Scranton Wochenblatt. (Scranton, Pa.) 1865-1918, February 25, 1904, Page 3, Image 3

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    GKWIMS GoScl.
Roman von Marie Lesest.
(10. Fortsetzung und Schluß.)
Wahrheit gesagt? Warum hatte er sich
schungen verhindert hatte die Ver
brecher vor Verfolgung geschützt.
Nun marterte er sein armes Hirn mit
den. was hatte die verdammte Räu
berbande mit ihm angestellt? Lebte
Konstantin noch, oder war er im
neuil und vor der Verachtung aller
braven Leute. So kam es, daß Lukas
die Lust zum Arbeiten verlor und sich
Tag.
Plötzlich schreckte ihn Justinens
und machte sich widerwillig auf den
Weg nach dem Schlosse. Seine Frau
kam ihm entgegen.
„So beeile Dich doch!" rief sie ihm
zu. „Die gnädige Frau ist heute so
sonderbar, sie ist ganz aus dem Häus-
und sucht den Kleinen, sic'öfsnet die
Fenster und beugt sich weit hinaus, als
wollte sie sich hinausstürzen, und brei
tet die Arme aus. Ich getraue mich
nicht, sie mit Hanna allein zu lassen,
die wäre nicht stark genug, sie zurückzu
halten. Ach. Lukas, manchmal ist es
mir, als müsse mir das Herz brechen,
das der gnädigen Frau auflegen und
seinen Teller füllen muß, als ob das
Kind wirklich da wäre und initäße.
Knurrig entgegnete er:
„Was hilft jetzt das Klagen? Die
Suppe, die man sich einbrockt, muß
man ausessen."
„Die Suppe? Was für eine
Suppe?"
Die Frau verstummte.
Beide fühlten, daß ihr Schicksal an
das der armen geschmiedet war,
mit seinen Geschichten nur den Kopf.
Ich, Deine Frau, sage Dir, unser ar
mer Tintin ist todt, ist in dem Bin
senweiher ertrunken. Sultan ist ihm
nachgesprungen, um ihn zu retten,
und da er das nicht konnte, ist er ?nt
gnädigen Frau, sie ist beule schlimmer
als je..."
Sie horchte auf.
Läuten am Portal! Während der Ab
wesenheit der Familie Rochedure er
tönte die Glocke nie. Der Arzt, der
Seelsorger und die Lieferanten Pfleg
thür, die man jetzt nie verschlossen
hielt, einzutreten. Wozu den Käfig
schließen, da daS liebe Vöglein längst
Mit diesen Worten ging er, von Ju
stine gefolgt, dem Portal zu. Da stieß
sie einen lauten Schrei aus. Am äu
kam in wilden Sprüngen auf sie zu,
kuschte sich, vor Freude laut bellend,
vor ihnen nieder, sprang wieder aus
und sagt« nur das eine Wort: „Sul
tan!" Ganz leise wiederholte sie: „Ja,
Sultan!"
beide angesichts dieses unerklärlichen
Geheimnisses: Der Hund war wieder
da. Wie kam er hierher? Wo hatte er
Einlaß gefunden?
Justine fand zuerst ein wenig Kalt
blütigkeit wieder und rief in Antwort
auf die stumm gestellte Frage:
„Oh, für ihn gibt es keine geschlos
sene Thür. Er ist durch die Hinter
pforte geschlüpft, wie et es von früher
gewohnt war."
Kops, und Thränen rannen ihr über
die gefurchten Wangen. Der Anblick
des Thieres rief den Tag, an dem der
kleine Konstantin verschwunden war,
in ihrer Seele wach, i,nd es war ihr,
als durchlebte sie im Geiste nochmals
den schrecklichen Augenblick, da sie sei
nen Hut aus dem Wasser hatte treiben
sehen. Kind und Hund waren fast am
gleichen Tage verschwunden, und un
willkürlich hatte sich die Erinnerung an
beide in ein Bild verwoben. Sie sah
sie miteinander in den bodenlosen Ab
grund gleiten. Und nun mit einem
ihren Augen! Ja, es war Sultan,
daran war nicht zu zweifeln; sie er
kannte ihn an seinen täppischen
Sprüngen, an seinen Lieblosungen, an
der Freude, die er darüber äußerte,
wieder daheim zu sein und seine alte
Hütte noch am gewohnten Platze zu
finden.
