Scranton Wochenblatt. (Scranton, Pa.) 1865-1918, January 29, 1903, Page 3, Image 3

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    Eine tlMe Im.
(7. Fortsetzung.)
So kam es denn, daßLadyArabella,
«chne ihre beschränkten Mittel zu über
schreiten, die Hochsaison in Brighton
mitmachen tonnte. Die Damen fuhren
t-iglich aus, gingen am Strande spa
teren, badeten und besuchten das Con
cert am Pier. Jsabella, die von Na
tur nachdenklich und ernst gestimmt
war, und der daS Leben mehr denn je
ein unauflösbares Räthsel dünkte, lebte
wie in einem Traume zwischen Angst
und Hoffnung, nur mit halbem Ohr
auf das Geplauder ihrer Geselllchasle
rin hörend, die sie scharf beobachtete, da
sie einem Geheimniß auf der Spur zu
sein glaubte. Lady Arabella war nicht
nur eine Weltdame, sie war auch eine
Menschenkennerin und feine Beobach
tern. Die Veränderung in dem We
sen Jsabellas seit der Begegnung mit
Thresher hatte ihr zu denken gegeben,
5-ugt, daß Frau Copes einstiger Freier
eines Tages in Brighton auftauchen
würde und daß deren plötzliche Reise
dahin keinen anderen Zweck habe, als
«in unausfälliges Wiedersehen der Bei
den zu ermöglichen. Ungeduldiger als
Zsabella selbst spähte sie auf der Pro
menade nach ihm aus; aber drei Tage
vergingen, ohne daß sich ihre Bermu
thung erfüllt hätte, und das verleidete
ihr beinahe den schönen Aufenthalt.
Am vierten Tage jedoch begegneten sie
Ähresher aus dem Pier, in der Nähe
"der Musikkapelle, wo er andächtig ei
gnem Walzer lauschte. Eine sehr förm
liche Begrüßung erfolgte; kaum daß sie
sich die Hände reichten und einige
gkeichgiltige Phrasen wechselten. Dann
empfahl er sich mit dem Bemerken, noch
leine Wohnung zu haben. Nachdem er
sich entfernt, bemerkte Lady Arabella
eifrig.
„Ich freue mich mit Ihnen, daß
Herr Thresher angekommen ist; aber
noch mehr, daß ich mit Ihnen war, als
er Sie begrüßte. Sie ahnen nicht,
meine Liebe, wie schlecht die Menschen
sind. Mein Mann hatte sich eine Ku
gel durch den Kopf geschossen, weil
gute Freunde ihm in die Ohren bliesen,
«in Herr schenle mir zu große Auf
merksamkeit. Herr Cope scheint zwar
nicht zu der Sorte der feinfühligen
Ehemänner zu gehören, aber es ist im
mer besser, vorsichtig zu sein und eine
Gardedame zu haben, die nötigenfalls
„Ich glaube nicht, daß ich der Ver
theidigung meiner Gardedame bedür
seii werde," gab Jsabella stolz zur Ant
wort.
„Sicherlich nicht. Aber Vorsicht ist
Liebe, und die Welt liebt es, das
Lady Arabella ließ das Thema fal
len, als sie sah, daß es Jsabella ver
stimmte, und ein tiefes Schweigen trat
ein, da beide Damen Grund zum Nach
denken hatten. Unmerklich bildete sich
eine Eiswand zwischen und
.liebe Frau Cope" zur Vorsicht zu
sen und hätte Jsabellas Vorsätze nicht
geändert. Das beglückende Gefühl
trümmtem Rücken vor seinem Schreib
pult sitzt, liebt es, wenigstens die Nacht
in Brighton zuzubringen; er fährt
im Kreise seiner Emilie an der See
Der Politiker behauptet,
xebe. Die hohe Aristokratie wie der
Mittelstand suchen mit Vorlieb« diesen
Erholungsort aus und geben sich hier
recht, wenn sie ihren Schützling warn
te. Sie wußt« nur zu gut, daß Jfa
b«lla eine llnterredung unter vier Au
gen mit ZMesher herbeisehne. Sie
wollte ihr auch Gelegenheit dazu bie-
er eS anstellen sollt«, «ine Aussprache
Mit Jsaoellä herbeizuführen. Wenn
drei Leute daran arbeiten, um dasselbe
zu erreichen, ginge es nicht mit rechten
Dingen zu, wenn ihr Wunsch nicht er
füllt würde.
