Scranton Wochenblatt. (Scranton, Pa.) 1865-1918, August 20, 1903, Page 2, Image 2

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    2 Du sollst Dich ganz voll Sonne sau-
D' .h" t d s"'
mag.
Kleinhändchenweitz den Sonnenschein.
In Deinen Haaren sollst Du fangen
Das Abendgold, den Morgenwind
Es soll ja für mein Leben langen,
Das Du mir täglich schenkst, mein
Kind.
>Auf entlegener Station.
«Frieda!"
.Rudolf!"
„Wahrhaftig Sie?!"
Diesen Ausrufen gegenseitigen Er
staunens folgte ein gegenseitiges An
starren. Dann, nachdem die beiden sich
«in wenig von ihrer Uebcrraschung er
holt, fasid zuerst Frieda die Sprache
wieder.
„Ich glaub's schon! Sie sind mehr
als überrascht, Rudolf, mich hier zu
sehen. Wahrhaftig, hier scheint ja alle
Civilisation aufzuhören! Man sagte
mir zwar schon in Hamburg, es sei ein
gottverlassenes Land, dieses Stück afri
kanischer Erde, dennoch: so traurig
hätte ich es mir doch nicht vorgestellt!"
Und dabei überrieselte ein leichter
Schauer die feingebaute Gestalt.
Die Landschaft war allerdings nicht
besonders ansprechend. Die kleine aus
Holz nothdürftig zusammengezimmerte
Bahnstation schien rund herum von
Sand umgeben zu sein, und die zur
Station gehörige Ortschaft mit ihren
sehr einfachen, gleichfalls aus Holz ge
zimmerten Häusern, in deren öden,
menschenleeren Straßen, soweit sie
vom Stationsgebäude aus sichtbar wa
„Jhren Mann? Lebt der hier in die
»Nicht im Orte selbst; aber er hat
rathet?"
»s fünf Jahres „
her drängt e! mich, meinen Mann l»
schnell wie möglich wiederzusehen. Ge-
Einem nach so langer Zeit wie eine
kalbe Ewigkeit. Wahrhaftig, ich muß
Gott danken, daß ich gerade Sie ge
troffen, Rudolf."
„Wirtlich? Solch' liebe Worte höre
das Farm. Mein Mann nannte sie so,
mir zu Ehren. Der Gute! Er schrieb
mir, auf diese Weise würde er jeden
Augenblick an mich erinnert."
Rudolf erwiderte nicht gleich und
sah stumm vor sich hin.
„Leben Sie denn hier, Rudolf?"
Sein plötzliches Schweigen und ein
Zucken in feinem feinen, blassen Gesicht
hatte die junge Frau überrascht. „Ich
kann mir das kaum vorstellen."
»Und warum nicht?" Er sah ihr
scharf in's Antlitz.
„Nun, Sie sind so ganz anders. Ich
dachte, Sie wären tiäch England über
gesiedelt und lebten in London. Ihr
ganzes Wesen ist verzeihen Sie, Ru
dolf so mit Allem, was Civilisation
heißt, vollgesogen; ich kann Sie mir
kaum als Bürger dieser öden Gegend
denken. Was könnte ein Mann, wie
Sie, hier auch zu thun finden?"
„Nun," versetzte Rudolf mit bitte
rem Sarkasmus, „der Böse findet für
Müßiggänger mit leerem Beutel, wiü
ich einer bin, überall etwas zu thun,
Frau Frieda."
„Sie sollten so nich'. sprechen, Ru
dolf. Zum Farmer scheinen Sie mir
jedenfalls nicht geschaffen." Die junge
Frau warf einen Blick auf Rudolfs
wohlgcpflegte weiße Hände. „Acker
bau muß hier draußen eine furchtbar
harte Arbeit sein. Wahrhaftig, ich bin
recht glücklich, daß mein Hans es nun
nicht mehr nöthig hat."
„Er hat also die Farm wieder aus
gegeben?"
