Scranton Wochenblatt. (Scranton, Pa.) 1865-1918, March 10, 1904, Page 3, Image 3

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    Stürme.
Roman von Ludwig Hakicht.
(2. Fortsetzung.)
„Seht einmal, wie groß und hübsch
«uer Töchterchen ist. Darauf könnt
ihr stolz sein" und di« großen, unru
hig funlelnden Augen des Mannes
schweiften musternd über die liebliche,
onmuthige Erscheinung des jung«n
Mädchens hinweg. „Wahrhaftig, du
bist ganz reizend, und ich wundere
mich gar nicht, daß du dir schon einen
Bräutigam gekapert hast. Na, werde
nur nicht roth, kleines Ding!" setzte er
laut auslachend hinzu: „Ich Hörle
schon unten davon munleln, daß es
hier morgen ein- Verlobung geben soll,
und ich sreue mich, daß ich da gerade
hineinfalle. Also ich wünsch' dir
Glück;" er packte ohne weiteres seine
Nichte beim Kopf und drückte «inen
herzhaften Kuß auf ihre Lippen, noch
«he diese seine Absicht ahnen und ihm
ausweichen lonnl«. Ihr verlegenes
Errölhen suchte er mit den Worten
niederzulämpfen: „Ich bin ja dein
Onlel und selbst dein Bräutigam
könnte es mir nicht wehren, wenn ich
dich zurßegrllßung ein wenig abküsse:
aber wer ist der Glückliche, der sich ein
solch' hübsches, reizendes Kind erobert
hat?" setzte er in seiner stürmischen
Weise rasch hinzu.
„Er ist so zurückgelommen. wie er
damals gegangen ist." dachte die Ba
ronin und als ihr Gatte sowohl wie
Irmgard nicht sogl«ich mit der Spra
che herausrücken wollten, gab sie in
ihrer ruhigen, gelassenen Weise die
Antwort: „Graf Kurt von Bredow"
und doch bebten heimlich ihre Lippen.
„Ist das ein Sohn unseres Nach
bars, tes Grasen Bredow?" fragte
der ehemalige Majoratsherr hastig,
seine Blick« ruhten dabei in gespann
ter Erwartung auf den Anwesenden,
als er nicht sogleich eine Antwort er
hielt, malte sich doch auf seinem von
Wind und W«tter arg heimgesuchten
Antlitz -ine gewisse Bestürzung ab,
dann aber wußte er sie schon mit ge
wohnter Entschlossenheit zu verscheu
chen, und er setzte hinzu: „Um so bes
ser, dann fährt ein großer Schwamm
über die alte Geschichte."
Der Baron räuspert« sich und wollte
etwas entgegnen: aber seinem Bruder
war die große Verlegenheit nicht ent
gangen, die sich plötzlich seiner Ver
wandten bemächtigt hatte und er
fragte von Neuem: „Der alt« Gras
Burkhard grollt mir wohl noch im
mer?! Das sieht ihm ähnlich! Er
war von je so nachtragend und hat
mir niemals recht gefallen wollen.
Nun, ich kann ihm ja aus dem W«ge
gehen," setz!« er rasch hinzu. „Und
das Beste ist, ihr sagt ihm gar nicht
erst von meiner Anlunsl, denn lange
werde ich's ja doch nicht bei euch aus
halten."
„Du willst zurück? Du willst jetzt
nicht für imm«r in der alten H«imath
bleiben?" fragte der Baron ganz ver
wundert. „Selbstverständlich bist du
von heute ab hier wieder
herr," fügte er ohne das geringste Zö
gern hinzu und auf dem feinen, aus
drucksvollen Antlitz der Gattin tonnte
man deutlich lesen, daß sie ganz der
selben Ansicht war.
