Scranton Wochenblatt. (Scranton, Pa.) 1865-1918, June 18, 1903, Page 2, Image 2

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    2 Uebermensche».
Macht der Mensch die Mode, oder
inacht die Mode den Menschen? Ent
springt der Zeitgeist der Zeit und den
Zeitgenossen, oder bildet die Gedanken
richtung einer Zeitepoche die Gesinnung
des Individuums? Gibt es Indivi
duen oder nur Produtte der Erziehung,
der allgemeinen Interessen, der Nütz
lichkeit oder eines Phantoms?
Fragen, während sie frühstückten. Er
hatte vorher die Zeitung gelesen und
daraus geistige Anregung geschöpft,
obwohl er sein Blatt als „indifferent,
opportunistisch und inferior" gering
schätzte, hinwiederum aber auch als
„durchaus anständig" auf seinem Ti
sche duldete. Hatte sich der Feuille
tonist eine mit Schlagwörtern gespickte
Wochenschau gestattet, so las der Herr
Doctor Vogeler diese satirische aber
doch immer durchaus anständige Epi
stel seiner Frau vor. Diese spielte
dann während der Vorlesung mit den
ikingen an ihren zarten, überschlanken
Fingern und lächelte wie „Ueber
menschen" zu lächeln Pflegen.
So auch heute.
Als der Gatte aber hinterher noch
seine eigenen Gedanken über das
Thema der Zeitungsmenschen äußerte,
da gesellte sich zu dem alles verstehen
den, alles negierenden Zeitgeistlächeln
auf dem blassen Frauengesichtchen ein
nervöser, unged«ldiger Zug. Das
Spiel der Hände wurde erregt. Sir
trank einen Schluck Wasser und ath
mete tief, eine Hand schnell auf die
Brust drückend.
Der Gemahl unterbrach sich. „Ist
dir wieder schlecht?"
„Es wird gleich vorbei sein!" meinte
sie matt, stand aus und trat aus den
Balkon, der ganz versunken und ver
borgen lag zwischen blühendem, wil
dem Rosengerank.
Doctor Vvgelrr sah ihr besorgt nach.
Diese Anwandlungen von Herz
schwäche! Der Arzt meinte, es ffei nur
Nervosität Modelrankhcit....
Der junge Gatte erhob sich und ging
zu ihr, die sich an die Hausmauer ge
lehnt hatte. „Ist's besser, armes
Kind?"
„Ich glaub', der Cakao ist zu
schwer!" erwiderte sie. „Was soll ich
nur trinken? Kaffee und Thee ver
trage ich nicht; Milch mag ich nicht!"
„Wir müssen's mal mit einer Suppe
versuchen!" meinte er tröstend. „Das
geht doch so Nicht weiter, Wanda!"
Er erschien robust neben der schlan
ken Frau, mit seiner bizarren Sport
kleidung, mit Pumphosen und carrir
ten Strümpfen. Gesunde, rosige Wan
gen blühten unter einem blonden
SpitzbaH, und seine Augen hatten
einen ausfallend gutmüthigen Aus
druck. Sie dagegen war brünett, und
ihre großen blauen Augen blickten au
ßerordentlich stolz mld zugleich ge
langweilt.
Sie fuhr jetzt mit den Händen über
die schweren Klioscheitel und sagte
lässig: „Mache dir nur keine Sorge!
Wenn ich in den Bergen bin, wird's
besser werden?"
„Das hoffe ich auch!" stimmte er zu
und roch an einem blaßrothen Röschen,
das sich schüchtern geössnet hatte über
Nacht. „Wenn ich dann nachkomme,
bist du vielleicht gar so weit, um die
Rückreise mit mir per Rad zu machen,
was?"
