Scranton Wochenblatt. (Scranton, Pa.) 1865-1918, August 16, 1906, Image 2

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    „Desdemona".
Nun hatte sie endlich ihren Ein
zug gehalten, die exotische Gesell
schaft, nachdem sie schon seit Wochen
durch schreierisch« Reklame und Zei
tungsartikel angekündigt gewejen.
Mit großem Hallo, fremdländischem
Geplapper, die bunten Fetzen a» den
schwarzen Leibern, und alles, was
sie mit sich führten, in dicke Wolken
Staub gehüllt, waren sie angekom
men. Sie schleppten ihre Zelte mit
sich, Haushaltsachen, Waffen, Ge
alsbald auf ihren im Zoologischen
Garten angewiesenen Plätzen began
nen auszubreiten. Schon am Nach
mittag des Einzugstages tonnte die
erste Schaustellung stattfinden. Der
Kral war fix und fertig aufgeschla
gen Töpferei, Weberei, Schmiede,
Küch«, Schult, Moschee alles da!
Das Publikum strömt« in Massen
herbei, und unt«r dem zartblauen
Frühlingshimmel, im duftigen,
wehenden Maiengrün entspann sich
starrt, die schmutzigen afrikanischen
Gesellen. Grinsend, ihre weihen
Zähne zeigend, drängten sie sich rück
sichtslos mit ihren wadenlosen, dür
ren Beinen durch die Menge. Die
Trommeln rasselten, Tamburins
klirrten, Kriegsrufe tönten, Schellen
spektakelten und ölbeschmierte Wei
ber, die meistens ein Kind auf dem
Rücken trugen, klatschten in die glän
zenden Hände. Der Tanz begann.
die schwarzen Haare flatterten mit
den weißen, togaähnlichen Umhängen
um die Wette, daß die Dielen krach
ten. Es folgte das Dolch- und Lan
zenwerfen und anderes mehr. Wäh
rend dessen stakten schwarze Ansichts-
bald hier-, bald dort-
Alles lachte, schwatzte, hielt sich
der Erde über einander geschlagen,
hockten die Männer bei ihrer Arbeit.
Ab und zu stahl sich «in Blick unter
den breiten, dunklen Lidern zu dem
mal gesehen, als die Wagen beim
lhr Schatten fiel direkt auf den
»Reftez auprt-s de moi!"
Blitzschnell flog ihr Kopf herum,
der Fuß stockte. Französisch! Er
lärmt«, pfiff und johlte, unterhielten
sie sich auf's beste. Er erzählte ihr,
daß die Truppe lange Zeit in Frant-
zen Füßen. Dessen Blick« ruht«n un
ausgesetzt in innigster Liebe auf ihr,
und sie war seine Frau. In der
Am nächsten Morgen ging sie wie
der zu ihm. Er grüßt« schon von
weitem, was ihr H«rz höher schlagen
ihm offenbar Spaß machte. Er lach
te. Sie solle nicht eifersüchtig sein,
«s fei doch einmal wahr.. Zum
in der Strick«, gebrauchte Kleider,
Brödchen, Wurst und Tabak ein
trächtig neben einander lagen, ein
vollen Zähne zeigtet
Mit den widerstreitendsten Gefüh
len kämpfend, einsilbig und zerstreut,
verließ sie ihn.
Als sie am Nachmittag mit ihren
Eltern auf der Beranda den Kaffee
einnahm, sah sie den Briefträger auf
das Haus zukommen. Zwei Minuten
später wurde ihr ein Brief gebracht,
dessen Aufschrift halb in deutscher,
halb in französischer Sprache ge
schrieben war. Der Brief war von
„ihm"! Heute morgen erst hatte sie
ihm ihr« Adresse gegeben. Sie
wurde flammendroth, stammelte: „Von
schwand dann in ihrem Zimmer.
Eine halbe Stunde später, nach
dem sie über seiner schriftlichen Lie-
Was sie sich alles an diesem Tage
gesagt, wußte sie später selbst nicht
mehr. Daß er es mit seiner Erklä-
Tage kamen und gingen, ohne daß
d«r selige Taumel, der über sie ge
kommen, verflog. Ihr herrlichster
Traum hatte sich erfüllt, sie war nun
wirklich eine Desdemona! Und i^r
ihn sah in der seidenen bunten Jacke,
die den kräftigen Hals frei ließ. Und
wie schön sein Kopf ivar, viel schöner
häßlich aussahen skilich, sein
Vater war ja auch ein Araber gewe-
Die beiden sprachen nur noch von
Liebe. Sie brachte ihm , heimlich
Früchte und Tabak, er schenkte ihr
einen schönen Ring, der wundervoll
gearbeitet war.