Frau Cope und Lady Arabella be
gab,n sich am nächsten Morgen noch
immer etwas verstimmt zum Strand-
eine/halben Stunde wolle sie
die „liebe Frau Cope" abholen. Die
Beiden nahmen in der Nähe der Musik
Platz, das war freilich nicht der geeig
net» Ort, um Mißverständnisse aufzu
klären und Zukunftspläne zu schmie
den. Was war also selbstverständli
cher, als daß sie einen passenderen Zu
sammenkunftsort vereinbarten, da sie
Streich begehen sollten. Als Lady
Paar andächtig den Klängen der Musik
tzend Worte gewechselt. Lady Arabella
vermochte aus ihrem Schützling nicht
klug zu werden und brannte vor Neu
gier, zu erfahren, was die Beiden ge
sprochen hatten; aber Jsabella war
zurückhaltender als je, und so mußte
denn die gute Dame geduldig die Er
eignisse abwarten, die sie denn auch
nicht zu lang« auf die Folter spannten.
Nichtsdestoweniger herrscht« eine
schwüle Atmosphäre zwischen den bei
den Damen; je zugeknöpfter die eine
war, desto liebenswürdiger und für
sorglicher benahm sich die andere.
„Sie sehen heule sehr blaß aus,
meine lieb« Frau Cope. Sie sollten
ein w«nig spazieren, fahren oder ge
hen," bemerkte Lady Arabella am
Morgen.
bedarf; der Ostwind macht mich etwas
nervös. Ich werde heute zu Hause
bleiben, aber das soll Sie nicht hin
zu unternehmen."
„Wie könnte ich Sie In dieser trü
ben Stimmung allein lassen, meine
Liebe," protestirte Lady Arabella, die
Verdacht schöpfte und nicht um Alles
in der Welt auS dem Hause gegangen
nen Jsabella die Aufmerksamkeiten der
Dame lästig zu werden und es fiel ihr
ein, daß sie Fräulein WiScomb noch
nicht besucht habe. Rasch entschloss«»
begab sie sich in den ersten Stock, wo
ihr Martha, die noch stärker mit dem
Kopfe wackelte als früher, die Thür
öffnete. Sie schob die zitternde Alte
zur S«ite und trat mit liebenswürdi
gem Lächeln in den Salon, wo Fräu
lein Wiscomb auf ihrem Divan lag
und sie zornig anstarrte.
„Ich wollte mich einmal nach Ihrem
inein liebes
Dame unfreundlich.
„Ich hoffte, daß Sie mit mir wie
soust eine Ausnahme machen würden.
Ich bedauere lebhaft, ungelegen ge
kommen zu fein/ stammelte die junge
„Jsabella Foyle war mir stets will
kommen, Frau Cope aber ist es nicht,"
sagte die alte Dame streng. „Mariha,
für Frau Cope nie zu Hause bin?"
„Ja, mein Fräulein, aber sie hat
mich nicht zu Wort kommen lassen,"
brummte die Dienerin und durchbohrte
mit ihrem stechenden Blick die arme
Jsabella, die es am gerathensten fand,
das Feld so schnell als möglich zu räu
men. Sie wußte, daß nichts ihre alte
Freundin, die ihre Heirath mißbilligte,
versöhnen konnte. Und was hätte sie
auch zu ihrer Entschuldigung, sagen
können? Daß ihr eigener Vater si« be
trogen und belogen »abe? Würde das
gutmüthige, von allen Menschen das
Beste glaubende alte Fräulein ihren
Worten Glauben schenken? Gegen
einmal gefaßte Borurtheile ließ sich
schwer anliimpfen. Sie entschuldigte
gens und verließ mit einem peinlichen
Gefühl das Zimmer.
Auch das Diner verlief sehr düster.
Jsabella schützte Kopfschmerzen vor,
sie nicht verstehen konnte. Als sich Jsa-
Ä Ihnen Zimmer gefolgt.
Was kann ich für Sie thun? Soll ich
den Arzt holen lassen?" drängte Lady
Arabella.