Messer behutsam ab. Nachdem er die
Dornen entfernt, steckte er die kleine
holde Blume anleine Joppe. w^e
denn ih e g N pp
Lebenslust schaute. Ihr Gatte, der
Mcmn, der diese Frau nur nahm, um
an ihrer Seite zum Leben zu gesunden.
radelte Doctor Vogeler zwi-
Strauß am Busen trug und sehr lie
benswürdig zu ihm war. Doch sie co
lettirte nicht mit ihm. Ihr Mann war
eifersüchtigen Herzens, und das berück
sichtigte sie.
gesehen, als er die Straße hinabgera
delt war. Er hatte nicht nach ihr zu
rückgeschaut. denn sie hatte sich die Ge-
gewöhnt, sich ihr zu fügen.
Ja, er refpectirte alle ihre Wünsche.
Das hatte ja auch ihre Mama zur Be
dingung gemacht, als sie zur Verlo
bung ihre Einwilligung gab. „Meine
Tochter ist ein freier Mensch und ich
wünsche, daß es so bleibe!" hatte die
Mama gesagt, und der Werbende hatte
erwidert: „Ich bin ein moralischer
Mensch ich hosse wenigstens, es zu
sein und fechte die Rechte eines an
deren nicht an!" So war der freie
Mensch die Gefährtin des moralischen
Menschen geworden.
Leben" gegenüber auf einem sehr hohen
philosophischen Standpunkte. Ihren
eigenen Adel in der Selbsterziehung
erblickend, verachteten sie die thierischen
Eigenschaften des Menschen. Beider
„Ideal" war die Führung eines rein
geistigen Lebens und die moralische
und feingeistige Gestaltung ihres leidi
gen Menschenthums. Ihr eheliches
demgemäß gar behutsam
noch in Streit. Ihre Liebe hatte bis
schlössen« Blüthe.
bereits ein Quartier gemiethet und er
wartete die Tochter dortselbst. Der
junge Gatte wollte per Rad nachkom
sie sein Bedauern nur verlacht haben
würde. Trotzdem hatte sie das Be
dürfniß nach Sentimentalität das
machte vielleicht ihre Krankheit, oder
und auf diesen Gedanken hatte sie
eine Frage des Arztes gebracht, war
sie nur trank zufolge einer immanen
ten Sentimentalität, die sie stets in sich
bekämpfte —?
Der Arzt hatte sie gefragt, ob sie
Kummer habe? Sie hatte verneint
erstaunt, im Vollbewußtfein ihrer Po
sition, ihresßeichthums, ihrer Wunsch
losigkeit. Als sie dann aber allein
war u«d der seltsamen Frage nach
dachte. da sielen ihr die Stunden un-
erklärlicher Traurigkeit ein, die oft,
oft ihr Herz befchlich, wenn sie, ermü
det von ihrer nichtsthuenden Lebens
weise, von einein Polsterplatz auf den
anderen sank und sich gähnend fragte:
„Wozu lebt man?"
Und wenn dann der Gatte zu ihr
Journale, Ausstellungskataloge und
Bilder vor ihr ausbreitend, da hatte
sie oft das Bedürfniß empfunden,
seine Hand auf ihr nervös flatterndes
Herz zu Pressen, damit seine Lebens
wärme den Weg zu ihrem fröstelnden,
einsamen Inneren finde.
Unerwärmt und unerquickt geblie
ben. las sie dann Nietzsche las sie
von „Ueber- und Höhenmenschen", z«
denen auch sie zu gehören meinte, weil
sie satt war vom Weltgetriebe, weil ihr
die Weltverachtung »ingeimpft und die
Lebenslust anerzogen war.
Außer der Unruhe bezüglich der
Trennung beschäftigte Wanda eine
noch andere Frage, die ebenfalls ganz
allgemein-menschlich war und wenig
zu den Philosophastereien eines Höhen-
und Uebermenschen paßte.
Ihr Geburtstag war in einigen Ta
gen —: wie würde sich Carlos verhal
ten? Würde er den Tag als Festtag
feiern? Und auf welche Weise? Die
Kalenderfeiertage hatten sie während
ihrer Ehe stets in vornehmer Zurück
haltung vom „Mob" verlebt und mit
sehr einfachen Mahlzeiten bedacht, um
den Dienstleuten freie Zeit zu gönnen.
