Scranton Wochenblatt. (Scranton, Pa.) 1865-1918, February 23, 1905, Image 2

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    sit Liede Tihata's.
Insel. Von«. C.
1.
Nachdenklich sah Vater Johanne?
auf der rohgefiigten Bank vor seiner
Hütte und schlug in hinein Brevier,
dem einzigen Buch seiner Bibliothek,
das er aus dem Schiffbruch gerettet
hatte, und das schon aus Rand und
Band zu gehen drohte, die Vesperge
bete aas, während die windbewegten
tropischen Bäume sich wie Silhouetten
Glanz des scheidenden Tagesgestirnes
Da fühlte er sich durch ein gewisses
Etwas veranlaßt, die Augen zu erhe
ben. Durch wild verschlungenes Laub
werk hindurch tonnte er bis zu einer
moosbewachsene» natürlichen Bank
blicken, und dort sah ein> junger
Mann feiner eigenen Rasse von hoher
martialischer Gestalt, und, das Haupt
071 seine Brust gelehnt, eine dunlelhäu
tige Schönheit, doch nicht Ganz so dun
!el, wie die übrigen Töchter dieses,
noch auf keiner Karte verzeichneten Ei
landes, und auch von legeimäßigeren
Zügen. - b d
Pille die Worte zu Priester:
„Nein, o nein, Tihata! Es war kein
Unglück, welches mich an jenem, stür
mischen Morgen vor einem Jahre an
diesen Strand warf, denn hast D u
mich nicht gefunden, hast Du mich
nicht in Deiner Hütte gepflegt? War
«s nicht ein schönes Jahr? O Geliebte,
blühen!"^
Vater Johannes seufzte: „Mich hat
der Sturmwind in ein Gefängniß ge
weht, vielleicht °für immer! denn diese
Insel scheint weit von allen Verkehrs
pfaden abzuliegen. Doch ich habe im
Weinberge des Herrn gearbeitet und
hoffe, daß es.zum Gutet? der heidni
schen Eingeborenen ist. Aber Tihata,
.armes Kind!"
Tiefer und liefer wurden die Aben
dschatten: der Priester trat in die Hütte
und ließ sich, noch immer Pas Brevier
haltend, am offenen Fenster nieder.
Draußen kam die.hohe Gestalt seines
Schicksalsgenossen und Freundes vor
über, halblaut ein Matrosenliedchen
trällernd,und nahm auf derßankPlatz,
doch fuhr der plötzlich auf, als durch
das Dunkel die Stimme des Priesters
an sein Ohr schallte: .Frederick, liebst
Du Tihata wirtlich?"
„Ei, Bater," antwortete der junge
Mann etwas verlegen, „ehe ich meine
Beichte beginnen soll, möchte ich noch
etwas Zeit haben, mein Gewissen zu
prüfen."
.Nun, ich meine, ein Jahr ist Zeit
genug", versetzte Vater Johannes, her
austretend und sich neben d>n jungen
Mann setzend. »Du weißt, daß ich
durch Deines Vaters gütige Verwen
dung die Stelle eines Kaplans aus
dem Schulschiff erhielt. Von dieser
Stunde an betrachtete ich mich als
Deinen Bruder und als Deinen geisti
gen Vater. Unstr'Schiff ging unter:
,ch bin dessen gkwiß, nach den Trllm
merstücken, welche an den Strand ge
trieben sind. Ich habe keine Idee,
wo unter Gottes Sonne wir uns be
finden; und wüßte ich es auch, so
scheint es unmöglich zu sein, der Welt
Aunde von uns Zu geben. Alle unsere
Feuer aus den Hügeln und die an
deren Zeichen haben nie eine Antwort
-ihn Äaynard mit fröhlicher Stimme.
.Sehr schön gesagt In der That,
Gott hat uns hierher gesetzt, um dps
Beste aus seiner Fügung zu machen.
Ich will Deinem Ehrgeiz keine Schran
ken setzen, aber mein Berus ist die
Rettung von Seelen, ob sie sich in
Amerika oder irgendwo auf dem Stil-
Die letzten Worte sprach er mit
.Das Passatschiff, das einst hier
«inlegte, wird nicht wiederkommen",
fuhr der Priester ruhig fort.
.Hat denn einmal eines hier ange
nicht bezweifeln", erwiderte der Prie
fter lächelnd! .sie ist aber schon sechs
zehn Jahre ali."
