Scranton Wochenblatt. (Scranton, Pa.) 1865-1918, July 06, 1905, Image 3

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    Das alte Med.
«Oman von Marie Tier».
(7. Fortsetzung.)
Die Abende, die sie so sehr geliebt
hatte, waren durch Otto's Gegenwart
gänzlich verwandelt. Wenigstens für
sie. Sie fragte sich oft: wie war es
denn früher? Hat Wolf sich mehr mit
mir beschäftigt? Nimmt er denn so
sehr viel Rücksicht darauf, daß Otto
jetzt dabei ist?
e« wohl auch.
Aber sür sie für sie war der
Schimmer gewichen.
Wie sie sich darüber Vorwürfe
machte! Aber doch, schon die Mutter
hatte immer gesagt: ein mechanisches
Es verbittert ihn nur.
Jetzt sah sie auch schon den häß
lichen. feigen, versteckten Haß durch
Otto's offizielle Liebenswürdigkeit
und Gefügigkeit gegen ihren Mann
heroorlauern.
Ob Wols das nicht sah? Er er
kannt« doch sonst die Menschen und die
Oö Wolf dies nicht sah? Ach. was
scherte es ihn? Was scherte ihn der
fachlichen Resultate seiner Anstrengun
gen?
Arbeitete er für Otto? Oder für
Im Hausflur, al« er sich auS Mari-
und der Friede mir zu wild. Weil ich
«in ehrlicher Kerl bleiben will! Weil
ich'S aus dem Sinn haben will, daS
.sel'ge Spiel." '
für Wolfis Wesen. Aber ihr Herz
diej> Rücksicht und alle diese
In dieser Luft war Wolf ausge
in's Unpersönliche?
Wie es schien: recht gut. Die all
mächtige Gewohnheit hatte auch hier
thum. )n Wahrheit hatte ihr Mann
""was""//da« alles?
klammerung lSsen, mich abschieben
kinmer sanst und ritterlich aber auch
nur eine Spalte, eine kleine Spalte
deiner Seele öffnest du mir nicht!
Was hatte ei zu sagen, daß er an
Geistesgaben ein Kind gegen diesen
war? Ach, nicht die großen Schätze
des Geistes, nicht die spielende Ueber
legenheit den Menschen und Dingen
als werdende Mutter solch ein
Menschenkind hätte sie gern zur Seit«
gehabt!
könnten si« einmal »«rtraut miteinan
der werden. Und er war Wolfs Bru
der. Ein so naher Theil von ihm.
Ja, es gab leise Züge in seinem Ge
sicht, Phasen in seinem Ausdruck
wenig genug, aber sie waren da in
Alten und Wolf so tief zu fürchten, so
bange zu belauern gelernt hatte.
Nur daß es sich bei Ulrich anders
äußerte. Es war gar nichts Besonde
res und Tiefgründiges, das sie ihm zu
muthet«. Im Spätsommer war's,
sie saß In ihrem Kärtchen. Otto war
auf seinem Bureau, Wolf in der
Sprechstunde. Ulrich hatte ihr einen
Korb voll Birnen vom Gut hereinge
bracht und saß nun neben ihr am run
einem unerklärlichen kleinen weißen
Ding.
So tief und warm wie nie fühlte sie
gerade heute, daß dieser ungelenke
Mensch mit den guten Augen sie gern
gewonnen hätte und sich in ihrer Nähe
traulich fühlte.
Das Gespräch kam auf einen trauri
gen Fall in der Stadt, der seit Ta
gen die Gemüther beschäftigte. Ein
junger Ehemann in glücklichen äußeren
Verhältnissen hatte seine schöne junge
Frau erwürgt, weil er plötzlich einer
Untreue von ihr auf die Spur gekom
men war. An ihren Mitschuldigen
aber hatte er sich gar nicht gekehrt,
hatte sich dann von der Leiche seiner
Frau fort verhasten lassen.
„Ich hätt« den Kerl nicht für solchen
Lumpen gehalten!" sagte Ulrich.
