Scranton Wochenblatt. (Scranton, Pa.) 1865-1918, July 05, 1906, Image 2

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    reaumlan».
Bon M. Klapp.
B»Uchk«.
dem «rst«n Löff«l innehielt, sie ansah
vnd schmunzelnd sagte: „Wie Butt«,
Rossin, das hascht Widder gut g',
macht." Dann kckte sie sich, ihres
Stolzes voll, den Mund wie «ine Katze,
di« k«n Rahm von der Milch abge-
Der Doktor sagte dann: „Du siehst
wieder aus wi« ein Boisdorfer Apfel,
iKniffe staltn. Aber sie suhlte sich doch
«s sollte ihm auch gerathen gewesen
sein sie hätt's ihm eingebrockt.
Aber er sang immer noch. Und nun
pfiff er gar. Das war ja noch nie
passirt, daß er g«pfiff«n hatte. Er
.wird doch h«ut« keine Dummheiten ge
machen. Man kann zwar nie wissen,
die Welt ist schlau und gefährlich.
Aber ein« reine Dummheit wär's,
lochen, das kann nur die Rossin?
Und der Doktor pfiff noch. Das
wurde nun der Rossin doch dick, sie
aus und rief auf den Gang hinaus:
«Aber Doltor, die Vögel, die so früh
pfeifen, die holt die Katz!"
Der Doktor lachte hell auf. Er zog
kr Katz!"
In dem Augenblick zischte es in de»
Küch auf. und die Rossin that einen
Schrei: „Jesses, mein Supp!"
D«r Dottor lacht« hinter ihr her
und Pfiff wieder.
Als «r mit Rosine bei Tische
„Red du, was du willst, Rossin/
heut? Nichts? Na ja, du hast ja auch
v«rschnuppt."
Die Rosin« war sehr indignirt.
„Ich Hab'S ja immer g«sagt, Rossin,
du hast keine Nase. Du riechst nix.
Drum kocht dir auch immer die Milch
über. Also du hast nichts gerochen,
rein gar nichts?"
Die Rosine schnuppert«, dann wurde
si« ungeduldig.
Der Doltor lachte herzlich.
„Na, was ist's denn?"
„Du wirst's noch rkchen, Rossin.
Nachher setzt du dein neu Kapottchen
auf, das mit dem stracksen Reiher und
d«n lila Bändern, das „geschmack
volle", weißt du, und ziehst dein al
lerb«st«s Kleid an, das mit dem rosa
Einsatz und der Perl«nstickerei, und
dann gehen wir heidi. Hast du ver
standn?"
Der Rosin« blieb d«r Bissen im
Mund stecken.
„Für zum Narren gehalten zu wer
rad« zu alt, mit Respekt zu sagen,
wenn ich auch noch keine Vierzig bin,
wie Sk immer sagen."
„Darum grad, Rossin, fangen wir
rasch noch was ein vor den Vierzig.
Also abgemacht, fein anziehen und das
beste Kleid, den Mantel und Hand
schuhe, ein« fein« Dam' aus sich ma
ch««, und dann h«idi!"
„Und di« Sprechstund« heut Mittag
von drei bis fünf?" fragte triumphi
rend die Rosine.
„Die Sprechstunde fällt aus heute.
Rossin. Wir hängen «ine Karte hin,
daß ich verhindert bin."
„Großer Richter, was für Spän der
Mann heut im Kopf hat!"
„Ja, Spän, du hast fein recht. Und
die wollen wir heut einmal anzünden."
„Aber wenn nur ein einziger Mensch
kommt, so sind das drei Mark, und die
geben schon beinah das Essen für den
ganzen Tag. Und die Mutter da
heim und die Schwester —" fügte sie
zage und leise hinzu.
Der Doktor hielt ihr den Mund zu.
„Willst du still sein, böses Gewis
sen! Heut zählt das alles nicht. Ein
mal nicht, Rossin! Weißt, ich hab die
Veilchen gerochen. Du natürlich nicht.
