Scranton Wochenblatt. (Scranton, Pa.) 1865-1918, January 04, 1906, Image 2

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    Das Glück der Anderen.
Sie trafen sich jeden Morgen zur
selben Stunde, in demselben Omnibus,
auf derselben Strecke, vom Botanischen
Garten bis Batignolles.
Er Pierre Rieux war ein jun
ger Schriftsteller, der sich schon eine
»anz respektable Stellung unter den
Literaten erworben hatte, und zwar
allein durch sein Verdienst. Denn er
stand ganz einsam in der Welt und
hatte auch keine Protektion.
Sie Mathilde Angestellte in
einem großen Waarenhaus am rechten
Ufer der Sein« anmuthig, liebens
würdig und auffallend schön, war
ebenfalls äußerst strebsam und fleißig.
Auch sie hatte keine Familienangehöri
gen mehr und war auf ihre eigene
Und beider Berus, obgleich so ver
schiedenartig, brachte sie jeden Tag zu
sammen, indem er sie zur selben
Stunde nach derselben Gegend führte.
Das erske Mal hatte Pierre, ein ern
ster, zurückhaltender, durch die Trauer
fälle in seiner Jugend schon früh ge
reifter Charakter das junge Mädchen
nur mit einem zerstreuten, gleichgilti
gen Blick gestreift.
Sie, in tiefer Trauer, scheu, mit ei-
Mund. welcher ihrem Lächeln einen
unsagbaren Reiz verlieh, hatte auch
nur flüchtig, halb unbewußt, ihre gro
ßen Augen einige Male auf den Ge
fährten im Omnibus gerichtet.
im Grunde genominen war er
tuch, das Mathilden aus Verseben zur
Erde siel, den Anlaß zu einer höflichen
Bemerkung von seilen PierreS und zu
einem freundlichen Dank ihrerseits.
Die Worte waren an sich ohne Be-
und von nun an tauschten die beiden
täglich einen freundlichen Gruß mit
einander aus.
Pierre empfand nach und nach ein
immer größeres Interesse für das
junge Mädchen. Als Phqsiognomiker
hatte er sofort in dem Blick seiner Ge
fährtin Eigenschaften erkannt, die ihn
entzücken.
Mädchens absolute Lauierleit, Her
zensgiüe, kindliche Einfalt und Natür
lichkeit, und vor allem eine anbetungs-
Sie ertappte sich ebenfalls zuweilen
dabei, daß ihr Blick mit Wohlgefalle»
auf Pierre ruhte. Sie kannte nicht die
feine Kunst, aus der Physiognomie auf
seelische Eigenschaften zu schließen,
aber eine Stimme in ihrem Innern
sagte ihr, daß dieser junge Mann bie
der und treu sein müsse. Auch schien
«ine geheimnißvolle Macht sie zu ihm
hinzuziehen. Der flüchtige Blick auf
«in ErmveU, das er in der Hand hielt,
süllten Mappe, die er täglich mit sich
sührte. Ob es wohl derselbe Schrift
steller sein mochte, von dem sie inJour
nalcn Romane, NoveUetten und Ge
dichte gelesen hatte? Diese Frage b«
schäftigte sie vielleicht.
Er war sicher derselbe.
Diese literarischen Werke hatten
stoßen Eindruck aus sie gemacht. V'n
Reiz, von dem Mathilde srappirt ioor-
Und sie hatte Vergnügen
darin gesunden, sich ein Bild von dem
Menschenkinder hie und da einige
Es schien Mathilden, als ob Pierre
mit Vorliebe den neben ilir
Es war ein Mann in den vierziger
Jahren, e>roß, schlank und mit ernstem,
schwermüthigem Antlitz.
Aber kühner als Pierre ließ er seine
Augen häufig aus seinem holden Ge
genüber ruhen.
Diese Blicke berührten Mathilde
jedoch nicht unangenehm. Sie fühlte
heraus, daß sie weder von Unbesonnen
heit noch müßiger Neugier zeugten.
Sie hatten eher etwas Schmerzliches
an sich. Und häufig saß der Unbe
kannte dann in Gedanken verloren, mit
halbgeschlossenen Augen und gefurchter
Stirn.
Anfangs ärgerte sich Pierre über den
daß er das junge Mädchen nicht be
lästigte.
Durch den Gang der Ereignisse
wurde er der stumme Bertraute des
Romans der beiden jungen Leute. Und
er hatte etwas sehr Mitfühlendes.