„Jawohl, er ging nur hierher, um
eine bestimmte Summe Geldes zu er
gleichb«rechtigter Compagnon in das
sehr gute alte Hamburger Geschäft ei
nes Freundes eintreten. O, Sie glau
ben gar nicht, wie hart er diese letzten
dre! Jahre gearbeitet und wie sparsam
sparsam bis zum Geiz gegen sich
selbst er die ganze Zeit gelebt hat.
Die Leute behaupten, er habe außeror
dentlich viel Glück gehabt; mag sei»,
doch er hat'sein Glück auch reichlich ver
dient! Wie einsam und verlassen hat
sich der Arme nicht die ganze Zeit über
hier gefühlt! Ich tonnte es aus jeder
Zeile feinerßriefe herauslesen, obgleich
e: niemals selbst nur mit einem einzi
gen Wort darüber klagte. Zur Beloh
nung will ich ihn jetzt überraschen. Als
ich von ihm die Glücksbotschaft erhielt:
nun sei er so weit, nun habe er erreicht,
wofür er gearbeitet, vermochte ich's zu
Haufe nicht länger auszuhalten; es zog
mich zu ihm, dem Guten! Ach! Wie ich
mich auf fein Gesicht freue, wenn er
mich nun so ganz plötzlich leibhaftig
ror sich sehen wird!"
Si: lachte voll inneren Glückes u»d
klatschte die behandschuhten Hände zu
sammen.
ihn gleichsam triumphirend in die Hei
math zurück zu geleiten? Ihm ge
schieht's wie dem Prinzen im Märchen,
der, nachdem er tausend Schwierigkei
ten durchgekämpft, die Prinzessin
heimführt. „Und dann lebten sie glück
lich und zufrieden bis in ihr hohes Al
ter hinein," wie es in den alten Feen
geschichten heißt. Ist das Ihr Zu
kunftstraum, Frau Frieda?"
„Ach, ich fürchte wirklich," so meinte
lächelnd die junge Frau, „Ihnen
kommt das beinahe komisch vor und
ganz und gar nicht wichtig. Doch wenn
man Jahre und Jahre für etwas ge
hofft und gebetet, dann ist man, wenn
es Wirklichkeit wird, so glücklich und so
denkbar und so selig, sage ich Ihnen!"
„Wie? Ich sollte es für eine Narrheit
halten, sich glücklich zu fühlen? O, ich
wünschte, Frau Frieda, ich könnte auch
so närrisch sein."
„Und warum sollten Sie das nicht
sein können?" fragte die junge Frau
mit freundlichem Vorwurf. „Ich
möchte Sie wirklich recht glücklich sehen
Sie sind ein so begabter Mensch,
Rudolf," fügte sie nach kurzem Zögern
im Tone herzlicher Theilnahme hinzu.
„Uniz doch war nicht begabt ge^
es nur Werth für mich,
nicht ohne Erregung, „bitte, Sie haben
kein Recht, so mit mir zu sprechen. Ich
will dergleichen nicht länger anhören.
Wenn ich Ihnen wirklich so sehr wehe
gethan, dann geichay es ohne mein
Wollen und Wissen. Nach Ihrer gan
nur eben jetzt so ganz plötzlich über
mich. Gewiß, ich habe kein Recht, Si«
anzuklagen."
mich unglücklich geworden, dah durch
mich Ihr Leben verpfuscht wäre. Ich
meine, hier in diesem öden und wiistel
Lande sollten >i-ie nicht bleiben, Ru
dolf; das ist kein Dasein für Sie. Sie
vergeuden Ihre Zeit hier und Ihre gro
ßen Gaben; glauben Sie mir, Ru
dolf!"