Einen Festtag für sie beide allein hat
ten sie noch nicht gehabt, denn fein Ge
burtstag lag vor der Hochzeit.
Ach, wäre es nicht allzu kindisch, so
möchte sie wünschen, er ersänne eine
Ueberraschung für sie. Und wäre es
nur ein Napfkuchen mit Lichtern, wie
ihn kürzlich die Köchin dem Stuben
mädel an ihrem Namenstage beschreit
hatte. Nur keine großen Geschenke!
Keinen Schmuck kein Geld! Bon
der Mutter hatte sie bisher immer nur
kaltes Geld bekommen! Jetzt wünschte
sie sich von ihrem Gatten eine Kleinig
keit. geheim beschafft, sinnig gegeben,
eingehüllt in den Zauber nie genossener
Zärtlichkeit.
Auf diesen kleinen Wunsch concen
krirte sich endlich ihr ganzer altkluger
Geist. Ihre kleine, matte, des natür
lichen Jugendrxchtes beraubte Seele
wartete auf eine Kinderfreude.
Wanda hatte während der Nacht
vorher kein Auge geschlossen, stellte sich
aber schlafend, als der Gatte erwachte.
Er erhob sich, ohne sie anzurufen,
kleidete sich nebenan im Toilettenzim
mer an und ging leise nach dem Eß
zimmer hin.
Ihr pochte das Herz. Ob er jetzt et
was sür sie herrichtete? Ob er sie nach
her rief und holte? Erwähnt hatte er
bis heute ihren Geburtstag nicht...
gewährleistete das eine besondere Ver
unterdrücktem Lächeln erfreuen zu las
sen. Aber das Mädel war ernst und
langsam wie immer und berichtete, der
Am Tisch saß der Gemahl bei der
Zeitung... nichts verrieth Feststim
mung. Er begrüßte sie wie sonst und
gratulirte ihr mit keiner Silbe.
Wanda war innerlich starr.
Ohne zu lesen, starrte sie in den
Gratulationsbrief der Mutter, die ihr
einen Check über I<XXI Mark zum Ge
schenk gemacht.
Jetzt las ihr Carlos Hofnachrichten
vor und sprach dann von Frau
das bringe sie auf heitere Gedanken
und solche seien die beste Medizin für
die Nerven.
Wanda erwiderte kein Wort. Blaß
und verstört saß sie da. Wie war es
möglich, daß ihr Gatte sie heute nicht
mit einer Liebenswürdigkeit erfreute?
Daß er kein zärtliches Wort für sie
hatte, ja, daß er ihren Festtag nicht
Und da siel es ihr auf die Seele:
„Er hat das Datum vergessen oder nie
Tief gekränkt erhob sie sich und ver
ließ, ihn grüßend als sei er ein Frem
der, das Zimmer. Als er sie verdutzt
zurückrufen wollte, fertigte sie ihn kurz
ab. Sie ging und schloß sich in ihr
Dort überließ sie sich einem Aus
bruch wahrer Verzweiflung. War es
nicht ungeheuerlich? Waren sie sich
noch so fremd? War er so gleichgül
flächlichste Interesse.
Lag darin nicht bereits das Zugeständ
niß seiner treulosen Gesinnung?
Und doch —: wenn sie an seine Ila
ren Augen dachte, an sein unbefan
genes, gutherziges Lächeln... Sah
so Betrug und Lieblosigkeit aus?
Wanda beschloß endlich, ihre Noth
der Mutter zu llaqen. Als der Gatte
dann mit ihr am Mittagstisch zusam
mentraf, theilte sie ihm in ihrer ge
wohnten stillen Art mit, daß sie bereits
morgen zur Mutter reisen werde.