Auch machte Mathilde die Beobach
11.
stellte sich Pierre offiziell seiner Ge-
Eine in einem Journal er
schienene Novelle, die Mathilde las, bot
ihm eine Gelegenheit dazu .
zu stören. Ich bin'der Autor des Wer
habe Sie trotz Ihres Schleiers entdeckt,
habe gesehen, wie sie Ihre Wangen her-
„Wie könnte ich das?"
„Indem Sie mir das Journal über
lassen."
„Warum?"
Sie sprachen ganz leise, aber dennoch
lenkten Sie die Aufmerksamkeit der
Mitfahrenden auf sich und wurden
Eltern?" fragte er theilnahmvoll.
„Ich habe dasselbe Schicksal."
Der Augenblick der Trennung war
111.
es las.
genliebe.
Leben. Die ti-'e Ehrfurcht, welche
Pierre für seine gab
Hand, für die Pierr« schrieb, und
„Ich weiß, wer Sie sind!"
Glück kann sich vor Jedermann sehen
lassen.
Luft war !alt, der Himmel mit schwar
zen. zersetzten Wolken bedeckt, nahte sich
Pierre dem Omnibus mit zerstreuter.
Als die beiden ihre Plätze eingenom
men hatten, ließ Malhilde ihre Blicke
zur Rechten und Linken schweifen, und
nachdem sie konstalirt, das; die anderen
Insassen ihnen ziemlich ferne saßen,
fragte sie besorgt:
„Was fehlt Ihnen tienn?"
schloß er:
„Werden Sie meine Gattin, Ma
thilde!"
Das jungc Mädchen erblaßte. Ein
Wonneschauer durchrieselte ihren Kör
per. Dann legte sie vertrauensvoll
ihre kleine, seine Hand in die PierreS.
Ihr unbekanntes vk-k-vi» bemerkte
dies. Ein Lächeln huschte über seine
Lippen aber es war ein schmerz
eine Zeit unbetriibten Glückes an.
Sie trafen sich jetzt stets eine Stunde
vor der Abfahrt an der Omnibussta-
Spaziergana nach einem verschwiege
nen Plätzchen im botanischen Garten
zu machen. In dieser stillen Einsam
keit gelobten sie sich ewige Treue.
Aber niemals batPierre seine Braut,
ihm zu gestatten, sie in ihrer Häus
lichkeit besuchen zu dürfen. Um nichts
in der Welt hätte er sie lompromittiren
mögen. Lieber ertrug er die ihm so
weite Ferne gerückt.
Der junge Schriftsteller war arm.
Und seine litterarischen Erzeugnisse
brachten ihm zwar viel Anerkennung,
aber vorläufig noch wenig Geld ein.
ren. wenn er schon Mühe hatte, sich
„Das leidige Geld!" seufzten die
vollgepfropft mit lauter gleichgiltigen
Menschen, die keinen Antheil nahmen
an den Sorgen und Kümmernissen
IV.
„Bon wen?" fragte Mathilde.
„Was bedeutet'das?"
Ein Brief war zugefügt. Ohne
selbst nur einen Blick darauf zu wer
dir."
Pierre dankte ih' mit einem zärt
lichen Blick. Dann las er:
„Meine Freunde!
Ich kenne alle Kapitel daraus und
habe alle Details errathen.
Diese Blumen schicke ich Euch als
Hochzeitsgabe. Ich schicke Euch auch
etwas Geld, um Existenz wäh
rend der ersten Zeit in Eurer kleinen
Häuslichkeit zu erleichtern. Ihr ver
dient. daß man Euch hilft, Euch er
muthigt.
Danket mir nicht. Denn ich entle
dige mich damit nur einer Schuld ge
wachsen sehen. Ich bin Zeuge Eures
Glückes gewesen. Jeden Tag haben
meine Augen sich daran erfreuen kön
sein?.
werdet, aus welchem Grunde ich Euch
dies alles schreibe, will ich Euch geste
hen, daß auch ich einst, wie Ihr, jung
Der Anblick Eures Glückes Hai mich
glücklich war, es hat die einstigen fröh
lichen Stunden vor mir ausleben las
sen, und an Eurer so treuen Liebe habe
ich mein beinahe erstarrtes Herz wieder
erwärmt.
schrist.
Pierre und Mathilde fühlten das
innige Verlangen, dem Unbekannten zu
danken. Daher begaben sie sich lange
Zeit jeden Morgen nach der Omnibus
stalion, in der Hossnung. .ihn dort zu
treffen.
Aber niemals haben sie ihn wieder
gefehen.
Hrimklhr.
