Scranton Wochenblatt. (Scranton, Pa.) 1865-1918, November 02, 1905, Image 2

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    Tie alte Geschichte.
Die Schul« war aus. Fräulein Ag
nesLorentsen, die Schulvorsteherin der
höheren Töchterschule zu Hadershusen,
hatte heute wie täglich darauf geachtet,
daß die Mädel- in leidlich«: Ordnung
Schulhaus verließen. Jetzt, wäh
rend noch die letzten die alte, ausgetre
tene Steintreppe heruntersprang««,
trat Agn«s Lorentsen in die Hausthür
und sah ihr«r Schaar nach. Ab«r es
regt« sie heute nicht sonderlich auf, daß
die Lina Becker die Ilse Martens mit
dem Lineal auf d«n Tornister haut«,
und Mariech«n Maik«ns «rst jetzt auf
offener Straße ihr Frühstücksbrot ver
zehrte. Still und wie verträumt schau
te Agnes Lorents«n ein Weilchen hin
aus auf die mittagh«iß« Straß«, wo
das Sonnenlicht grell auf den stattli
chtn, alt«n Häusern gegenüber und
dem schl«cht«n Straßenpflaster lag.
Aber AgnesLorentsen stand im Schat
ten, denn nie, auch jetzt im Hochsom
m«r nicht, kam der Sonnenschein ganz
heran an das alte Schulhaus und sei
ne breite Hausthür, die mit ihren steis
linigen Schnitzereien aus der Empire
zeit und einer alten Laterne hinter dem
Oberlicht d«n «inzigen Schmuck des
sonst recht nüchternen Gebäudes bil
dete.
Die Züge der Schulvorsteherin schie
nen weicher und jünger zu werden, als
sie so in Muße auf di« alte, gemüth
lich« Hauptstraße des Landstädtchens
hinaussah. Aller Schulstaub und ein
gut Theil von den strengen Falten um
Nase und Mund waren jetzt aus dem
r«g«lmäßigin, f«inen Gesicht ver
die Welt h«r«in blickt«.
Langsam trat Agnes Lorentsen
zurück ins Haus aus die große Diele,
Strickleitern hübsch ordentlich unter
d«r D«ck« b«festigt, und die unzähligen
Garderobehaken und Gummischuhbe-
Licht empfing die Diel« durch ein paar
hohe Fenster auf der Rückseite, die hin
aus auf nnen Hofraum mit grünen
ans Feuer. Also noch eine halb« Stun
d« Z«it bis zum Mittagessen!
Mütter schüttelten auf ihren Kaffeeae
sellschasten häufiger den Kopf üb«r die
„wie Fräulein
neben dem strengen Alltag der Arbeit
und Pflichterfüllung fein lustig We
sen tri«b. Die guten Leute hätten doch
Versinken in Pedanterie und allzuviel
Theorie schützte ,nd ihr ihre schöne
und so seltene Macht über die Jugend
gab.
Agnes Lorentsen setzte'sich in'den
alten Schreibtischsessel und holte einen
Brief aus der Tasche. Den hatte sie
vorhin in der Paust bekommen und
war «r so h«imgilehrt, damals vor
zwölf Jahren, als Agnes Lorentsen
noch jung war und sich mit einem jun-
Heimweg nach Hadershusen, aber zu
Agnes Loremsen und der alten Kin
derlieb« führte ihn sein Weg nicht zu
rück. Da war eine andere, ein« Jung«,
Helle. Siebzehnjährige, die sein Herz
!ni Sturm nahm. Und diese ander«
war Agnes' kleine Schwester Käte, die
«in dummes Kind gew«s«n, als Detlev
und Agnes Lorentsen mit
«indnder zu: Tanzstunde ging«n und
iib«r den Zaun hinüber von seinen
großen Zukunftsplänen sprachen.
Bei dem alten Rektor Lorentsen
wurden nicht viel Worte um ein paar
untergegangene Wünsche und Hoff
nungen gemacht. Da hieß es sein«
Pflicht thun und d«n Mund halten.
Soviel hatte Agnes damals schon in
des Vaters Schule und in ihrer An
stellung als jüngste Lehr«rin dort,
nachdem sie das Examen bestanden, ge
lernt. Und sie lernte langsam noch
mehr: das schwesterliche Freuen an dep
beiden Liebesleuten, das Mithoffen
auf ihre sonnige Zukunft da drüben
im Lande der ausgehenden Sonne.