„Unsinn, denle ja aar nicht daran."
rief der älteste Bruder in seiner un
gezwungenen Weise aus, lue verrieth,
daß er durch den langen Aufenthalt
im Westen 'Amerikas jenen weltmän
nisch«» Schliff und jene Umgangsfor
men verloren hatte, die in früheren
Zeiten bei all' seiner leidenschaftlichen
Wildheit noch immer den Aristokraten
belundet hatten. „Eure großen herr
lichen Siege haben mich mit unwider
stehlicher Gewalt in di« Heimath ge
lockt. Ich mußte mein Vaterland wie
dersehen. auf das jetzt die ganze Welt
mit Bewunderung blickt. Ach, ich sa
ge euch, mein altes Herz ist noch ein
mal jung geworden, es schlägt Höher
bei dem Gedanlen. daß die Deutschen
solche Hellenthaten verrichtet
sich dabei so trästig auf feine breite
Brust, daß es dröhnte.
„Aber wirst du nicht einer Erfri
schung bedürfen?" fragte jetzt die Ba
ronin, „verzeihe mir, daß ich nicht eher
„Da sage ich nicht nein. Ich gestehe
ehrlich, daß ich einen tüchtigen Hunger
mitgebracht hab' und tvenn ihr mir
beim Essen, wie ich hosse, Gesellschaft
leisten wollt, so können wir gemüthlich
weiter plaudern. Ich habe euch viel
zu erzählen und ihr gewiß mir auch;"
jetzt bot er doch mit jenem ritterlichen
Anstand, den er „da drüben" noch
nicht ganz verloren hatte, seiner
Schwägerin den Arm, um mit ihr den
Speisesaal aufsuchen.
Der Baron und seine Tochter folg
ten den Voranschreitenden mit Gedan
len und Empfindungen, über die sie
sich in diesem Augenblick selbst noch
keine klare Rechenschaft geben konnten.
Das plötzlich« Auftauchen des längst
Verschollenen war beiden noch immer
wie «in Traum: sie mußten sich erst
daran gewöhnen, daß es Wirklichkeit
sei-
2.
Die Morgensonne war noch nicht
über den Kiefernwald emporgestiegen:
sie sandte nur neugierig ihre ersten
Strahlen zu dem hohen Giebeldach
hinauf, das wie ein« ri«sige, dunkel
rothe Mütze über das breite Gebäud«
gestülpt war.
Hausen ließ, das mochte dem ersten Er
bauer des Schlosses vorgeschwebt ha
ben und dies war auch erreicht Kor
den. Epheu und wilder Wein hatten
sich über die beiden Stockwerke beinahe
war der einzige, äußere Schmuck, des
sen sich der Herrensitz des Grafen Bre
dow rühmen konnte, wenn nicht viel
große Ballon, der sich cm mehreren
Fenstern des ersten Stockwerkes hin
zog, doch als Schmuck mitzählen
durfte.
An der Nordfeit« des Schlosses be
fand sich auch der von einer hohen
Mauer umzogen«, ziemlich große Vor
garten, der mit seinen gradlinigen
Wegen und seinen wenigen Bäumen
nur geringen Schatten bot: dafür
tonnten die Blumenbeete, auf denen
bereits Hyazinthen und Prime'n ihre
bunten Köpfe emporstreckten, um so
besser gedeihen. Sin gerader Fahr
weg führte vom Schlosse zu der Land
straße. die ein hohes, eisernes Thor
von dem Garten, der einen ziemlich
nüchternen Eindruck machte, ängstlich
absperrte.
Auf der Mittagsfeite trennte ein
weiter Hofraum das Schloß von den
niedrigen, langgestrecktenWirthschasts
gebauden, die zivei Flügel beinahe zu
dem gräslichen Herrensitz schickten, der
lig umfaßt wurde.