„Wenn ein Mensch in's Sinken ge
räth'," sagte «r mit heiserer Stimme,
halb vor sich hin, indem er seinen Spa
zierstock am Boden hin und her be
wegte, als wollte er sein Schicksal in
den Sand schreiben „so ist das ge
wiß nur seine eigene Schuld, das Er
gebniß seiner Natur. Nur eiii
Schwächling macht Andere für seinen
Niedergang verantwortlich. Ich habe
w«nigstens den Muth, rtnzugesteh«n,
daß mein Niederbruch, wie ich mein
jetziges Leben nennen muß, einzig und
allein m«in« eigene Schuld ist. Ge-
Witz, früher oder später mutzte es zu
meinem Untergange kommen. Sie,
Frau Frieda, hätten diesen Procetz
vielleicht etwas länger aufhalten kön
nen; das wäre Alles gewesen. Ich
sollte dem Himmel danken, daß Nie
mand anders darunter zu leiden hat,
wie ich selbst."
„Sie müss«n nicht verzweifeln, Ru
dolf," sie sprach halb l«ise, aber
entschieden „ich weiß aus eigener
Erfahrung, was das h«itzt, über erlit
tenes Unglück zu brüten; man verliert
jtden Lelxnsmuth und j«d« Lebens
hoffnung. Sie müssen mit uns zurück
kehren in die civilistrte Welt, Rudolf;
mein Hans wird stolz sein auf Ihre
Freundschaft und auch ich!"
Si- reicht- ihm die Hand; er ergriff
sie und erhob seinen Blick zu ihr.
„Sie machen mich wirklich glauben,
dah es vielleicht doch noch nicht zu spät
für mich ist. Immerhin sollten Sie
mit Ihren Versprechungen vorsichtiger
sein, Frieda. Ihr Mann sieht di«
Dinge vielleicht ganz anders an - —>
übrigens, ich weih noch immer nicht,
wie Sie jetzt heihen; Sie nannten mir
noch immer nicht den Namen Ihres
Mannes. Ich bin während der letzten
Monate hier überall im Lande herum
vagabondirt, und die meisten Farmer
kommen doch hin und wieder nach d«r
Stadt, um Einkäufe zu machen; es
wäre doch wirklich hübsch, wenn ich Ih
ren Mann schon kennen sollte."
„Oh. Sie würden.ihn nie wieder
vergessen, selbst nicht, wenn Sie ihn
nur ein einziges Mal im Leben gesehen
hätten!" Ihre Brust hob sich voll Stolz
und ihre dunkelblauen Augen began
nen förmlich zu leuchten. „Nicht daß
er etwa ein außerordentlich schöner
und befähigter Mann wäre, aber er
sieht so ehrlich, brav und glücklich aus;
er sieht aus gerade wie «in r«cht guter
Junge, und er kann auch lachen, gerade
wie ein recht glücklicher Junge! Wenn
ec sich entfernt, glaubt man, er nähme
allen Sonnenschein mit sich fort. Als
wir Hochzeit machten, sagten die Leute,
er wäre noch vi«l zu jung zum Heira
ten; sie hielten ihn für unvernünftig.
Doch nun! Er hat's ihnen Allen be
wiesen, daß er so fest und beständig
und vernünftig sein kann, wie die Ael
testen und Gescheidtesten!"
Rudolfs Hände lagen kreuzweise
über der Krücke seines Spazierstockes,
den er gerade aufgerichtet gegen den
Boden stemmte.
'„Und sein Name?" fragte er ruhig.
„Berndt, Hans Berndt."
„Was was sagten Sie da?!"
Er schnellte unwillkürlich von seinem
Sitze auf. „Es ist unmöglich! Hans
Berndt, Hans Berndt Ihr Mann
Frieda? Es kann nicht sein!"
„Weshalb nicht? Um Gottes willen
bitte, reden Sie! Es ist ihm doch
nichts zugestoßen? Oh, wie furcht
bar! An der Schwelle unseres Glückes,
der Erfüllung all' unserer langen
Hoffnungen!"
Rudolf stand ein paar Minuten be
wegungslos, fast wie erstarrt. Jeder
Nerv und jede Muskel arbeitete in ihm.
herben, seltsamen Tone:
„Oh, es ist nichts! Beruhigen Sie
sich es ist wirklich nichts. Ich
schwer krank?" unterbrach sie ihn,
schwer athmend. Alles Blut war aus
ihrem Antlitz gewichen.
er lebt und ist nicht krank, Frieda.