Beide schwiegen einige Augenblicke
Endlich hob der Priester wieder an
„Ich glaubte, Du würdest es leichtei
für uns machen."
„Ich verstehe nicht, Vater."
.Nun, hast Du sie nicht heute Abent
gesehen? Fred, Du warst mein Zög
ling, mein Bruder; aber Du bist nu>
.Jswohl aber ein Mann", klanc
es heftig zurück.
„Habe ich nicht stets versucht, der
Stolz Deines Geschlechtes zu wahrend
Ich wußte von Deinen Bekanntschaft
Himmels gibt es keinen Unterschiet
der Rassen. Wenn ich Deinen Lei!
und Deine Seele retten möchte, weil
nicht mehr sehen soll?" fragte May
nard mürrisch.
.Nein, Fred; Du hast mir gelehrt,
daß die Füße der Liebe weit über die
Zehnmeilengrenzen dieser Ueinen
Vater Johannes lehnte sich zurück
und blickte durch die Lichtung nach der
See hinaus. Er wußte, daß May
nard jetzt den ehrlichen Kamps seines
Lebens kämpfte, und ein fernes und
ein nahes Bild vor seinen Augen sich
bewegten. . .
„Sie ist eines Häuptlings Groß
tochter, eine Prinzessin", sagte der
Priester leise.
„Sie lernt rasch", sagte Fred, das
Gesicht nach der See lehrend, deren
rauschende Wogen das Echo einer
schrecklichen Nacht in ihm erweckten.
„Sie ist gut."
„Und schön."
„Und sie liebt Dich!" sagte Vater
Johannes, während er in die "Hütte
ging-
Mit erregten Schritten, unter denen
das Bambusröhricht zitterte, ging
Fred draußen noch ein Weilchen aus
und ab. Entschlossen klang endlich
seine Stimme: „Ich werde Tihata
2.
„Was für Narrenspoffen!" lachte
gewählt, welche die moosige Erhöhung
bei dem Bach beschattet, und diesen
Baum soll sie Heirathen! Seit zwei
Wochen wendet sie die zärtlichste Sorg
falt an ihn, und Blumen, Kränze und
Farnkräuter bringt sie an den Stamm
„Fred, dafür ist nicht Tihata ver
antwortlich, sondern der alte Mann",
erwiderte Vater Johannes. „Er hängt
an den alten Stammesbräuchen, trotz
aus ihm gemacht habe. Dergleichen
läßt sich nicht mit dem Evangelium
ohne Weiteres auswischen. Mach' Dir
leine Sorge darüber; ich werde den
Auf dem freien Raum vor dem
Kreis der Hütten waren alle Eingebo
renen versammelt. Tihata spielte ihr
Rolle als ein, für den Brautkranz ge
borenes Kind, ohne daß Maynard sich
einmischte. Es kam der Augenblick
für die Vermählung der Braut mit
dem auserlesenen Baum, als Totein
und Seelenbindemitteln nach dem
Glauben dieser Naturkinder.
Ihr Großvater, jetzt zugleich Ober
ganz nahe bei der Hütte seiner Vor
fahren wuchs. Tihata schüttelte den
Kopf. „Nicht dieser", sagte sie?
Und sie schritt voraus nach dem
Baum ihrer Wahl, die Riesenpal
me über der Moosbank am Bach. Des
Häuptlings Antlitz verfinsterte sich,
Tihata, nachdem sie erst den geschmück
mal ihre Wange gegen die Ainde ge
legt, setzte über den alten Stam
mestrauch hinweg und huschte auf
die andere Seite des Stammes,
zu dem Mann ihrer Wahl. Hundert
heit des Mädchens!
Doch Maynard verneigte sich, nahm
Tihata in seine Arme und rief dem
Priester zu, der hinter ihm stand:
„Sage ihnen, dies ist ein Theil der
Heirathsceremonie des Weißen Man
nes."
„Ich kenne diesen Brauch nicht", ant
wortete der Häuptling, zu Vater Jo
hannes gewandt; „aber er soll den «r-
Und Maynard, der schiffbrüchige
amerikanische Flottenfiihnerich, schlang
die Arme um seinen erwählten Baum
Als so dem Stammesrecht Genüge ge
schehen, wallte Vater Johannes seines
Amtes nach den Riten seiner Kirche.
Ein Ohrgehänge des alten Häuptlings
that als Trauring Dienst.