Auf dem äußerst sauber gehaltenen
Hofe war es, trotz der frühen Morgen
stunde, schon lebendig. Mägde lamen
bereits mit den vollen Melkeimern
aus den Ställen und suchten eiligst
im Milchleller des Schlosses zu ver
schwinden; sie hatten zwar nicht den
Herrn Grasen selbst bemerlt, aber es
war ihnen doch gewesen, als ob dort
in der Scheune bei der Dreschmaschine
der lange, blond«, ihnen nur zu wohl
bekannte Schnurrbart dxs gnädigen
Herrn im Morgenwind« geweht habe
und das genügte schon, um den Dir
nen flinte Beine zu machen.
Dort, vor der durch Dampf getrie
der Graf wirklich, den breiten Rücken
d«m Hofe zugekehrt. Sein- scharfen,
grauen Augen verfolgten achtsam jede
psenden Ungeheuers, während er dem
Arbeiter, einem kurz gedrungenen,
stämmigen Burschen, seine Befehle er
theilte. dann verließ der hochgewachse
schastsraume aufzutauchen und nach
der Ordnung zu schen. Wehe demje
nigen, den der gnädig« H«rr Graf auf
einer Nachlässigkeit oder gar faullen
zend ertappte, dann sauste gewiß die
Reitpeitsche, die seine beständige Be
gleiterin war, auf den Rücken des
Schuldigen sehr ungnädig herab. Ob
Knecht, ob Magd, beim Grafen Bre
dow gab es in diesem Puntte leine
Ausnahme.
Alle Dienstlcute fürchteten den
Schloßherrn: si« mochten ihn sogar
heimlich hassen: der Gras wußte es;
aber sie zeigten ihm eine fast hündische
Unterwürsigleit und das allein war
es, was er angestrebt und zu seiner
großen Genugthuung auch erreicht
hatte. „Die Wenden vertragen leine
ander« B«handlung, sie >verden sonst
übermüthig und saul" diese An
schauung war die Richtschnur gewesen,
die schon seinen Vater gel«it«t und die
«r sich ebenfalls zu eigen gemacht hat
te, als ihm durch das Hinscheiden des
theuren Mannes hier die Zügel der
Herrschaft in die Hände gefallen wa
ren. Seit Jahren schon hatte Graf
Bredow nur noch selten Veranlassung,
von seinem kräftigen Erziehungsmit
tel Gebrauch zu machen; die Leute hat
ten gelernt, sich zu fürchten und trotz
ter das harte Joch ducken, das ihnen
hier auferlegt würd«: d«nnoch behielt
der Gutsherr die alt« Gewohnheit bei.
und auf seinen Gänosen durch die
Wirthschaftsräume blieb die mächtige
Reitpeitsche seine ebenso getreue Be
gleiterin wie auf seinen Ausritten
durch die F«lder und der Rücken eines
nachlässigen Knechtes machte wohl
w«it leichter die Belanntschaft dersel
ben, als sein getreues Roß
Jetzt war der Rundgang beendigt:
der Graf warf noch ein«n letzten mu
sternden Blick über d«n ganzen Hof
raum: er lonnte nichts entdecken, was
seinen Tad«l verdient hätte, und nun
wanderte er mit denselben langen ha
stigen Schritten, mit denen er gekom
men war, d«r kleinen Pforte zu. die
auf der Morgenf«it« zwischen Schloß
und Zaun angebracht war; er zog ei
nen Schlüssel, öffnete und stieg nun
einige Stufen hinauf, die zu «inem
llein«n Treibhause führten.
Seltsam genug, dieser .Hüne, dessen
ganzeErscheinung nur zu deutlich rer
rücksichtslos aufzutreten und in dessen
von Wind und Wetter gebräuntes An
tlitz sich selten «in« weichere Regung zu
verirren schien, war «in leidenschaftli
cher Blumenfreund. Hier war der
Herr Graf ein ander«r; d«r scharfe,
durchbohrende Blick, der forschend
überall umherschweift« und blitzschnell
jede Unordnung entdeckte, rxrlor sich
beim Betreten des kleinen Treibhau
ses und die großen, grauen Augen, die
eben noch alles mit unerbittlicher
Strenge gemustert hatten, ruhten jetzt
förmlich mild und zärtlich auf s«in«n
t«n.
