an seinen Ke
gelabend h«ut versäumt haben. Mit
Ernstchen wurde ich auch bald han
delseinig: ich versprach ihm einen
Puppenwagen ach. was der
„Schal" <Scho>kolod«) kirre kriegen.
Also der große Tag brach an. Ich
hatte mich in d«n voll«n Wichs meines
gleich die Nähte bedenklich krachten.
Mein Mann jedoch war nicht dazu zu
bewegen, seinen schwarzen Rock anzu
»Konfirmations-Zw »»sjacke" (ich
frivolen Ausdruck) stecken lassen woll
te. Er warf also sein Helles Sonn-
ligst!" . . . Mein Mann pflanzte sich
schickt sich so für ein anständiges
Gruppenbild." „Ach was" wehrte
mein Mann ab, „das ist eine überlebte
glaubt." Damit rüttelte er sich in
dem engen Sessel zurecht und streckte
behaglich das recht« Bein von sich.
Ernstchen wurde links von dem
Stuhl, in welchem ich. mein Kleid in
malerische Falten drapiert, Platz ge
nommen hatte, in Positur gestellt,
und Lieschen, deren Gesicht in tadel
losem Rein erglänzte, mußt« sich an
meine rechte Seite schwingen. Der
Photograph legte hier und da noch
die letzte verbessernde Hand an, schob
namentlich das ausgestreckte Bein
mein«s ManneS wiederholt zurück
und nun:
„Bitte, jetzt r«cht freundlich,"
grünen Tuche. Mein Mann reckte
sein Bein zurecht, daß es im Knie
geltnk knaxt«, ich legte ein holdes
Lächeln auf mein Gesicht, Ernstchrn
schien zu 'lachen, und ich hörte deut
lich, daß dem Lieschen vor lauter
Staun«n die Kinnbacken auseinan
der klappten. Bange Sekunden, noch
bangtre Minuten »«rstrichen. End
lich rappelte sich der Photograph wie
der hinter seinem Tuche hervor.
„Danke sehr, meine- Herrschaften, in
acht Tagen wird das Probebild fer
tig sein."
Die nächste Woche verlief in
altgewohnter Weise. Sonnabend
mit der ersten Post traf in gleichfalls
altgewohnter Weise der Brief von
Großmutter ein, in welchem ich in ei
nem I'. dZ. wie üblich um die Zusen
dung des Gruppenbildes ersucht wur
de. Na, die Drängelei hatte ja nun
am längsten gedauert, und Sonntag
früh rückte ich zum Photographen,
selbst auf die Gefahr hin, daß mir
de.
Probebild! Mein Mann stieß
„Das ist ja großer Blödsinn," erklärte
er schließlich. „Auf diesem Bilde
scheine ich an Elefantiasis zu leiden.
Mein rechtes Bein bildet ja eine un
förmliche Mass«. Wenn jemand das
Bild sieht, muß er meinen, ich sei der
jenige, welcher in der Stadt auf dem
allergrößten Fuße lebt. Welchen Ein
druck Du auf dem Bilde machst, will
ich lieber unerörtert lassen. Aber das
wußte ich wirklich noch nicht, daß un
sere Kinder Gorillas ähnlicher sind
denn Menschen
Ich hatte den allerschärfsten Pro
! Test gegen diesen unpassenden Vergleich
schon auf der Zunge. Aber als ich
noch einen Blick auf das Bild warf,
verschluckte ich meine Worte wieder:
es sah wirklich aus, als ob die G
esamtfamilie Vogt für ein Lachkabi
nett zurecht gemacht worden sei.
„Diese Photographie wird das
Licht der Oefsentlichkeit nicht er
blicken," entschied ich. „Ich werde die
Platte sofort zerschlagen lassen. Aber
ich habe es ja gleich gesagt, dieser
Mann versteht nicht zu individuali-
Es blieb nun nichts übrig, als den
zweiten Photographen in Anspruch zu
nehmen. Ernstchen war damit ein
seines Wunsches. Und Lieschen hat
penbilde ene hu sch P ppe
lief in-derselben Weise wie die »6
eins. „Gruppieren Sie sich gefäl
ligst .... bitte jetzt recht freundlich/
und schließlich wieder acht Tage
später die Abholung des Probebildes.
Na, das erzielte erst einen Eindruck:
wie ein Basilisk, ich war mit einer so
stattlichen Figur bedacht, daß ich mich
hätte als Riesendame sehen lassen
können. Ernstchen war mit einem
rechten Ohrwascherl versehen, dessen
sich ein Elephantenbaby nicht hätte zu
soviel Füße. Wüthend zerriß ich die
gleich denken können: dieser Mann
verstand eben nicht zu retouchieren.
