Das Glück der Anderen. Sie trafen sich jeden Morgen zur selben Stunde, in demselben Omnibus, auf derselben Strecke, vom Botanischen Garten bis Batignolles. Er Pierre Rieux war ein jun ger Schriftsteller, der sich schon eine »anz respektable Stellung unter den Literaten erworben hatte, und zwar allein durch sein Verdienst. Denn er stand ganz einsam in der Welt und hatte auch keine Protektion. Sie Mathilde Angestellte in einem großen Waarenhaus am rechten Ufer der Sein« anmuthig, liebens würdig und auffallend schön, war ebenfalls äußerst strebsam und fleißig. Auch sie hatte keine Familienangehöri gen mehr und war auf ihre eigene Und beider Berus, obgleich so ver schiedenartig, brachte sie jeden Tag zu sammen, indem er sie zur selben Stunde nach derselben Gegend führte. Das erske Mal hatte Pierre, ein ern ster, zurückhaltender, durch die Trauer fälle in seiner Jugend schon früh ge reifter Charakter das junge Mädchen nur mit einem zerstreuten, gleichgilti gen Blick gestreift. Sie, in tiefer Trauer, scheu, mit ei- Mund. welcher ihrem Lächeln einen unsagbaren Reiz verlieh, hatte auch nur flüchtig, halb unbewußt, ihre gro ßen Augen einige Male auf den Ge fährten im Omnibus gerichtet. im Grunde genominen war er tuch, das Mathilden aus Verseben zur Erde siel, den Anlaß zu einer höflichen Bemerkung von seilen PierreS und zu einem freundlichen Dank ihrerseits. Die Worte waren an sich ohne Be- und von nun an tauschten die beiden täglich einen freundlichen Gruß mit einander aus. Pierre empfand nach und nach ein immer größeres Interesse für das junge Mädchen. Als Phqsiognomiker hatte er sofort in dem Blick seiner Ge fährtin Eigenschaften erkannt, die ihn entzücken. Mädchens absolute Lauierleit, Her zensgiüe, kindliche Einfalt und Natür lichkeit, und vor allem eine anbetungs- Sie ertappte sich ebenfalls zuweilen dabei, daß ihr Blick mit Wohlgefalle» auf Pierre ruhte. Sie kannte nicht die feine Kunst, aus der Physiognomie auf seelische Eigenschaften zu schließen, aber eine Stimme in ihrem Innern sagte ihr, daß dieser junge Mann bie der und treu sein müsse. Auch schien «ine geheimnißvolle Macht sie zu ihm hinzuziehen. Der flüchtige Blick auf «in ErmveU, das er in der Hand hielt, süllten Mappe, die er täglich mit sich sührte. Ob es wohl derselbe Schrift steller sein mochte, von dem sie inJour nalcn Romane, NoveUetten und Ge dichte gelesen hatte? Diese Frage b« schäftigte sie vielleicht. Er war sicher derselbe. Diese literarischen Werke hatten stoßen Eindruck aus sie gemacht. V'n Reiz, von dem Mathilde srappirt ioor- Und sie hatte Vergnügen darin gesunden, sich ein Bild von dem Menschenkinder hie und da einige Es schien Mathilden, als ob Pierre mit Vorliebe den neben ilir Es war ein Mann in den vierziger Jahren, e>roß, schlank und mit ernstem, schwermüthigem Antlitz. Aber kühner als Pierre ließ er seine Augen häufig aus seinem holden Ge genüber ruhen. Diese Blicke berührten Mathilde jedoch nicht unangenehm. Sie fühlte heraus, daß sie weder von Unbesonnen heit noch müßiger Neugier zeugten. Sie hatten eher etwas Schmerzliches an sich. Und häufig saß der Unbe kannte dann in Gedanken verloren, mit halbgeschlossenen Augen und gefurchter Stirn. Anfangs ärgerte sich Pierre über den daß er das junge Mädchen nicht be lästigte. Durch den Gang der Ereignisse wurde er der stumme Bertraute des Romans der beiden jungen Leute. Und er hatte