Die ganz» Luft ist voll davon. Sei
froh. Rossin, daß du keine zwanzig
mehr bist, und daß ich dir's verspro
chen hab damals, wie ou deinen Dienst
wir ausgemacht haben damals, zur
Vorsicht, das Dorf und die früheren
Jahre zu vergessen und fein „Sie" zu
einander zu sagen. Das ist bei mir
nicht zu halten gewesen. Aber sonst
sei sroh, heut gäb's ein Unglück. Aber
du hast ja nun die Vierzig auf dem
Rücken und bist ungefährlich. Meinst
wirklich? So ganz und gar? Na, na!
Und der Schnurrbart kriegt in den
Ecken schon einen grauen Schimmer."
Die Rosine wurde unruhig und ver
„Jch steh vom Tisch auf, Doktor!"
„Geh, hat sich was mit Aufstehen.
Sei gescheit! Du bist gefeit, Rossin.
Meiner Seel! Du gehörst schon in's
Drachenzeitalter!"
Die Rosine lächelte wieder. Sie
war das Ideal von einer Haushälte
rin. Sie nahm d«m Doltor nichts
übel, weil sie ihn schon als Buben in
ihrem schwäbischen Heimathdorf ge
kannt hatte. Und ihn gern hatte wie
ihren eigenen Buben ja, wenn sie
nur einen Buben hätte! und sie that
nun auch gar keinen Einspruch mehr
und v«r»icht«te auf jede sr«undlich«
oder feindliche Widerrede. Sie wußte
auch, es hals doch nichts. Wenn er
hen. So gab sie also nach, denn sie
war ein gutes Thierch«».
Das Schildchtn mit der Aufschrift
„Abwesend", die d«r Doktor mit vieler
sah. leckte sie erst die Hand dazu ab
und sie stand bereit. Si« wollte den
Regenschirm mitnehmen „für alle
Fälle". Aber der Doktor wehrte «Z l
ihr.
„Und wenn wir pitschpudelnaß w«r-
Ünd als si« die Trepp« heruntergin
gen, sang er wieder. Nun war sie
lfchon sprachlos. Sie hatte gedacht,
durch ihre Nachgiebigkeit könne alles
noch anständig werden. Und dann
komplimentirte er si« zur Hausthür
hinaus, als wäre sie eine leibhaftige
Baronin. Nein, sie sagte schon nichts
mehr. Das ging über's Bohnenlied.
Aus der Straß« fragt« sie ihn:
„Was denn jetzt?"
Er lächelt«. „Nun kaufen wir Veil
chen, Rossin, Veilchen, so viel wir kön
nen. Die steckst du an —"
Sie wurde schamroth.
„Und all« Hand« voll, deine und
meine."
„Doktor!" sagt« sie. Und dies eine
Wort war ein« ganze Vernichtung.
Aber da stand er auch schon ain
Blumenstand und kaufte. Und wurde
gar nicht s«rtig mit dem Kaufen. Es
gangen in seinem Kopfe. Und er
steckte ihr wahrhaftig ein paar
Sträuße an. Si« hätte am liebsten
die Hände üb«r'm Kopf zusammenge
schlagen. Aber sie konnte sich doch
nicht nxhren, das wäre doch gar zu
fchimpfierlich gewesen. Die Leute
schmunzelt«» so wie so schon so son
„Riechst du nun was?" fragte er
und grinste mit einem ganzen Gesicht
voll Falten. „Es muß heute gefeiert
werd«n, genießen müssen wir heute,
Rossin, genießen, als wenn wir eine
Million geerbt hätten. Nur so drauf
' st de ch d s ch
wahr zu machen, nachdem «r schon die
V«ilchen gekauft hatte.
„Doktor!" sagte sie, und si« gab sich
«inen Ruck, um sich in Positur zu brin
gen. „Doktor, ich glaube, Sie sind
„Ja," sagt« «r, „alt«r Hausdrach«,
«s kann wohl sein. Und nun nehmen
wir «ine Droschke und fahren bis an
tüchtigen Rand."
Das Unausstehliche war, daß er
immer so ruhig lächelnd und halb
b«i ihm ankommtn.
„Und dann v«rschwenden wir. Du
wirst schon sehen. Aber halt hier
steht ein Bettler daß du uns heut
an keinem Bettler vorbeigehen läßt.
Jeder kriegt heute was. Sie sind alle
bedürftig. Stell du dich mal einen
ganzm Tag lang so hin."