Nun war ich mit meinem Latein
besaß eine Kamera, er photographierte
amateurweise. Nachbar Meyers Hin
terhaus hatte er recht glücklich auf
Er baute in der guten Stube seinen
Apparat auf, gruppierte uns um ei
nen Tisch, der mit Vasen und Frucht-
„So, also jetzt Achtung!" Edwin
ließ, nachdem er das Zimmer durch
Herablassen der Jalousien sorgfältig
verdunkelt hatte, einen Schweden auf
flammen. Das brennende Hölzchen
hielt er an das Puloer. Das schien
etwas aufzuzischen, aber es erfolgte
sonst nichts. Mein Mann gähnte,
mir trat der Schweiß der Erwar
tung auf die Stirn, Ernstchen sprang
auf und frohlockte: „'s ist wieder aus
gelöscht," .... da. ein furchbar gel
ler Blitz, ein dumpf-rollender Knall
und «ine Wolke stickigen, auf die Lun
gen fallendes Qualmes wälzte sich
durch das Zimmer. Ernstchen hatte,
als ihm das scharfe Licht so unerwar
tet in die Augen drang, einen herz
zerbrechenden Angstschrei ausgestoßen
und in seiner Verzweiflung mit beiden
Händen das Tischtuch ergriffen. Das
gab ihm wenigstens einen knappen
Halt, sonst wäre er sofort rücklinks
zu Boden gesunken. Und dieses
Schicksal blieb ihm trotz der Deck«
nicht erspart, denn die gab seiner
Schwere nach, und als der Qualm
sich zu lichten begann, wälzten sich
Ernstchen, Tischdecken. Basen, Frucht
schalen usw. in wüstem Chaos auf
d«m Fußboden. Neff« Edwin packte
seinen Krempel wieder zusammen mit
!es verpulver
Auf di« Herstellung eines
photographischen Gruppenbildes habe
ich nunmehr Verzicht geleistet, den
Gedanien, den Wunsch der Groß
mutter doch noch zu erfüll«», aber nicht
aufgegeben. Deshalb sagte ich heut
zu meinem Mann:
mutter malen lassen, und zwar ,n
—mein Mann stand ärgerlich auf und
warf in höchst unzarter Weise die
Thür hinter sich ins Schloß.
Aus alter Zeit wird erzählt: In
hatte.
den Markt. Ihn sehen, die Fenster
se Pracht!" Alles stürzet ans Fenster
fen!
Macht der Gewohnheit.
Er (zu seiner Gattin): .Ach Elise,
Aussterbende Frauentypen.
Die Zeit d«r Frauenfrag« und d«r
Frauenbewegung, die so viel neue Ge
stalten unter der Spezies Weib g«-
schasfen. hat auch ebenso viel erbar
mungslos hinweg gefegt. So gehört
Tantchen!
Das zwanzigste Jahrhundert hat
kinen Raum mehr für das Tantchen;
möglich, daß hier und da noch ein oer
«inzeltes Exemplar dieser Gattung
blüht, im Großen und Ganzen ist es
ausgestorben.
Das Tantchen hatte nichts gemein
mit der Tante. Die Tante ist ein
Familienmitglied, ohne daß sie darum
dinnen der Mutter, vielleicht auch ver
einzelt aus der Reihe der Cousinen;
über viel Geldmittel verfügt« eS selten;
hätte es die gehabt, es wäre kein
Tantchen geworden, denn die jungen
Damen mit d«n großen Geldmitteln
wurden auch schon damals meist gehei
rathet, wurden sie es ab«r nicht, viel
leicht weil sie selber kein« Lust verspür
ten, sich so einfach heirathen zu lassen,
so machten sie sich sicher daS Leben auf
ander« Weise lustig und angenehm.
Wann das Tantchtn in den einzel
nen Familien sein- Thätigkeit be
gann? Ja, das wäre schwer zu sagen
gewesen. Es war eben eines Tages
Tantchen geworden und Tantchen ge
blieben, und wie man sich das Leben
nicht mehr denken konnte ohne seine
Gestalt, so wußte mau auch schließlich
nicht mehr, wann es seinen Anfang ge
nommen. Tantchen gehörte eben „mit
dazu". Es lebte nicht im Haus«, ab«r
«S hatte seine bestimmten Tage, vor al
für die Kinder.
Gott, was war das Tantchen für
di« Kinder! Die ganze mütterliche
Li«be, die es eigenem Nachwuchs nicht
angedeihen lassen konnte, schüttete es
auf die Kinder des Hauses aus. Und
die Kinder wußten das und vergalten
es reichlich. Aber auch die Großen
wußten, was sie an Tantchen hatten,
vor allen Dingen Mama. Wer blieb
bei den Kindern, wenn Mama in's
Theater ging oder irgend wohin in
Gesellschaft fuhr? Das Tantchen. Wer
hütete das Haus, wenn man auf Rei
sen ging, goß die Blumen und pflegte
Miez und Hektor? Alles das Tant-
selber, wenn etwa Meister Adebar
Wieder das Tantchen. Da lernte
schlecht sehen, das von euch nichts mehr
weiß
älteres junges Mädchen mehr, sondern
einfach ein gereiftes Weib und nimmt
für sich in Anspruch und hat alle di«
tanzen wollte oder auf der Eisbahn
Schlittschuh lief. Das ältere junge
Mädchen von heute tanzt, turnt.
Schlafstube angelangt? hier be
sinnt die Fluch! in»ines ManneS."