3.
dahinter die Umrisse eines Kriegs
schiffes deutlich sichtbar.
„Endlich!" murmelte er: „Herr,
Dein Wille geschehe!"
Die Pinasse hielt. Drei Männer
bestiegen ein Brandungsboot und «r-
Ein freudiger Ausruf entrang sich
den Lippen Beider, als ihre Blicke sich
begegneten.
beiden ausgestreckten Hände mit Wär
me faßte, „wo ist sie?"
Vater Johannes sah ihn mit einem
langen, vorwurfsvollen Blick an.
„Du solltest fragen: Was hat sie ge
litten?" sagte er.
„Sie sind eZ, Tihata ist seit sechs
Jahre todt!"
Fred zuckte zusammen und wandte
sein Antlitz ab. „Und nur so lange
war ich weg", sagte er leise.
„Du vergaßest, daß sie Dich liebt«,
mit der Selbstlosigkeit eines Weibes
vom Orient und der Sündhaftigkeit
ihres väterlichen Stammes. Du warst
einen Monat ihr Gatte, ein Tag
Trennung war genug für sie."
Trostlos sank Fred aus die Bank.
Nach einer Weile frug er: „Dai
Fieber?"
Der Priester schüttelte den Kops.
„Hah wohl dieses haarige Unge
heuer mit dem Pergamentgesicht? Hast
pustet?!"
„Nagor lebt. Du hast Niemanden
anzuklagen, als Dich selbst . . . Ach,
wie habe ich mich in der Menschenna
tur verrechnet, sogar in Deiner! Ich
hörte die jungen Officiere in jener
Nacht, nachdem das Schiff angelegt
hatte, auf Dich einreden; diese Bam
buswände bewahren Geheimnisse
schlecht. Am liebsten wäre ich hin
übergegangen und hätte diese Wichte
durchgedroschen; aber ich hatte Ver
trauen zu Deiner Festigkeit, und es
machte mich glücklich, als Du noch,
wie Du ihnen Gutenacht sagtest, hin
zufügtest, Du könntest nicht anders,
als treu sein. Und doch hast Du Dich
vor Morgen feig davongeschlichen!"
„Ich folgte dem Ruf der Flagge."
„Bah! Unser Vaterland hat nie
mals verlangt, ein treues Weib zu
verrathen. Du hattest Erlaubniß, sie
an Bord zu nehmen. Als Capi
t ä n würdest Du es wohl gerne ge
than haben, doch ja, ich versteh«, die
„Sie hat sich einen Monat vor mei
ner Heimkunft verheirathet", sagte
Fred bitter. „Aber mein Gott, erzäh
le mir doch von ihr, von ihr!"
„Nun. höre! Drei Stunden, nach
dem der „Petrel" jenen Morgen in die
See hinausgefahren war, ging ich zu
fällig das Gestade hinab, und im
Schatten eines Baumes sah ich Tihata
sitzen, ihr Antlitz in ihrem Schooß
vergraben. Sie war sprachlos vor
Kummer; lein Seufzer entrann ihren
Lippen. Ich stand vor einem schreck
lichen Räthsel, und erst als ich ihr
Haupt emporhob, las ich die Wahrheit,
die mein Herz zusammenkrampsen
machte. „Ich glaubte, zu träumen",
sagte sie nachher, „als er im Morgen
grauen sich über mich beugte und mich
küßte, und ich den Kuß erwiderte.
Aber als ich an's Gestade kam, sagten
nur meine Leute die Wahrheit, und
Nagor grinste schadenfroh. Und ich
wußte, daß meiner Mutter Traum sich
erfüllt halte!"
Armes, arme? Kind! Fred, ich
glaubte, ich hätte den Zorn überwin
den gelernt, aber damals, als ich
wie ein Vulkan in mir, und ich muß
sie rauh angefaßt haben! Ich betete
ein glühendes Gebet, daß Tihata am
Leben bleiben und vergessen möchte, —
uiid dieses eine Mal in meinem Leben
stieß ich einen grimmigen Fluch aus:
daß Du niemals vergessen könn
test!"
„Weiß Gott, der Fluch hat sich er
füllt!"
„Aber mein Gebet ist nicht erhört
worden; sie hat Dich nicht vergessen
können! Sie hat sich nicht von einer
Klippe gestürzt, sie hat nicht von den
gistigtn Kräutern der Insel gegessen,
sie hat Nagor's Annäherung nicht er
muthigt, ihr Glaube war zu groß!
