Scranton Wochenblatt. (Scranton, Pa.) 1865-1918, October 27, 1904, Page 2, Image 2

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    2 Nachts um dir zwölfte Stunde.
wir gemacht in unserer kleinen Stadt
im Weltwinkel.
Und dessen waren wir uns naiiir
«twas aristokratisch veranlagt war^
Im letzten Jahre aber hatte die
von denen ich überhaupt von vorn hcr
«in nicht begreise, daß Jemand sie
mag, und wußte alles so eindriii^-
Die Herren ihrerseits waren n'cht
so schnell überzeugt. Natürlich, gegen
den Schnaps waren sie alle. Schnaps
trinken pfui! wer wollte wohl
etwas so Ordinäres thun? Nein, den
Schnaps gaben sie ohne weiteres allt
preis. Um den Wein gab es dann
schon Zank und Streit. Aber Doktor
Halthausen ging als Sieger daraus
hervor, wenigstens im Prinzip. Alle
hiese Ausdrücke sind mir jetzt geläufig,
«s wurde zu viel über diese Dinge ge
sprochen. Aber um das heißgeliebte
Bier schaarten sie sich alle als begei
sterte Kämpfer. Es war wirklich so:
hier Doktor Halthaufen uns Wasser
dort die ganze übrige Männerwelt
t>er Stadt und Bier. DaS heißt, das
pvn der Leber und dem Herzen u. l>
sie wollten nun einmal lieber ein Bier
herz und eine Fettleber Häven und
Magenerweiterung und all das andere
schreckliche Zeug, als ihren Frühschop
pen entbehren, und Doktor Halthausen
seinerseits wollte lieber kaiies Wasser
trinken, obgleich es doch eigentlich recht
darüber konnten sie sich »ich: einigen.
Einzelne sreilich, z. B. Vater, sin
gen bereits an, mit der Abstinenz zu
Doktor Holthausen gege.i sich M
haben. Im engsten Familienkreise,
besonders wenn Doktor Holthausen
Abends bei uns war, äußerte Vaier
sich zuweilen dahin, daß der junge
Halthausen hatte sich nämlich sehr bei
uns angefreundet, Vater michte ihn
gerne wegen seiner vielseitigen Inter
essen. So kam er manchmal des
Vater, brachte neckte
willen ist er gekommen."
Es ist vielleicht unpassend, es so
offen zu bekennen, aber ich sage es frei
darum, ob es den anderen gefiel oder
nicht, das mochte ich leiden. Ich
„liebte ihn, weil er Gefahr bestand,"
angeheitert nach Hause kommen würde,
selbst an Kaisers Geburtstag nicht,
wo sogar mein netter, solider Vater
So standen die Sachen, als im letz
ten Winter wieder Kaisers Geburts
tag herankam.
Natürlich war daS Festessen längst
verabredet, dergleichen ging ja immer
tem Eifer beseelt, nur noch „gute Gei
ster" unter uns walten zu lassen, die
in einer Bowle nach Doktor Halt
hausens Anschauungen sicher nicht
wohnen und gedeihen konnten. So
hatten wir denn nur mit guter Limo
nade angestoßen und waren trotzdem
sehr vergnügt gewesen, so vergnügt,
daß es ziemlich spät geworden war,
als wir uns endlich in unsere Mäntel
und Kapuzen wickelten und den Heim
weg antraten.
Es war längst nach els Uhr. Das
elektrische Licht war bereits erloschen,
nur ein paar von den alten Petroleum
laternen, die nicht abgeschafft worden
waren, sondern immer die Nacht durch
an einigen Straßenecken brannten,
warfen ihr sehr spärliches und gelbes
Licht auf den Schnee, so daß man sich
wenigstens einigermaßen orientiren
konnte.
Für Mutter und mich war dieses
ungewisse Dämmerlicht recht unange
nehm. Unser großes, rings von alten
Bäumen umgebenes Haus lag nämlich
ganz einsam an der äußersten Grenze
der Stadt, und es konnte leicht gesche
hen, daß uns gerade irgend ein Nacht
schwärmer begegnete.
Indessen kamen wir glücklich und
unbelästigt bis fast an unser Haus,
und schon suchte Mutter in der Tasche
nach dem Schlüssel, um auszuschlie
ßen.
Da, eben im Begriff, auf unsere
ziemlich Hobe Treppe zuzugehen, prall
förmliche Masse lag quer auf den Stu
fen ein Mann? Kaum wagten wir
zu athmen oder unS Zu rubren. Wir
Für einen Hund aber war die
schwarze Masse zu groß, für einen
Ochsen zu klein, es blieb uns nur die
war unter den gegebenen Verhältnissen
wahrscheinlicher. Ganz behutsam
traten wir noch ein paar Schritte
näher. Ja, das Dunkle war ein
Mensch. Seine Füße lagen auf der
untersten, sein Kopf ruht aus der drit
ten Stufe. hatte das Gesicht in
Nein, da hatte sprecht. bät
ios berauschte Mann entsetzlich!