Herr Berndt ist ganz wohl. Ich
machte erst vor Kurzem seine Bekannt
schast und Sie haben recht, er sieht
so jung aus, so knabenhaft jung. Ich
hätte ihn niemals für einen verheira
vas das ist Alles!"
Rudolf schnitt ihr das Wort ab.
doch schon zurück sein. Vielleicht, daß
«r unten in der Wirthschaft, ganz nahe
von hier, eingekehrt »!. H-ie mu»en za
in dem Benehmen des alten Belannten
Unterdessen schritt Rudolf eiligen
Schrittes auf ein halbfertiges, in einer
der nächsten Straßen stehendes Ge
bäude zu; es nannte sich „Hotel", ob
gleich es nichts Besseres als ein ein
stöckiger, erst halbfertiger Holzschuppen
war. Eiligst lief er die kaum vollen
dete Holztrepp« im Innern des Hauses
hinauf und klopfte mit aller Kraft an
die nächste Thür. Ohne lange auf
Antwort zu warten, drückte er die
Klinke nieder und trat ein.
Der Abend sank hernieder, und in
folge dessen war das Zimmer beinahe
dunkel; es brannte lein Licht darin.
Dennoch erkannte der Eintretende eine
Gestalt, die, das Gesicht ties >n beide
Bette ausgestreckt lag.
„Berndt!" Der Eindringling be
rührte sanft die Schultern Dalie
an! Fassen Sie Muth! Ich bringe eine
auf dem Bette Ausgestreckte
wandte bei diesen Worten sein Antlitz
dem Sprechenden zu; es erschien in dem
eben jetzt durch's Fenster fallenden auf
gehenden Mondlicht aschenfahl.
„Ich persönlich mag Ihnen ja aller
dings kein willkommener Neuigkeits
bringer sein; ich verstehe das vollkom
men. Berndt; allein es war Niemand
anders zur Stelle. Um es kurz zu ma
chen: Ihre Frau ist hier."
Der Andere richtete sich mit einem
einzigen Ruck vom Bette auf doch
wieder zusammenzusinken. Nur mühe
voll hielt er sich am Bettpsosten halb
„Und das nennen Sie «ine gut«
Neuigkeit?" schrie er mit herzzerreißen
der Stimme. Er lachte wild auf und
fiel vollends aus das Bett zurück.
Rudolf trat ganz nahe zu ihm und
sagte nicht ohne wärmere Theilnahme:
„Ja, ich nenne es eine gute Botschaft,
Berndt. Hören Sie mich doch nur an.
Ihre Frau wartet im Stationsge
bäude; sie hat keine Ahnung davon, wie
nah« Sie ihr sind. Nachdem Sie ihr
geschrieben, daß Sie nun Geld genug
im Uebermaß ihrer Freuds und ihres
Glückes auf den langen, weiten Weg
von Hamburg nach Afrika und das
ganz allein, um Sie, Berndt, heimzu
holen. Ganz zufällig traf ich auf
Frieda, als sie gerade aus dem Zuge
stieg. Sie müssen wissen, wir sind sehr
alle Bekannte von Hamburg her; wir
haben als Kinder mit einander gespielt,
beinahe täglich. Sie erzählte mir Al
les. Sie ist stolz aus Sie, Berndt!
Das Einzige, was Sie jetzt zu thun ha
ben, ist Muth fassen und zu ihr zu
eilen und zwar sogleich und so
schnell, wie Ihre Beine Sie tragen kön
nen."
heute schlimmer daran, als vor drei
Jahren? Eher schieße ich mir ein« Ku
gel durch den Kops!"