„Sultan! Sultan!" rief sie. Da
schlug er seine treuen, klugen Augen
zu ihr empor, und sie schienen ihr zu
„Ja. ja, ich wußte wohl, daß
In der Aufregung hatte das Ehe
paar vollständig das Läuten am Por
tal vergessen;- nun erscholl die Glocke
zum zweiten Hinter dem Eisen-
Knabe, die die Scene, die sich im Park
abspielte, mit äußerster Spannung
verfolgten. Sultan sprang den neuen
ches Bellen ertönte von neuem, und er
bezeugte seine Freude nach guter Hun
desart mit wüthendem Schwanzwe-
Bor der eleganten Kleidung der
jungen Frau, vor dem ehrlichen Gesicht
des Bauern schwand des Gärtners
Mißtrauen. Er öffnete das Portal
„Die gnädig« Frau wünscht ver
muthlich die Frau Baronin von Roche
dure zu sprechen? Sie weilt zu dieser
Jahreszeit nie auf dem Schlosse."
„Nein, Herr Lukas," erwiderte die
Gräfin von Nenny, „Sie selbst sind es,
mit dem ich sprechen will. Sie heißen
doch Lukas, nichts wahr?^
halten, gefolgt auf der Freitreppe des
Schlosses. Sie stieß ihre junge Wär
terin zur Seite, machte einige Schritte
ihn!"
In diesem Augenblick prallte sie zu
rück; der große Hund, der, als er die
dig ausgebellt hatte, stürmte auf sie zu,
legte ihr die Pfoten auf die Schultern
und leckte ihr das Gesicht.
doch ein Strahl von Bernunft auf
blitzte, sah Julie von Erneuil den
Hund an. Da sie aber unter den allzu
men, den man so lange nicht vor ihren
Ohren auszusprechen gewagt hatte:
„Sultan! Sultan!"
Sie sprach mit tonloser, schwingen
der Stimme, wie in einein Traum;
Augcn sich angespannt aus den Spiel
gesährten ihres theuren Kindes hefte
ten; ihre Züge zogen sich in einer un
geheuren Anstrengung, in Heller Her
„Mein Tintin, mein liebes, liebes
Kind!"
XIX.
Normandie nach Hause zurück, wo der
Sachverständige zu seinen Ungunsten
entschieden hatte. Er war ziemlich
übler Laune, als ihm der General
vor dem Bahnhof begegnete und ihn
ansprach:
„Meine aufrichtigen Glückwünsche!
Ganz Paris spricht von Ihrer Frau
Gemahlin! Wer hätte geglaubt, daß
diese übermüthige kleine Frau solcher
Entschlossenheit und besonders solcher
Verschwiegenheit fähig wäre! Wir
hatten sie kurz vorher bei einer Aus
was Du während der Abwesenheit
Deines Gatten mal wieder angestellt
hast. Ich vermuthe, irgend eine bemer
kenswerthe Dummheit! Wahrschein
lich hast Du trotz meines Verbotes —"
ken kannst Du nachher, Ivenn es
noch darum zu thun ist. Ich sage Dir
aber gleich, schiltst Du mich, dann bist
Du ein Mann ohne Herz und ohne
Seele! Ueberdies habe ich Dein Ver
bot nicht übertreten."
„Willst Du die Güte haben, Dich
„Gewiß, höre nur zu. Gleich nach
Deinem Fortgehen ließ ich den «lten
Mahuret kommen und erklärte ihm,
„Das war noch schlimmer!" warf er
in strengem Ton ein. Sie fuhr un
beirrt fort:
hatte alles reiflich überlegt
Konstantin von Erneuil. Doch was
waren meine Beweise für seine Identi
tät? Der Strolch, der den Raub be
gangen hat, ist todt, ebenso die einzige
Person, der er sein Verbrechen einge
stand, Frau Mahuret. Diese hatte
das Geheimniß sogar unserm Pfarrer
verschwiegen, hatte es in seinem vollen
Umfange nur ihrem Manne anver
traut. Vater Mahurets war ich sicher,
aber konnte seine Wahrheitsliebe nicht
von anderen angetastet und verdächtigt
werden? Hatte er nicht ein lebhaftes
Interesse daran, seinem Pathentinde
zu möglichst reichen Eltern zu verhel
fen? Glücklicher Weise hatte der brave
Mahuret einen Zeugen mitgebracht,
dessen Unbestechlichkeit über jeden Zwei
fel erhaben ist. Du erräthst es nicht?