„Nein," flüsterte ich deshalb schau
dernd, „rufen können wir auch nicht,
ich. «st!M ti U
Gelegenheiten hielt Vater aus bi- zu
twöls slan! Twölf
is de Klock! De Wünd geiht ut Norn!
Wahrt Füer un Lich! —"
Der Nachtwächter! Das war der
Nachtwächters MU einem erleichter-
eine keulenartige
Waffe, aber dafür war die Welt jetzt
doch zu modern, den Morgenstern ver
um diesse nachflapen Tid mit das
Fräueln alleen oppe Strat?" sagte er
befremdet und tadelnd.
„Ach," entgegnete Mutter hastig,
„wir wären längst zu Hause, aber
schaffen Sie den doch fort!"
Der Nachtwächter sah nicht aus,
als wenn ihm der Auftrag gelegen
„Ja, eben deshalb!" flehten Mut-
Treppenstufe aber lag in einsamer
Pracht ein hellgrauer Hut.
druck tiefster Verblüfftheit erst Mutter
„dar steiht doch schieben: Doktor
Halthusen!"
Mutter gab die Karte zurück und
nickte. „Es steht da," sagte sie.
annerndags to mi nee, hier -kann ick
ni klok ut warn!" Damit stapste er
weiter, ich schloß unsere Hausthür auf
„Gute Nacht, Lis," sagte Mutter,
als wir drinnen auf der Flur standen.
Sie küßte mich, was Mutter sonst sel
ten that, und mir schien es, daß sie
„Mutter," sagte ich stockend, „bitte,
an."
„Nein, mein Kind," sagte Mutter
freundlich, „es geht Niemand etwas
tern aufwerfen. Aber er ist ja eben
falls bei dem Festessen gewesen und die
Herren werden wohl schon wissen, wie
es steht."
„Aber das Letzte noch nicht, Mut
ter."
„Auch Vater nicht?"
Mutter lächelte halb. „Auch Vater
sie fort.
Das braucht sich Niemand einzubil
den. daß ich in dieser Nacht schlief.
Ich weiß nicht, ob ich mehr traurig
an, daß wirklich Doktor Halthausen
berauscht auf unserer Treppe gelegen
habe, war leider nicht möglich. Der
Betrunkene war groß und schlank ge
wesen, das stimmte. Er hatte einen
grauen Ueberzieher gehabt den trug
Doktor Halthausen auch. Vor allem
aber kannte ich den unglückseligen Hut
ganz genau. Oft und oft hatte er an
unserem Hutständer auf dem Flur ge
hangen und ich hatte mich immer ge
freut, wenn ich ihn da hängen sah.
Ach ja, den Hut kannte ich gut und die
einmal vergaßen. Aber er! Ich war
so enttäuscht, dies alles that mir so
weh in meinem Herzen, daß ich es gar
Und dann hatte ich auch ein sehr
großes Mitleid mit ihm. Wenn auch
Mutter und ich darüber schwiegen, wo
von der Festtafel doch jedenfalls, daß
Doktor Halthausen nicht nur Wein ge
trunken hatte, sondern sogar sehr viel,
zu viel Wein. Manche unter ihnen,
die mit besonderer Begeisterung für
für sorgen, daß die ganze Stadt über
ihn lachte. Dann war er bei uns un
möglich. Er mußte dann sortziehen,
denn mit Fingern auf sich weisen
lassen, konnte er natürlich nicht. Er
zog dann ab wie ein entlarvter Heuch
ler, was er doch gewiß nicht war. Ge
heuchelt hatte er früher nicht, dessen
fühlte ich mich sicher. Er hatte sich
blos überschätzt, sich für stärker gehal
ten, als er war. Ich sah eS alles ganz
deutlich. Ich war ja nicht dumm.
Hatte ich nicht gar studiren sollen?
Also ich begriff den Zusammenhang
ganz gut, nur viel Trotz konnte ich da
bei nicht finden.
Beinahe am meisten kränkte es mich,
daß er sich eben unsere Treppe zum
Nachtquartier ausgesucht hatte,
konnte er nicht wenigstens nach
Hause wanken und in aller Verborgen
heit ausschlafen?
Ich fühlte die Verpflichtung in mir,
ihn zu verachten, aber ich konnte es
nicht. Von all meinen widerstreiten
den Gefühlen war das Mitleid doch
Am nächsten Tage war es sehr un
g-müthlich bei uns. Mutter war still
und mir schien es, als folgten mir ihre
wenig Über sein gewohntes, sehr be
scheidene? Maß zu trinken. Zuerst
war er immer sehr vergnügt und ainll-
- l
stern?" fragte sie.