Aber Detlev Dirkens konnte s«in
Li«bst«s nicht gleich mitnehmen, es
hieß erst noch ein paar Jahre drüben
allein we!t«rarb«iten und Gtld für d«n
jungen Hausstand schaff««. Und als
«r ging, l«gte er mit einem letzten
Wunsch und Blick seine jung« Braut
der treuen Aeltesten ans Herz.
Agnes konnte sie ihm nur treu zu
Tode pflegen. War Kät« eine von den
Zarten, Änmuthvollen, die nicht zu
langem Leb«n geboren sind, oder zehrt«
di« große Lieb« und Sehnsucht an ihr,
es war, als ob ihre Lebenskraft seit
s«in«r Abreise versagte. Es kamen
Monate voll Sorge und Krankheit
und eine allerletzte, allerschiverste Zeit,
bis Agnes ihm schreiben konnte, daß
Käthe in ihren Armen still gestorben
st'-
Mit d«m h«ll«n Kind« schien die
Sonn« aus d«m Rektorhaus« ver
schwunden. Wie wild«s Wetter brach
es herein über Agnes Lorentsen und
die Ihrigen. Der Rektor starb plötzlich.
Seine immer kränklich«, unselbständi
ge Frau machte ein Schlaganfall vol
lends hülflos und kindisch. Vermögen
hatte sich bei d«r Privatschule nicht zu
rücklegen, kaum «in einfaches und
sparsames Leben für di« Famili«
möglich mach«n lass«n. So kam die
Haus. Da fand die Aelteste Muth und
Kraft, die Schule selbständig weiter
zu führen. Sie schien den Hadershus«-
nern rechlich jung für ein so gewichti
ges Amt, und es fehlt« nicht an War
nung«» und «inem Konkurrenzunter
nehmen. Aber in Jahren voll eiserner
Ausdauer und Arbeit gelang es Agnes
Lorentsen, sich Vertrauen und Liebe zu
gewinnen und die Schule bedeutend zu
vergrößern. Es gelang auch, die Mit
tel zum Studium der beiden Brüder
Nestkllken, die kleine zu erziehen
und die Mutter zu Tode zu Pflegen.
Die schwersten Sorgen lagen jetzt
suchtsvoll. Und sie hatte ebenso geant
wortet. Ob er's verstanden?
Da kam's ins Zimmer herein,
geht's nicht, Olli?
solideres in der Lust lag, Kommt Det
lev Diekens? fragte sie schnell.
Er ist in Hamburg und kommt so
bald wie möglich zu uns, vielleicht
eine Abwechslung in unserem sündhaft
langweiligen Das«!n. Na, wird der sich
über mich wundern! Ich hoffe nur, er
mit dem Fünsuhrzug hier sein. Paß
auf, Olli, er kommt dann, denn er hat
giebst selbstverständlich deine Handar
beitsstunde. Uebrigens könntest du dich
selbst etwas ordentlicher anziehen und
meine Toilette nur keine Sorgen, ich
werde Detlev Dirkens schon festlich
«empfangen. Denke lieber an dich
aussiehst, Olli!
schwüler Nachmittag gefolgt. Es war
ein schwer Stück Arbeit gewesen, die
unlustigep, trägen Backfische zu unter-
Lilli hatte seine Ankunft wohl ge
merkt und sich gleich oben in ihrer
Kammer aufgeputzt. Sie trug das
weiße Kleid, das Agnes sonst nur
Sonntags erlaubte, und blaue Sei-
Sie war roth und verlegen und doch
sehr zutraulich und zärtlich, als sie
nun Detlev die Hand entgegenstreckte
Sie hatte es nicht gewollt, die kleine
Lilli! Nur hübsch wollte sie sein und
ihm gefallen, aber nicht die Schwester
im grauen Schulkleid so ganz über
trumpfen und in den Schatten stellen.
konnte auch nicht daß
mern, daß Agnes immer stiller, müder
und grauer wurde. Und als er Abends
fortgegangen und unter der alten
Hausthür eine kleine, weiche Hand sehr
lange festgehalten und morgen früh
etwas ganz Wunderschönes mitzu
bringen versprochen hatte, da lag Lilli
die halbe Nacht in Hellem Jubel wach.
Er war so männlich und so interessant
alt. noch keine vierzig. Und in Japan
brauchte man sicher keine Handar
beitsstunden zu geben, und die Sonne
schien dort immer. Lilli mußt« irgend
wo leben, wo die Sonn« schien. Agnes,
ja. die paßte so gut nach Hadershusen.