.Statt dem fremden Hund nachzu
hetzen, vtrgreist «r sich an der wehr
losen Frau!"
fotisfaktionZfähig sein? Wehrlos
nennt ihr die Frau? Dieser Mann bat
es besser gewußt. Ach Ulrich, wir sind
ebensowenig wehrlos, wie wir seelenlos
sind. Schutz und Ritterlichkeit sind ja
herrliche und nöthige Dinge, aber
wenn ihr weiter nichts für uns hättet,
uns sogar die Verantwortlichkeit für
unsere Sünden nehmt, da macht ihr
uns ja zu Schooßthicren, zu Spiel
kätzchen. Lieber Ulrich, bitt«, bitte,
sieh das doch ein!"
Ihre Arbeit ruhte in ihr«m Schooß
ihr« Wangen glühten. Sie sprach auf
ihn ein, als müsse sie diese blauen,
erstaunten, etwas verlegenen Augen be
siegen, überwinden einen Strahl in
sie hineinbringen ihr war: wäre er
erst so weit, dann wär« alles gut.
Wenn Ulrich sie verstünde, dann würde
auch Wolf sie verstehen.
„Ulrich, ach, begreife mich doch: ihr
seht uns Frauen ja ganz verkehrt am
Ihr denkt, wenn ihr uns immerdar
röthend. Eindruck du von
uns? Aber ich weiß gar nicht wir
haben doch alle solche Achtung —"
Marianne sah, si« hatt« ei verkehrt
gemacht. trieb jetzt in en.er ganz
ahnungslosen Frau vor ihm. Sie
hing so an Wolf „»türlich! Wie
alle Frauen! Wenn nun Jemand
nur die Frauen wögen!
Dieser Gedanke brachte ihn über-
tem Herzen hing.
.Das ist es ja gerade!" rief sie als
Antwort aus seine völlig unlogische
Bemerkung. .Du trägst si« auf Hän
den! Freilich, ich glaub'S dir. Und
wenn sie dir untreu wird?"
"
.Und sie?"
Er sah si« an, halb lächelnd, wie ein
guter Jung«, der in der Schule gefragt
wird und keine recht« Antwort weiß.
.Sie? Ach sie gibt sich schon.
Den Frauen ist daS doch nur meist
Spielerei."
11.
Die Patientenschaft von Dr.
Michels hatte sich unter Wolf Egger«
nicht vermindert. Zwar waren noch
zwei Aerzte in Neuenholz, von denen
jeder seinen kleinen, festen, in der Ge
wohnheit wurzelnden Patientenstamm
hatte. Aber seit dreißig Jahren hatte
Dr. Michels dai Terrain beherrscht,
und nun beherrschte es sein Nachfolger.
Wolf hätte weniger sein können, al«
er war, und es wäre das gleiche gewe
sen. Die Verhältnisse hatten sich sei
nem Leben bequem und angenehm
unterschoben wie weiche Kissen.
Manchmal in hellen Stunden em
pfand er e« mit scharfer Gewißheit:
nach alledem, was hinter ihm lag, war
dies Leben für ihn nicht das rechte. Er
hätte mitten in Kampf und harter
Mühsal stehen müssen, ringend um
jeden Fußbreit eigener Erde ja, ge
gen Mißtrauen und Feindschaft an
kämpfend statt daß ihm hier gläu
big alles entgegenkam, die schlichten
Erfolge auf's Schicksal schob und die
guten ihm auf Rechnung setzte.
Statt daß er Mittags seinen wohl
besetzten Tisch vorfand, zum Frühstück
eine Flasche Wein, vor der Hausthür
den bequemen Wagen.
Statt daß er ein Weib besaß, das
an seinen Blicken hing, das in ihm
ihres Lebens Erfüllung sah.
Es lag ein dramatisches Wollen in
seiner Natur. In Kräfteanspannung
konnte er leben wie in Heimathsluft.
Wohl war er sähig, sich harte Auf
gaben zu stellen, aber unbewußt for
derte feine Seele die Unterstützung der
Außenwelt. Bei völliger Windstill«
wollt« sein Schiss nicht gehen.
Dai war Wols Eggers' Schwäche.
Und des Menschen Schwäche ist sein
Gericht.