Zum erstenmal aber stieß sie auf
Widerstand. „Morgen ist der 14.!'
sagte er. „Du wolltest erst am 20.
reisen... Laß es doch dabei!"
„Ja, morgen ist der 14,!" wieder»
cheln. „Und heute ist der 13. Ein
Ungliickstag!" Sie sixirte ihn verge
bens; er verrieth absolut kein böses
Gewissen.
Ei sah sie hingegen treumüthi» an
und bat: „Reise erst am 2V. Ich habe
Tag gerichtet!" Er blieb bei dieser
Einrede, während sie bald des Wider
spruchs müde ward. Als er ihr aber
mit einer Zärtlichkeit für ihr Nach-
Zimmer aus und nieder. Als sie ihn
aber auf feine Rücksichtslosigkeit ziem
lich arrogant aufmerksam machte, ver-
Er ging in sein Arbeitslimmer, wel
lehen. Wohl standen gefüllte Bücher
schränke an den Wänden, und ein gro
ßer Schreibtisch lud zu fleißigem
Verweilen ein, allein des Hausherrn
Lieblingsplatz war der Schaukelstuhl
dicht beim Ständer mit modernen
Aufmerksamkeit? Am Ende liebt«
Rath ihrer klugen Mutter? Und er
Blicke eines „Geistes der Stille", der
Uhr. Das Bett ihres Gatten war be-
M der Wohnung war a es
Freundin" noch Elogen zu machen?
' Die Eifersucht packte sie. Sie sprang
auf, machte sich eilends zurecht und
öffnete schnell die Thür zum Speise
zimmer, um zu sehen, ob der Gatte noch
t^dS
chen und flüsterte zärtlich: „Wanda
Frauchen lach' mich nicht aus!...
Heute ist doch der 18.!"
Er führte sie zum Tisch. Und dort
stand ein großer, brauner Napfkuchen
mit einem Rosenstrauß und 20 Lichter
ließen ihre Flammen festlich im
Kranze um den Kuchen flackern. Um
den ganzen Tisch schlang sich eine Blu
menguirlande, die sich an allen vier
Inschrift: „Heil dem Geburtstags
kinde!"
Wanda war sprachlos. Aber Thrä
nen liefen ihr über's Gesicht und end
lich konnte sie sich nicht mehr halten
sie lachte, lachte, wie sie es in ihrem
ganzen Leben noch nicht gethan.
Carlos aber warf sich ihr zu Füßen
und bat und flehte. Sie solle es nicht
übel deuten, er habe es doch gut ge
meint. Das Arrangement wäre ja
freilich nicht sehr geschmackvoll aber
seine gute, selige Mutter hätte
es immer so gemacht! Und die Köchin
hätte auch darauf bestanden, daß sie
so einen einfachen Kuchen haben solle.
Derselbe hätte ihr damals so gefallen,
am Geburtstag des Stubenmädels.
Er hätte es ja gern viel feierlicher und
prächtiger gemacht, aber die Jnnig
schüttelnd.
„Aber Carlos —" fchluchte sie la
chend. „Mein mein Geburtstag ist
ja gar nicht heute... Der war doch
solle der Beistand stille stehen. Sich
vertheidigend, holte er seine Recht
fertigung herbei. Hier hier der
In seine sanften Augen trat ein
heißer Strahl er stammelte etwas
aber schon warf sich Wanda an
Nebt!"
Geheime Stenographie.
zogenen „t's" und tief zu stellenden
Vokale sich immer wieder zwei blaue
Augen schieben, die gar so streng und
spöttisch dreinzublicken wissen, und
im Herzen die bange Frage aufsteigt:
„Warum ist er denn so schlecht zu
dir?"