Ja er hatte Geschmack, ihr
Othello! Sie bewunderte ihn. Daß
er das Schmuckstück von einer Fran
zösin zum Andenken bekommen, wuß
schön und gut. Bevor sie des Abends
schlafen ging, küßte sie hinter ein
ander acht Postkarten, die sämmtlich
und deren Meinung sie an! Jhi
,Othello" meinte es ja ehrlich ittt
ihr und hatte ihr versprochen, sich
von der Truppe loszulösen, um sich
in Deutschland ansässig zu machen^
Sobald die Hindernisse hierfür be
seitigt, wollten sie Heirathen ja>!
wohl, Heirathen! die Weiße der
Schwarzen! Hatten die Eltern
dagegen, so mußten sie eben auf de
ren Segen verzichten. Oder noch bes-!
ser: sie heiratheten sich heimlich
dann war nichts mehr daran zu
dern. Angehören wollten sie sich je-
denfalls. Irma betrachtete sich al§ >
sein« heimliche Braut, und das Ent-!
zücken hierüber setzte sie üb«r all«
Bedenken hinweg.
Leicht war es freilich nicht für sie.
daß man auch begann, in ihrem Be >
zu warnen. Möglichst
hörte sie zu u«d sagte zu allem ja
um
man ihn gutwillig nicht gehen ließe
Also Flucht. Bevor er diese aber zur
Ausführung bringe, wolle er sich erst
Sie las. Ihre Glieder flogen. Ihr
Herz stand still. Nun galt's! —Ja,
Als er sie kommen sah, stellt« e^
dunkel vor den Augen, als sie an das
V«rlass«n des Baterhauses denkt.
lich lang. Ihr Kopf schmerzt. Die
Lust ist so heiß, der Wind wirbelt
lebt? O Gott! Ein bischen anders
ist die Wirklichkeit doch als der
Leutnants Eckstein. Besuch! Das
bis sie krebsroth ist....
eines gebildeten Mädchens zu so
einem „Halbthier" (dies ist ihr Litb
lingswort) nicht nur schamlos sei
roth sind vom vielen Reiben. Bei
sich denkt sie: „Red' du nur, ich weiß
doch, was ich will" und dann
schon Recht."
„Diese Ansichten", fährt Ella eif-
Als Ella fort ist, hat Irma viel
der Sparkasse führt ihr Weg. Un
sagbar müde kehrt sie heim. Das
mit G«ld unter der Taille fest, steckt
Nun steht sie draußen. Was sie
Erstaunen hat sie bemerkt, daF
„Othello" nicht an seinem Webstuhl
Ist. Prüfend überschaut sie das La
da ihr« Blick« sich btseeligt treffen
sondern ein großer Napf mit oekoch
tem Reis, der soeben als Mittags
mahl auf die Erde gesetzt wird. Zin
Tops.
Mit einem Satz ist Irmas Ge
mitten hinein in den dicken Brei, und
schöpft und ißt schöpft und is>i..
was er in der Hand behält, streij? er
am Rande ab
Irma Ist nicht mehr da. Irma ist
hinter ein Zelt geflüchtet. Dort steht
sie, abwechselnd roth und weiß wer
dend, und kämpft alle? alles in
sich hinunter. Sie fühlt, es kehrt sich
dem Herzen so in der Magenge
gend sitzt's
Dann aber packt sie «ine rasend»
Der Feuerwerk-Affe.
bereiten. Die Krauseiöpse sollten
nen lernen als Brillant - Feuer
werk. Und wenn sie dabei Mund und
Nase aufsperrten, gab das einen
Hauptspaß.
Tagelang hatte Pillenbäcker Son
nen und Rateten, Schwärmer und
Frösche, selbst Kanonenschläge zu
sammengebaut. Gerade als er dabei
war, sich reisefertig zu machen und
den Krempel in einen ziemlich um
fangreichen, gegen Feuer und Nässe
imprägnirten Rucksack zu stecken, stieg
ihm ein Freund auf die Bude
„Warum nimmst Du Morphi
nicht mit?" Morphi war nämlich ein
höchst gelehriger Affe, dem der Apo
theker in seinen Mußestunden alle
möglichen Schandthaten beizubringen
wußte. „Das spleenige Biest wird
sicher Deinen Schlltzenbrüdern die
krausen Köpfe so zurechtsetzen, daß
ihnen die Augen übergehen!"
Wahrhaftig, eine kapitale Idee.