etwas sehr Mitfühlendes. Auch machte Mathilde die Beobach 11. stellte sich Pierre offiziell seiner Ge- Eine in einem Journal er schienene Novelle, die Mathilde las, bot ihm eine Gelegenheit dazu . zu stören. Ich bin'der Autor des Wer habe Sie trotz Ihres Schleiers entdeckt, habe gesehen, wie sie Ihre Wangen her- „Wie könnte ich das?" „Indem Sie mir das Journal über lassen." „Warum?" Sie sprachen ganz leise, aber dennoch lenkten Sie die Aufmerksamkeit der Mitfahrenden auf sich und wurden Eltern?" fragte er theilnahmvoll. „Ich habe dasselbe Schicksal." Der Augenblick der Trennung war 111. es las. genliebe. Leben. Die ti-'e Ehrfurcht, welche Pierre für seine gab Hand, für die Pierr« schrieb, und „Ich weiß, wer Sie sind!" Glück kann sich vor Jedermann sehen lassen. Luft war !alt, der Himmel mit schwar zen. zersetzten Wolken bedeckt, nahte sich Pierre dem Omnibus mit zerstreuter. Als die beiden ihre Plätze eingenom men hatten, ließ Malhilde ihre Blicke zur Rechten und Linken schweifen, und nachdem sie konstalirt, das; die anderen Insassen ihnen ziemlich ferne saßen, fragte sie besorgt: „Was fehlt Ihnen tienn?" schloß er: „Werden Sie meine Gattin, Ma thilde!" Das jungc Mädchen erblaßte. Ein Wonneschauer durchrieselte ihren Kör per. Dann legte sie vertrauensvoll ihre kleine, seine Hand in die PierreS. Ihr unbekanntes vk-k-vi» bemerkte dies. Ein Lächeln huschte über seine Lippen aber es war ein schmerz eine Zeit unbetriibten Glückes an. Sie trafen sich jetzt stets eine Stunde vor der Abfahrt an der Omnibussta- Spaziergana nach einem verschwiege nen Plätzchen im botanischen Garten zu machen. In dieser stillen Einsam keit gelobten sie sich ewige Treue. Aber niemals batPierre seine Braut, ihm zu gestatten, sie in ihrer Häus lichkeit besuchen zu dürfen. Um nichts in der Welt hätte er sie lompromittiren mögen. Lieber ertrug er die ihm so weite Ferne gerückt. Der junge Schriftsteller war arm. Und seine litterarischen Erzeugnisse brachten ihm zwar viel Anerkennung, aber vorläufig noch wenig Geld ein. ren. wenn er schon Mühe hatte, sich „Das leidige Geld!" seufzten die vollgepfropft mit lauter gleichgiltigen Menschen, die keinen Antheil nahmen an den Sorgen und Kümmernissen IV. „Bon wen?" fragte Mathilde. „Was bedeutet'das?" Ein Brief war zugefügt. Ohne selbst nur einen Blick darauf zu wer dir." Pierre dankte ih' mit einem zärt lichen Blick. Dann las er: „Meine Freunde! Ich kenne alle Kapitel daraus und habe alle Details errathen. Diese Blumen schicke ich Euch als Hochzeitsgabe. Ich schicke Euch auch etwas Geld, um Existenz wäh rend der ersten Zeit in Eurer kleinen Häuslichkeit zu erleichtern. Ihr ver dient. daß man Euch hilft, Euch er muthigt. Danket mir nicht. Denn ich entle dige mich damit nur einer Schuld ge wachsen sehen. Ich bin Zeuge Eures Glückes gewesen. Jeden Tag haben meine Augen sich daran erfreuen kön sein?. werdet, aus welchem Grunde ich Euch dies alles schreibe, will ich Euch geste hen, daß auch ich einst, wie Ihr, jung Der Anblick Eures Glückes Hai mich glücklich war, es hat die einstigen fröh lichen Stunden vor mir ausleben las sen, und an Eurer so treuen Liebe habe ich mein beinahe erstarrtes Herz wieder erwärmt. schrist. Pierre und Mathilde fühlten das innige Verlangen, dem Unbekannten zu danken. Daher begaben sie sich lange Zeit jeden Morgen nach der Omnibus stalion, in der Hossnung. .ihn dort zu