Und er lief hin und gab. Er war
wahrhaftig o«rschrob«n geworden heut,
es war ihm etwas in di« Stang«n ge
„Das wird gut," sagte sie mit einem
halben Knurren, „da werden wir ja
Aber hätt« si« lieber nichts gesagt, er
„Auch gut," sagte er, „es will alles
mal versucht sein in der Welt, auch das
Banktrottmachen." ' D schk
Hochzeit gefahren. Wie wär s übri
gens. Rossin, wir thäten Hochzeit ma
chen heut?"
Sie wollte einen Aufschrei thun,
hielt aber noch zur rechten Zeit an
ch spring hinaus Doltor " sagte
sie, „Estimiren laß ich mich nicht."
Er lacht«.
„Nein, Rossin, laß du dich nicht esti
m!r«n. Du bist ja gefeit. Und du
weißt, ich halt« mich an die Brdingun
g«n. Du wiißt. Nun wrrd nur nicht
nicht. Und min heraus aus d«m Ka
sten in den Säckel gestiegen. Fuchs
dich nicht. Es gibt «in Hochz«itstrink
g«ld. Und «s lebe die V«rschw«n
dung!"
nunst selbst, Dottor!" trat die Rosine
nach und fuchtelte mit den Armen in
der Luft, daß sie jjch beständig umsah,
ob Niemand in der Nähe sei, lxr es
hielt sie an d«n Hüften fest Gottes
Gluck, daß Niemand in der Nähe war!
„Riechst du nun was, alter Drache?"
Veilchen!"
Neilchen. Aber sie that ihm den Ge
fallen und schnupperte in der Luft.
Er jubelte. „Das ist's gerade,
Erde! Du bist doch ein feiner Mensch,
Grün und oben in den Wipfeln da!
Wehen. Ganz fein! Sperr deine Oh
ren aus hörst du'S nicht? Und um
Rossin, das ist all«S! Alles! Und nun
pflück! Das ist der Frühling! Küß
mich, Rossin, weil es Frühling ist.
das muh gebracht werden!" Nun
bli«b di« Rosine aber stehen und
stemmte di« Arme in di« Seit« und
protlamirt«: „Bis dahin, Doltor, hab
ich mir'S gefaklen lassen. Nun wird
mir's aber zu bunt, d«r Spaß geht zu
weit. Ich verbitt mir das!" Da
nahm er sie unter den Armen und
dicht« mit ihr h«rum und drehte wei
ter und pfiff dazu: „Nur einmal blüht
im Jahr der Mai, nur einmal im Le
ben di« Lieb«." Und tanzt« richtig
mit ihr über Gras und Moos und
Wurz«ln und üb«r die welken Blätter,
di« um si« wirbelt«».
D«r Rosine war das Kapottchen
ganz aus die eine Seite gerutscht, so
daß sie'S balanciren mußte, um es aus
dem Kopse zu behalten. Sie hätte sich
ja gern gewehrt, aber so lonnte sie es
doch nicht, wenn sie nicht ristiren
wollt«, daß ihr fein Kapottchen ganz
vom Kopf herunterfiel. Der Doltor
ließ sie nun auf einen Baumstumpf
niedergleiten, damit si« sich ausschnau
fen tonne, und ging und suchte Veil
chen.
Die Rosine wußte nichts Anderes zu
sagen und zu thun, als beständig zwi
schen einem und dem anderen Athem
zuge herauszustoßen: „Rein verrückt!
Nein, so etwas! Dummheit!
Dummheit! Alberne Dummheit!"
„Pustest du noch, Rossin?" rief d«r
Doktor aus d«m Gebüsch am Bach her
aus, wo er Veilchen suchte. „Pust dich
nur richtig aus, das wird dir gesund
sein. Ich verordne dir's. Und hier
steht alles voll. Blaukopf an Blau
lopf. Lauter Frühlingsaugen. Kein
Mädel, das so schöne hätte! Auch du
nicht. Bleib nur ruhig sitzen; es gibt
einen ganzen Schooß voll für dich!"
Da sprang sie auf, wie von einer
Natkr gebissen. Er wär's rein fähig,
ihr das ganz« Kleid voll zu schütten in
feiner Narrheit. Und gar nichts dar
nach zu fragen, daß «s ein funlelnagel
dann eine Cigarre. Import, mag's
losten, was es will. Einen Schnaps
dazu. Fine Champagne. Oder willst
auf der Mlt.