Endlich hatte der Zug die Bahn-
Hofshalle erreicht. W- im Schnecken
gang hatte et sich die tzte halbeStunde
sortbewegt. Sie hatt« es schon kaum
mehr ertragen können. Alle ihr«
Wünsche, alle ihre Hoffnungen, waren
ihm vorausgeeilt, und er zog langsam
seinen Weg, hielt an jeder, auch der
kleinsten Station und manchmal
sogar, da war's ihr, als bewege er sich
überhaupt nicht von der Stelle.
Endlich endlich war sie nun an
gelangt. Schon von weitem sah sie
traurig und ein wenig gebückt ihre
Mutter stehen. Da verließ sie auf ein
mal der Muth und die Kraft. Da-
Lächeln schwand, und die Hand hielt
fest geballt das kleine Taschentuch, das
dem herzlichen Willkommen winken
sollte.
Sie zitterte, als sie den Wagen ver
ließ. Die Augen schwammen ihr in
Thränen, und wortlos, nur mit hefti
gem Schluchzen, fiel sie ihrer Mutter
Die klopfte ihr begütigend den
Rücken, und sührte sie dann an der
Hand, wie ein kleines Kind, vom.Bahn-
Und als sie im Wagen saßen, strei
chelte die Mutter ihr die bleichen Wan
gen: „Mein armes Kind! Bist also
endl.ch hatte sie d.n
„Halt aus, gutes Kind, halt aus!"
schrieb ihr die Mutter. Und das er-
Kind! Ich rathe Dir gut! Es ist
Jahr gebracht!"
zu mir frei, wie Du und wann Du
auch immer kommst!"
Und nun? Kaum anderthalb Jahre
verflossen, und alles nicht wahr, alles
erlogen. Die Liebe des Mannes ver
siegt, die Thore zur Heimath ver-
Bett verließ »ud da- .mm geborene
Kind schon nicht mehr lebte, da war
ihr Glück geschwunden. Damals hatte
hatte immer wieder gehofft, wenn sie
erst gesund war und wieder kräftig,
dann würde sie seine Neigung zurück-
Leider war es nicht so. Körper
lich zu sie nichts mehr, aber
Ihr Mann ging feines Weges ruhig
weiter. In seiner starken Geschäftig
keit fand er die Worte nicht für ihre
Bedrängniß. Er war zu rüstig und
zu gesund, um mit ihr zu dulden und
zu fühlen. Sein Blick voll Liebe wan
delte sich zum Mitleid. Er wandle sich
von ihr wie das Gesunde sich vor
dem Kranken scheut und abwendet.
Krall sah nicht den eigentlichen Grund.
Im Hause ihres Baters, des stillen,
bescheidenen Lehrers, war alles nur
auf Hoffen und auf Mitgefühl gestellt.
Sie lebten dort alle wie in einer
Kirch«! Harmonisch und friedlich,
ohne den lauten Klang der Worte, der
wie ein Keil sich in die Ohren schiebt!
Nun aber war sie hinein in das wilde
Hasten und Treiben gerathen, hatte
neugierig in das Leben geblickt, und
dann scheu und befangen sich wieder in
ihr Heim zurückgezogen. Ihr Mann
aber fühlte sich in diesem Toben und
Armen nicht all die Steine und Däm
me zurückschieben »nd durchbrechen
konnte, dann war's ihm, als versagten
ihm die Pulse, als stockte sein Blut, als
stände sein Herz ihn« still.
Das konntc sie nicht verstehen, und
statt mit seiner Energie zu wachsen
und zu streben, saß sie und wartete auf
die allen lieben Worte, die sie zu Haus
gehört die auch er einst zu ihr ge
sprochen. Statt ihrer kamen nur Zank
und Streit, kam der Unfriede und das
verzehrende Unglück.
Schließlich konnte sie's nicht mehr
rungen, die Borwürse und Ermah
nungen! Und sie konnte sie nicht er
tragen, konnte nicht immer wie ein
Mochte daraus werden, was wollte.
Ihr Gatte empfing sie auch schon an
der Thür. „Aber Lisa, wo kommst
Du denn her?"
„Ich hab mich verspätet," sagte sie
trotzig. „Wo soll ich denn herkom
men?"
„Ja, aber Kind denkst Du denn
nicht an Deine Gesundheit?"
„Ich bin gesund!" Sie wandte
sich ad.
„Statt dummer Antworten," fuhr
er fort, „hättest Du mir lieber eine Er
klärung geben sollen."
Wie ein Blitz kehrte sie zurück.