„Thorheit! Eine Kugel durch den
Kops! Natürlich, das machte die Ge
schichte besser, wie? Sie sind ein Thor,
Berndt. Sie werden nichts dergleichen
thun, noch Ihrer Frau etwas von Jh
nigstens nicht sofort, verstehen Sie
mich?" Rudolf sprach in sehr entschie
denem, ja scharfem Tone. „Sie wer
den gefälligst Ihr Geld zurücknehmen
und Ihre herzensgute Frau, welche Sie
mehr liebt, als sich selbst und mehr,
als Sie, Berndt, vielleicht verdienen
glücklich machen. Sie sind zwar ein
Grünling; im Uebrigen jedoch, wie ich
glaube, ein guter Kerl. Die Lehre war
heilsam; lhnen hof
dc.nn mit leiser Stimme, als schäme er
sich vor sich selbst „nun, wie ich
einer bin."
doch von Ihnen lein Almosen anneh
men! Dieses Geld gehört nach Gesetz
und Recht Ihnen. Ich spielte aus
freiem Willen. Ich bin kein Kind; ich
mutz zahlen filr meinen Leichtsinn!"
„Ja, so sollte es wohl sein, wenn es
ken?e, wäre es geradezu gegen mein
Gewissen, das Geld zu behalten. Neh
men Sie Ihr Geld zurück, Mann!"
Noch immer zögerte Berndt.
„Beim Himmel, lieber will ich bet
teln gehen, Berndt, und auf offener
Strohe campiren, verstehen Sie mich,
ehe ich dieses Geld von Ihnen behalte,"
erklärte Rudolf leidenschaftlich. „Wol-
Stück Menschenstolz und Menschen-
Berndt, und danken Sie Gott, dah er
Ihnen solch' eine Gattin schenkte!"
Berndt stand da, rathlos vor Erre
itt Berndts Brusttasche und schob den
zu. HV h
„Ich sage Ihnen nicht Lebewohl, ich
sage auf Wiedersehen, Rudolf!" rief
strahlendes Gesicht lehnte sich aus dem
Fenster des Abtheils, vor welchem Ru
dolf stand. „Aus baldiges Wieder-
„Wir wollen's hossen!" erwidert«
Rudolf und wandte sich eiligst ab, seine
innete Bewegung zu verbergen.
Historisch? Apilmmnc».
Der Hang, sich über den lieben
Nächsten lustig zu machen, hat seine
Begründung im tiessten.und innersten
Wesen des Menschen, der weit entfernt
von der durch abgeklärte Weltweise ge
forderten, altruistischenSelbstentäutze
rung ein krasser Egoist bleibt, auch
wenn er es gelernt hat, aus Gründen
des wohlverstandenen eigenen Vor
theils feiner Selbstsucht das Mäntel-
Manieren umzuhängen. Es bedarf
keiner tiefen psychologischen Kennt
nisse, um darüber in's klare zu kom
men, daß das Individuum, der
Stamm und das Volt im allgemeinen
nur zu sehr geneigt sind, sich für die
mehr oder minder verblümt anzudeu
ten. daß sie die minder ausgezeichneten
sind.
Aus diesem Boden der starken eige
nen Werthschätzung ist auch die uralte
Neigung entsprossen, andere durch
Spott und Spitznamen lächerlich zu
machen. Bevor der Mensch so correkt
wird, daß er auch den leisesten Aus
fall in Worten gegen einen anderen
vermeidet, hängt er letzterem, wo ihm
dessen Persönlichkeit auch nur die ge
ringste Handhabe dazu bietet, einen
Spitznamen an. Besonders böse ist
und war dies jedoch nicht immer ge
meint. Das Mittelalter und Aller
sehl beschränktem Umfange. Es lag
daher das Bedürfniß vor, zahlreiche
Personen gleichen Namens durch
Attribute von einander zu unterschei
den, und aus diesem Grunde läßt sich
auch eine scharfe Grenze zwischen
Spottnamen und einfachen Beinamen
nicht ziehen. Wie sich das Volk unter
sich dabei zu tituliren beliebte, ist größ
tenteils verloren gegangen. Dagegen
hat uns der eherne Griffel Klios
Spitznamen von Fürsten zu Hunderten
erhalten, da die Spottlust auch vor den
Höchstgestellten der Erde nicht Hall
Besonders erfindckifch waren in die
ser Hinsicht die Griechen, denen die
Freude am Grotesk - Komischen im
Blute steckt. Antigonus 11. von Ma
kedonien, ein sparsamer Herr, der gro-.