Stuttgart sitz«n that,
rette ansteckt. Wie meinst?"
men Sie sich alle, wenn Ihnen das
Fell juckt. Aber ich geh dann. Ich
geh, das sag ich Ihnen, Doltor, keine
Stund länger mehr bleib ich dann in
„Einverstanden, Rossin, und «in
schlecht» Zeugniß kriegst dann von
mir, daß dich kein Mensch mehr an
nehmen thut. Und nun willst noch ei
nen Schnaps? Sag ich's doch. Stille
Wasser gründen tief. Die Rossin
trinkt. Bravo!"
Er goß ihr noch einen Benediktiner
«in. .
und wandern Arm in Arm in die
Stadt und essen fein zu Nacht. Aber
ganz fein, hörst! Und trinken auch
Champagner, französischen, zwanzig
Mark für die Flasche. Hörst,
Rossin!"
„Fähig wären Sie's heute. Mein
Gott —"
nit so hochdeutsch, Rossin, sag
nur, liebs Herrgöttle," fiel er ihr in
die Rede.
„Ich schweig ganz still, ich^sag^ganz
„Zum drittenmal bravo!" sagte er
und lachte laut auf. „Und schwäbeln
kannst auch noch, bist also noch nit
andermal auf. Heiü wollen wir erst
noch zu Nacht essen," kicherte er.
Dann rief er den Kellner und zahlte.
Die Rosine saß dabei und warf ver
deni anderen zum Himmel. So eine
Rechnung! Sie rechnete sich aus, wie
viel Tag« lang sie die Haushaltung
für das G«ld hätte führen können. Es
war eine Sünd und eine Schand.
Kellner: „Wollen Sie meiner Frau den
Mantel bringen, bitte," mit der selbst
verständlichsten Miene von der Welt.
Nein, mit einem Spitzbubengesicht.
Ganz ernsthaft. Sie hätte in den Bo-
Der Kellner holte den Mantel, half
ihr hinein und redete sie gnädige Frau
an. Was der sich wohl dachte! Sie
war froh, wie sie glücklich draußen
waren und die Bücklinge aufhörten.
Sie hatte sich ganz genau zurecht
gelegt gehabt, was sie alles draußen
dem Doktor hatte sagen wollen, aber
nun hatte sie es gänzlich vergessen.
Sogar als er ihr galant den Arm bot,
blieb ihr nichts Anderes übrig, als sich
einzuhaken. Was wollte sie denn ma
chen. er war ja zu jedem Skandal
fähig heute. Wer sie bliebe nicht län
ger ihm, keinen Tag länger. So
fen Gedanken baute sie denn auch noch
aus, als sie schon im Restaurant saßen
und er die seinen, theuren Sachen be-
Sauerkraut und Speck, das wäre ihr
lieber.
Dottor war! Sie hätt« in den Boden
„Das war Frühlingsfest, Rossin/
sagte er. „Jeher feiert';, so c.ut er
einer W«ile sagte „li-tzt
Er zahlte.
„Aber einen Wagen nehme» wir doch
noch für heim. Oder e,n Auto. An
ders geht's nit!"
Die Rosine hatte eine Heidc.iang't
vor den Automobilen. Aber sie ergab
sich. Wer lonnte wiss-'n, was ihm noch
einfiel, wenn sie sich jetzi sträub!»'. Sie
saßen ganz still neben einander. Die
Veilchen waren well gewzrvii, die die
Die der Doktor gepflüct: halt«, hatte
er im Restaurant gelassin.
fragte ihn die Rosine vorwurfsvoll.
„Doch gar nichts. Ihr z»!cs Geld ha
ben Sie ausgegeben für nichts und
wieder as git.
Auf der Treppe sagte er dann erst
wieder: „Das ist halt die verflixte Ge
schichte, daß ihr Leut immer recht
habt zuletzt."
Sie stiegen in die Wohnung hinauf.
kannst. Ich fühl gar nichts. Rein
rech! habt. Ab«r 's ist gut. Und du
bist gut."
gekriegt. Frühlingsopfer! 's ist schon
gut, sag nichts. Wisch dir den Mund
und sag nichts. Wir bleiben gute
Und ich hab si« auch bald. Nur noch
so ein stücker fünf Jährchen weniger.