In die Zeit dieser seelischen Erlah
mung fiel die Geburt seines ersten
KindeS, eines schönen, kräftigen Bu
ben.
In solchen Tagen und Wochen sehen
plötzlich Erde und Himmel ander« aus.
Da ist alles Glück und Lachen, Stolz
und Zartheit, ein wonniger, aufregen
der Trubel Da stehen alle gewohn
ten Alltagsdinge auf dem Kopf, da
liegt ein Heiligenschein um die junge
Mutter, da kommt es einem, auch wenn
man Mann ist und vielbeschäftigter
Arzt, keinen Moment tagsüber aus
dem Sinn, was zu Haus passirt ist.
Wundervolle, echte Begeisterung!
Einer jener natürlichen Lichtpunkte auf
der Erdenbahn. Aber Begeisterungen
sind nie ewig.
Und das andere dai wirklich
Ewige hatte Wolf nicht einzusetzen für
sein Weib und siir sein kleines Kind.
Es war unterdeß Mitte December ge
worden. Seit Wochen herrschte trüb
seliges und unbeständige« Wetter.
Schnee, Thauwetter. Schmutzwetter,
Regen, scharfe Ostwinde, Frost und
wieder Regen. Gerade dai richtige
Wetter, um Doktor und Apotheker in
den Beutel zu arbeiten. Verstimmt
und verschnupft wie der grämliche
Himmel sahen auf Erden die Menschen
Eines Morgen«, zu Wolfs Sprech
stundenzeit, rasselte ein Wagen vor
und hielt an. Er sah hinaus, halb
neugierig, wie eben die kleinere Stadt
ihre Leute macht. Hilf Himmel, wer
kletterte da aus dem hochrädrigen Ge
stell? Ihre Ungnaden, die Frau Pa
stor Bärenwender!
Zu ihm? Na ja.
Er ließ die Arbeiterfrau, die er ge
rade da hatte, ihre Sachen erst in aller
Ruhe hersagen. Aber unterdeß plagte
es ihn doch, was man dort von ihm
wolle.
Frau Pastor Bärenwender war sehr
blaß und erregt, als sie eintrat. Er
sah ei ihr sofort an: e! mußte etwas
Schlimmes vorliegen. Er hätte e« sich
ja auch denken können. Auch sein Herz
schlug schneller.
„Ich komme wegen meines Sohnes,"
sagte die Pastorin, nach Athem rin
gend. .Wegen Walter, Sie wissen.
Es kommen so beunruhigende Nach
richten von dort. Heute früh hatte ich
einen Brief von Elfe —"
Sie brach ab, die Sprache versagte
st d 'tl 'd'
in's Gesicht. „Er hat Husten, Fieber?"
sragte er.
„Ja ,S scheint lnfluenza
schon seit zwei oder drei Wochen."
„Er hat natürlich doch einen Arzt?"
„Ja. Aber die Entfernungen sind
dort so weit, und der Arzt ich weiß
nicht, ich könnte täuschen
nicht au! es macht mir immer den
Findruck, als ob er etwai gleichgültig
wäre. Da saßte ich den Entschluß —"
„Was hat er verordnet??
„Ach. wohl nicht viel. Bettruhe,
etwas Tropfen. Heute schreibt Else,
er hätte gesagt, das Klima dort wär«
für Walter so schädlich. Aber er kann
ja jetzt nicht transportirt werden. Ach,
»nd er ist so unglücklich, daß er seinem
Beruf nicht dienen kann. Solchen
Pastor wie ihn soll man noch suchen!"
Ach, den brauchst du gar nicht weit
von dir zu suchen! dachte Wolf.
.Jetzt in meiner Angst komme ich
zu Ihnen. Ich habe nämlich den Ent
schluß gefaßt, Else dort abzulösen,
wenn wenn Sie mir bestätigen, was
ich sürchte —"
Die aussteigenden Thränen erstickten
ihr die Stimme. Kaum verständlich
brachte sie hervor: .Haben Sie den
Eindruck von Walter, daß er lun
genkrank ist?"
.Lungenschwach ja", sagte Wolf
ernst.