Da saß er ihr nun Tag für Tag
gegenüber am Doppelpult im dumpfen
Kontor, während draußen die Sonne
hernieder lachte und die Vöglein zwit
scherten schreibend, rechnend, ganz
in seiner Arbeit vertieft. Für sie fand
er keinen Blick und für ihre Arbeiten
nur Tadel, selten ein aufmunterndes
Wort der Anerkennung. Es war, als
habe sich der Bureauchef ganz beson
ders die erst kürzlich neu eingetretene
Liese Neumann als Objekt für seine
vom ganzen Bureaupersonal gesürchte
te Strenge ausersehen, als sei ihm das
Wuschelköpschen mit dem blonden
Haarschopf und das ganze zierliche
Persönchen in der Seele zuwider. So
wenigstens meinte die Liese, daß es
sei, und daß sie ihm nichts nach Wunsch
machen könne. Hatte er nicht gestern
erst einen Brief, den sie abzuschreiben
gehabt, vor ihren Augen zerrissen, nur
weil sie ein bißchen darin herum radirt
hatte, und als ihr ob solcher Behand
lung die Thränen in die Augen traten,
hatie er sich die „alberne Htulerei" in
so scharfem Tone verbeten, daß sie nur
noch ganz leise vor sich hinzuschluchzen
gewagt. Auch sein Wert war es gewe
sen, daß sie die dumme Stenographie
erlernen mußte und Nachmittags ga:
an die klappernde Schreibmaschine ge
spannt wurde. Ihre Klagen über di:
Kopfschmerzen, die ihr das „Tippen"
verursachte, hatte er mit der lakoni
schen Antwort abgethan: „Das ver
geht mit der Uebung", und dann hin
zugesetzt: „Wenn Sie eine tüchtige
Stütze im Bureau werden wollen, wie
es zum Beispiel Fräulein Schulz ist.
müssen Sie überhaupt noch sehr viel
Ja, wenn sie, die Liese, erst so alt
sein würde, wie das im Dienst der
Firma ergraute Fräulein Schulz, da
würde sie auch aus dem ff klappern
können, würde im schwunghaftesten
Geschäftsstil ellenlange Briese schrei
ben und es nicht nöthig haben, mokante
Bemerkungen über mangelhafte Or
thographie, über Flüchtigkeit und
fehlende Atturatesse einzustecken. Aber
so. .. Er hatte überhaupt kein Herz.
„Hans Werner hat kein Herz." Da
stand es in schönster Kurzschrift nach
Stolze-Schrey im Uebungsheft, und
Liese lächelte schelmisch vor sich hin. Es
freute sie ungeheuer, ihre neue erworbe
nen Kenntnisse dazu benutzen zu kön
nen, um sich ihren Kummer von de:
Seele zu schreiben.
„Hans Werner ist sin Tyrann."
Auch das ging ganz glatt und war
ihre innerste Ueberzeugujig.
„Er peinigt mich mit seiner Pedan
terie." Das war schon schwieriger, be
reitete der Schreiberin aber nicht min
„Fräulein Neumann, Ihre Arbeit
scheint Ihnen ja recht viel Spaß zu
machen. Im Bureau ist keine Zeit für
Allotria!" schreckte sie die scharseStim
me ihres Gegenübers aus der angeneh
men Beschäftigung des Herzerleichterns
auf, daß sie unwillkürlich zusammen
zuckte und dunkle Gluth ihre Wangen
überzog. Wenn er wüßte was sie ge
schrieben hatte! Gleich aber regte sich
der Trotz in ihr.
„Bitte, Herr Werner, ich arbeite
an meinen stenographischen Uebungen,"
hielt sie ihm schnippisch entgegen.
„So, so. Nun, so copiren Sie nach
her diese Briefe."
Ihm zum Tort wollte sie jetzt gerade
ihre „Allotria" treiben. Schließlich
war es ja gleichgültig, wie die Worte
lauteten, die sie schrieb, wenn sie nur
dabei lernte, und so folgten denn die
Sätze im Lehrbuch, fein säuberisch, je
der auf einer neuen Ziele beginnend,
als schreibe sie ihre Aufgabe.