„Nichts! Ich habe nur heftige Kopf-
Sie begann sich zu entkleiden.
„Morgen?" fragte Lady Arabella
gespannt.
„Ja, wenn der Ostwind nachgelassen
hat," sagte Jsabella und löste ihr Hzar
Arabella beneidet hätte. Auch sie
Jsabella Ring« ab, lehnte
Gesellschafterin. Unter zahllosen Ver-
zurück und überließ
Jsabella ihrer Kammerzofe. Nach
zehn Minuten wurde auch diese für
heute fortgeschickt und eine merkwür
dige Wandlung ging vor sich. Mü
digkeit, Seufzer und Kopfschmerzen
waren wie weggewischt, Jsabella
fühlte sich wie neugeboren und durch
maß mit leichten, elastischen Schritten
ihr Boudoir. Sie warf das Nachtge
wand ab und begann sich von Neuem
stimmten Ring, ein Geschenk Thre
sherS, und stickte ihre Füßchen in ein
Paar leichte Seidenpantoffel, so daß
die Ui blickte. Mittlerweile war es
den Wellen unterbrochen wurde. Sie
stellte «ine kleine Lampe auf das Tisch
chen in d«r Näh« des Fensters, die
lich«n, zufriedenen Gesichtsausoruck,
und als der Zeiger sich der Geister
stunde näherte, sperrte sie vorsichtig
auf, durchkreuzte die Vorhalle, schob
Glück sind Verlieble in der Regel
pünktlich. Eine Minute vor zwölf
hörte sie Schritte auf der Gasse, sie riß
ihre Thür auf, eilte in die Vorhalle, um
ihren Besucher einzulassen, deutete ihm
stumm nach ihrem Zimmer und sperrt«
die Hausthür zu. Im nächsten Mo
ment that sie dasselbe mit der ihrigen,
schob rasch die Gardinen wieder zusam
men, bedeckte die Lampe mit einem
dunklen Schirm und lispelte daitn erst
ihrem Gaste, der noch mitten im Zim
mer stand, zu:
Si« lauschte mit angehaltenemAthem
an einer ziveiten Thür, hinter welcher
ihre Zofe schlief, und als sie sie ordent
lich schnarchen hörte, trat sie beruhigt
zurück. Mit über der Brust gekreuz
ten Armen, wie um ihr wildklopfendes
Herz zur Ruhe zu bringen, blieb sie
einige Minuten gegen die Wand ge
lehnt stehen. Bisher war Alles gelun
gen, aber auf die erzwungene Ruhe
ihrer starken Natur folgt« nun im Au
genblick der Krisis eine heftige Erre
gung. Die Stille der Nacht, die unge
wöhnliche Stunde und der Zwang ei
ner verdoppelten Vorsicht erhöhte die
selbe noch. Aber die Zeit war kostbar,
sie raffte sich mit Gewalt auf, durch
querte mit einem plötzlichen Entschluß
das Zimmer, legte sanst ihr« .Hand auf
die Schulter Threshers und sagte mit
fester Stimme:
„Ich habe Sie gebeten, zu dieser un
gewöhnlichen Stunde herzukommen,
weil ich Ihnen damit einenßeweis mei
nes vollsten Vertrauens geben wollte
sprach« zwischen uns sah. Uno aus
sprechen müssen wir uns! Sie sollen
endlich erfahren, was mich zu dem
Schritt veranlaßte, den Sie mit Recht
tadeln konnten."
Thresher nickte zuerst stumm, dann
übermannte ihn die Leidenschaft, er
umschlang sie mit seinem Arm und
sagte:
„Wozu Aufklärungen? Wozu von
der schmerzlichen Vergangenheit spre
chen? Es genügt, wenn wir uns ver
stehen, sprechen wir lieber von der Zu
kunft!"
Sie antwortete nicht, sondern
fchniiegle sich innig an ihn. Ihre
Ichtante, kräftig« Gestalt bebte in sei
nen Armen. Die lange Vertheidi
gungsrede, die sie sich zurecht gelegt,
blieb ungesprochen, alle klugen Vor
sätze unausgeführt, die Leidenschaft
erwachte unter dem warmen Hauch sei-
Schauer von heißen Küssen brannte
auf den keuschen Lippen, die noch nicht
von denen des habgierigen Gatlen be
fleck! worden waren.
