Scranton Wochenblatt. (Scranton, Pa.) 1865-1918, May 24, 1906, Image 2

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    An Gräbern. !
» Gedämpfter Trommelschlag ertönt 8
» Durch's Thor des Friedhofs, mit umflorten
« Fahnen !
» Zieht eine Truppe alter Veteranen
8 Schon lang' sind Nord und Süd versöhnt; j
8 Die Waffen hat der Feind gestreckt,
« Und lange schon sind Gegner Freunde !
» . wieder, <
8 Doch nicht vergessen sind die Heldenbrüder, j
« Die nun der Grabeshügel deckt.
« Heut' gilt es, denen, die da ruh'n !
» Den ew'gen Schlaf in friedlichem Ge- !
« lände, !
« Der Sitte treu durch eine Blumenspende
8 Gewohnten Liebesdienst zu thun. ?
8 Dem Zuge folget ein Gespann,
« Mit Kränzen und mit Fähnlein reich be»
laden, !
H Zu all' den Gräbern ihrer Kameraden,
« Der Liste nach von Mann zu Mann.
« Das erste Grab ist nun erreicht: Z
« Mit ernsten Mienen schau'n die Waffen
-8 brllder <
« Auf des gefall'nen Freundes Stätte nieder, !
« Ein kurz' Gebet zum Himmel steigt.
« Ein Kranz wird auf das Grab gelegt -»
» Ein Fähnlein roth, weiß, blau mit wei- !
« Ben Sternen !
« Entsendet flatternd seinen Gruß dem Fernen, e'
8 Und weiter sich der Zug bewegt. i
» Ein alter Veteran bleibt steh'n
« Stumm sieht er vor sich hin in ernstem >
« Denken: i
» „Auch mir wird man bald Kranz und H
« Fahne schenken, H
8 Ruh' sanft, mein Freund, auf Wieder- H
« seh'n!"
Zn Aachen Mirs.
Vor einigen Monaten habe ich
zwei illustrirte Artikel über die Be
handlung der nördlichen Kriegsgefan
genen im Bürgerkriege veröffentlicht.
Ich hatte mich darin einer möglichst
objeltiven Schilderung befleißigt, habe
aber die Erfahrung machen müssen,
daß selbst jetzt. 41 Jahre nach Beendi
gung des Krieges, der alte Partei
ist. Denn es sind mir verschiedene
Proteste aus beiden Lagern zuge
gangen. Der einen Partei hatte ich
längst nicht stark genug auf die Con
föderirten - Bande geschimpft, der
anderen Partei schienen meine Anga
„Au den Waffen"
Herren werden stets auf
ihrem einseitigen Standpunkte behar
ren. Sie können gar nicht anders.
Sie können sich kein objektives Bild
jener Zeit darstellen unv so viele Ver
brüderungen auch seitdem stattgefun
falten der Mitkämpfer aus jener
Epoche bleibt stets haften ein Tropfen
Gift, ein letzter Rest des alten Ha-
Kritiker möchte ich hier beleuchten,
denn es betrifft eine viel umstrittene
Sache von allgemeinem Jn
resse. Ich hatte erklärt, datz der
„Kerkermeister" von Andersonville, der
Schweizer Wirz, als Sünden
bock gehängt worden sei. Das hat
mir ein paar entrüstete Briefe einge
tragen, deren Inhalt darin gipfelte,
daß „das Scheusal Wirz den am
sendmal verdient habe".
Die Anklageschrift und das Urtheil
gegen Wirz sind umfangreiche Doku
mirt, daß eine solche Bestrafung un
terbleiben müsse. Man hat Jeff. Da
vis kein Haar gekrümmt, man hat sie
che während des Krieges vorgekommen
sind. Wie viele von den Hunderten
von Todesurtheilen, welche von bei
den Parteien an sog. Spionen voll
streckt worden sind, mögen Unschuldige
getroffen haben? So geht es ste'ts
im Kriege. Was wäre wohl aus den
gefangen hatten, "wenn der deutsche
Kronprinz zwei Stunden später ein
getroffen wäre? Der Kronprinz hat
die Leute begnadigt. Wie viele Un-
klamirt worden war. So ist der Fall
Wirz ein ganz anderer.
Bor mir liegt ein Buch, welches
der ehemalige Gefangene in Ander
sonville, der Deutsche Hermann A.