Sie dachte. Du seiest gegen Deinen
Willen weggeschleppt worden, und ich
habe sie bei diesem Glauben gelassen."
Der Capitän drückte ihm warm die
ges und Harren auf Deine
Rückkehr", fuhr der Priester fort, „und
mittlerweile gab sie sich all« Mühe,
ihre Kraft, ihren Muth und ihre
Schönh'lt zu bewahren. Und nun"
er zögerte „soll ich Dir das
Ende sagen?"
„Ich verdiene es, diesen Kelch aus
zutrinken", stöhnte der Capitän.
„Du weißt, daß sie nach Stammes
brauch den großen Palmbaum an der
Moosbank geheirathet hatte. Mit
rührender Kindlichkeit ging sie Tag
Bach herauf für die Farnkräuter an
den Wurzeln. Lange Stunden saß
sie dort, lauschte dem geschwätzigen
Wasser und brachte sich zu dem Glau
ben, daß Du der Baum seiest, und die
Stimme der Wasser die Deine. Ich
schalt sie darüber; ich fürchtete für ih-
Trennung machte die liefe Weiblichkeit
dieses Naturkindes nur um so mehr
erglühen. Zu dieser Stunde jedes
Tages wandelte sie nach ihren Trauer-
und Gedenkplatz, außer wenn der
Grimm der Elemente "
„Der Baum der Blitz!" schrie
Maynard auf.
Vater Johannes fragte freundlich:
„Möchtest Du sie gern seh«n, wo sie
ist?"
Der Capitän erhob sich wie ein ar
mer Sünder, der zu Richtstatt schrei
ten soll. Sie schritten um eine Gruppe
eine Aussicht auf die Stätte bot, wo
der große Palmbaum der Lieb« stand.
Unter seinem Schatten saß Tiha-
Gesicht in tiefem Nachdenken auf die
Wasser gerichtet.
„Bater", sagte Fred bebend, .ihr
Geist! Siehst Du ihn?"
.Ich weiß keinen Grund, weshalb
Du ein Monopol auf diesen Geist ha
ben solltest," erwiderte Bater Johan
vielmehr sie!"
Freudenthränen sluthete in Fred's
Augen. .Du hast gesagt, sie sei todt",
sagte er.
.Jawohl, auch Lazarus war todt.
Sie ist todt ohne Dich! "
.Vater", flüsterte Maynard mit hei
serer Stimme, während sein Herz vor
Jubel fast zerspringen wollte, .Du
weißt ja den Weg zurück." Und damit
schob er den Priester sanft in das
Buschwerk hinein und eilte wie auf
Flügeln Tihata zu!
Vater Johannes kehrte auf dem
kürzesten Weg nach seiner Hütte zu
rück. Nur ein einziges Mal blieb er
stehen und warf einen verstohlenen
Blick hinter sich durch das Blattwerk
citirte er für sich selbst das Bibelwort:
„Wenn Dich Dein rechtes Auge ärgert,
so reiße es aus. . ."
Einige Augenblicke später faß er
wieder auf dem beschaulichen Bänkchen
vor seiner Hütte. Das Brevier, das
er in der Hand hielt, entfiel seinen
zitternden Fingern; und die Hälfte
des morschen Einbandes glitt in das
Gras. „Ich hoffe", murmelte er,
„Fred hat mir ein neues Buch mitge-
DaS rothe Buch.
Ein warmer Regen fiel von einem
bewölkten Herbsthimmel herab und
zeichnete allmählich in die kiesigen
Pfade des großen, städtischen Parks
anmuthige Wasserpsützen. Gleichzei
tig hatte der Nebel die Liebenswürdig
keit, mit seiner in dieser Jahreszeit
bekannten Verve aus alles hernieder zu
sinken, was konkret hieß, und die
Landschaft in einen dichten Schleier zu
hüllen.
Für diesen Umstand, der unter ge
wöhnlichen Verhältnissen nicht gerade
zu den angenehmsten gehört, waren
dem Himmel zwei jugendliche Gestal
ten dankbar, welche an melancholisch
flackernden Laternen vorüber auf ei
nem der Ausgangswege des Parks nur
zögernd vorwärts strebten.