„Ich habe mich für Dich rein erhal
ten," hauchte si«, von einem überwälti
als dir Tod kann uns daran hindern,
in Zukunft glücklich zu sein, das heißt,
wenn wir den Muth haben zu war
ten."
der zittern. Vom eigenen Vater so be
trogen« und an eine« solch«» Utann
verlauft zu werden! Kannst Du auch
nur ahnen, was in meinem Herzen
Wahrheit erfuhr! Und aus Rücksicht
für mein« unglückliche Mutter schwei
gen zu müssen!"
kann ich von Dir gehen?"
„Ich habe Dich ja gesehen, Geliebter,
und weiß, daß Du nur oerziehen hast
und geduldig auf mich warten lpirst.
Wir sind ja noch so jung!"
»Ja, ja, aber ich fürchte, wir über
schätzen unsere Kräfte. Müssen wir
denn auf ein Glück warten, wenn die
heiß? Ich fürchte, Jsabella, daß unsere
in Versuchung führen wird. Ueber
schätzest Du unsere Kräfte nicht?
Glaubst Du wirklich, daß wir eine
„fsuhre mich nicht in Versuchung.
David! Ich bitte Dich, laß uns stark
d
sehen? In Gesellschaften, im Theater?"
flehte er.
„Ich fürchte mich!"
„Vor Deinem Gatten?"
„Nein vor mir selbst! Ich fürchte
hasse, Weilar sich mit schnödem Golde
das Recht erkauft hat, mich vor der
Welt seine Gattin zu nennen. Er hat
hüllt das Ungeheuer!"
„Sei gut! Gestatte, daß wir uns hier
und da treffen. Ich will ja nichts, als
Dich sehen, Geliebte," schmeichelte er.
„Befiehl, dah wir auf einen Mo^
an das entgegengesetzte Ende der Welk;
ich will Dich mit Gleichgilligkeit be
handeln, wenn wir uns irgendwo tref
stimmte Zeit aus Deiner Nähe."
„Habe Geduld! Eine Begegnung
könnte gefährlich werden gefährli
ch«! als Flucht, denn die Flucht ge
schähe offen."
„Dann laß uns fliehen, wohin Du
willst,4>ie Welt ist ja so groß!"
„Ich wollte, ich könnte!"
„Du kannst! Siehst Du denn nicht
ein, wi« leicht es wäre und wie gerecht?
Man hat an Dir ein Unrecht verübt,
wie an keinem anderen Weibe auf Er
den, man hat Dich zu einer Ehe über
listet, die kein« Ehe ist. Du hast einfach
einen Gefchäftsvertrag abgeschlossen,
den aufzulösen Du das Recht hast, da
du!d fügen, Geliebter," seufzte Jsa
bella, „denn Du vergissest Eines —"
„Und was wäre das?" unterbrach er
sie lebhaft.
„Meine Mutter! Ich
ist krank und schwach."
„Nein, Du darfst sie nicht verlassen,
wir müssen warten, so schwer es uns
auch fallen mag," gab er zu.
Zum Danke schloß sie ihm den
Mund mit einem langen, langen Kuß.
Dann bauten sie im Flüstertone d>«
schönsten Luftschlösser für die Zukunft,
bestimmten trotz ihrer Weigerung Zu
fammenkunftsorte, Trefher versprach,
vom entgegengesetzten Ende der Welt
auf ihren Ruf erscheinen zu wollen;
reinsten Glücks und vergaßen all ihr
Elend und die Hindernisse, die sie zu
überwinden hatten.
Die Hausthür wurde vorsichtig geöff
net, und gedämpfte Fußtritte kreuzten
die Vorhalle. Entsetzt sprang Jlabella
fester Entschluß sprach aus ihren Au
gen. Im Nu hatte sie die Lampe ver
löscht und David fühlte den Druck
ihrer zitternden Hand auf seiner
flüsterte:'
.'Verhalte Dich mäuschenstill. Ii-
Thür ist verschlossen. Auf leinen Fall
Lauschende furchtbar. Nichts
beherrfchung airfbieten, um vor Angst
„Still! Ich höre ein Geräusch,"
wurde die' Hausthür geöffnet,
Rasseln der Sicherheitskette verursachte
dabei ein schwaches Geräusch, eine
DrÜck«r g«sp«rrt. Es mußte also 'in
. sausbewoyner sein. Im nächst?'!