Die hatte ihre Schule und ihre Pflicht
und brauchte die Sonn« nicht!
Und «s kam, wi« «z kommen mußte.
Agnes Lorentsen erlebte die alte Ge
schichte noch einckal wieder, die alte
Geschichte, daß Liebe und Treue. Mü
he und Arbeit nichts wiegt gegen ein
daß es diesmal so viel, viel weher that
als einst, daß es ans Mark des Le
bens und um ihr allerletztes Glücks-
und Liebeshoffen ging.
Aber auch ihre Kraft war in den
zwölf Jahren gewachsen. Der alt«
Rektor wär« mit seiner Aeltesten zu
frieden gewesen. Mehr freilich als seine
Lehren vom Entbehren und Entsagen
Lilli war von der Stunde an, als er
sie Abends auf der dunkeln Diel«
plötzlich geküßt und sein junges Glück
genannt hatte, zu nichts Vernünfti
gem mehr zu brauchen. Es that ihr so
nehmen und immer die Hauptperson
zu sein.
Den Mann erschütt«rt« diese neu«,
-st - H b d
Abschied kam.
s«nblätt«rn zur Trauung. Dann saß
Agnes Lorentsen in schwerer, schwar
zer Seide oben an der Hochzeitstafel
sie Abends endlich,
aufstehen. Ordnung im Haus« schas
sen und all«s für das Wintersemester
vorbereiten.
In Fräulein Agnes Lorentftns
Zimmer wurden die japanischen De
stellt und aufgehängt. Sie lagen wohl
verpackt und gut verschlossen mit einem
Hausen alter Brief« oben auf dem Bo
den in einer großen Kist«.
rrm Leben geworden. Zuerst blieben
noch ein paar stärker getönte Fleck«n
auf der bunten Tap«t«, di« dort, wo
die Seidenstickereien und Wandbort«
gehangen, nicht verblichen war. Aber
mit der Zeit wurden auch diese Stel
len ebenso grau und gedämpft wi« all
di« and«r«n bunt«n Blum«n. Und die
Had«rshusen«r konnten b«im b«st«n
Willen jetzt nichts mehr am Leben ih
rer Schulvorsteherin auszusetzen fin
den.
Abgestürzt.
Sie ihn entdeckt?"
„Zu Hilfe! Zu Hilf«! Si« stür
M K' b« bh t sich d
grundes abgestürzt, den zweiten Mann
mit sich reißend. Der dritte hatte
irgendwo einen letzten Halt.gesunden
und stemmte sich mit übermenschlicher
Kraft gegen den offenbar unv«rm«id-
zurück.
„Min Gott!" murmelt« Maria,
Gott rette Erwin! '
! Dann sank sie bewußtlos zu Boden.
! Ihr Onkel, mit dem sie reiste, nahm
jetzt den Platz am Fernrohr ein und
sagt«:
> „Der Dritte hält sich noch. Aber es
alle Dr«i!"
In der nächsten Sekunde stieß er ei-
I „Das Seil ist gerissen!" schrie er.
i Der eine Mann war gerettet! Wer
aber war es?
Lange, bange Stunden vergingen
l Aber das göttliche Wunder, um das
sie gebetet, war geschehen: gerade Er
win war gerettet.
Am nächsten Morgen in aller Frühe
kehrt« die Rettungsexpedition mit den
lagen Züge in seinem Antlitz, die vor
her nicht dort gewesen. Und er, der
vorher heiter und gesprächig, der Lie'b
der. . .
deres, Unaufschiebbares vor habe.
Alles das hätte er l«icht verschmerzt,
aber auch Herr und Fräulein Kirnberg
res Gespräch mit ihm ein, so daß er
d«s Räthsels Lösung nicht «halten
konnte.
Maria bekam er nie mehr allein zu
sprechen, so daß seine Gespräche mit
ihr nichts Anderes mehr waren als ein
' oberflächliches gesellschaftliches Plau-
auf wie ein
graben und blickte erst auf, als das
her. Mit schnellem Entschluß sprang
es ist die reine Gefühlssache!"
„Gefühlssache?" rief er erstaunt,
indem er einen Schritt zurücktrat.
.Also doch etwas!"
Lippen.
„Das ist zuviel!" stieß er hervor.
„Jeden Verbrecher hört man an, man
„Guten Tag, meine Herren," sagte
er. „Es freut mich, daß ich Sie alle
einmal beisammen treffe. Ich habe
eine Frage an Sie zu stellen."