Denn weder der Doktor Georg Pe
ters noch Fräulein Wanda Efchweger
hegten in ihrem Innern die löbliche
Absicht, die kurze Entfernung, die sie
noch von den häuslichen Penaten
trennte, durch eine lebhaftere Inan
spruchnahme ihrer Piedestale abzukür
zen.
Eine angesichts des Regenwetters
allerdings befremdliche Thatsache
die indeß dadurch erklärt ipird, daß die
beiden unter demEinsluß jenes Affekts
standen, den ein gewisser vorwitziger
Götterknabe in den Herzen junger
Menschenkinder zu erwecken pflegt.
Ja, der Doktor Georg und das Fräu
an welchen die junge Dame aus der
Gesangsstunde kam. Dies frohe Er
eigniß siel regelmäßig in die sechste
Nachmittagsstunde. Dann gingen sie
zusammen unter dem Schutze der früh
rer^und unbefangener dahin als sonst.
Die kühle, dichte Nebeldecke umhüllte
sie und schloß sie ab von Späheraugen
.Geliebte Wanda," flüsterte der
Doktor nach einer Gesprächspause,
.hast Du in Bezug auf unsere Angele
genheit vielleicht schon irgend einen
Plan?" i,jbl d . s
noch immer keinen. Tagsüber spreche
ich mit Papa keine fünf Worte. Weißt
Du denn nichts?"
Der theure Georg wuß.e auch nichts.
Er stampfte mit seinem Stock das aus
geweichte Erdreich und wollte dadurch
ohne Zweifel feine Unzufriedenheit mit
der augenblicklichen Situation dar-
figurircn können.
Der Professor Efchweger, dem
Fräulein Wandadas Dasein ver
dankte, gehörte zu den Leuchten der
Hatte der Doktor sie kennen
gelernt und s«n aber
fors fii: Schwiegersohncandidaten her
metisch verschlossen blieb.
Wenn Georg Peters auch dieselbe
Wissenschaft traktirte, in welcher der
Professor als unbestrittene Autorität
galt, wenn er auch aus einiger
gegenüber zerliefen seine Vorzüge wie
Der Mann, der des Gelehrten Töch
terlein heimzuführen bestimmt war,
wissenschaftlichen Befähigung die un
gleich schwerere Wissenschast kannte,
die Mauer zu durchbrechen, welche die
sein einsames Haus gezogen hatte.
Ja, man mochte die Geschichte dre-
man wollte, st« schien gan^z
Trisettion des Winkels. Das sagten
Zwei Seufzer im Regen, das Ge
räusch eines Kusses im Nebel, dann
eilte Wanda aus ein aristokratisches
Haus zu, vor dessen Thür zwei große
tor den Hut tiefer in die Stirn drückte
und ebenfalls heimwärts wanderte.
seinen Psählen angelangt,
gen Lage Meditationen zu spin
nen. Er sagte sich, daß der alte Esch
weger, von Angesicht zu Angesicht be
trachtet, eigentlich garnicht so übel sei.
Wenn er auf dem Katheder saß und
über die partiellen Disserentialglei-
Auge und seine Mienen glänzten von
Milde und Freundlichkeit.
Georg Peters nämlich versäumte
kein Colleg sein-s großen Meisters.
Er saß immer ausser vordersten Ban^
oft mit der holden Tochter Capulets
und kaufte das Buch.
Als er bald daraus im Colleg saß
Züge in ungleich jüngere und lieb
lichere, in Verfolg dieser etwas ab
schweifenden Gedankenrichtung dachte
heftete, welches unter der Bank lag.
Zwei Minuten später blätterte Dok
tor Georg, dann hatte ihn der Genius
strömt auch nicht ein Sterbenswört
chen mehr vernahm.
Während dieser Zeit hatte sich auf
dem Lehrstuhl etwas Seltsames ereig
net. Professor Eschweger, daran ge
kleideter Mann saß, welcher scheinbar
jedes seiner Worte verschlang, benutzte
das aufmerksam lauschende Gesicht
dieses unverwüstlichen Zuhörers gleich
sam als einen festen, unverrückbaren
Punkt, von welchem aus er seine ge
ten^sich diese starren Augen von ihm
ab, glitten unter die Bank und blieben
dort hasten.
Ueber diese unheimliche Entdeckung
war der alte Herr so bestürzt, daß e:
stockte, von neuem anhob, sich in sehr
Georg Peters, um sich her die Welt
vergessend, das rothe Buch begeistert
emporhob und mit lauter Stimme
„Das ist herrlich, das ist göttlich."