Den Hund, den guten alten Tutan!
Zugegeben, das Zeugniß, das sich auf
dem Gedächtniß eines Hundes auf
baute, konnte leicht eine trügerische
Hoffnung werden, trotzdem gründete
ich darauf meinen ganzen Feldzugs
plan. Ich kann Dir nicht sagen/in
welchem Zustand ich, gefolgt von mei
nen drei Genossen, an der Station
ausstieg, in welch' unbeschreiblicher
Stimmung ich nach dem Wege nach
fragte. Ich führte selbst den
Hund an einer Leine, erstens damit er
uns nicht weglief, und dann wollte ich
genau wissen, was in seinem Kopf vor
sich gehen würde. Er war einfach be
wuildernswcrth! Nicht eine Minute,
nicht eine Sekunde lang war er sich
über den Weg im Zweifel. Nach den
ersten Schritten schon merkte ich, daß
er sich auskannte; er zog an der Leine,
und ich hatte alle Mühe, seinen Eifer
zu mäßigen. Wenn der Weg sich
theilte, gab es kein Zögern; er schlug
sogar schmale Seitenpfade ein, ja.
wenn er allein gewesen wäre, wäre er
glaube, das intelligente Thier
thatsächlich begriffen, daß wir auf ihn
angewiesen waren, wie wir seiner Füh
rung bedurften. Mein Vertrauen in
die Klugheit unseres Führers wuchs
von Minute zu Minute. Endlich be
kamen wir das Schloß in Sicht. Ah,
nun waren jedes Wort und Zuspruch
vergeblich. Mit einem Sqtz riß er sich
los, und eine Sekunde später war er
unfern Augen entschwunden. Ich ver
muthete wohl, daß er nicht, wie wir,
am Portale auf Einlaß warten würde,
sondern daß er irgend einen Durch
schlupf kannte. Trotzdem brachte mich
fein Durchgehen etwas außer Fassung.
Was sollten wir ohne ihn thun? Ich
befand mich sozusagen in de: Lage
eines Impresario, der von seinem
Künstler gerade in de.n Augenblick im
Stich gelassen wird, wo der Vorhang
aufgehen soll. Trotzdem hieß es, nicht
zurückschrecken; da es einmal soweit
gekommen war. galt es ausharren bis
zum Ende. Am Portal machten wir
Halt, und ich nahm erst einmal so eitie
Art von Lokalinspektion vor. Durch
die Eisenstäbe des Gitters sah ich in
einen großen, einsamen Hof, in dem !
! Gras zwischen den Steinen wuchs,
> darin ein schweigsames Schloß mit
herabgelassenen Jalousien das reine
Dornröschenschloß. Ueber dem Gan
zen hing ein Schatten unaussprechli
cher Trauer, namenlosen Unglücks.
' Ich blickte meine Gefährten an, weder
der Mann noch das Kind sprach ein
Wort, auch auf ihnen schien eine ge
wisse Mitleid heischende Scheu zu la
sten. Auf meinen Wink zog Mahuret
an einem verrosteten Klingclzug. Eine
wimmernde Glocke erschallte; niemand
antwortete dem Ruf.