Blick mich sheste.
Vater barsch.
und dieser Halthausen nun
gar —" Vater verschluckte den Rest
ner Handarbeit und manche verstohlene
Thräne siel darauf. Abends, als der
Vater aus dem Bureau nach Hause
gut kannte, und mein Herz sing an,
sehr schnell zu schlagen. Dann ging
die Hausthürglocke und Jemand, an
sondern blickte uns unbefangen an, wie
sonst. „Ich wollt« doch sehen, wie es
Ihnen nach gestern ginge, Herr Rath/
Halth usen lachte belustigt
„Aber Herr Si/th Herr Rath! Wie
nur mitgegangen, weil ich das Ver
gnügen Ihrer Gesellschaft genießen
wollte. Sie waren ja gar nicht —"
„Nein, nicht eine Spur!" fiel Vater
mit sehr großem Nachdruck ein. „Frei
lich, Selters habe ich nicht den ganzen
Abend getrunken, wie Sie. Na, es
kann schließlich noch dazu kommen,
daß ich mir auch das angewöhne."
Doktor Halthausen saß schon in sei
ner gewohnten Sosaecke. Mutter und
ich hatten uns während dieses ganien
Gespräches halb verdutzt, halb lachend
angesehen. Mir war, als fiele ein
großer, schwerer Stein von meinem
Herzen.
„Haben Sie denn Ihren Hut wie
der bekommen?" fragte Vater.
Doktor Halthausen lachte. „Ja,
„Hatten Sie den verloren?" fragte
Mutter, und dann trafen sich wieder
unsere Augen.
muß der fremde Weinreisende gewesen
WaS hast du denn, Lis? Ties ist
doch nicht über die Maßen lächerlich?"
Und daS mochte er wohl fragen.
Ich saß und lachte lachte, —so
lange, bis mir die Thränen über die
Backen liefen und ich schließlich zum
Herzbrechen weinte. Nun, da alles
mich gequält hatte diese Nacht und die
sen Tag. Das Weinen that nun so
gut. Mir wurde so leicht davon.
Mutter lief hinaus und holte Brau
sepulver. Doktor Halthausen flößte
es mir ein. Vater stand ganz be
klommen dabei und wußte nicht, was
er zu meinem Troste thun sollte. Und
bei alledem kam eS, ohne daß wir es
selbst recht wollten, heraus, was Mut
ter und ich gestern Nachts um die
zwölfte Stunde erlebt hatten. Und
wenn wir es auch nicht ausdrücklich
sagten, so hat doch Doktor Halthausen
begriffen, waS in mir vorging, denn
dieser Abend endete damit, daß er
mich fragte, ob ich eine kleine, absti
nente Doktorsfrau werden wollte, und
daß ich sagte: „Ja. sehr gerne!" und
daß Vater und Mutter sich freuten,
einen so netten Schwiegersohn zu be
kommen, wozu sie auch alle Ursache
hatten.
Hochzeit gibt es noch nicht. Wir
müssen erst mehr Praxis haben. Vor
läufig ist noch der andere Arzt am
Ruder, der zur Frühfchoppenhvrde ge
hört und Portwein zur Stärlung ver
ordnet.
Aber das schadet nicht. Wir kön
nen warten.
las Zubilitum »e« Morphium«.
Es sind jetzt gerade 100 Jahre ver
flossen, seitdem der Chemiker und Apo
theter Friedrich Wilhelm Adam Ger
sters, des Hosapothe'.ersCramer in Pa
derborn, das Morphium erfand.
Schon im Alterthum und sogar in
vorgeschichtlicher Zeit waren betäuben
de und schmerzstillende Mittel bekannt
und wurden angewendet. So erzählt
Homer in der Odyssee, daß Helena ih
ren Gästen ein Mittel kredenzte „gegen
Kummer und Groll und aller Leiden
Gedächtniß". Viele Forscher nehmen
an, daß der Dichter Mohnsaft meinte,
den auch Hippokrates und nach ihm
viele Aerzte des Orients den Kranken
gaben.
Heute werden mit Morphium na
türlich bedeutend bessere Resultate er
zielt; denn es ist nicht nur ein
schmerzstillendes Mittel, sondern auch
ein Heilmittel par excellence. Ja, ame
rikanische Aerzte wollen bemerkt haben,
daß das Wachsthum des Krebses nach
Morphium - Einspritzungen still steht.