tzes versprach, aber nichts hielt, hatte
den Beinamen „Doson", der sich kurz
in's Deutsche überhaupt nicht über
setzen läßt und so viel bedeutet wie
„der vom Schenken Flunkernde". Die
Ptolemäer trugen fast durchweg Spitz
namen bedenklichster Art. Der zweite
aus ihrer Reihe hietz Philadelphus,
nicht etwa weil er feinen Geschwistern
ein treuer, sorgender Bruder war, son
dern weil er seine Schwester, die schöne
Arsinoe, heirathete. Am sechsten Pto
lomäer blieb der Beiname Philometor
nicht deswegen haften, weil er ein pie
tätvoller Sohn gewesen wäre, sondern
wegen ganz anders gearteter Beziehun
gen zu seiner Mutter Kleopatra. Der
vierte aus dieser Dynastie nannte sich
zwar selbst Philopator, den Vaterlie
benden; das Volk nannte ihn wegen
Tryphon, d. i. den Prasser, während
Appetits Physkon, d. i. der Dickwanst
hietz. Der erste Seleucide, der so be
scheiden war, die Jahre vom Beginn
seiner Herrschaft an rechnen zu lassen,
gab sich kurzer Hand selber den Bei
namen „Nikator", d. i. der Siegreiche,
während sich ein später König aus die
ser Dynastie Antiochus 111. wegen sei
ner Habsucht den Beinamen Hierax, d.
und der achte Antiochus. wegen seines
gekrümmten Gesichtsvorsprungs als
Grypos oder Habichtsnase bezeichnet
Im mittelalterlichen Byzanz .das
immer ein fruchtbarer Boden für den
Gänzlich bartlos war nämkich der
junge Monarch in den Krieg gezogen,
und als man bei feiner Rückkehr ent
deckte, daß der erste Flaum auf seiner
Oberlippe sproßte, war der hyperbo
lische Beiname auch schon gesunden.
Kaiser Michael 11. wurde durch seinen
an seinen Sprachfehler erinnert, ein
anderer, Michael, hieß der Kalsalterer,
weil sein Onkel Schisssrheeder war,
Leo der Jsaurier hieß wegen des
Handwerks seines Vaters schlechthin
der Schusterjunge, und sür Konstantin
V., einen höchst energischen, um sein
Reich hochverdienten Monarchen wuß
ten seine getreuen Unterthanen keinen
nymus, der in gesittetes Deutsch
Taufaktes als Neugeborenen das allzu
Menschliche passirte, das Taufbecken
zu verunreinigen.
Mit ehrenden Attributen, die der
Zeit sehr sparsam umgegangen.
Bon Alfons X. von Castilien sagt ein
mittelalterlicher, schriftstellernder Klo
sterbruder, daß er den Beinamen des
heillos zerrüttete Deutschland
bruder stellt höchst ergötzliche Resle^io-
Frauen angehängt habe. Während
Harnn-al-Raschid und Chosroes l.
Nuschirwan mit zweifelhafter Berech
tigung den Namen des Weisen führen,
ist orientalische Phantasie bei dem gro
lenk (Tamerlan) an dessen lahmen
Beine hasten geblieben. Unter den
Monarchen, die den Beinamen des Ge
rechten tragen, verdient der polnische
König Kasimir 11. Sprawiedliwy ihn
vielleicht mit dem meisten Rechte. Als
er sich einst mit einem seiner Cavaliere
durch Würfelspiel unterhielt und mit
diesem hierüber in Streit gerieth, ver
setzt« ihm vkr jähzornige Höfling eine
Ohrfeige. StMt diese zu rächen, wie
es in seiner Macht gestanden hätte, be
sah er die seltene Selbstüberwindung,
verzeihen und nur sich selbst darüber
Vorwürfe zu machen, daß er seine
Majestät durch ordinäres Würfelspiel
in eine so peinliche Lage gebracht habe.