Angesichts dieses Todesschweigens
bemächtigte sich meiner eine fast aber
gläubische Angst waren wir zu spät
gekommen? Hatte die arme Julie von
Erneuil, die bellagenswerthe Mutter,
schon den letzten Seuszer gethan? Ich
ließ ein zweites Mal läuten. Und
nun ging es Schlag auf Schlag, wie
auf dem Theater. Aus der entfernte
sten Hofecke trat mein Debütant wieder
in Scene, und wahrlich, er litt nicht
unter dem Einfluß der traurigen Um
gebung. Mit riesigen Sprüngen, in
wahnsinnigen Sätzen raste er um einen
alten Mann und eine alte Frau herum,
die sich, so gut sie konnten, feiner stür
mischen Zärtlichkeiten erwehrten und
auf uns zu kamen. Das brave Thier
hatte keine Zeit verloren, seine Hei
inathsberechtigung nachzuweisen. Die
alte Frau streichelte und küßte ihn
unter Thränen, während der Mann
mit bewegter Stimme, der er vergeb
lich einen drohenden Klang zu geben
versuchte, immer wieder sagte: „Ruhig,
Sultan, ruhig!" Am Portal ange
langt, zögerten die beiden alten Leute
eine Weile; aber unser ehrliches Aus
sehen mußte sie wohl für uns einneh
men; auch leckte uns ja die Dogge durch
die Gitterstäbe die Hände! Es drängte
mich, aus den Muthmaßungen heraus
und endlich zur Wahrheit zu kommen,
und so sagte ich entschlossen: „Ich bin
eine lhrer Herrin, Herr
Lukas, denn Sie sind doch der Gärtner
Lukas, nicht wahr?" Als er meine
Frage bejahte, da, ich versichere Dich,
Herbert, wäre ich dem biederen Alten
am liebsten um den Hals gefallen.
Was sagst Du nun?"
Seinem Aerger zum Trotze fühlte
sich der Graf von der Erzählung sei
ner Frau gefesselt und mahnte un
wahre fort, liebes Kind, was ge
schah weiter?"
Leben tiesinncrlich bewegte. Die arme
Irre, vermuthlich durch den Klang
der Glocke hergelockt, erschien auf der
Freitreppe des Schlosses gerade in dem
Augenblick, als wir den Hof betraten;
der Hund stürzte auf sie zu, und als
sie den Genossen ihres verlorenen Kin-
Strahl der Vernunft in ihrem Ge
dächtnisse auf. Wir sahen, wie sie mit
beiden Händen nach der Stirn griff,
„Mein Tintin, mein liebes, liebes
Kind, wo bist Dn?"
„Und dann?" fragte der Graf ge
bist Du?"^"^'
Ich bat Konstantin, zu seiner Mut
ter zu laufen und sich ihr in die Arme
zu werfen. Er hörte nicht auf mich;
statt vorwärts zu gehen, klammerte er
sich an mir fest und verkroch sich in
meinen Kleidern. Er fürchtete sich,
und wahrhaftig, es war kein Wunder:
mando: „Vorwärts, Tintin!" Und
Tintin gehorchte. Mit dem ganzen
Muth seiner süßen, kleinen Kinder
seele schritt er aus seine Mutter zu, und
als die Irre ihre Frage: „Mein Kind,
wo bist Du?" wiederholte, antwortete
er fest:
„Hier, Mama!"
Die Schlacht war gewonnen! Beim
Klang der Stimme ihres Kindes, ent
sann sich Julie von Erneuil plötzlich !
der Vergangenheit.
brach sie in convulsivisches Schluchzen !
aus. Die Scene, die nun folgte, läßt >
sich unmöglich schildern. Wir hatten 5
Dienerinnen schrien laut aus und be- I
stürmten uns mit Fragen. Lukas !
küßte feinem jungen Herrn die Hand, !
- »Ich sah sie schon seit einiger Zeit
t kommen," sagte er. „Die Erregung
e heute hat die Krisis herbeigeführt. Ein
- Rückfall ist nicht zu befürchten. Las
- sen Sie ihr ihr Kind, so viel sie es ha
ben will, seine Gegenwart bringt ihr
die Gesundheit. Ich habe hier nichts
mehr zu thun."
Ausfolgenden Morgen ging ich nach
tete über die Begegnung Frau Mahu
rets mit dem Räuber des Kindes, über
! das Bekenntnis;, das die arme Frau
- sterbend ihrem Manne abgelegt hatte;
t ich führte ihm schließlich den Feldhüter
! und auch Sultan vor, Großva
> Zusammentreffen fein? Sein gelieb
ter Enlel, sein theurer Konstantin,
schlafe im Binsenweiher den Schlaf des
Todes.