Braun, in Milwaukee im Jahre 1892
bei der Fahsel'schen Verlagsanstalt
hat erscheinen lassen. Dieser Braun
war ein Augenzeuge jener Gräuel,
wie es die Ankläger gegen Wirz wa
ren, aber Braun nimmt Wirz in
Schutz. Braun sagt, daß die Zu-
stände in Andersonville besser wa
ren, als in anderen südlichen Ge
fängnissen, namentlich besser waren
als in Danville, Virg., und in Flo
ren«, Florida. Allerdings waren sie
noch immer schlimm genug in Ander
sonville, aber sie waren doch besser
als anderswo. Braun behauptet au
ßerdem, daß Wirz beflissen war, die
Zustände nach Kräften zu bessern.
Aber der wohlmeinendste Mann der
Welt wäre in seinen Bemühungen ge
scheitert als Gefängnißdirektor von
Andersonville.
Wer kann mehr geben, als er selbst
hat? Wer kann 30,000 Mann spei
sen mit den Mitteln, welche für viel
leicht 15,000 zugeschnitten sind? Wer
kann sechs Mann in ein Bett legen
und zugleich danach sehen, daß alle
sechs bequem liegen? Wer kann vier
tausend kranke Menschen in einem
Hospitale zureichend verpflegen, wel
ches höchstens für 800 oder für 1000
Menschen eingerichtet ist? Wer kann
die Kost, welche für Südländer geeig
net ist, so Herrichten, daß sie auch
Nordländer befriedigt? Und so könnte
man tausend Fragen und gleichzeitig
tausend Unmöglichkeiten einer befrie
mit dem Herzen eines Grafen Tolstoy
hätte angesichts dieser Maßregel die
Uebelslände nicht verhindern können,
welche sich nun herausstellten.
Was die Beköstigung der vielen
Tausende anbetrifft, so ist hervorzu-
wenn es in rohem Zustande verzehrt
werden mutzte. Wurde es in Brod
form gereicht, so war es zwar etwas
bekömmlicher, aber da die Bäckereien
in ungenügendem Zustande eingerich
tet waren, so hatte das Brod meistens
eine steinharte Kruste und einen schlei
migen. weichen, zählenden Inhalt.
Nun erzeugt eine Kost, deren Haupt
bestandtheil Maismehl ist, bei Leuten,
die nicht daran gewöhnt sind, sofort
Diarrhoe, namentlich in Verbindung
mit Wasser, das oft verseucht war,
das aber bei der schrecklichen Hitze von
Kost, welche die Magencrkrankung er-
Nothwendigerweise ein« sich
beständig steigernde Verschlimmerung
des Uebels, ein chronischer Magen
katarrh, der schließlich zum elendesten
Siechthum führt. Da aber Wirz den
Gefangenen nichts anderes zu geben
hatte, als diese gleiche gesundheitswi
drige Kost, welche seine eigenen Leute,
Gesangenen. Wirz war kein Moses,
er konnte nicht Mannah regnen lassen.
Er konnte keine anderen Nahrungs
mittel liefern, als seine Regierung
ihm zur Vertheilung gab.
die eigentlichen Kranken thun, denn
es fehlte ihm an Medizinen. Das
war zum großen Theil die Schuld der
Washingtoner Regierung, welche Arz
neimittel als Kriegscontrabande be
handelte. In Folge dieser Maßregel
des gestorben.
Behält man diese Umstände im
Auge, so erscheint die Schuld dieses
auch Grausamkeiten vorgeworfen, zwci
Gefangene soll Wirz mit dem Revol
ver erschossen haben, Flüchtlinge wur
den Daumen aufgehängt. Wer denkt
da nicht an das finstere Mittelalter!
Aber gemach, lieben Freunde, diese
selben Strafmittel waren in der glor
reichen Armee Onkel Sam's allgemein
gebräuchlich, noch lange nach dem
„Mit Bluthunden hat Wirz die
Flüchtlinge Hetzen heißt es
linge mit Hunden verfolgt wurden,
ist sicher. Jedoch ist dies zu erwäh
nen: Die Fluchtversuche wurden sast
Wald gelassen waren. Ihnen war
Gefangen.awärters über 30,000 Un-
dem Verdachte aussetzen, zu harten
Mitteln gegriffen zu haben! Es ist
bekannt, daß sich unter den Gesänge
nen Kameraden beraubte und ermor
dete! Das läßt doch darauf schlie
ßen. daß unter den 30,000 Mann
nicht ausschließlich saubere Kerle wa
ren. Wirz gestattete, daß die Gefan
genen eine eigene Polizei organisirte',,
welche die Räuber verhaftete. Diese
wurden dann von den eigenen Kamc
erging ei Denjenigen, welche freige
sprochen wurden? Sie mußten Spieß
ruthen lausen durch Gassen, welche
Solche Grausamkeiten vollführten die
Worte Wirz dagegen
Verwalter des Gefängnisses, sondern
der Untergebene des Generals W. S.
