Scranton Wochenblatt. (Scranton, Pa.) 1865-1918, February 15, 1906, Image 2

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    Rothe Kressen.
Wieder kam ich den Brocken herun
te wie vor einem Jahr, und da fiel
theils aus Müdigkeit, theils aus Be-
und sympathischer G^
der einfache Mann von seiner Frau
seinen Worten: „Ich sage Ihnen, eine
ganzen Harz. So krause, dunkle Löck-
Paar Augen! Und sauber ist sie und
flink -H scheut sich vor keiner Arbeit.
Grobes thun könnte. Die Leute wun'
ne Frau habe!" Er lächelte halb stolz,
Ich staunt«.
gewesen." 5 I
„Keine Kinder?"
„Nein. Auch keins in Aussicht. Es
nes. aber es macht auch viel Last für
'ne Frau. Nein, es ist ganz gut so.
Sonst hätten wir uns auch nicht so
„Nun, es ist ja noch nicht aller
Tage Abend," bemerkte ich. Ich sah
ihm an. wie er sich's wünschte.
Er lächelte. „Naja— später viel-
Gott überlassen. Wenn's nicht sein
wenn sich's mal so macht, schicke ich
Ihnen einen. Wie ist denn Ihr«
Adresse?"
Rieder Fritz Rieder, Lange
straße fünf. Wenn Sie sich's vielleicht
lieber aufschreiben wollen?"
Er plauderte noch einiges und
sagte zum Abschied: „Wenn das nun
auch nichts ist, das müssen Sie mir
stand, während ich meinen einsamen
Weg oerfolgte. Ich fühlte beinah ein
bißchen Schuldbewußtsein, daß ich
mich erst jetzt wieder erinnerte an den
guten Fritz Rieder! Der Name war
auch wieder da mit den alten Erinne
such auszuführen, mich von Fritz Rie
ders ehelichem Glück zu überzeugen
und, wer weiß, Kleine bewun-
Jch fand mich nach der Langenstraße
Ich sah über das Staket in den
Aber lustig eigentlich nicht. Ich ver
mißte das Gepflegte, Ordentliche, das
Fritz Rieder mir gerühmt. Die rothen
Kressen überwucherten alles? sie stie
schossene Reseda.
Ich sah auf das Haus. Die Vor
mung nahm mir den Athen. Ich
drückte auf die Klinke der Garten
pforte. Ich wunderte mich nun schon
nicht mehr, daß sie verschlossen war.
Ein altes Mütterchen' kam des
Wegs. „Bitte, sagen Sie mal, dies ist
doch das Haus von einem Bierfahrer
Fritz Rieder?" fragte ich.
„Ja, ja", sagte sie verstört und miß
trauisch zugleich.
„Es ist ja alle? verschlossen. Ist
desWegs.
Bierfahrer Fritz Rieder?"
„Im Gefängniß!" kam es prompt
grausamer Klarheit von seinen
L^,en.
„Im Gefängniß! Und wes
haM" l cht hat"
Der Junge zuckle die Achseln.
„Das weiß ich nicht. Aber der Bier
fakrer Fritz Rieder, dem dieses Haus
?omint die Mutter, die können Sie
auch fragen."
Die Mutter kam näher. Sie sagte:
Geschichte! Wer hätte sich so etwas
k^nnt?"^
Wie hat denn das aber so kommen
können?!" rief ich aus.
Und sie erzählte mir, wie es gekom-
kicheren Menschen, einen gefälligeren
Nachbarn konnte man sich nicht denktn.
Und seine Frau babe er noch nach
dreijähriger Ehe so lieb gehabt wie am
Hochzeitstag.
Hübsch sei sie gewesen, sehr hübsch,
das hätte ihr jeder lassen müssen, und
auch flink und sauber und nicht
schlecht, bis —"
„Er selbst hat sie mir als ein Mu
ster aller Hausfrauentugenden ge
rühmt", sagte ich. „War sie das
nicht?"