Moment erkannt« Jsabella die Gestalt
ihres Mannes, der langsam die zur
Thür emporfichrenden wenigen Trep
pen hinabstieg und sich ängstlich im
Schatten hielt.
bedeuten? Was wollte d«r hier?" flll
lich: „Du mußt noch ein Weilchen blei
ben. Es ist nichts, aber wir müssen
jetzt doppelt vorsichtig sein."
Am nächsten Vormittag gegen elf
Uhr starb nach dem Verspeisen ihres
Gabelfrühstücks Mary, das Hausmäd
chen bei Frau Wiscomb, Plötzlich, ehe
konnte. Dieser räthselhafte Tod er
regt« natürlich Aufs«hen und mußte
bei der Polizei angemeldet werden.
17.
Doctor Flout war ein Principien
mensch und verlangte, daß jedermann
es sei. Ob die Principien gut oder
schlecht waren, hielt er für nebensäch
lich; ihm genügte es, wenn man über
haupt nach gewissen Principien lebte.
Sein Hauptgrundsatz bestand darin,
fand.
„Wenn ich weiß, wo ich bin, dann
kann ich auch den Verhältnissen ent
sprechend handeln", Pflegt« er zu sa
gen.
Als man ihn zu der so plötzlich ver
storbenen Mary berief und er ihren
Tod constatiren mußte, stellte er stch
in Postur, stützte sein« Richte auf den
Küchentisch, streichelte nachdenklich
sein glaktrasirtes Kinn mit der Linken,
hüstelte mehrmals, ließ seine Wasser
blauen Augen prüfend von Martha
auf Frau Shilton, die Köchin, schwei
fen und begann dann wie ein Professor
zu doziren:
„In einem Fall« wie dieser muß
man in «rster Linie einen Anhalts
punkt suchen. Wenn man sich über die
Sachlage nicht klar ist, weiß m/n nicht,
woran man ist, und wenn man nicht
weiß, woran man ist, ist man natür
lich verloren, und das ist «ine Lage, in
die k«in Mensch von Principien gera
then darf. Ich wiederhole also, lassen
Sie uns sehen, wo und woran wir
sind. Daß die Frauensperson todt ist.
haben wir bereits festgestellt, daran ist
nichts zu ändern. Sie sagen, daß sie
unmittelbar nach dem Genuß ihres
Gabelfrühstücks verschieden sei, also
um 11. Uhr. Schön! Wo sind die Ue
berreste jener Mahlzeit?"
„Wo sind die Ueberreste jener Mahl
zeit?" wiederholte Martha, sich streng
„Dort auf dem Servirbrett ist noch
ein Stückchen Butterbrod und der Reh
des Bieres im Glase", stammelte die
an allen Gliedern zitternde Köchin,
nervös an einer Ecke ihrer Schürze zu
pfend.
„Woher hat sie diese Dinge genom
„Na, sehen Sie. jetzt haben wir's
heraus", triumphirte der Arzt. „Wir
wollen das Servirbrett, wie es geht
und steht, in die Vorrathskammer zu
rücktragen, dann wird der ganze Fall
Die biid«n Frauen starrten ihn ver
ständnißlos an, was ihn nicht hinderte,
seinen Befehl ausführen zu lassen, die
Vorrathslammer abzusperren und den
Patientin gestorben ist, kann ich auch
keinen Todtenschein ausstellen. Ich
muß den Fall dem gerichtlichen Lei
chenbeschauer melden und ihm auch den
Schlüssel geb«n, damit er wisse, woran
er ist", bemerkte Doctor Flout, nach
seinem Regenschirm und Hut greifend,
als ob er riesige Eile hätte und keine
Minute mehr verlieren könne.