Leg«n wir'S hinter uns. Gelt, brau
mir noch einen Grog, Alte. Legen
wir's hinter uns und Strich drunter.
Aber die Welt stand mir h«ut «inmal
voll«r Veilchen, was willst du. Das
passirt. Und das verstehst du nicht.
Du bist halt eine alte Jungfer. Geh,
brau mir den Grog, 'Z ist kalt hier,
und leg«n will ich mich noch nicht."
Die Rosine verstand das nicht. Sie
fühlte, daß da etwas war, was nicht
ganz l«icht war, aber sie verstand das
nicht. Sie vergaß darüber sogar, in
dignirt zu sein. Si« ging hinaus und
braut« einen starken Grog. Sie
brachte ihn und ging rasch hinaus.
Ihr« Stüh« verriegelte sie mit aller
Vorsicht.
Der Doktor saß noch lc«ge und
dachte nicht mehr an die Veilchen. Als
er zu Bett ging, spürte er, daß^er^ei
dann lange noch ohn« Gcdank«n. Als
«s schon gegen Morgen ging, lag er
Es war dann immer derselbe eine
Gedanke, der ihn beschäftigt«: „Es ist
dumm, daß die Leute immer recht be-
Schließlich sagt« «r sich: „Aber es ist
so, sie haben halt recht."
Darüber schlief «r denn ein.
»t« «rfchiU»«»»»«»
Der Dampfer stampfte und rollte
und benahm sich so unangenehm wie
möglich. Alle Passagiere blickten
trübe, traurig und verzweifelt,
in einem alten Florio- und Rubvt
tino - Dampfer an der Scylla und
Charibdii vorbeigefahren und das
Meer hatte keine Schrecken mehr für
Um die anderen zu erheitern tanzte
er einen Hornpip« und einen Jig.
„Seid nur lustig und Ihr fühlt Euch
auch wohler," rieth er.
„George," sagte da ein Freund,
„willst Du mir eine Gunst erweisen
aach! eine große Gunst uuh
vielleicht die letzte oohoo um
die ich Dich je bitten werde?"
„Gewiß schieß los! WaS kann
ich für Dich thun?"
„Nichts. Im Gegentheil. Hör'
nur auf zu tanzen. ganze Schiff
««<>» d«r U«b«ne»gung.
Ein Redakteur in West Kansas
hatte das Motto gewählt: „Wir
schreiben die Wahrheit." Eines Ta
ges kamen aber mehrere starke Män
ner. denen die volle ganze und unge
schminkte Wahrheit nicht behagte,
und es ging dem Redakteur wie dem
sprichwörtlichen Wahrheitsgeiger.
Und das Motto verschwand, und an
Kaffee-Grsellschaften.
bei amüsirt! weil es für Viele die ein
zige Form der Geselligkeit ist, die si«
pflegen können, wird man ihnen ant
worten. Das Zweite läßt sich hören.
Aber das Erste? Gewiß, es kann zu
treffen, es trifft für Viele sogar so
sehr zu, daß sie fast Tag für Tag von
Neuem diesem Vergnügen mit der
gleichen Freudigkeit nachgehen. Wenn
aber die Kaffees wirklich die einzige
Art der Geselligkeit sind, die manchem
alleinstehenden oder aus den Verkehr
mit Damen beschränkten weiblichen
Wesen erreichbar ist, mußten sie dann
in der W«is« ausgebildet werden, die
D«r im Laus« eines Nachmittags
nacheinander mit Kasse« und Kuchen,
Wein, Eis oder süßen Speisen bela
den« große Tisch sagenhafte Mel
dungen berichten sogar noch von «inem
soliden, aus belegten Brödchen beste
henden dritten Gang als Mittel
punkt der grselligen V«r«inigung wirkt
lähm«nd und gibt d«r ganzen Veran
staltung das Gepräge des Unbewegli
chen, Schwersälligen, von der starken
Betonung des materiellen Interesses
ganz zu schweigen. Ich will nicht be
haupten, Mangel an diesem Interesse
sei z. B. bei Diners d«r Grund, daß
in Kreisen mit »«rfcinerten Lebensge
wohnheiten aus schnelles Serviren und
möglichste Abkürzung des langen
Sitzens bei Tisch Werth gelegt wird,
aber «in wenig von dieser Tendenz
auch in Damenkasfees einzuführen,
tonnte nichts schaden. Der Umstand,
daß manche der eingeladenen Damen
spät kommen, andere sich früh wieder
entfernen, zieht die Dauer der einzel
nen Gänge oft n<ch mehr in die Länge.