Der Graf hatte die Stöcke selbst oku
' lin, »01l stolz«! Freude «cht« sein«
nere Rosen als diese Marschall Niel
„Ach, sind die heut schön!"
glitt über das harte Antlitz des Gra
sein« Frau den Blümenduft, so sog er,
ohne ein Wort zu sprechen, mit sicht
lichem WohlgesSllen das überschwäng
dele; dann nahm er ohn« weiteres ihr
gegenüber am FiXihstückstische Platz.
hast wohl schon gewartet?" fragte
er, seine hart«, rauhe Stimme zu mög
lichster Weichheit zwingend; er sah
dabei nach der Uhr. „Wahrhaftig, ich
habe mich heut ein wenig verspätet."
„Das thut gar nichts," entgegnete
die Gräfin in ihrer freundlichen, ein
schmeichelnden Weise. „Wenn du mir
solch' herrliche Rosen mitbringst, war
te ich gern noch länger."
mennärrin!" rief er lachend aus, und
seine Blicke schweiften dabei halb mit
leidig spottend, halb anertenncnd über
das noch immer frische, blühende Ant
litz seiner Gattin, die trotz ihrer sechs
unddreißig Jahre selbst an eine voll
erblühte Rose erinnerte; dann aber
widmete er sogleich sein« ganze Auf
merksamkeit dem reich besetzten Früh
stückstisch, denn er hatte auch heut
wieder, wie immer, schon in dieser
auch das Lächeln, das um die vollen,
blühenden Lippen seiner Gattin spiel
te. Ach, er wußte ja nicht und brauchte
es auch nicht zu wissen, daß sie nur
ihm zu Gefallen eine so schwärmeri
sche Blumenfreundin geworden war;
der sonst so scharfblickend« Mann
hatte daoon so wenig eine Ahnung,
wie davon, daß sein« Gattin, die er
nicht nur körperlich, sondern auch gei
stig weit zu überragen glaubte, doch
all ihren weiblichen Scharssinn aus
wandte. um mit einem so schwierig zu
behandelnden, scharf ausgeprägten
Eharaller dennoch in Harmonie zu
lommen.
Tie Grafen Bredow, die sich vor ei
nem Jahrhundert hier in der Lausitz
angesiedelt, hatten ihre Eigenart, die
sie aus der märkischen Heimath
bracht, nicht abgestreift: im Gegen
theil, im Kampf mit dem fremden
störrischen Element waren sie so scharf,
hart und rücksichtslos aufgetreten, als
sie es für nöthig gehalten: sie hatten
hier ein eisern Regiment geführt und
waren stets mehr gefürchtet als ge
liebt worden. Der jetzige Besitzer von
Lindenau hatte leine Ausnahme ge
macht, wenn er nicht die Zügel der
Herrschaft noch etwas straffer angezo
gen als seine Ahnen.
Auch die erste Ehe des Grafen Bre
dow war leine glückliche gewesen.
Sein« Gemahlin hatte das schroffe,
hart« Wesen ihres Gatten nicht ertra
gen lönnen: sie war eine zu stolze,
echte Aristolratin gewesen, die sich
selbst vor ihrem Manne nicht bücken
gewollt: «s war schon in den ersten
Jahren ihrer Ehe zu heißen Kätnpsen
gelommen, man dachte bereits an eine
Scheidung, da erlöste t«r Tod di«
Gräfin von Fesseln, die sie nur wider
willig getragen: sie hatte ihrem Gat
ten zwei Kinl«r. einen Sohn und eine
Tochter, geschenkt.