Dagegen ist Morphium als Schlaf
mittel gefährlich. Die Lustgefühle, die
das Einschlafen begleiten, das sanfte
das schmerzlose, nächtliche Dämmer
leben erzeugen beim Kranken das Ver
langen nach steter Wiederholung, und
ein schwacher Charakter kann auf diese
Weise leicht zum Morphinisten werden.
Durch HLufigeAnwendung verliert das
Mittel seine Kraft, die Dosen müssen
gesteigert werden und erzeugen einen
Schwächezustand des Körpers und der
Seele, der unter der Bezeichnung Mor
phinismus den Schrecken der Umge
bung des Kranken und seiner Aerzte
bildet. Wenn man nach diesen 100
Jahren Morphium das Für und Wi
der erwägt, so würde die Wagschale
entschieden zuGunsten des Morphiums
fallen. Denn wo gibt es einen
Sehnsucht Z
Von HanS Wchberg.
Und das Hochs!? ist das Gcldl
—I m Sommer ISO 4. „Zenzt,
zahl'n! Zehn GlaS Bier!" ,^err-
Durscht!" . !
Und flüchtige
Mo g"g
.ic blanden
s L <
Wohlgerüche.
thenmassen entfaltet, bediente man sich
zuerst der köstlichsten Räucherwerke.
Freilich zuerst nur während des Gö
tzendienstes oder zur Ehrung der Ver
storbenen. Man träufelte duftende
Essenzen in die bläulichen Dämpfe des
Weihrauchs und bestrich mit kostba
ren Salben die Hülle geliebter Tod
ten.
Da die Wohlgerüche also lediglich
frommem Brauche dienten, verschmäh
ten es die Priester nicht, sie selbst —-
ten.
Ganze Strecken Landes wurden nur
zu diesem Zwecke mit den dazu
sonderer Schätzung erfreuten.
Kleopatra war die erste Beherrsche
rin Aegyptens, die die Parfüme auch
schwendend.
Die Sitte, präparirte Wohlgerüche
für kirchliche Zwecke zu benutzen, ge
bräern. Moses stellie das Rezept zu ei
nem besonders köstlichen Oele her, mit
dem die Bundeslade gesalbt wurde.
Im Laufe der Zeiten ward daS
Verbrauch kostbarer Essenzen aller
dings auch nicht die Verschwendungs
sucht der Römer und Griechen erreich
te. Weder die Satiren eines Sokra
zu thun; vielleicht, weil die größere
Ausdünstung des Körpers in heißeren
Zonen das Bedürfniß nach wohlrie
chenden Düften steigert. Zeichnet sich
doch noch heute der Orient durch den
größten Handel in Parfüm aus. Ba
bylon war in früheren Zeiten der be
kannteste Handelsplatz für „präparirte
Wohlgerüche", die hauptsächlich auS
Arabien und Indien kamen, bis der
Untergang des römischen Kaiserreiches
die Beziehungen der Völker unterein
ander unterbrach.
DaS Christenthum verachtete zuerst
die „sinnlichen Genüsse" der Wohlge
rüche; doch nahm die katholische Kir
che sehr bald in ihren Kultus die
Anwendung duftender Räucherwerke
auf.
Das erste Rosenöl brachten die
Kreuzfahrer aus dem Gelobten Lan
de mit. Es ist bis heute das Theuer
ste unter allen Wohlgerüche» geblie
ben.
Nächst den Morgenländern verste
hen eS die Franzosen am besten, den
Gebrauch der schnellwelkenden Pflan
zen in Oel und Essenzen festzuhalten:
wie denn auch die Pariserinnen den
ben.
Der Geschmack in Bezug der Wohl
gerüche wechselt; trotzdem werden
Veilchen- und Rosendüfte stets beliebt
bleiben. Die vornehmsten Damen lie
ben auch meist das diskreteste Parfüm.
DaS echte Eau de Cologne, das feine
Hauptsubstanzen den Schweizer Trif
ten verdankt, ist noch heute am besten
in Köln zu haben, während für Blu
menduft Nizza und Cannes Haupt-
Handelsplätze find.
Sonderbare« Lieblingsgericht.
Ueber ein Lieblingsgericht Richards
des Dritten gibt ein alter Küchenzettel
Aufschluß, der sich in einer Londoner
Sammlung befindet. Der „königliche
Bösewicht" war ein besonderer Vereh-
Mtz?
In der Schlacht bei Liao
yang wurde die ganze russische Artille
rie von einem 600 Fuß hohen Berge
aus telephonisch geleitet.
Witterungs - Einfluß.
Kellner, das Fleisch riecht ja! Gnä
diger Herr, eS ist daS Gewitter, wel
ches dem Fleische solchen Geruch ver
leiht. — Das Gewitter, so, na, dann
will ich lieber mit dem Diner warten»
bis sich das Gewitter verzogen hat.