„Na, so wie er es sich dachte, war
nun nicht alles. Er meint« ja, sie
arbeitete sich todt. Das war nun
nicht so. Im Gegentheil. Sie hatte
Ach du lieber Gott, das war nicht
zu thun haben, wobei man Herz und
Gedanken und alle Kräfte gebraucht,
etwas zu sorgen, meine ich, das ist
Untreue nicht geglaubt.
„Aber da kam er eines Abend?
früher zurück, als sie erwartet hatten.
Strauß Heckenrosen bracht« er mit,
den er unterwegs gepflückt hatte. Mein
Mann ist ihm begegnet und hat ver
gtwesen ist. Aber da gab es kein Hal
ten. Ins Wirthshaus ging der sparsa
me Mensch ja fast nie, und er mußte zu
seiner Josefa!
Abend! Aber wer weiß? Was kom
„Wie es geschehen ist, weih man
nicht ganz genau. Der Maler war
gleich todt, die Frau lebte noch kurze
nicht wild aber ganz starr
und stumpf. Es hat geschienen, daß
er den Maler erstochen hat, und daß
niemals werden. Wenn er nicht noch
in den letzten Stunden ein Geständniß
ablegt.
„Bis jetzt haben sie nichts aus ihm
herausbringen können. Er wäre ganz
verstockt, heißt es. Aber wie man ihn
gefragt hat, ob er tödtlich hätte treffen
wollen, hat er ja gesagt, und ob er es
bereute, hat er den Kopf geschüttelt.
Das ist bös.
„Die Herren auf dem Gericht müs
sen nach den Gesetzen urtheilen, sagt
mein Mann, das geht nicht anders.
Und Schuld muß Strafe haben, das
manch einer in eine schrecklich« Schuld
hinein und ist vielleicht besser als hun
dert andere, die Ehren sterben. Denn
guter Menses"
Gute überwuchert: und dann sah ich
Blut die rothen Kressen troffen,
das ganze Kärtchen schwamm.
„Der Prozeß Rieder steht drin. Aber
»Doch, doch!"
Meine taumelnden Blicke suchte»
nur das Urtheil: zum Tod!
Ich zuckte zusammen.
Aber mein nächster Gedanke war:
Zm Spritzenhaus.
um 1 Uhr am Gestade der Ostsee sa
hen und Skat klopften. Aber solide
Leute wandeln Nachts nicht am
sehen.
Als uns daher das Aiige des Ge
Aber schließlich, als dos Licht in
Elsr'S Bertheidiguugsmittel.
„Nun gerad«!" sagte Else Fischer.
.Ich will doch einmal sehen, wer recht
Wenn die kleine Else diesen Ton an
schlug und aus ihre besondere Weise
den Kops in den Nacken warf, dann
pflegt« ihr Bruder Fritz zu sag«n, daß
nicht gut Kirschen essen mit ihr sei.
Aber Brüder sind nicht gerecht
besonders wenn sie Obertertianer sind
und die Welt im allgemeinen noch
mehr verachten »ls die Schulwelt im
Else achtete also nicht darauf, daß
ihr Bruder ihr eine fürchterliche Gri
masse schnitt, nachdem sie ausgespro
chen hatte, und auch nicht darauf, daß
er nach Tisch mit außerordenilicher
Schnelligkeit in der Richtung nach dem
Walde zu verschwand.
„Else, Du wirst vernünftig sein!"
mahnte Tante Hete, die den Hausstand
auf Groß - Klauschen führte. „Wenn
der Herr Oberförster Dir von etwas
abräth, dann hat er seine Gründe."
„Natürlich hat er die!" rief Else ge
reizt. „Und ich will sie Dir gleich nen
nen: erstens will er mich schulmeistern
zweitens will er recht behalten, drit
tens ist er erbost, weil ich ein modernes
Mädchen bin, anstatt eines von den
verschiichterten, kleinen Hühnern, wie
sie früher Mode waren . . . Ich werde
dem Herrn Oberförster Groll«r schon
beweisen, daß ich keiner Bevormun-
pfeife, mit Respekt zu sa
gen!"