Das Mittelalter, das'ganz allge
mein eine unerschöpfliche Fundgrube
für seltsame Beinamen ist und in sei
ner Naivität zwischen tiefster Ehrer
bietung und urwüchsigem Spott hin-
und herpendelt, klammerte sich bei der
Namengebung hauptsächlich an beson
ders augenfällige, geistige oder körper
liche Eigenschaften des zu Benennen
den an. Unter den Fürsten Namens
Friedrich finden wir einen Markgra
fen vonMeiße», der Tutto, das heißt
der Stammler, hieß, als seinen Nach
folger Friedrich den Freudigen, der
auch den Beinamen „mit der gebissenen
Wange" trägt, weil ihn seine Mutter
die vor ihrem Gatten, Albrecht „Dem
Entarteten" flüchten mußte, vom Ab
schiedsschmerz übermannt, in die
Wange gebissen haben soll, ferner ei
nen „Ernsthaften", einen „Freundhol
digen", einen „Einfältigen", sodann
unter den österreichischen Fürsten einen
Friedrich „mit der leeren Tasche", den
die Sage irrthümlich mit der Erbau
ung des goldenen Dachls in Innsbruck
in Verbindung bringt. In Sachsen
folgte dem Kurfürsten Friedrich I. dem
Streitbaren sein Sohn Friedrich 11.
der Sanftmüthige; der zweite Hohen
zoller in Brandenburg, der den Wider
stand der Städte brach, trägt den Bei
namen des Eisernen, und der Deutsche
Kaisen Friedrich der Schöne muß die
ses Epitheton mit noch einem halben
Dutzend anderer Fürsten theilen.
Eigenthümliche Beinamen tragen
manche skandinabische Fürsten, unter
denen Harald Blaatand (d. i. Blau
zahn), Hakan Halägg (d. i. der Hoch
beinige), Erich Ejegod (d. i. immer
gut), Erich Pflugpfennig, Erich Glip
ping (d. i. der Blinzelnde) und Walde
mar Atterdag besonders auffallen.
Letzterer hat seinen Beinamen übri
gens von seiner Gewohnheit, wichtige
Entscheidungen mit der Begründung
hinauszuschieben, daß morgen auch
noch ein. Tag sei. Auch Margarete
Maultasch, die böse Grete der kärnt
nerischen Volkssage, die den Beinamen
der Form ihres Mundes verdankt,
Gottfried der Buckelige, Karl der
Dicke und Karl der Kahle, Albrecht der
Beinamen des Grotzen geschaltet hat.
Im unbestrittenen Besitze des letzteren
sind eigentlich nur Alexander von Ma-
Jn der Kirche magst du schimmern.
Die Geschichte spricht dir Hohn!
Durch »ie laue Sommernacht.
Denke deiner, der du fern
Irrst in dunklen Grohstadtgassen.
Leute, blast ein ander Lied
Schüchtern. „Nun, Else,
schon erklärt?" „Ach, Mama, der
roth!"
Pslichtgetreu. Prinzipal
(den Schluß eines Briefes an die
Firma Knöpfl diktirend): . und
seh« ich Ihren weiteren Aufträgen mit
Vergnügen entgegen." (Nach einer
Viertelstunde, als er bemerkt, daß der
ist's, warum arbeiten Sie nicht?"
Contorist: „Ich muh doch den weiteren
Aufträgen mit Vergnügen entgegen
sehen!"
- Aufrichtig. Besuch- WaS
halten Sie von Ihren Nachbarn?
j Hausfrau: Das sind Leute, denen man
leider nichts Schlechtes nachsagen
j kann!
Tas Ende der Bogelhut-Mode.