„Ich hasse ihn, weil er mich
quält", und darunter mit echt weibli
cher Logik: „Ich habe dich ja so lieb, so
lieb."
„Fräulein Neumann, sind Sie noch
nicht fertig? Die Briefe müssen mit
der nächsten Post fort", weckte sie des
Bureauchefs Mahnung rauh aus der
braucht hatte und das noch auf ihrem
Pulte lag. Die hingehaltenen Briefe
nicht eben allzu sanft an sich nehmend,
Und richtig, das Wetter entlud sich
mit voller Wucht.
Zwei Briefe waren falsch couvertirt
schäst zu zerschlagen, von dem sich der
Kaufherr viel Bortheil versprach. Er
war außer sich, er schalt und wetterte.
eine ganz- Masse Sünden auf dem
Kerbholz, und der Brotherr hatte ihr
erst kürzlich, als er ihr gehörig den
ersten, die sie innegehabt, auf Grund
ihrer Untüchtigkeit erfolgte? Der Bu
reauchef allein konnte wissen, daß sie
Werner stand, die schlanke Gestalt
„Wer hat diese Briefe abgesandt?"
aufsuchen, um das weitere zu
lassen.
Zorn war sofort besänftigt.
„Ja, mein lieber Werner, thun Sie
das nur. Ein Versehen kann ja jedem,
der Blick suchte Werners Antlitz. Al-
Doch der Bureauchef schenkte ihr nicht
einen Blick. Mit völlig unbewegtem
Gesicht steckte er die beiden Schreiben
zu sich, zog seinen Ueberzieher an und
schritt zur Thür. Als er an ihrem
Platz vorüberkam, hatte sie ihn nur
„Wuschelliese" murmeln hören und
Geschäftsschlusses. Am andern
sprechen zu können. Liese kam zuerst!
und setzte sich auf ihren Platz, noch
mals in Gedanken überschlagend, was
fach, in das sie es keineswegs hineinge
legt? Und das Kontenbuch? Herr
gott! Das Kontenbuch hatte sie nach
stabirte sie sich den Inhalt der Sätze
Verblüfft schaute sie aus. Ihr Ge-
Lächeln.
Mit heißen Wangen entzifferte Liese
weiter:
Sie erglühte noch tiefer und macht»
sich mit Elfer an den nächsten Satz,
der lang war und ungeahnte Schwie-
Gottes Sonne ist."
Ein Seufzer tiefster Selbsterkennt
niß hob des Mädchens Brust und be
kundete ihr EinVerständniß mit der
liebt."
Schlußsätze glücklich zusammengestop
pelt hatte, faltete sie beide Hände über
dem Heft zusammen, und zaghaft ent
rang sich den Lippen des Mädchens
der Seufzer: „Ach nein!"
Drüben aber hatte auch einer bei
de Arme auf das Pult gelegt, beide
Hände gefaltet, und von drüben er
klang es recht nachdrücklich: „Ach ja!"
Was dann geschah? Nun, als mit
dem Glockenschlage acht Fräulein
Schulz pünktlich wie immer im Rah
men der Bureauthür erschien, fuhr sie
entsetzt zurück vor dem Anblick, der sich
ihr bot.
Die Liese Neumann, das »>nki>iit
t,-,'i'il>lt< des Bureaus, in den Armen
des allzeit korrekten Herrn Werner,
und das ja wahrhaftig das war
ein Kuß!
Triftiger »rund.
In einem aufstrebenden schwäbischen
tung einer städtischen Badeanstalt.
Die Gasthofbesitzer und Inhaber von
Pensionen hatten lebhaft dafür agitirt,
des Gemeinderaths erhob sich nun ein
lebhaftes Für und Wider der Meinun
gen: den Sparsamen gegenüber, die
und i hab mei Lebtag kei Bad g'nom
ma:" Diese Worte des alten Herrn
verfehlten ihren Eindruck auf die Ber-
Köln hat den nahezu acht
fach so großen Flächenraum wie Ber
lin.