Der Mann hatte zu fürchterlich ge-
litten, um so leicht an das Glück glau
ben zu tonnen. Als wir den Schloß
„Wo ist er?"
ist, Hand in Hand mit ihm, eingeschla
fen, und er muckst sich nicht, der liebe
Engel, um sie nur ja nicht auszu-
Der Oberst begab sich nach dem
Zimmer seiner Schwiegertochter, ich
folgte ihm, ängstlich und rathlos. Auf
der Schwelle blieb er stehen. Ich hörte
einen unterdrückten Aufschrei, er er
hob wie flehend die Hände, schwankte
und raffte sich gewaltsam wieder auf.
„Hans," rief er, „mein Gott, es ist
Hans, wie er leibt und lebt!"
In Juliens Zimmer, gerade über
dem Kopfe des Kleinen, befand sich ein
Zeuge, dessen Existenz ich nicht kannte
ein Zeuge, der eindringlicher für
unsere Sache eintrat, als alles, was ich
sonst noch hätte vorbringen können.
neuil, dem Sohne des Obersten und
Bater unseres Konstantin, im Alter
unseres kleinen Helden. Es war ein
und dasselbe Gesicht! Julie von Er
neuil schlug die Augen auf.
„Gott hat ihn uns wiedergegeben,
alle Ewigkeit."
Man stirbt nicht vor Glück, Herbert,
sonst hätte der Oberst den Tag nicht
überlebt."
Die kleine Gräfin hatte ihre» Be
richt vollendet: sie richtete sich hoch auf
und, den Schelm im Nacken, fragte sie
ihren Gatten leise:
„Kannst Du mir verzeihen. Deinem
Befehle nicht gehorcht, oder vielmehr
ihn umgangen zu haben?"
Er gab seine Niederlage zu, um aber
seine eheliche Autorität zu behaupten.
Du die Rochedures da hinein bringst."
„Du verstehst es nicht, weil Du noch
nicht alles weißt." Und in wenigen
Worten setzte sie ihm auseinander, wie
ihr Verdacht gegen Baronin Amalie
„Die arme Frau hat iht Vergehen
bitter genug gebüßt!" sagte sie zum
Schluß. „Habe keine Sorge, Herbert,
ich habe keiner Menschenscele ein Wort
gesagt; habe auch demFeldhiiter streng
stes Schweigen über die Geldsendun
straft? Ihre Aussichten auf ein glän-
Zukunft ihrer Söhne, das Glück Gcno
vefas ernstlich in Frage gestellt. Auch
Dich, Herbert, bitte ich, desbalb die
Sache ruhen zu lassen. Man darf der
armen, verblendeten Frau nicht die
schneiden."
Der Graf ergriff bewegt die Hand
seine' Frau und zog sie an die Lippen.
Dieses Mal streckte er die Waffen.
„Verzeih' mir, meine liebe Bertha,
ich bin vor lauter Vorsicht tleinlich ge
wesen und nichs werth, die beste und
geachtetste und bewundertste Frau un
serer Kreise, die Baronin Rochedure,
gestrauchelt ist, wie die arme Mahuret,
die Bauernfrau mit dem schlichten Her
zen, gefehlt hat!"
Graf zuckte die Achseln.
ihrem Lebenswege den größten Wür
ger der Menschheit das Geld."
„Das Geld!" wiederholte sie ver
schenwürdige Existenz nicht vorstellen
können. Du hast recht, mein liebes
Kind, daß Du Dich nachsichtig zeigst,
denn wir, die wir uns alle für tadel
los halten, wir arbeiten an dem Verfall
der Seelen mit. Glaubst Du, daß die
friedliche Genovefa ohne den Schwin-
del ihrer Mutter einen Mann gefunden
hätte, daß Gontran, oder der Marquis !
von Rocheplate, oder der kleine Vi
comte von Ate-cnve ein mittelloses
Mädchen freien würden? Nein, nicht
t ehrenwerthe Leute an den Verbrechen
! unserer Mitmenschen haben! Doch,
> Gott verzeihe mir," fuhr er in seinem
- gewohnten Tone leichter Selbstspöt
° terei fort, „ich halte da eine Rede, wie
' ein Pfarramtscandidat, und Du
i machst ein Gesicht dazu —"
> Miene,' "
„Wie sollte ich nicht erschrecken, Her
> bert, wenn ich an alle die Uebelthaten
und Verbrechen denke, zu denen Ange
hörige aller Gesellschaftsklassen, vom
Edelmann bis zum Bauern, verleitet
werden durch nichts anderes als die
Sucht nach schnödem Golde?"