Ein dem Thierschutz gewidmetes
deutschländisches Blatt stellt folgende
Betrachtung über die „Vogelhut-
Mode" an: Es muh jeden Thierfreund
mit aufrichtiger Freude erfüllen, daß
diese widerwärtige Mode, die leider
schon viel zu lange regiert hat, ganz
soll das Gesicht den Höhe-
That wundern, daß den Töchtern
Eva's diese ästhetische Seite der Sache
lange Jahre hindurch so gänzlich Un
sen heutzutage immer mehr bestrebt ist,
der Aesthetik zu ihrem Recht zu verhel
fen, sei es in der Architektur, in der
Eine seitsam» «sioere.
kulßni'll knins-a, damit ist der Beruf
der Kirchenglocken seit alter Zeit kurz
und bündig ausgedrückt. Es gibt
lich befreit ist, nämlich vom Sterbege
läut. Es ist die große Glocke der Ge
meindx Marling bei Meran, die für
keinen Todten, fei er nun Kaiser oder
Papst, geläutet werden darf. So be
stimmt es ein Beschluß der Gemeinde,
die Eigenthiimerin dieser Glocke ist.
1591 schlug der Blitz in den Glocken
thurm und schmolz alle Glocken zu
sammen; man mußte sie neu gießen
lassen. Nur einmal machte die Ge»
meinde eine Ausnahme und ließ sich
von dem damaligen Dekan Santner
von Meran anläßlich des Todes des
Papstes Gregor XVI. überreden, die
Glocke zu läuten. Aber welch ein Zu
fall! Bald darauf zersprang die herr?
liche Glocke, und das Volk betrachtete
dies als eine Strafe dafür, daß das
Gelöbniß der Gemeinde gebrochen
Ansehen ihres Seelsorgers erschüttert,
der bald darauf nach Meran versetzt
wurde. Die Glocke wurde neu gegos
sen und 1847 in Mirling eingeweiht.
Kein geistlicher Nachfolger und Seel
sorger wagte es, bei Trauerfällen, z.
B. beim Tode Pius' IX. oder beim
Tode der Kaiserin Elisabeth die
Trauerbotschaft durch das Läuten der
großen Glocke kundzugeben, und so
wird es auch bleiben sür die Zukunft.
Die Volkssage erzählt, daß vor alten,
alten Zeiten die Gemeinden Marling
und Mais ihre großen Glocken aus
tauschen wollten. Aber die Marlinger
brachten ihre Glocke nur bis zur Etsch
brücke, weiter war der Wagen selbst
mit Aufgebot alles verfügbaren Zug
viehes nicht zu bringen. Die Glocke
begann zu sprechen:
Anna Maria hoaß i,
Alle Wetter woatz i,
Alle Welter vertreib i.
Auf dem Marlinger Thurm bleib i.
Diese Sage macht diese Glocke zur
wirksamsten und geehrtesten Wetter»
glocke im Burggrafenamte und Um»
gebung.
Wa« ist ein betrübtes t!«be» »
Diese Frage hat ein Mohrunger
Schillers „Lied von der Glocke" wie
folgt beantwortet: „Der Dichter schil
dert uns das freundliche Leben und
das Lkben als Ehepaar!"
WasisteinPHLnomen?
In einem Schullesestücke kommt das
schwierige Fremdwort Phänomen vor.
und der Lehrer fragt, obJemand wisse,
was es bedeute; Niemand weiß es.
Darauf gibt der Lehrer folgende sach
gemäße Erklärung! „Kinder, Ihr
kennt doch alle einen Apfelbaum? Der
Apfelbaum ist kein Phänomen. Ihr
hebt doch auch alle schon eine Kuh ge
sehen? Eine Kuh ist auch kein Phäno
men! Aber wenn eine Kuh aus einen
Apfelbaum klettert und mit dein
Schwänze Aepfel pflückt, das ist ein
Vhänömen!"
Buchbinder (zum
Gehilfen): „Die Bücher für Hernr
Maier binden Sie ja recht dauerhaft
ein der Mann ist unglücklich verhei»
rathet!"