„Daß die« das dies lebens
gefährlich werden kann?"
Er zögerte mit der Antwort. Dann
sagte er mit fester und doch weicher
Stimme: .Ja, Frau Pastor. Ich
muß es fürchten."
Sie schluckt« ein paarmal, dann
stand sie auf.
„Danke —e« ist nu« gut. Ist
nichts dabei zu thun?"
„Doch. Ein schleuniger Transport
nach dem Süden. Aber «r muß dort
bleiben bis zum Sommer und im
nächsten Winter wieder hin."
Sie sann vor sich hin. Er sah. daß
si« rechnete, mit dürren, trockenen,
grausamen Zahlen rechnete. Unsäg
lich rührend kam sie ihm plötzlich vor.
.Ich werde dann wohl mit ihm
gehen —" sagte sie. .Ihn wenigstens
Er geleitete sie zur Thür. „Es sind
nur Vermuthungen von mir," sagte er.
„Der dortige Arzt wird Ihnen ohne
Zweifel aus eine klare Frage ein« klare
Antwort geben."
„Ja, ja. Ich danke Ihnen. Daß
Sie mir hier keine Dummheiten vorge
macht haben, ist gut von Ihnen.
Ach s» ja, dai wollte ich ja noch
sagen." Si« stand schon auf der
Schwellt.
„Herr Dr. Eggers, wenn ich fort
bin, sehen Sie doch einmal nach mei
nem Mann. Er gefällt nnr schon M
nicht' aufpasse, schont er sich nicht, und
was die Kinder sagen, ist ihm einer
lei."
„Ich werde nach ihm sehen. Frau
Pastor."
Er blickte ihr nach, wie sie in ihrem
altmodischen Hut und Mantel, gebückt
und gealtert in dieser kurzen Zeit zur
Hausthür hastete.
Sie bestellt mich in ihr Haus
dachte er. In ihrer Abwesenheit
und Elfe kommt zurück
Da schämte er sich plötzlich vor ihr.
Du denkst besser von mir als ich selbst.
Ich werde deine gute Meinung nicht
zu Schanden machen.
» » «
Rudi hieß sein kleiner Junge. Es
war in derThat, alle elterlichen Lupen
beobachtungen abgezogen, ein prächti
ges Kerlchen. Marianne als Mutter
zu sehen, war eine Freude, zu diesem
Kindchen flüchtete sich alles, was sie
an ungestillter, abgewiesener Sehnsucht
in sich trug. Sie blühte auch körper
lich nach der Geburt des Knaben auf.
Am Tag vor Weihnachten, in strö
mendem Regen, fuhr Wolf nach Kläh
nen in'S Pfarrhaus. Es hatt« Nie-
Vorgartens die Räder gehört, so stand
er schon im Hausflur, als Elf«, von
der Küche kommend, ihn antraf.
Si« erschrak nicht so, wie er gedacht
hatte, wurde nicht einmal roth. EZ
schien auch allerdings, als ob dies
blasse, schmalgewordene Gesichtchen gar
k«in Roth mehr aufbringen könne. Un
willkürlich, als er ihr die Hand bot,
rief er: .Wie sehen Sie aus!"
.Ich habe mich sehr viel abgeäng
stigt," entgegnete sie einfach, ein klein
wenig ungeduldig, als verstünde sich
das von selbst.
.Wi« geht ei Ihrem Bruder?"
.Mutter ist jetzt unterwegs mit ihm,
die Nachrichten lauteten verhältniß
mäßig gut."
„Wissen Si«. was sein Arzt gesagt
hat?"
„Ja. Mutter schreibt, das gleiche
wie Sie. nur in bestimmterer For^m."
Stimme. Auch ihre Augen, wenn sie
ihn ansah, hatten etwas Erloschenes.
Eine wahnsinnige Angst befiel ihn.
Ich habe sie getödtet!
Oder ist ei nur die übergroße Er
schöpfung?
„Kann ich Ihren Bater sehen?"
„Ja. er ist hier, in seiner Stube."