Der Graf war schon nach «inem
Jahre zu einer zweiten Ehe geschni
ttn. Diesmal si«l seine Wahl auf
ein« schlesisch« Baroneß, die nichts wei
ter besaß, als ihren alten Adel und
ein hübsches, srisches Gesicht und «ine
schlanle. BiegsameGestalt, denn sie war
die älteste Tock>t«r «ines mit vieltn
Kindern gesegneten Barons, der aus
seinem kleinen Besitzthum wacker zu
lämpsen hatte, um sich mit skiner
zahlreich«» Familie g«rad« üb«r d«m
Wasser zu halten.
Für die arm« junge Baroneß war
es wohl ein großes Glück. daß der rei
che, angesehene Gras Bred»w sie zu
seiner Gattin machen wollt«, und doch
hatten die Eltern nicht ohne Besorg
niß das Geschick ihr«r Tochter einem
gut Kirschen essen sei. Alle Borstel-
Ansichten so leise und allmählich um
zubiegen. daß er selbst nicht die ge
ringste Ahnung hatte, wie seine so
schroff und schneidig vorgebracht« «rste
werden. All sein Denken und An
schauen fand ihr« lebhafteste Zustim
mung; sie schien völlig von seinem
überlegenen G«ist« unterjocht zu iver
den und keinen eigenen Willen zu ken
nen; der Graf war deshalb nicht »ve
nig stolz und glücklich darüber, in sei
ner zweiten Lebensgefährtin eine Frau
gefunden zu haben, über die er eine
solch unbedingt« H-rrschaft auszuüben
vermochte und g«rade das war das
Band, das den sonst so rücksichtslosen
Mann an seine Gattin fesselte. In
des Grafen, der so mitleidslos alle
Schwächen und Dehler seiner Mitmen
schen entdeckte und sie schonungslos ta
delte, besaß sein« Gattin nicht «inen
Fehler, den er nöthig gehabt hätte, ihr
abzugewöhnen. Sie war ihm das
Muster einer Hausfrau.
Die früher so schlanke Gräfin neig
te jetzt schon ein wenig zur Wohlbe
leibtheit; sie war mit den Jahren et
was bequem ««worden und hätte so
gern am Morgen noch eine Stunde ge
schlafen; aber sie wußte, daß ihr Mann
es liebte, mit ihr am Frühstückstisch
zusammen zu sitzen, und wie schwer es
ihr auch fiel, sich so früh von ihrem
Lager zu erheben sie fehlte doch nie
mals zur gewohnten Stunde und ih
rer frischen Gesichtsfarbe, ihrem mun
teren Wesen, wie ihrer ganzen äuße
ren Erscheinung tonnte der Graf nie
mals anmerken, daß sie erst kurze Zeit
vorher, seufzend und noch ein wenig
schlaftrunlen. ihr Bett verlassen hatte.
Mit wunderbaren weiblichen
Scharfsinn hatte die Gräfin schon im
Beginn der Eh- herausgespürt, wie si«
ihren Mann behandeln müsse, um
seine „liebe Frau" zu werden und d«n
allgemein Gefürchtet«» an einem un
sichtbaren Gängelbande zu führen.
Sie hatte es verstanden, den Löwen
soweit zu sänftiaen. daß er wenigstens
niemals g«gen sie im wilden Grimm
die Tatze erhob, mit der er sonst alles
niederschlug, was sich ihm störend in
den W«g stell«n wollte. Deshalb auch
war sie «in« so eifrige Blumensreun
din geworden, wußte sie doch, wie gern
«r sich über ihr« Schwäche lustig mach
te, die «r nur zu sehr mit ihr theilte.
Sobald si« über die erhaltenen Blu
men ein« solch lindliche Fr«ude äußer
te, schien er völlig zu vergessen, daß er
stolz war, wenn er seiner Gattin am
Morgen einen Strauß aus seiner
Blumenschatzkammer bringen konnte.