„Was dumme Antworten? Ich bin
kein Kind. Ich brauche keine Erklä
fen hatte sie nicht können, lind war
Die Mutter sprach kaum ein Wort.
Wie sie da schweigend im Zimmer
Noch ehe sie's wußte, rannen ihr
wieder die Thränen. Die Mutter sah
es, und wieder kam sie mit ihrer wei
dann ganz Plötzlich, ganz zart: „Weiß
--- Dein Mann, wo Du bist?"
Sie schüttelte den Kopf.
„Dann dann werde ich's ihm
Du willst —?" Die rothen Flecken
auf dem blassen Gesicht glühten noch
Du willst —? Und alles, was Du
mir am Hochzeitstag gesagt, was Du
Deiner Liebe zu mir Mutter, ist
das denn fort? Willst Du denn wirt
lich wirklich mich nicht mehr ha
ben?"
„Es ist doch meine Pflicht!" Sie
strich ihr leise über den zerzausten
Kops. „WaS hat er denn was hat
er Dir denn gethan?"
schlecht behandelt, Mutter, er hat mich
die die Großstadt spricht. Womit, wo
durch hat er es denn gethan?"
..lind Du wolltest's nicht erfüllen?
Nicht Kind?"
Du, Du —"
„Kind, was sprichst Du für Unsinn?
Sähe ich Dich wirklich schlecht behan
delt ich glaube, Du müßtest wissen,
was ich dann für Dich thäte. Du bist
nicht die erste junge Frau, die wieder
Ger Papü mich. Dein Mann nun Dich
geheirathet hat? Geld, oder sonstige
Vortheile? Das glaubst Du doch sel
ber nicht! Also doch nur Liebe!"
daUPls! Bor ein und einem
halben Jahr. Aber wenn's doch ein
mal Liebe war, ja, Kind dann trifft
Dich eigentlich die Schuld!"
„Mich?!!"
„la, Dich! Warum hast Du Dir die
Liebe nicht erhalten?"
Lisa schwieg still und tupfte gaxz
verstohlen die beiden Augen.'
„Das nämlich ist die erste Pflicht
der Frau. Dafür kämpft und sorgt
der Mann im Leben. Dafür arbeitet
er und schafft. Darum sich unterord
nen. Kind, sich anpassen, denn nur was
gewünscht!"
Lisa sagte nichts. Sie fiel de:
Mutter um den Hals, und alles, was
bei Muttern, glaube ich,
leichter, was Recht, was Unrecht war.
Soll ich?^
tendes Wort.
„Du, Schäfchen," sagte er nur und
M:!e sie. „Ich bin froh, daß Du
D ine Energie und daß ich Dich
habe. Aber warum mußte ich
dci'.u hierher? Eing's denn nicht zu
Hauses
„Na ia, na ja." sagte er begütigend,
„es ist nicht so schlimm gemeint. Ich
bin nur s? 'n atter Brummbär.
P fsia.
bestätigt sich in der That. Er laß!
liefert denn Ihr?"
meister, „Herr Rath, mir liewern die
„Gestern" erzählt der Krivser-
Schani seinen Freunden „seh' ich
fort! Jetzt frag' ich Such: Habt Ihr
—G « istr « iche Antwort.—
.Nur die Witten."
„Also, mein Kind, 'raus mit der
Färb'! Wie heißt Dein heimlicher Ver
ehrer? —"
„Herbert Baier heißt er, Vater!"
„Hm, . . . Ein sympathi-
Direktor: „Aber ich bitt' Sie,
heut' als Prinzessin Eboli!"
soll."
»Abgeschreckt. „Also, Ihre
Monokel-Bouillon!"^
Passende Gelegenheit.
Hausirer (zu einem Herrn, der.aus
dein Pserdemarkt eben ein Hufeisen
aufhebt): „Was wollen Sie machen
mit dem Hufeisen?... Nehmen Sie
Elsa (beim Anblick des Cochinchi
nahuhns): „Sieh 'nur, das Huhn hat
an den Beinen Puffärmel!"
Schutzmann: „Mein Herr, das
Betreten der Anlagen kostet drei
Mark; ich muß Tie aufschreiben."
Fremder: „Well, schreiben Si«
es auf!"
Aus dem Gerichtssaal.
Richter: „Wie kamen Sie dazu, das
Rad am Friedhofe zu stehlen?" An
geklagter: „Es stand so vereinsamt
an das Thor gelehnt, und da dacht'
ich, d«r Besitzer fei gestorben!"