Sie öffnet« ihm nur die Thür und ließ
fieberig und hatte einen trockenen Hu
sten. Wolf« Bemühungen setzte er
einen passiven. hartnäckigen Wider
stand entgegen. Ter sonst so freund
wiederzuerkennen. In seinem stum
men Widerstand lag auch kein Tröpf
chen Humor, eher etwa! tief Mißtraui
sches, Feindliche«. Trotzdem, da er
seiner Frau zuliebe diesen iirztlichen
Besuch gebilligt hatte, sagte er kein ab
lehnendes Wort, gab nur seine Ant
worten spärlich und widerwillig.
Wolfs Nerven brauchten heute nur
zu gerathen!" Ihm schien plötzlich, als
sei für alle Quälereien, die dieses
Haus befielen, er allein verantwortlich
WaS wißt ihr denn alle? Habe ich
.Oder möchten Sie heute lieber
etwas Warmes, Herr Doktor? Els«
„Für die Festtage? Aber wie soll
ich da» machen? Morgen ist ja schon
heiliger Abend, Herr Doktor, beim
besten Willen, das geht nicht!"
Wolf sah finster auf den hilflosen,
Pastor ganz aus dem Häuschen. „Aber
lieber Herr, Sie müssen doch einsehen
wie soll ich denn da« machen? Sie
sehen doch selbst morgen Abend ist
ja schon Vesper —"
Der Doktor ging zur Thür. .Ich
bin hier verantwortlich," sagte er un
bewegt. „Ich werde mit Ihrer Toch
ter reden, ein praktischer Mensch muß
die Sache in die Hand nehmen."
Als er die Thür öffnete, stutzte er.
Da stand er wieder, der hohe, grüne
Weihnachtsbaum! Es wollt« ihm
bunt vor den Augen werden. Tan
nendust. Kuchendust
Else stand auf einem Stuhl und
hing ein Psesferkuchenmäiinchen an.
Eine helle Wirthschaftsschürze um
schloß ihre Gestalt.
Wolf sah hinauf. Ihm vergingen
di« Wort« die Wirklichkeit verging
ihm. Alte, süße Bilder tauchten auf
und lebten. Ich hole dich herab zu
mir hast du ihn nicht für mich ge
„Else, Herr Dr. Eggert besteht dar
auf, daß ich eine Vertretung zum Fest
nehmen soll. Das geht doch aber nicht.
So krank bin ich doch auch nicht.
Sag's ihm, daß es nicht nöthig ist.
Ach wozu war diese ganze Tröde
lei!"
Else kam vom Stuhl herab, ihr blas
ses müd«s Gesichtchen hatte sich kaum
verändert. „Papa, rege dich doch dar
um nicht aus. Das ist doch so einfach.
Ich gleich an Hans Oke
fchon hier."
„Hans Okeley ach so ja er
ist der Freund meines ältesten Soh
nes", sagte «r erklärend, zu Wolf ge
wandt.
.Dann ist es ja gut," erwiderte die
ser. Er sah nicht mehr nach dem
Weihnachtsbaum, er wandte sich zum
Gehen.
Vergänglichkeit, wie bist du bitter!
«, » »
zog den Schlag hinter sich zu, warf di«
Reisedecke über feine Knie.
In grauer Endlosigkeit lagen die
Felder rechts und links, unter Regen
schleiern standän die kahlen Bävme.
Alles so nichtssagend, so trostlos, so
todt.
Wie ihm der Ueberdruß in der Kehle
würgte. Ja war denn dies das
ganze Leben? Von einem Patienten
zum andern die« anhören, das an
hören? Dies verschreiben und das?
Nach Haus karren, durch Regen, durch
Schnee, durch Sonne essen, trinken,
zu Bett gehen
Es könnte ja ander« sein. —Er
hatte den vollen Becher ja selbst fort
geschleudert Als gutet Kerl freilich,
als herzensguter Kerl. Er hatte eine
leichtsinnige Dummheit gemacht und sie
anständig gesühnt.
Ja, hatte er sie wirklich gemacht?
Lieber Gott, er war doch nicht der
Krankenwärter aller alten, eigensinni
gen Damen. Aerztlich hatte er gar
nichts versäumt, reinweg nichts. Er
zählte er diese Chose seinen College»,
sie würden sich ja die Seiten halten.