Und mit einer Stimme, in der sich
Virachtung mit Mitleid paarte, rief sie
„Würger der Seelen, du, gleißendes
Gold!"
Wiiittlstürme wich-» dem 2So»»c-
Ueber Zeit und Ort der Entstehung
dieser wundervollen Stelle aus Wag
ner's Walküre wird in einem Wiener
Es war im Sommer 1852 in Flun
tern bei Zürich, wo Wagner an der
Dichtung des Rings schrieb. „In ei
friger Arbeitsamkeit." so erzählt Rol
let, „hatte Wagner, wenn wir uns da
Morgens, um 7 Uhr herum, trafen, le
reits ein paar Stunden am Schreib
pult zugebracht und er las mir ge
wöhnlich das Fertiggebrachte vor. Ei
nes Morgens las er mir nun dort die
frisch entstandene Stelle in der Wal
küre vor, wo der Nachtwind die Thür
aufweht, die Lenznacht hineinleuchtet
mid die auflauschende
mond,
In linden Lüsten wiegt sich der Lenz!"
Ich sprang auf und sprach ihm leb
hast meine Freude aus über diese in
jedem Sinne poetisch-schöne Stelle.
„Das müsse aber" setzte ich nach
drücklich hinzu „auch eine wirklich
volle Melodie werden!" „In meiner
Weise!" antwortete mit halbem Lä
cheln der noch sinnend Dreinschauende
tizbuch, zog fünf Linien, schrieb eine
Reihe Noten mit Takteintheilung, setzte
den angeführten Text darunter und
deren Eindruck in der Betonung des
Singens noch gesteigert war. Nachdem
wir weiter Einiges darüber gesprochen
und ich eindringlichst bat, diese Weise
möglichst festzuhalten, nahm ich das
beschriebene Papier zu mir, und ich
habe das jetzt arg vergilbte Blatt bis
heute aufbewahrt. Und so besitze ich
den ersten, in der Hauptsache ganz bei
behaltenen Entwurf einer der schönsten
prägt."
Inder Dorfschule.
In der Dorfschule ist Geographie
stunde. Der Schulmeister hat soeben
gepaßt, kann mir Keiner die Geschichte
Wieder hebt sich leine Hand. Da
plötzlich erhebt sich auf der letzten Bank
Probates Mittel. „Man
kann reden, was man will, die alte
Jungfer hat immer was hinzuzu
fügen!" „Sag' nur mal, sie wäre sech
zig Jahre, da wird sie gewiß nichts
mehr hinzufügen!"
Abweisung. „Was ma- >
chen Sie denn mit den Zähnen, die I
Sie Ihren Patienten ausziehen?"
Zahnarzt: „Die fetz' ich diesen auf die '
Rechnung!"
Borsorge. Frau (zu ihrem I
kranken Mann): „Ich lasse Dich jetzt
eine Stunde allein, John, denn ich >
Kleid denken, während ich so <
bin?" Frau: „Mit dem Kleid in >
Alles in Ordnung, John, was auch -
passiren mag. Ich habe ein schwarze's !
gewählt." >
sche. Backfisch: „Die Milch, obgleich z
Glaubhafte Versiche- r
für unser Fußball-Team vorzuschla» ,
gen?" Edith: „Wie wär's mit t
Schwarz und Blau?" 1
" Für dir Küche.
" Fleischklopse mit Krau«
- tern. Von »4 Pfund gehacktem
° Schweinefleisch und ebenso vielem
> Rindfleisch wird nebst 2 Eiern, 2 in
Milch geweichten und wieder ausge
t drückten Semmeln. 2 frischgehackten.