treffen. Aber niemals haben sie ihn wieder gefehen. Hrimklhr. Endlich hatte der Zug die Bahn- Hofshalle erreicht. W- im Schnecken gang hatte et sich die tzte halbeStunde sortbewegt. Sie hatt« es schon kaum mehr ertragen können. Alle ihr« Wünsche, alle ihre Hoffnungen, waren ihm vorausgeeilt, und er zog langsam seinen Weg, hielt an jeder, auch der kleinsten Station und manchmal sogar, da war's ihr, als bewege er sich überhaupt nicht von der Stelle. Endlich endlich war sie nun an gelangt. Schon von weitem sah sie traurig und ein wenig gebückt ihre Mutter stehen. Da verließ sie auf ein mal der Muth und die Kraft. Da- Lächeln schwand, und die Hand hielt fest geballt das kleine Taschentuch, das dem herzlichen Willkommen winken sollte. Sie zitterte, als sie den Wagen ver ließ. Die Augen schwammen ihr in Thränen, und wortlos, nur mit hefti gem Schluchzen, fiel sie ihrer Mutter Die klopfte ihr begütigend den Rücken, und sührte sie dann an der Hand, wie ein kleines Kind, vom.Bahn- Und als sie im Wagen saßen, strei chelte die Mutter ihr die bleichen Wan gen: „Mein armes Kind! Bist also endl.ch hatte sie d.n „Halt aus, gutes Kind, halt aus!" schrieb ihr die Mutter. Und das er- Kind! Ich rathe Dir gut! Es ist Jahr gebracht!" zu mir frei, wie Du und wann Du auch immer kommst!" Und nun? Kaum anderthalb Jahre verflossen, und alles nicht wahr, alles erlogen. Die Liebe des Mannes ver siegt, die Thore zur Heimath ver- Bett verließ »ud da- .mm geborene Kind schon nicht mehr lebte, da war ihr Glück geschwunden. Damals hatte hatte immer wieder gehofft, wenn sie erst gesund war und wieder kräftig, dann würde sie seine Neigung zurück- Leider war es nicht so. Körper lich zu sie nichts mehr, aber Ihr Mann ging feines Weges ruhig weiter. In seiner starken Geschäftig keit fand er die Worte nicht für ihre Bedrängniß. Er war zu rüstig und zu gesund, um mit ihr zu dulden und zu fühlen. Sein Blick voll Liebe wan delte sich zum Mitleid. Er wandle sich von ihr wie das Gesunde sich vor dem Kranken scheut und abwendet. Krall sah nicht den eigentlichen Grund. Im Hause ihres Baters, des stillen, bescheidenen Lehrers, war alles nur auf Hoffen und auf Mitgefühl gestellt. Sie lebten dort alle wie in einer Kirch«! Harmonisch und friedlich, ohne den lauten Klang der Worte, der wie ein Keil sich in die Ohren schiebt! Nun aber war sie hinein in das wilde Hasten und Treiben gerathen, hatte neugierig in das Leben geblickt, und dann scheu und befangen sich wieder in ihr Heim zurückgezogen. Ihr Mann aber fühlte sich in diesem Toben und Armen nicht all die Steine und Däm me zurückschieben »nd durchbrechen konnte, dann war's ihm, als versagten ihm die Pulse, als stockte sein Blut, als stände sein Herz ihn« still. Das konntc sie nicht verstehen, und statt mit seiner Energie zu wachsen und zu streben, saß sie und wartete auf die allen lieben Worte, die sie zu Haus gehört die auch er einst zu ihr ge sprochen. Statt ihrer kamen nur Zank und Streit, kam der Unfriede und das verzehrende Unglück. Schließlich konnte sie's nicht mehr rungen, die Borwürse und Ermah nungen! Und sie konnte sie nicht er tragen, konnte nicht immer wie ein Mochte daraus werden, was wollte. Ihr Gatte empfing sie auch schon an der Thür. „Aber Lisa, wo kommst Du denn her?" „Ich hab mich verspätet," sagte sie trotzig. „Wo soll ich denn herkom men?" „Ja, aber Kind denkst Du denn nicht an Deine