Man kann auch überanständig sein.
Nein. nein. Satan, hebe dich weg!
Alles, nur keine schwächliche Selbst
peinigung. Pfui doch, und ob stumpfe
Seelen auch lachen: ein ehrlicher Kerl
schwer hielt, überzuschlucken.
Anständige Sühne! Davon laß
dir nichts abzwicken. Er sragt sich
schließlich nur, ob Sühnen überhaupt
etwas taugen
Bend, übergehend in den grauen Him
mel
Das wollte Weihnachten sein!
gen!
Was hilft es dir, arme Frau, daß
ich dir zu essen und zu trinken gebe un»
Herz? H.Hb
Aber von dir will es nichts.
Marianne, ich gab dir genug, j«tzt
Ich aber habe nichts, ich habe nicht
Weib und nicht Kind, nur das graue
Wetter und den kalten Himmel. Aber
in der Ferne habe ich ein wunderliche«,
flackerndes, feurige« Licht
Will der Regen «« mir löschen?
Ein kurzer Laut kam von seinen
Lippen. Der Gaumen wurde ihm
trocken, zu Fäusten ballten sich sein«
Hände.
Und ich bin stärker al« der Regen.
12.
Bei feinem nächsten ärztlichen Be
such im Pfarrhaus, nach den Fest
tagen, fand er den bestellten Vertreter,
den Predigtamtscandidaten Johanne«
Okeley, vor.
Dies war ein Mensch wi« ein Maie
ntag. Sonnig und fröhlich, mit einer
Welt von Güte und Frohsinn in den
veilchenblauen Augen. Dabei groß
eine natürliche, unbefangene Art, mit
Elfe und den jüngeren Geschwister»
umzugehen.
Durch diesen Gast schien da« ganz«
trübe Bild de« Hause« erhellt zu sein.
Ein stiller Ernst lag noch über allen,
aber die gedrückte Verzagtheit von neu
lich war fort. Selbst bei Elf«. EI
ni«.
Wolf wurde seltsam davon berührt.
Ihm war, als sei «in Feind in sein
eigene« Revier gebrochen. Er wollte
plötzlich hier Trübsinn und Qual
sehen, er wollte nicht diese Harmonie,
mit der er nicht» zu schaffen hatte, die
außerhalb seine« Kreises war.
Mit grausam geschärften Augen er
kannte er Wesen und Art diese« Frem
den sogleich: der war kein Tändler,
kein bloßer Lustigmacher, der über
traurige Stunden forthilft und fort
täuscht. Dessen Frohsinn stand auf
festerem Grund al« auf augenblick
lichem Vergnügtseinwollen. Er quoll
als natürliche Gabe eine» reichen,
frommen, gefestigten Herzens hervor,
das mit Gott und der Welt auf ewig
im reinen ist das die Thatsachen der
Welt, auch die harten und schweren
Thatsachen bis herab zum Tode selbst,
nur als die bunten Bilder sieht, die sich
im Strom spiegeln, die aber sein«
Strömung nicht zu ändern vermögen.
Darum wußte Wolf in erster
Stunde, daß dieser Mensch ein gefähr
licher und mächtiger Feind war.
Vielleicht gar schon sein Ueber-
Es nagte und fraß etwas an ihm,
etwas Gräßliches, etwas Neues. E«
war wie eine fremve, unheimlich«
Krankheit, die sich in sein Gebein ge
schlichen hatte. Er, der noch nie der
Schlangen schlimmste gekannt hatte,
wand sich, bäumte sich wüthend auf
unter ihren Bissen.
Else war gut zu diesem veilchen
blauen Johannes! Nicht ostentativ,
als wolle sie Wolf damit etwas zeigen,
sondern ganz ruhig, wie es gerade
kam, gelegentlich, in ihrer süßen, lässi
gen Art, die ihm «inst so über alle»
hold gedünkt hatte.