in etwas Butter gar gedünsteten Zwie
' beln, einem Eßlöffel feingehackter Pe«
' tersilie und ebensoviel gehacktemEstra
' gon- und Majorankraut, Salz, Pfef
fei, etwas Muskatnuß und einem
' Löffel geriebener Semmel ein glatter
Klopsteig zusammengerührt. Davon
- formt man längliche, flache Fleifch-
klopfe, läßt sie auf beiden Seiten in
Fett schwimmen, hellbraun werden
. und nimmt sie dann heraus. Eine
zerschnittene Zwiebel hat man unter
dessen in Butter gelb werden lassen,
- verkocht diese mit einer oder zwei Tas
sen Brühe, legt die Kloße in diese
Sauce, läßt sie auf gelindem Feuer
! langsam darin gar dämpfen und ver
kocht die Sauce zuletzt mit etwas
Sahne, in welcher etwas Kornstärke
eingerührt, damit sie nicht dick, aber
sämig wird. Die Klopse werden in
der Sauce angerichtet zu Tisch gege-
Kalbfleifchröllchen. Aus
! einer Kalbskeule schneidet man finger
dicke Schnitzel, die man ordentlich
klopft und dann viereckig zuschneidet.
Die entstandenen reichlichen Abfälle
treibt man zweimül durch die Fleisch-
Mühle und macht davon eine Füllung,
womit man die leicht gesalzenen
Schnitzel bestreicht, die man nun zu
sammenrollt und bindet. Man brät
diese kleinen Rollen mit Speck und
Wurzelwerk braun an, gießt etwaS
Fleischbrühe unter und dämpft sie gar,
bindet die Sauce mit etwas Mehl und
kräftigt dieselbe mu einem Zusätze von
Fleischextrakt.
mit Mehl und giebt "ein Glas Roth-
Zwiebel sup p e. Man schält
und schneidet 4 dicke Zwiebeln oder 3
Mehl darin und kocht dies mit Was»
Wurzelwerk dazu und läßt alles
Wildc Enten. Die wilden En
ten werden mit Salz eingerieben, mit
reichlich Butter und etwas Salz ous'i
Feuer gebracht und langsam, je nach
dem Alter, 2 2>/> Stunden gebra-
Guß kochendes, niemals kaltes Was
ser seitwärts hinzu gefügt wird. Das
Begießen darf nicht vergessen werden.
Sjnd die Enten ganz weich und gelb
lich gebraten, so wird die Sauce mit
einem Theelöffel vollMehl oder Korn
stärke, das man in Wasser glatt ge
rührt hat, fertig gemacht.
Käsekuchen. Zum Teig nehm,
man 6 Unzen Mehl, Pfund But
ter, 2 Uiuen Zucker, eine Prise Salz,
ein Ei. Man macht eine Grube in das
Mehl, gibt die übrigen Zuthaten da
hinein und verarbeitet dies, von der
Mitte aus beginnend, indem man im
m«r mehr von dem umgebenden Mehl
hinein wirkt. Der Teig muß sammet
weich sein. Er hält sich ung-backen
wochenlang, wenn man ihn in einen
Klumpen formt und zugedeckt an einem
trockenen, kühlen Orte verwahrt. Zum
Käsekuchen rollt man ihn aus, belegt
das Kuchenblech damit und gibt fol
gende Masse darauf: Ein Suppentel
ler Quarkkäse wird recht glatt gerührt,
dann kommt hinzu: Pfund ge
schmolzene Butter, 4 Eier, 3 Eßlöffel
feines Mehl, etwas Salz, und ist dies
alles wiederum glatt gerührt, so gibt
man 3 Unzen Corinthen, Z Tasse sü-
Ken oder sauren Rahm und 3 Unzen
Zucker hinzu. Der Kuchen braucht
eine frische, d-H nicht allzustarke Hitze.
Kräftiges Gericht von
Kartoffeln und Rind
fleisch. Eine Blechform streicht man
mit Butter aus. Dann wird der Bo
den mit einer Schicht rohen, in Schei
ben geschnittenen Kartoffeln belegt; «»
folg! ein« Schicht in Scheiben gejchnit»
tenes, rohes, recht saftiges Rindfleisch,
mit Salz und Pfeffer bestreut, und
darauf eine Schicht in Scheiben ge
schnittene rohe Zwiebeln. Den Vi»
schluß macht eine Schicht in Scheiben
pflückter Butter belegt. Wenn dies Al-
Wasser zu. Nach zwei Stunden ist
dies Gericht gar und dann sehr saftig.
Um es vor dem Anbrennen zu hüten,
Bedenklich. „Nun, Ar- 3