Die energisch« junq« Dam« hatt« ih
re Schlittschuhe ergriffen und wander
te dem Wäldchen zu. wo die herrliche
Eisbahn begann eben di« Eis
bahn, die ihr der greuliche Oberförster
verleiden wollte.
Es war wahrhaftig lächerlich!
Hier draußen auf dem Gute, wo nie
ein Strolch oder auch nur ein Fremder
zu sehen war hier sollte es gefähr
lich für sie ein, Schlittschuh zu laufen?
Wenigstens nicht über die Gutsgren
z« hinaus sollte sie laufen nicht
den Kanal entlang, der hinimlisch
bis zuder eine Weil« entfernten Kreis
stadt laufen konnte. So etwas hatte sie
dem Herrn Groller versprechen sollen!
Ha es war direkt zum Lachen!
Wie kam er überhaupt dazu, sich in
ihre Angelegenheiten zu mischen? Viel
leicht, weil'sie ihn «in bischen
gern hatte?
Elses Stirn zog sich in finstere Fal-
Die Schlittschuhe saßen fest an den
kleinen Fußen. und in schönem
Schwünge flog die leichte Gestalt da
hin.
Nach und nach ward Elses Antlitz
heiterer. Die frische Luft und die Be
wegung thaten ihr gut.
Und außerdem hatte sie ja in der
Tasche ihr famoses Vertheidigungs
mittel!
Ja darauf war sie stolz!
Sie ging nie in den Wald ohne eine
Tüte mit feingestoßenem Pfeffer.
Wenn nun jemand kam, der sie be
lästigen oder gar angreifen wollte,
griff sie einfach in die Tasche und warf
dem Betreffenden eine Hand voll Pfef
fer in die Augen! dem sollte
dann wohl die Lust zu weiteren Misse
thaten vergehen!
Else warf den hübschen Trotzkopf in
den Nacken und griff in die link« Ja
ckentaschc. Dort nämlich halte sie stets
Vertheidigunhspseffer steckte.
Malzzucker geworden; die Tante hatt:
nichts anderes spendiren wollen, und
sie hatte sogar Else mit der Bemerkung
aus d«r Küche gejagt, daß sie noch ein
„richtiges Gör" sei. Was natürlich
Fräulein Else nur ein erhabenes Na
serümpfen entlockt hatte. W?nn
man achtzehn Jahre alt ist! Du lie
ber Gott!
Wuchtiger wurden die Bogen, welche
die einsameSchlittschuhläuserin schlug.
Die Sonne war schon untergegan
mel. Hundertmal vorher hatte Els«
solche Mondsch«inab:nde auf dem Eise
zugebracht, die himmlische Freiheit des
Landlebens genießend. Warum
Muthe? War das etwa Angst, was
Else machte das Schlittschuhlaufen
heiseren Schnapsstimme rufen. „Komm
her! Js da fcheencs Mädel mis
sen wirr lustig sein damit!"
„Herrgott im Himmel," dachte Else
auß«r sich vor Eni'etzen. „das sind
wahrhaftig betrunkene Landstreicher!
Oh, wie entsetzlich!"
sich verrechn«!.
Mit ausgebreiteten Armen kam er
ihr entgegen und sein Kamerad
,'Unterstehen Sie sich!" schrie sie, da
Aber o Entsetzen!
gefaßt anstatt des Pfeffers; Ein schal
„Ah das ist schändlich, Fritz!"
zu^erschrecken!"
„Na, das siehst Du doch, wie ich das
stehen,
te.
sich ersehen, daß es mindestens 2<X>
Jahren 1079 und 1093 auf Veranlas-
Alter von wenigstens 10c>0 Jahren ha
— P « ch. Erster
Hast Du der Tocht«r Eures Geschäfts
freundes endlich eine Erklärung ge-
Antrag. sondern immer eine Ge
schäftsofferte!
mir halt a Radl zuxekauft!"