Der Frühstückstisch war mit allem
reichlich besetzt, was der Graf zu die
ser Stund« gern zu sich nahm. Es
fehlte nicht an weichgekochten Eiern,
an allerlei kaltem Aufschnitt, und die
prächligenZähne des noch immer statt
lichen Mannes begannen ihre Arbeit,
um redlich alles zu vertilgen, was die
besorgte Haussrau vorlegte. Wohl
Stirn hoch und
Kauwerkzeuge schienen dazu angethan,
alles leicht und mühelos zu zermal
men, was ihnen zugebracht würbe. Es
was sie ihm hausmütterlich zurecht ge
macht hatte, die beste Anerkennung.
H«ut mußte die überschwängliche
Rosen gezeigt, den Grafen in ganz be
sonders gute Laune versetzt haben,
d«nn er schlürfte j«tzt die Tasse The«,
die sie ihm hatte. mit gro
li«ber Himmel! Was war das vorge
stern Abend bei Sollbachs für ein Ge
tränt, und die Frau will drch eine
„Jch sag« es jedem," unterbrach sie
der Graf. „Wer seine Zeit nicht oer
steht, der ist ein Flachkopf," und er
zuckte bei diesen heftig hervorgestoße
nen Worten die mächtigen Schultern.
„Der Adlige von heut darf sich nicht
dem Müßiggänge überlassen: er muß
in den Wetttampf mit eintret«n, der
Wie oft hatte ihr Gemahl solche
di« Gräfin kannte si« b«inahe bis zum
Ueberdruß, und doch hörte sie auch
heut wieder so aufmerksam zu, als
verkündet. Sie kannte das Leben des
armen Adels aus ihrer Jugendzeit
nur zu gut; aber sie wußte auch, daß
ihr Mann mit seiner Bemerkung gar
nicht daran dachte, sie zu verlctzen und
selbst wenn er diese Absicht wirklich ge
hegt, würde sie sich wohl gehütet ha
ben, irgendwelch« Empfindlichkeit zu
Bewunderung, di« zu zeigen ihr längst
nicht mehr schwer fiel: „Du könntest
allen Standesgenossen als leuchtendes
Beispiel hingestellt werden."
„Ach, Unsinn," lehnte der Graf nun
doch lühl und ruhig ab. „Gott sei
Danl, solche Leu!« wie ich gibt es in
unserem Adel noch viele Tausende."
Es war von dem Manne durchaus
entschlossen sich die Vortheile des rast
das sie für ihn stets in Bereitschaft
wiesen, wie gern sie sür König und
Vaterland den letzten Blutstropfen
verspritzten." Di« grauen, starkum
nen seltsam zu leuchten, er reckt« seine
mächtige Gestalt in die Höh«, wie stolz
über di« Heldenthaten seiner jungen
„Und Kurt hat das auch redlich ge
than," stimmte di« Gräfin lebhaft zu.
U«b«r das eb«n noch freudig erregte
Antlitz ihres Gemahls flog ein Schat
ten. „Hm, der furchtbar« Krieg hat
schivere Opfer auferlegt. Ich fürchte,
Kurt wird ein elender Krüppel blei
ben und niemals mehr seine volle Ge
sundheit zurückerhalten; er sah gestern
wieder so elend aus."
„Es ist nur die freudige Aufregung,
die ihn verzehrt und gewiß wird er
schon heut —" T«r Graf schob miß
muthig di« vor ihm st«h«nd« Tasse zu
rück und sich rasch erhebend, stieß er in
kurzen Sätzen hervor: „Und ich
wünschte, der Tag wäre schon vor-
Die Gräfin erhob sich ebenfalls; sie
trat dicht an ihn heran und ihm zärt
lich in das finstere Antlitz blickend,
fragte si« mit leiser, bewegter Stimme:
„Kannst du wirtlich gar nicht verges
sen?" t h G 'l k
tet sah, fuhr er etwas ruhiger fort:
„Mit diesen Leuten jetzt in nähereßer
bindung zu kommen, kostet mich, ich
will es dir ehrlich gestehen, noch immer
eine furchtbare Ueberwindung."
unsere Schwiegertochter näher tennen.