Professor aber warf einen vernichten
den Blick auf den Ruhestörer, erhob sich
kerzengerade von seinem Sitz und
schritt mit mathematischer Gemessen
heit zur Thür hinaus.
Als der arme Doktor, aus allen
Himmeln gestüzt, in seiner Wohnung
anlangte, hätte er sich ohrfeigen mögen.
Zornig schleuderte er Romeo und Ju
lia an die Erde und war unbefangen
genug, sich einmal um's andere einen
Esel zu nennen. Hätte er noch irgend
eine Hoffnung gehabt, den Professor
Dann fiel ihm ein, daß heute keine
Gesangsstunde sei, und er beschloß,dem
Fräulein sein Herz auszuschütten und
von diesem traurigen Fiasko Mitthei
lung zu machen.
Er fetzte sich an feinen Schreibtisch
und schrieb einen acht Seiten langen
Brief, der von Selbstanklagen und
Verzweiflung überfloß. —Am näch
sten Morgen hielt er bereits die Ant-
Die junge Dame schickte ihm einige
ermuthigende Zeilen, wodurch sie wie
derum bewies, daß die Frau in solchen
kritischen Augenblicken die Stärkere
ist, und ferner ein kleines Packet, in
welchem eine Broschüre lag. Als Fritz
den Brief gelesen hatte, frohlockte er.
Ja, Wanda hatte Recht. So mußte
es gehen. Sie gab ihm den Ariadne
faden in die Hand, um sich aus diesem
Labyrinth herauszuwickeln. Ueber
glücklich hob er Romeo und Julia von
der Erde auf, that mit diesem Pracht
werk etwas durchaus Merkwürdiges,
ergriff die Broschüre und eilte zum
Buchbinder.
Am nächsten Tage früh um neun
Uhr saß Georg wieder im Eolleg,
Der Professor begann feinen Bor
trag, und wieder sah er vor sich den
festen Punkt, welchen für ihn das un
beweglich lauschende Gesicht des jun
gen, eleganten Mannes in der vorder
sten Reihe bildete.
sinken dessen Augen in die Tiefe,
wo sie sich, durchaus in Anspruch ge
nommen von einer offenbar nicht zur
Sache gehörigen Lektüre, festklam
mern.
Der alte Efchweger, der soeben bei
einer schwierigen Berechnungsinelhode
angelangt war, ist fassungslos. Er
stockt auch heute, noch zwei zusammen
hanglose Sätze, dann schweigt er ganz
lich jetzt hat er wirklich den Faden
verloren.
Und mit einem Male ertönt in die
lautlose Stille ringsum die Stir me
des lesenden jungen Mannes. Wie
vorgestern das rothe Buch emporhe
bend, rüst er aus:
„Das ist herrlich, das ist wunder
bar, das ist göttlich!"
Dann, als er das Lachen um sich
hört scheii.t-er. wie aus tiefem Traum
zu erwachen. Er sich verlegen
und schreitet, offenbar Um lich zu ent
schuldigen, langsam auf das Katheder
zu. Doch der Professor, hochroth im
Gesicht und keineswegs gewillt, derar
tige Ausschreitungen in seinem Eolleg
zu dulden, ist dem Missethäter entge
gen gegangen. Jetzt steht er vor ihm.
Mein Herr ich bitte um Erkla
rrung dieser sehr sonderbaren wie
derholten Störung. Jawohl, ich bitte
darum! Hm ... und was ich fragen
wollte, hm welch- Lektüre hat Sie
denn so begeistert?"
Der Angeredete überreicht mit' nie'
dergeschlagenen Augen und der zer
zerknirschten Miene eines armen Sun
ders das rothe Buch.
Der Professor öffnet und liest:
Beiträge zur Tb-orie der krummen
Flächen" von M. Efchweger den
Titel seiner neuesten wissenschaftlichen
Abhandlung, die er erst vor wenigen
Tagen als Broschüre edirt hat.
Nach zwei Tagen was konnte
selbstverständlicher sein erhielt
Georg Peters »einer der begabtesten
Jünger der Wissenschaft", wie iyn
Pros-ssor Efchweger jetzt laut und
öffentlich nannte, eine Einladung zum
The«, welchen Fräulein Wanda be
reitete. Ihr listiger Rath, in den
rothen Umschlag von Romeo und Ju
lia die Broschüre heften zu lassen,
hatte sich ausgezeichnet bewahrt.