Daß dieser unbezahlbare Einfall auch
nicht seinem eigenen Hirn entspringen
konnte! Schnell entschlossen hing
Pillenbäcker den halbgefüllten Rucksack
um, nahm seinen Morphi an eine
stählerne Kette und stolzirte mit ihm
unter dem Gaudium der Jugend zum
Bahnhof.
Ab«r er hatte die Rechnung ohne
die Bahnhofsbeamten gemacht. In
wie?
Der Apotheker hatte Glück. Unbe
ohne doch den reitenden Ausweg zu
Längst hatten die Mitreisenden das
Gebeimniß und über Pil
lich verschwiegen.
Plötzlich trat ihm der Angstschweiß
auf die Stirn. Wenn Morphi... Nut
den Feutnvertskörpern Unfug trieb!
Wie leicht konnte durch Reibung eine
in ihren Folgen unübersehbare Kata
strophe eintreten! Schon wollte er
den Sack össnen, seinem immer tol
ler strampelnden Affen auf alle Un
annehmlichkeiten hin wieder die Frei-
Sch.. .fch.. .fch. - .tfche tsche.. .tsche
tsche.. .tsche.. .tschiesch... «am es zi
schend aus dem Sack hervor. Ein in
Brand gerathener Schwärmer schlug
prasselnd gegen die Leinwand, daß
die Funken hindurchstoden.
Und im nächsten Augenblick.. .Krrr
...ta Ta,., ta ta ta.. .pfüiii.. .pfiiiii
...die Sonne hatte Feuer gefangen,
wollte sich wie rasend um ihre Achse
drehen.
sten Kanonenschläge los.
Explosion folgte auf Explosion,
untermischt von dem Hilfegeschrei der
Seite oben auf die Bänke geflüchtet
Dichter Pulverdampf erfüllte das
stellenweise an der Holzverkleidung
dem Felde still. Pillenbäcker, der Ur
gezogen.
verletzt. Nur Morphi, das Unglücks-
Der „Hauptspaß" mit dem »Feuer-
Do» Schicksal «wer ssard«.
Völkern mit einer direkten, un
heit.
dem Markte gelaust habe!"
.Was darf der kosten?"
„Zwei Mark fünfzig."
„Wie kannst Du nur zwei Mark
fünfzig rathen, kannst Du einen sol
chen Hahn für zwei Mark fünfzig
kaufen?" I st t?"
„Nun, was hat er denn gekostet?"
Mark fünfzig!"
Tie Frau auf Reise«.
Für die Herren der Schöpfung bil
den die mehr oder weniger hold«n
Vertreterinnen der Gattung Weib
trotz aller Emanzipationsbestrebungni
noch immer das Ziel d«s Spottes, so
bald sie allein auf Reisen gehen. Ich
will von vornherein bemerken, daß es
eine ganze Anzahl von Ausnahmen
gibt, daß weibliche Wesen existiren,
die mit der gleichen Umsicht und Si
cherheit reisen, wie Männer, aber die
se Ausnahmen bestätigen wie oft, so
auch hier, die Regel. Ganz abgesehen
von dem zumeist übermäßigen Ge
meist Gepäck so unpraktisch wie
möglich in Kartons und Koffern un
tergebracht ist, entwickeln im Großen
und Ganzen die Frauen auf Reisen
ein« Unsicherheit, Unwissenheit und
Unselbständigkeit, die den Spott her
ausfordern. Es ist kein Witz, sondern
«ine Thatsach«, di« «in Augen- und
Ohrenzeuge erzählt, daß jüngst eine
Dame am Billettschalter ein« Rück
fahrkarte nach Swinemllnde verlang»
richt lange reicht."
„So will ich Ihnen eine Karte ge
ben, di« funfundvierzig Tage Gültig
keit hat," bemerkte der Mann lachend.
„Ach, dafür bin ich Jhn«n s«hr
dankbar," sagte die beglückte Dame.
Wenn auch das Beispiel etwas
kraß ist, so ist es doch bezeichnend für
Schon der Gedanke daran macht ja
ein herrliches Stiick Welt zu sehen,
lassen sie unbenutzt vorübergehen, ein
überwindung dazu, sondern nur et
was Selbstbeherrschung und Diszi
plin, ein Innehalten von Ort und
daß eine Fahrkarte zu laufen nicht
schwerer ist, als ein Kleid, eine Blus«
oder ein Band auszusuchen, dann
dirt.
„Die Reise an sich ist das Wenig
eigentlich wollen. Es ist beinahe
selbstverständlich, daß di« K«lln«r
ungeduldig, zuweilen auch unhöflich