Irmgard ist wirklich ein reizendes Ge
schöpf; Adelind« ist ganz entzückt von
ihr, selbst Waltrudist voll höchster
gerin, und da du dich rühmen kannst,
frei von allen Vorurtheilen zu sein—"
„Liebe Mathilde, das ist lein Vor
nrtheil," unterbrach sie der^Graf^mit
nicht wie ein Edelmann,'sondern wie
ein feiger Schuft gehandelt, und das
zu vergessen, ist mir unmöglich."
dann aber sagte si« doch in ihrer
freundlichen, einschmeichelnden Weise,
die zugleich die Sanguinilerin ver
rieth: „Ich hoffe, es wird noch alles
in das schönste Geleis lommen. Kurt
liebt nun einmal die Kleine, er ver>
danlt ihr wirtlich sein Leben und du
hast in deinem Edelmuth doch nicht
umhin getonnt, deine Einwilligung
zu diesem Herzensbunde zu geben."
„Ich bereu« es auch nicht," entgeg
nete der Graf. »Das Mädchen ha!
aber dir will ich es betennen. es fällt
mir furchtbar schwer, mit den Leuten
„da drüben" er wies mit seiner
Rechten nach Osten, wo die Besitzun
gen des Barons lagen „jetzt in ei
nen freundschaftlichen Verlehr zu tre
ten. Ich weiß nicht, ob es mir gelin
gen wird, mich so iveit zu überwinden.
Die Gräsin sah ihrem Gattin theil
nahmsvoll in das ernste, umdüskrte
Gesicht. Si« lonnte seinen unver>
söhnlichen Groll gar nicht begreifen:
war nicht über die unselige Geschichte
Lebenslunst hatte'sich stets ausschließ«
gestaltete.
Er ging rasch auf seine Elter? zu,
die mitten im Zimmer standen: wäh
rend er den Stock in die Linke nahm
und zuerst dem Bater und sann seiner
Mutter die Rechte entgegenstreckte, b«.
grüßte er Heid« auf das herzlichste.
seht mich ganz erstaunt an. daß
ich mich heut so zeitig zum Frühstück
einfinde: aber ich hab' heut gar leine
Ruhe, ich bin so glücklich!" und au,
seinen ehrlichen braunen Aug«n leuch
lete nur zu deutlich die Empfindung,
di« ihn beseelen mochte.
. (Fortsetzung s»lgl.)
Für die Küche.
Wohlschmeckende Suppe.
Eine Zwiebel, 1 kleine Sell«riewurzel,
ebenso Petersilie, 1 kleine Mohrrübe
sowie etwas Schnittlauch wird sein ge-
Su'ppe bedarf, verrührt und eineStun
de lang gekocht. Inzwischen sind vier
gekochte Kartoffeln klein zu zerschneid
den und der Suppe beizufügen. Zu
letzt wird alles durch ein Sieb gestri
chen und mit etwas Fleischextralt,
Salz und Pfeffer gewürzt.
Rothkohlmit Kastanien.
Man hoble die Kohlköpfe, nachdem
die Strünke herausgenommen, fein,
dämpfe sie in Butter mit feingeschnit
tenen Zwiebeln, gebe etwas Weinessig
und rothen Wein nebst zwei mürben,
geschälten und in Scheiben geschnitte
nen Aepseln dazu und dämpfe es weich.