U«b«rhaupt ist die lange Ausdehnung
des Ganzen ein Punkt, der die zur
Verzweiflung bringt, denen ihre Zeit
lieb ist. Es gibt kaum ein radikaleres
Mittel, «in«n Nachmittag todtzuschla
g«n, als «inen wohlgelungenen Kaff««
in d«r augenblicklich üblichen Gestalt
mitzumachen; weniger als drei Stun
d«n beisammen zu bleiben, ist leider
nach der heutigen Schätzung beinahe
kränkend für die Gastgeberin. Am
schlimmsten sind natürlich die verhei-
Nachmittag'sstunden ihrer
Familie entzogen und zu Hause an al
len Eckn und End«n vermißt werden,
während sie Zeit und Frische für ei
nen sinnlosen alten Zopf, d«n nur vor
läufig Niemand sich abzuschneiden ge
traut, verg«ud«n müssen.
Wohl nicht unbedingt gerechtfertigt
ist «in anderer Vorwurf, den krittelige
Menschen zuweilen erheben und der
sich gegen die Art und das Niveau der
Unterhaltung in Kaffees richtet. Wie
di« Zusammensetzung der Gesellschaft,
so die Unterhaltung, und Beides
braucht in geselligen Zusainmenküns
ger gut zu sein, als in anderen. Eine
mäßig« Unterhaltung kann man auch
in „gestreiften" Gesellschaften haben.
Es ist ja auch gar nicht nöthig, daß
immer eitel Geist und Witz versprüht
wird; wenn nur Jeder bemüht ist, sich
liebenswürdig zu geben, der Stim
mung des Ganzen sich anzupassen und
zu ihrer Erhöhung mit beizutragen.
Für die älteren Damen sind ausge
dehnte Kasfeev«rsammlung«n ohne
Zweifel ein Herzensbedürfnitz, und
wer wollte ihnen solch' sanften Le
bensgenuß nach arbeitsvoll«n Jahren
mißgönnen! Für verheirathete und
start in Anspruch genommene Frauen
sind Kaffeegesellschaften nichts als
ein« Zumuthung. D«n Muthigen und
ihrer Persönlichkeit nach Geeigneten
unter d«n Unv«rheirathettn wäre hier
«ine Gelegenheit gegeben, durch Ein
kleidung der alten Sache in eine neue
Form: etwas späterer Anfang unter
Voraussetzung pünktlichen Erschei
nens, wie eS in jed«r anderen Art der
Geselligkeit selbstverständlich ist, losere
Vertheilung und mehr Bewegungs
freiheit für die Gäst«. zwangest« Ar^
d«r zweiten Mahlzeit, sich
ein Verdienst zu erwerben.
»t«
Bei den letzten Wah
len candidirte auch «in Schauspieler.
Es war der frühere Arzt M. Boula
ran. Er fiel zwar durch, aber eine
lustige Geschichte machte viel von sei
ner Candidatur reden. Er hatte als
Wahlbureau sich einen Laden gemie
thet, den vorher ein Getreidehändler
innegehabt hatte, und ohne die ver
schiedenen Inschriften zu entfernen,
ließ er ein großes rothes Plakat an
bringen, aus dem stand: „Wahlbureau
für Boularan." Den anderen Tag
und alle die folgenden Tage versam
melte sich eine zahlreiche Menge vor
dem Laden, machte ihre Spässe und
schüttelte sich vor Lachen. Der Can
dida!, dem gar nicht heiter zu Mutbe
war. tonnte sich diese Lustigkeit nicht
erklären, bis er schließlich bemerkte,
daß unter seinem Plakat zufällig eine
Inschrift des Getreidehändlers stehen
geblieben war, die in großen Buchsta
bibliothet enthält nahezu 2<XX) Bände,
sowie 3750 Hefte Musikalien.