Er bemerkte die unbehaglich aus
chen schließlich sei alles Gefühls
sache."
„Gefühlssache!" rief Erwin. „Al
stark!"
tete:
„Es ist richtig, das Seil ist nicht ge
rissen wenigstens nicht bis aus die
Todes mich an das Eis fcslllammerte.
Er konnte es nicht. Der leblose Kör
per des Führers'riß ihn immer wie«:
seien ja doch verloren es gab abso
lut keine Möglichkeit mehr, sie zu ret
ten. Und da schnitt ich mit meinem
Messer den Rest des Seiles durch!"
beigehen:
„Scheußliche Geschichte, mein Lie
ber Sie haben recht, vermuthlich
hätten wir alle nicht anders gehandelt,
aber na was will man da machen —
ist eben Gefühlssache, das Ganze!"
Als später sein Zimmer aus.
suchte, sah er Maria die Treppe her
unterkommen. Doch bei seinem An
blick lehrte sie um, sie wollte offenbar
einer Begegnung mit ihm ausweichen.
Und auch Erwin kehrte um. Er
verließ das Hotel. Am nächsten Tage
wurde er vermißt, und zwei Tage spä
ter fand man ihn todt in einem Ab
gründe abgestürzt!
Alle« desetzt.
Winkelburg ist ein im Ausblüh.n
begriffener kleiner Badeort, und wah
rend der „Saison'' ist jedes brauch
bare Plätzchen zu sehr guten Preisen
vermiethet.
Ein Besucher jenss reizenden Ortes
bemerkte einmal, wie ein Schutz
mann einem Jüngling mehrere kräfti
ge Ohrfeigen versetzte, und da er be
gierig war, den Grund dieser unge
wöhnlichen Rache kennen zu lernen,
ging er an den würdigen Hüter des
Gesetzes heran.
„Was hat denn der begangen. Herr
Wachtmeister?" erkundigte er sich.
„Ich ertappte ihn gerade, als er
beim besten Taschendiebstahl wer.
Wenn ich ihn noch einmal dabei kriege,
zur Wache gebracht?"
„Wache!" erwiderte der Schutz
mann. „Nein, das geht nicht. Die
DurchTränme entdeckteLerbreche«.
Es ist schon wiederholt vorgekom
men, daß Verbrechen durch Träume
entdeckt wurden. Eines der merkwür
digsten Beispiele ist das folgend«:
„Einmal wurde ein Traum sogar als
Zeugenaussage verwerthe.. Dies war
der Traum des Gastwirths Rogers,
der in Portlaw b«i Watersord lebte.
katholischen Pfarrer des Ortes, er»
zählte. An demselben Tage ging er
aus die Jagd und bezeichnete demPsar
rer den Platz, den er in seinem Traum«
gesehen, ganz genau. S«hr groß war
Tage Bormittags zwei Männer sein
Gasthaus besuchten und sich eine Er
möge besonders auf die beiden aufpas
sen. Rogers erfuhr aus ihren Reden,
daß der Name des kleinen Mannes
len mitnehmen. Schließlich brachen
sie auf. Als sie eine Stunde später
den Fleck in den grünen Bergen er
«u« «tnemDichterleden.
Aus der Jugend von Hermann
Kurz,' dem Dichter von „Schillers
lungen, theilt uns dessen Tochter, die «
bekannte Schriftstellerin Isolde Kurz,
«inig« int«r«ssante Züg« mit. Im
Herbst trat Hennann
ach so viele sind es, welch«" woge
gen Kurz, der g«w«tt«t hatt«, s«in«
Pr«digt mit „sondern" zu beginnen,
mit den Worten anhob: „Sondern
wir. meine geliebten Zuhörer, di«
christliche Religion von allen anderen
Religion«» ab."
Zutr«ff«nd. „Kinder, ver>
tragt Euch doch! Fri«d« ernährt
Unfriede verzehrt." Schwiegersohn
(Rechtsanwalt): „Mama, ich bin ganz
der gegenth«iligen Meinung."
Großartig. „Nun, Herr
lhr Geburtstag
gar ä Meier - Eiche gepflanzt.^
Veränderter Maßstab.
.Sie sollen mit größerer als
zulässiger Geschwindigkeit durch das
D.'rs Stöckheim gefahren sein?" But
ler: „Nein . . . wissen S'. Herr Rick
als die Städter, da fällt die Aeschwin-