Dann richte man es in Kranzform an
und lege in die Mitte gedämpfte Kasta-
Klöße aus rohen Kartof
feln. S Pfund Kartoffeln sind zu
schälen und in eine Schüssel, die bis
zur Hälfte mit Wasser gefüllt ist, zu
reiben. Das Wasser wird dann abge
gossen, die Kartoffelmasse meinen dün
nen, leinenen Beutel gefüllt und so fest
ausgedrückt, daß sie fast trocken er
scheint. Eine Presse eignet sich zu die
ser Arbeit am besten. Man gibt die
Kartoffelmasse hierauf in eine Schüssel.
lockert sie gut auf. bestreut sie mitSalz,
gießt eine Obertasse voll siedende Milch
darüber, vermischt alles und läßt es
zugedeckt einige Minuten stehen. Wäh
renddessen sind einige frische Semmeln
2 Eier, formt dann große Klöße da
von, giebt in die Mitte jedes KloßeZ
einen Eßlöffel voll von den gerösteten
bis das Fleisch vollständig weich ist,
worauf sie in Portionstheile zu zerle
gen und in einer flachen, heißen Schüs»
sel anzurichten sind. Die Brühe <pr»
Person > 2 Pint) gießt man durch ein
daß eine sämige Sauce entsteht, und
fügt den sauber geputzten, fein geriebe
nen Meerrettich hinzu, worauf man
Meerrettich mild gewünscht wird, ei
nige Zeit lochen läßt. Wenn man si«
kurz vor dem Servicen mit einigen
Löffeln dicker Sahne abzieht, ist die
Sauce sehr schmackhaft. Sie darf
dann aber nicht mehr lochen, sondern
wird gleich mit den Salzlnochcn und
den Kartoffelllößen zu Tisch gegeben.
Wetßlobl mit Sahne. Die
Blätter eines oder zweier Kohllöps«
werden von den Rippen befreit, gewa
schen, 10 Minuten in lockendem Was
ser gebrüht, dann gut ausgedrückt und
mit dem Wiegemesser grob zerhackt.
Unterdessen hat man I oder 2 feinge
hackte Zwiebeln mit 2 Unzen Butter
weichgedünstet, gibt etwas Brühe oder
Wasser und Salz hinzu, thut den zer
hackten Kohl hinein und läßt ihn gut
zugedeckt weich und lurz einschmoren.
Dabei ist ein öfteres gelindes Umrüh
ren nothwendig. Dann locht man von
2 —B Löffeln süßer Sahne mit 2—-Z
Löffeln Mehl eine seimige Sauce,
vermischt dies« mit dem Kohl, gibt ein
wenig Zucker. Muskatnuß und Pfesser
daran, läßt die Masse einige Minuten
ziehen und reicht das Gemüse.
Hammelleuke mit feinen
PilzenundWeißwein. Die
jteule wird von allem Fett sorgfältig
befreit, dann fein gespickt, mit Salz
eingerieben und in lochender Butter
auf allen Seiten schön braun angebra
ten. Dann legt man sie nebst ihrer
Bratbutter in eine tiefe Kasserolle oder
Schmortopf, gießt lochendes Wasser
dazu und gibt 2—4 ganze Zwiebeln, 1
Lorbeerblatt, einige Pfefferlörne: und
Nelken dazu. Unterdessen dünstet man.
Ehampignons in etwas Wasser gc.?.
ebenso eine blanchirte Kalbsmilch. Eine
Stunde vor dem Anrichten nimmr
man die Keule aus der Brühe, in der
sie schmorte, gießt letztere durch ein
Sieb wieder in die Kasserolle, leat die
Keul« kincin, fügt 2 Schöpflöffel
Weißwein, sowie die Pilze und die zer,
schnitten« Kalbsmilch dazu, läßt alles
40 —SV Minuten gut durchschmoren,
schmeckt ab, schneidet die Keule in
Scheiben und richtet sie mit den Pilze»
auf einer Schüssel an.
Fein heraus. Er: „Hör«,
Louise Du hast mir diesen Morgen
anstatt dem Bitterwasser ein großes
Glas Zwetschgenschnaps an s Bett ge
bracht." Si«: „Himmel, da hab« ich
die Flaschen verwechselt! Du wirst
doch den Schnaps nicht getrunlen ha
b«n?" Er: „Warum denn nicht
wenn Du ihn mir bringst!" 3