Er blieb länger, als er wollte, und
viel länger, als e« nöthig war. Er
saß in der Weihnachtsstube in, Fami
lienkreis, trank den Kasse« mit, aß den
Kuchen mit und sagte nicht viel. Ließ
Johannes Okeley mit den kleinen
Pastormädchen um ihn her seinen Un
sinn treiben.
Selbst der bekümmerte alte Pastor
guckte heute aus einem anderen Loch.
.Jetzt bin ich Ihnen dankbar. lie-
Nu ja, natürlich! dachte Wolf.
Jetzt kann ich ja wieder freundliche
Mienen kriegen, jetzt ist Else ja trotz
meiner teuflischen Sünde versorgt!
Der veilchenblaue Johannes fragte
ihn nach feinem Kindchen. Wolf gab
eine dumme, spöttische Antwort. „Ist
dai nur ein« unvergleichlich gut« Er
ziehung, Herr Candidat, oder fragen
Sie aus reinem Interesse an solchen
Wickelkindern?"
Der Candida! lachte. „Die Herren
Doktoren sind immer schrecklich scharf,
man muß sich vorsehen.
gemischt."
(Fortsetzung folgt.)
Nobel. .Moritz, mer müsse»
bei unserem Geschästijubiläum auch
'was thun fori Personal!" .Hab'
mir'« schon überlegt, Sara. Den Kas
sier heißen mer Hauptkassier, den
Commi« Buchhalter, den Ausgeher
Eontordiener und den Hauiknecht
Verwalter."
Ein feine« Gefühl.
Herr (zum Freund«, der mi! der Toch
ter eine! Bankier! verlobt ist): „Nun,
wie ist Dir denn jetzt, seit Du verlobt
bist?" Freund: ,O großartig! Ich sa-
ist, habe ich immer «in Gefühl,
01l «b d«? Geldbriefträger käm«!"
Für die Küche.
Kalbfleisch mit Sellerie.
(Für K Personen; Kochdau«r:
Stunden.) 2> Pfund Kalbfleisch wer
den in Portionsstück« geschnitten, ge
waschen, leicht gesalzen, mit kaltem
Wasser ausgesetzt und ungefähr
Stunden gelocht. Unterdessen hat man
eine schöne Selleriestaude geschält und
in Scheiben geschnitten, thut diese zum
Kalbfleisch, streut «ine Handvoll fein
geriebene Semmel und eine kleine Prise
Worchester-Sauc« und richtet alles zu-
Spargel - Pudding.
Pfund Butter und Pfund Weizen-
Milch abgerührt, bis sich die Masse
vom Topf löst. W«nn der Teig «twas
abgekühlt ist, rührt man nach und nach
Muskatbliithe dazu. Spargel schält
und kocht in Salzwasser weich läßt ab,
tropfen, schlägt das Weiße der Eier zu
Schnee, rührt alles gut durcheinander,
mit Butter und streut sie mit Brösel
nenbutter, legt das Gemüse unter das
selbe, sowie auch 2 Lorbeerblätter, Z
mit Nelken besteckte Zwiebeln, ebenso
Zwiebeln, 12 Gewürz- und 2<Z Pfef
ferkörner, gießt 3 —4 Tassen Wasser
noch 3 Tassen Wasser und 1 Tasse
Woinessig, in der ein Eßlöffel voll
Löffel Mehl inßutter gar werden, fügt
Reis st rüde l. Man bereitet ei»
Stück Butter, einer Tasse Wasser, ein
Fleischextrakt, Citronensaft, kleine Ro
ben« Semmel, um die übrig geblieben«
Flüssigkeit aufzusaugen. Diese Masse
wird auf den Teig ausgebreitet, letzte-
und bei mäßiger Hitze gebacken.
In der Pfanne Gebacke
nes. 2 Pfund Mehl, 2 Unzen Preß,
Hefe, l'/x Pint laue Milch, 4 Unze»
Zucker, 4 Unzen süße Mandeln, 6 Ei
(ausgestllrzt) statt einerMehlspeise mit
Fruchtsaft. Er wird dann auf einer
tüchtig durch und rechnet zu 2 Quart
Flüssigkeit Unzen weiße Gelatine.
Ist in der Flüssigkeit aufgelöst.