2 Uebermensche». Macht der Mensch die Mode, oder inacht die Mode den Menschen? Ent springt der Zeitgeist der Zeit und den Zeitgenossen, oder bildet die Gedanken richtung einer Zeitepoche die Gesinnung des Individuums? Gibt es Indivi duen oder nur Produtte der Erziehung, der allgemeinen Interessen, der Nütz lichkeit oder eines Phantoms? Fragen, während sie frühstückten. Er hatte vorher die Zeitung gelesen und daraus geistige Anregung geschöpft, obwohl er sein Blatt als „indifferent, opportunistisch und inferior" gering schätzte, hinwiederum aber auch als „durchaus anständig" auf seinem Ti sche duldete. Hatte sich der Feuille tonist eine mit Schlagwörtern gespickte Wochenschau gestattet, so las der Herr Doctor Vogeler diese satirische aber doch immer durchaus anständige Epi stel seiner Frau vor. Diese spielte dann während der Vorlesung mit den ikingen an ihren zarten, überschlanken Fingern und lächelte wie „Ueber menschen" zu lächeln Pflegen. So auch heute. Als der Gatte aber hinterher noch seine eigenen Gedanken über das Thema der Zeitungsmenschen äußerte, da gesellte sich zu dem alles verstehen den, alles negierenden Zeitgeistlächeln auf dem blassen Frauengesichtchen ein nervöser, unged«ldiger Zug. Das Spiel der Hände wurde erregt. Sir trank einen Schluck Wasser und ath mete tief, eine Hand schnell auf die Brust drückend. Der Gemahl unterbrach sich. „Ist dir wieder schlecht?" „Es wird gleich vorbei sein!" meinte sie matt, stand aus und trat aus den Balkon, der ganz versunken und ver borgen lag zwischen blühendem, wil dem Rosengerank. Doctor Vvgelrr sah ihr besorgt nach. Diese Anwandlungen von Herz schwäche! Der Arzt meinte, es ffei nur Nervosität Modelrankhcit.... Der junge Gatte erhob sich und ging zu ihr, die sich an die Hausmauer ge lehnt hatte. „Ist's besser, armes Kind?" „Ich glaub', der Cakao ist zu schwer!" erwiderte sie. „Was soll ich nur trinken? Kaffee und Thee ver trage ich nicht; Milch mag ich nicht!" „Wir müssen's mal mit einer Suppe versuchen!" meinte er tröstend. „Das geht doch so Nicht weiter, Wanda!" Er erschien robust neben der schlan ken Frau, mit seiner bizarren Sport kleidung, mit Pumphosen und carrir ten Strümpfen. Gesunde, rosige Wan gen blühten unter einem blonden SpitzbaH, und seine Augen hatten einen ausfallend gutmüthigen Aus druck. Sie dagegen war brünett, und ihre großen blauen Augen blickten au ßerordentlich stolz mld zugleich ge langweilt. Sie fuhr jetzt mit den Händen über die schweren Klioscheitel und sagte lässig: „Mache dir nur keine Sorge! Wenn ich in den Bergen bin, wird's besser werden?" „Das hoffe ich auch!" stimmte er zu und roch an einem blaßrothen Röschen, das sich schüchtern geössnet hatte über Nacht. „Wenn ich dann nachkomme, bist du vielleicht gar so weit, um die Rückreise mit mir per Rad zu machen, was?" Messer behutsam ab. Nachdem er die Dornen entfernt, steckte er die kleine holde Blume anleine Joppe. w^e denn ih e g N pp Lebenslust schaute. Ihr Gatte, der Mcmn, der diese Frau nur nahm, um an ihrer Seite zum Leben zu gesunden. radelte Doctor Vogeler zwi- Strauß am Busen trug und sehr lie benswürdig zu ihm war. Doch sie co lettirte nicht mit ihm. Ihr Mann war eifersüchtigen Herzens, und das berück sichtigte sie. gesehen, als er die Straße hinabgera delt war. Er hatte nicht nach ihr zu rückgeschaut. denn sie hatte sich die Ge- gewöhnt, sich ihr zu fügen. Ja, er refpectirte alle ihre Wünsche. Das hatte ja auch ihre Mama zur Be dingung gemacht, als sie zur Verlo bung ihre Einwilligung gab. „Meine Tochter ist ein freier Mensch und ich wünsche, daß es so bleibe!" hatte die Mama gesagt, und der Werbende hatte erwidert: „Ich bin ein moralischer Mensch ich hosse wenigstens, es zu sein und fechte die Rechte eines an deren nicht an!" So war der freie Mensch die Gefährtin des moralischen Menschen geworden. Leben" gegenüber auf einem sehr hohen philosophischen Standpunkte. Ihren eigenen Adel in der Selbsterziehung erblickend, verachteten sie die thierischen Eigenschaften des Menschen. Beider „Ideal" war die Führung eines rein geistigen Lebens und die moralische und feingeistige Gestaltung ihres leidi gen Menschenthums. Ihr