Acht Wochen später wurden die er
sten Jnfertionsgebühren in der Zei
tung bezahlt, und ein Jahr darauf die
zweiten.
Georg und Wanda waren vereinigt
ihr Glück aber dankten sie dem
verwandelten Shakespeare.
Boshaft. Gebirgler (sieht,
wie ein Bergfex auf dem GasthauStisch
einen Strauß gepflückter Disteln ord
net und ruft): .Mahlzeit!"
Zartfühlend. .Sie sind in
Trauer, Herr Müller?" .Ja. die
Mutter meiner Frau ist kürzlich ge
storben!" „Mein Beileid!... Aber
warum sagen S' denn nicht gleich
.Schwiegermutter"?" „Ja, schau'n
S'. sie war halt eine gute Seel'!"
lndividuelle Erklä
rung. Ehepaar: „Hat man von je
' nesi Hügel eine schöne Rundsicht?"
Bauer: „Dös glaub' i' (zur Frau
gewendet): auf dem Bergerl S'
gewendet:) zehn Wirtbshäuser!"
Das Sprichwort al« Erzieher.
Wie der deutsch« Sprichwörterschatz
für so viele Gebitt« d«s Lebens gol
din« Lehr«» und praktische Wink« in
sich birgt, so ist dies auch für das Ge
bitt der Erziehung der Fall.
Vor Allem betrachtet das Sprich
wort Kinder für ein Glück, denn:
sind «in Glück, denn: „Je mehr Kin
der, je mehr Glück," und dies beweist
das Sprichwort so: „Viel Kinder, vi«l
Vaterunser; vi«l Vat«runs«r, vi«l Se
gen/'
„Wie der Acker, so die Rüben;
Wie d«r Vater, so die Vüben."
jede: „Mein Kind ist das schönste."
memt"j.de Frau, ,hr Kmd sei «in
Sprichwort solch« verzärtelnde Liebe
nach, denn: „Nichts lieber als Kindes
kind." „Der kostbarste Schmuck des
Hauses sind wohlerzogen« Kinder,"
sagt der Volksmund. Doch Kinder
wohl zu erziehen, ist nicht leicht, denn:
„Kinv macht der Mutkr immer
Mühe", zumal wenn das Kind noch
klein ist
„Ist die Mutter noch so arm, so
giebt sie ihrem Kinde warm," und je
si.e trägt, desto lieber wird ihr das
Kind. W«rd«n die Kinder älter, so
werden die Sorgen größer, denn:
wichtigst Amt der Eitern ist, bestätigt
das Svrichwort: „Geburt ist viel, aber
Bildung ist mehr." Von allen Mit
teln, deren sich die Eltern zur Erzie
hung und Bildung ihrer Kinder bedie
nen, steht di« Gewöhnung in erster Li
nie. Daß man sehr früh mit der Ge
wöhnung anfangen muß, sagen die
Sprichwörter: „Jung gewohnt, alt ge
than"; „Den Baum muß man biegen,
„Jung gebogen, alt erzogen." Der
Norddeutsche betrachtet die späteren
Angewohnheiten als einKleid, das man
muß. Er sagt: „Was jung sie spann,
hat alt sie an." „Gewohnheit ist di
zweite Natur," sagt «in anderes
als «r «in Stück von s«inem eigenen
Tuche stahl." Hat die Gewohnh«it
solche Macht, so leuchtet ein, daß es
der Eltern Pflicht ist, die Kinder srüh
kreises des Kindes fiir di« Znxck« d«r
„Was das Kind auf der Gasse spricht,
Hat des Erziehers Angesicht."
„Junge Leute sollen bei den Alten
Die Ohren «ufthun und die Mäul«
halten."
ter von den Erwachsenen „EI
hat dem Schulmeister einmal gutli
Morgen geboten", oder: „Laß Dir
„man kann nicht immrr in Amdn
schuh«n gtbrn", „aus Kindern werkn
Leute", die sich selbst weiter «rzi-ht»
muss«».
Hypermodern. „Ihre
Schwester soll ja in glücklicher Ehe ie>
Auch ein Trost. Komponist
(als man bei d«r Pr«mi«re seiner Oper
pfeift): „Na, nun wird doch wenig
stens Niemand zweifeln, daß die Lp»
von mir ist!"