Wilder, welcher die Verantwortlichkeit
ner, Capt. Wirz. Wer dieser Wilder
und darüber"zu berichten. Jener Os
ficier, Col. D. T. Chandler, meldet
am S. August 1864 an seine Regie»
rung: Es sollte ein Wechsel im Com
mando des Postens eintreten, General
Wilder sollte ersetzt werden durch
einen Mann, welcher Energie und ge
ger Rücksicht auf die Wohlfahrt
der conföderirten Regierung, daß
Wilder den Plan verfolgte, die Leute
hinsterben zu lassen, blos damit da»
Wir z. Ja, Col. Chandler erklärt
„es sei besser, datz die Hälfte der Ge
fangenen stürbe, als daß man die
Fürsorge für die Leute habe" („it
d«>tter tc> Imlk »k tli>»>
In Folge dieses Berichtes wurden
einige Wochen später große Massen
der Gefangenen von Andersonville nach
Aus Chandler's Bericht geht klar
hervor, wer für Andersonville verant
wortlich war, nämlich der General
Wilder (ein Mann, der sich (ebenfalls
nach Chandler) damit briistete, nie
einen Fuß in das Gefängniß gesetzt
zu haben). diesem eigentlich
Aber das Material ist zu groß. Jn
sche Buch.
albernen Witze gerissen über die
schlechte Aussprache des Englischem
Seitens des Wirz. Wozu das?
Englischen erlangen.
Wirz stammte aus einer angesehe
nen Familie in Zürich, kam 1843
nach Amerika, lebte lange als Arzt in
Louisiana, wurde als Capitän in der
ersten Schlacht von Bull Run schwer
verwundet und dann als Clerk von
der Rebellen - Regierung beschäftigt.
Ende April 1864 wurde er Gesange
nenwärter. Er fand das Gefängniß
fertig und fast überfüllt vor, bewirkte
aber bald einen Anbau. Sein Ruf
welche ihm die Geschichte schuldig ist,
sieht bei den herrschenden Vorurthei
seine Maßnahmen und Handlungen
gutheißen. Nichts liegt mir ferner,
als das. Wirz war sicherlich kein
schichte gelten läßt. Mir war nur
die Aufgabe gestellt, die Behauptung
aufrecht zu erhalten, daß Wirz als
hat.
Tinroln bei Grünt.
aus Ausflüge nach dem nahegelegenen
Kriegsschauplätze. Und fast immer
kehrte er kummervollen Herzens da
von solchen überhaupt bei Leuten wie
McDowell, Meade u. s. w. reden
hatte den Krieg mit dem lebhaftesten
Interesse verfolgt .'nd hatte sich, da
er der einzige Dauernde im Com-
den während der ersten Jahre des
Krieges, hätte der Oberbefehlsherr
Lincoln sicherlich nicht gemacht. Aber
war Lincoln's Rückkehr von diesen
Besuchen stets ein Trauerspiel.
Nur der letzte Besuch Lincoln's
im Hauptquartier Grant's war es
nicht. Dieser Besuch fand statt in
Richmond, in der eben eingenomme
das Kriegsglück dazu bestimmt hatte,
die Uebergabe der Rebellenhauptstavt
nach unendlich langen Kämpfen her
beizuführen.
Jdyllen vom Zarenhos.
Reizvolle kleine Geschichtchen wer
den in dem Buche „Six Dears at the
Russian Court" von der Engländerin
M. Eagar erzählt, die in den Jahren
von 1898 bis 1904 am Zarenhose als
Pflegerin der tleinen Großfürstinnen
lebte. Sie spricht mit großer Liebe
von den vier kleinen Prinzessinnen,
ficht: Tatjana ist eine regelmäßige
Schönheit: Marie ist so lieb, gut und
artig, daß jeder sie lieben muß? aber
lichkeit darstellt: Um die Osterzeit
sollten, das ihnen am besten gesiele,
sah Olga sich alles genau an, wählte
jedoch den tleinsten Gegenstand, den
sie finden konnte. Auf alles andere,
das man ihr anbot, sagte sie nur:
„Nein, ich danke sehr; ich will es
nicht." Als die Erzieherin sie darauf
sehen. Tie kleinen Mädchen waren
höchst entzückt, sie in so prächtigen
Kleidern zu sehen; sie standen einige
Zeit in sprachloser Bewunderung um
Asse!" In höchster Verlegenheit sagte
die Zarin: „Du bist selbst ein A''fe,