Gesundheit?" „Ich bin gesund!" Sie wandte sich ad. „Statt dummer Antworten," fuhr er fort, „hättest Du mir lieber eine Er klärung geben sollen." Wie ein Blitz kehrte sie zurück. „Was dumme Antworten? Ich bin kein Kind. Ich brauche keine Erklä fen hatte sie nicht können, lind war Die Mutter sprach kaum ein Wort. Wie sie da schweigend im Zimmer Noch ehe sie's wußte, rannen ihr wieder die Thränen. Die Mutter sah es, und wieder kam sie mit ihrer wei dann ganz Plötzlich, ganz zart: „Weiß --- Dein Mann, wo Du bist?" Sie schüttelte den Kopf. „Dann dann werde ich's ihm Du willst —?" Die rothen Flecken auf dem blassen Gesicht glühten noch Du willst —? Und alles, was Du mir am Hochzeitstag gesagt, was Du Deiner Liebe zu mir Mutter, ist das denn fort? Willst Du denn wirt lich wirklich mich nicht mehr ha ben?" „Es ist doch meine Pflicht!" Sie strich ihr leise über den zerzausten Kops. „WaS hat er denn was hat er Dir denn gethan?" schlecht behandelt, Mutter, er hat mich die die Großstadt spricht. Womit, wo durch hat er es denn gethan?" ..lind Du wolltest's nicht erfüllen? Nicht Kind?" Du, Du —" „Kind, was sprichst Du für Unsinn? Sähe ich Dich wirklich schlecht behan delt ich glaube, Du müßtest wissen, was ich dann für Dich thäte. Du bist nicht die erste junge Frau, die wieder Ger Papü mich. Dein Mann nun Dich geheirathet hat? Geld, oder sonstige Vortheile? Das glaubst Du doch sel ber nicht! Also doch nur Liebe!" daUPls! Bor ein und einem halben Jahr. Aber wenn's doch ein mal Liebe war, ja, Kind dann trifft Dich eigentlich die Schuld!" „Mich?!!" „la, Dich! Warum hast Du Dir die Liebe nicht erhalten?" Lisa schwieg still und tupfte gaxz verstohlen die beiden Augen.' „Das nämlich ist die erste Pflicht der Frau. Dafür kämpft und sorgt der Mann im Leben. Dafür arbeitet er und schafft. Darum sich unterord nen. Kind, sich anpassen, denn nur was gewünscht!" Lisa sagte nichts. Sie fiel de: Mutter um den Hals, und alles, was bei Muttern, glaube ich, leichter, was Recht, was Unrecht war. Soll ich?^ tendes Wort. „Du, Schäfchen," sagte er nur und M:!e sie. „Ich bin froh, daß Du D ine Energie und daß ich Dich habe. Aber warum mußte ich dci'.u hierher? Eing's denn nicht zu Hauses „Na ia, na ja." sagte er begütigend, „es ist nicht so schlimm gemeint. Ich bin nur s? 'n atter Brummbär. P fsia. bestätigt sich in der That. Er laß! liefert denn Ihr?" meister, „Herr Rath, mir liewern die „Gestern" erzählt der Krivser- Schani seinen Freunden „seh' ich fort! Jetzt frag' ich Such: Habt Ihr —G « istr « iche Antwort.— .Nur die Witten." „Also, mein Kind, 'raus mit der Färb'! Wie heißt Dein heimlicher Ver ehrer? —" „Herbert Baier heißt er, Vater!" „Hm, . . . Ein sympathi- Direktor: „Aber ich bitt' Sie, heut' als Prinzessin Eboli!" soll." »Abgeschreckt. „Also, Ihre Monokel-Bouillon!"^ Passende Gelegenheit. Hausirer (zu einem Herrn, der.aus dein Pserdemarkt eben ein Hufeisen aufhebt): „Was wollen Sie machen mit dem Hufeisen?... Nehmen Sie Elsa (beim Anblick des Cochinchi nahuhns): „Sieh 'nur, das Huhn hat an den Beinen Puffärmel!" Schutzmann: „Mein Herr, das Betreten der Anlagen kostet drei Mark; ich muß Tie aufschreiben." Fremder: „Well, schreiben Si« es auf!" Aus dem Gerichtssaal. Richter: „Wie kamen Sie dazu, das Rad am Friedhofe zu stehlen?" An geklagter: „Es stand so vereinsamt an das Thor gelehnt, und da dacht' ich, d«r Besitzer fei gestorben!"