eheliches demgemäß gar behutsam noch in Streit. Ihre Liebe hatte bis schlössen« Blüthe. bereits ein Quartier gemiethet und er wartete die Tochter dortselbst. Der junge Gatte wollte per Rad nachkom sie sein Bedauern nur verlacht haben würde. Trotzdem hatte sie das Be dürfniß nach Sentimentalität das machte vielleicht ihre Krankheit, oder und auf diesen Gedanken hatte sie eine Frage des Arztes gebracht, war sie nur trank zufolge einer immanen ten Sentimentalität, die sie stets in sich bekämpfte —? Der Arzt hatte sie gefragt, ob sie Kummer habe? Sie hatte verneint erstaunt, im Vollbewußtfein ihrer Po sition, ihresßeichthums, ihrer Wunsch losigkeit. Als sie dann aber allein war u«d der seltsamen Frage nach dachte. da sielen ihr die Stunden un- erklärlicher Traurigkeit ein, die oft, oft ihr Herz befchlich, wenn sie, ermü det von ihrer nichtsthuenden Lebens weise, von einein Polsterplatz auf den anderen sank und sich gähnend fragte: „Wozu lebt man?" Und wenn dann der Gatte zu ihr Journale, Ausstellungskataloge und Bilder vor ihr ausbreitend, da hatte sie oft das Bedürfniß empfunden, seine Hand auf ihr nervös flatterndes Herz zu Pressen, damit seine Lebens wärme den Weg zu ihrem fröstelnden, einsamen Inneren finde. Unerwärmt und unerquickt geblie ben. las sie dann Nietzsche las sie von „Ueber- und Höhenmenschen", z« denen auch sie zu gehören meinte, weil sie satt war vom Weltgetriebe, weil ihr die Weltverachtung »ingeimpft und die Lebenslust anerzogen war. Außer der Unruhe bezüglich der Trennung beschäftigte Wanda eine noch andere Frage, die ebenfalls ganz allgemein-menschlich war und wenig zu den Philosophastereien eines Höhen- und Uebermenschen paßte. Ihr Geburtstag war in einigen Ta gen —: wie würde sich Carlos verhal ten? Würde er den Tag als Festtag feiern? Und auf welche Weise? Die Kalenderfeiertage hatten sie während ihrer Ehe stets in vornehmer Zurück haltung vom „Mob" verlebt und mit sehr einfachen Mahlzeiten bedacht, um den Dienstleuten freie Zeit zu gönnen. Einen Festtag für sie beide allein hat ten sie noch nicht gehabt, denn fein Ge burtstag lag vor der Hochzeit. Ach, wäre es nicht allzu kindisch, so möchte sie wünschen, er ersänne eine Ueberraschung für sie. Und wäre es nur ein Napfkuchen mit Lichtern, wie ihn kürzlich die Köchin dem Stuben mädel an ihrem Namenstage beschreit hatte. Nur keine großen Geschenke! Keinen Schmuck kein Geld! Bon der Mutter hatte sie bisher immer nur kaltes Geld bekommen! Jetzt wünschte sie sich von ihrem Gatten eine Kleinig keit. geheim beschafft, sinnig gegeben, eingehüllt in den Zauber nie genossener Zärtlichkeit. Auf diesen kleinen Wunsch concen krirte sich endlich ihr ganzer altkluger Geist. Ihre kleine, matte, des natür lichen Jugendrxchtes beraubte Seele wartete auf eine Kinderfreude. Wanda hatte während der Nacht vorher kein Auge geschlossen, stellte sich aber schlafend, als der Gatte erwachte. Er erhob sich, ohne sie anzurufen, kleidete sich nebenan im Toilettenzim mer an und ging leise nach dem Eß zimmer hin. Ihr pochte das Herz. Ob er jetzt et was sür sie herrichtete? Ob er sie nach her rief und holte? Erwähnt hatte er bis heute ihren Geburtstag nicht... gewährleistete das eine besondere Ver unterdrücktem Lächeln erfreuen zu las sen. Aber das Mädel war ernst und langsam wie immer und berichtete, der Am Tisch saß der Gemahl bei der Zeitung... nichts verrieth Feststim mung. Er begrüßte sie wie sonst und gratulirte ihr mit keiner Silbe. Wanda war innerlich starr. Ohne zu lesen, starrte sie in den Gratulationsbrief der Mutter, die ihr einen Check über Inki>iit t,-,'i'il>lt< des Bureaus, in den Armen des allzeit korrekten Herrn Werner, und das ja wahrhaftig das war ein Kuß! Triftiger »rund. In einem aufstrebenden schwäbischen tung einer städtischen Badeanstalt. Die Gasthofbesitzer und Inhaber von Pensionen hatten lebhaft dafür agitirt, des Gemeinderaths erhob sich nun ein lebhaftes Für und Wider der Meinun gen: den Sparsamen gegenüber, die und i hab mei Lebtag kei Bad g'nom ma:" Diese Worte des alten Herrn verfehlten ihren Eindruck auf die Ber- Köln hat den nahezu acht fach so großen Flächenraum wie Ber lin.