Tas Ttndium einer Primadonna.
Von Emma Calos, der berühmten
Rolle bereits über liXwmal gesungen
schen Zeitschrift, der sie oft in ihrem
Heim besucht hat, manches Interessante
zu erzählen. Eines Tages schilderte
die große Sängerin Ihrem Besuche^,
besuchte ich als Künstlerin," so plau
derte sie, „zu dem ausgesprochenen
Zweck, die Rolle der Carmen zu stu
dieren. Und um nun in meinem Auf
treten die höchste Natürlichkeit zu er
langen, lebte ich längere Zeit unter den
wurde ich mit dem Milieu, in dem
die Oper spielt, aufs Innigste ver-
erinnerte ich mich^auch
Mädchen.
Da ich unter den Fabrikarbeiterin
nen mehrere Monate lang mein Heim
aufschlug, hatte ick Gelegenheit, sie in
allen Lebenslagen und zu allen Zeit«?
was mich verwundert«, war, daß sie
im Verkehr mit ihren Geliebten so
wenig Zärtlichkeit bewiesen. Man hat
mit Recht gesagt, daß die Liebe der
Spanierin ein Gemisch von Leiden
schaft, Eifersucht und Brutalität wär«.
! Erst als ich mich wie von
Oft genug habe ich mich dann über
die Kritiken belustigt, die mit der Art,
wie ich Carmen darstellte, nicht zufrie
den waren, weil sie ihnen „unnatür
lich" zu sein schien. Ganz besonders
hat es die Kritiker immer geärgert, daß
ich im ersten Akt einen so kostbaren
ser, daß die Zigarettenarbeiterinnen
> sich wirklich so kleiden. Bei meinem
Aufenthalt in Sevilla sah ich selbst
Straßen, und damit auch Jeder ihren
neuen Schatz sähe, hob sie gelegentlich
das Kleid und ließ den leuchtend ro
then Unterrock recht sichtbar werden.
Ich taufte also bei demselben Händler
genau den gleichen Unterrock und trug
ihn bei meinein ersten Austreten als
Ken Farbe herstellen. Die spanischen
Mädchen sind ganz versessen auf so
leuchtende Farben und prunkende Klei
dung; für ihren Putz geben sie alles
aus, was sie sich mühsam verdient ha
ben ..."
Nicht minder gründlich geht die Cal
bei der Einstudierung anderer Rol
! len zu Werke. Das bewies sie vor
allem, als sie die Ophelia in Ambroise
Thomas' „Hamlet" studierte. Sie
lebte damals in Mailand, und sie
suchte dort einen berühmten Irrenarzt
auf, um dessen Meinung über len
„Fall" der Ophelia zu hören. Ge
wöhnlich. meinte sie, würde Ophelia
als ein süßes, sanftes Mädchen darge
stellt, das in Folge unglücklicher Liebe
an Melancholie leidet; ob das auch die
Meinung des Arztes wäre. Dieser
verwarf die Ansicht ganz entschieden.
„Er erbot sich, mich in ein Mailänder
Irrenhaus zu führen, wo ich ein Mäd
chen beobachten konnte, dessen Fall
durchaus an len der Ophelia erinner
te: sie war scn ihrem Geliebten ver
lassen worden und halte vor Gram den
Verstand verloren. Ich folgte dem
Arzte und fand nun «in hübsches,
blasses Mädchen, das mich aus großen
Wulhanfall, dann gerieth sie wieder in
höchste Angst: plötzlich nahm sie etwas
aus, gab es mir, riß es mir aber wie
der aus den Händen und machte
Miene, sich auf mich zu stürzen, wenn
man sie nicht gehalten hätte. Her An
blick dieses unglücklichen Mädchens hat
Die Calo»'' besitzt heute ein über
IVO» Acres großes Gut in Aveyron
und das alte, aus dem elften Jahr
— Gemüthlich. Richter: „Sie
gut!"^