„Frau Shilton, heute müssen Sie
mir helfen, unser« Herrin herunterzu
führen, da die arme Mary so plötzlich
gestorben ist, aber Sie dürfen mit kei
fagte die alt« Martha, vor Erregung
noch heftiger mit dem Kopse wackelnd
als sonst. „Passen Sie gut auf, was
ich Fräulein Wiscomb sagen werd-;
sie darf um keinen Preis von dem
schrecklichen Unglück erfahren. Merken
Sie sich das!"
sie Martha in ihrer gewöhnlichen mo
notonen Weise sagen hörte: .Ich habe
heute Frau Shilton heraufgebracht,
weil Mary etwas unwohl ist und der
Doctor ihr befohlen hat, im Bett zu
bleiben. Sie sind doch nicht böse,
D s d M"d lht v' l '
verließen.
Gegen Mittag meldete auch Mar
tha, daß ihr« Nichte ernstlich erkrankt
wild."
„Ich befürcht«, daß sie's nicht über
lebt. Mary ist sehr leichtsinnig und
giebt nicht acht aus sich. Ich zanle im
mer mit ihr, weil sie solch ein Durch
einander ist, aber umsonst. Jetzt hc>t
sie's! Sie hat wieder etwa» gegessen,
was ihr den Magen verdorben hat; ich
glaube nicht, daß sie davon kommt,
„Er soll nur alles thun, um sie zu
retten; ich werde es ihm gut bezah
len", rief Fräulein Wiscomb eifrig.
Mädchen zu
jetzt muß ich nach sehen. Der
Doctor sagt, daß sie nichts essen darf
als Milch und Arrowroot und den
kann nur ich koch'.n."
war ihr in alle Glieder gefahren. Sie
wankte zitternd die Treppe hinunter
und mußte sich am Geländer festhal-
Dabei dachte sie keinen Moment
jedes Ungemach und jede Unnehmlich
keit fernzuhalten suchte, und dieses Ge
fühl erstickte alle anderen Verpflichtun
gen in zürnte ihrer Nichte
giftet worden sein.. Aber von wem?
Von wem?" murmelte sie, die Treppt
winabwackelnd. „Das Gift war nicht
für Mary bestimmt, gewiß nicht. . . .
Von nun an werde ich ganz allein für
Fräulein Wiscomb kochen. . . Frau
Cope steckt dahinter... ich weiß es be
stimmt! Ich hasse Frau Cope, sie muß
aus dem Hause!"
Trotz ihrer Schwäche bestand Mar
tha darauf, von nun an selbst zum
aus. Ihr eigenes Leben dünkte ih:
nur deshalb kostbar, weil si« es zur Er
haltung ihres Schützlings für unum
gänglich nöthig hielt. Nur sie allein
war im Stande, Fräulein Wiscomb
vor den sie umgebenden Gefahren zu
dern schon viel Unheil gestiftet und
den Fortschritt hintangehalten haben.
Der städtischen Polizei gelang es
nicht, di« Todesursache des so plötzlich
und unter verdächtigen Symptomen
den „schwierigen Fall" anvertraute.
Gleich nach seiner Ankunft nahit
Martha ihn auf die Seite und sagte
ihm:
„Bevor Sjt etwas sehen oder hören,
will ich Sie mit meiner Herrin bekannt
machen und Ihnen von ihr erzählen.
Fräulein Wiscomb ist 7t) Jahre alt
und leidend; wenn sie's erlebt, wird
sie einen mächtigen Haufen Geld -r
-ben; aber es giebt einig« Leute, di« ihr
nach dem Leben trachten. . . Verstehen
Sie mich? Ich will Ihnen den Faden
in die Hand geben. . . Sie sollen ihn
verfolgen und dem Schuldigen aus
die Spur kommen. .." Sie hielt in
ne, ihre ohnehin scharfen Augen sprüh
ten Funken, als sie den Detektiv her
ausfordernd anblickte, um bis aus den
hielt standhaft ihren Blick keine
sichtes veränderte sich. Er spielte wie
immer mit einem Stückchen Bindfa
zu fesseln schien. Gereizt fuhr Mar
tha fort:
nur allmählich, denn der Schreck könn
te ihr schaden. Sie werden alle Haus
genossen verhören wollen, aber da das
gen, daß Si« der Arzt sind und daß
Mary ins Spital überfuhrt werden
muß. Verstehen Sie mich? Ja? Dann
beteiligen, dessen Oberhaupt Martha
„Fäulein WiScomb, der Doktor ist
da, er will Ihnen sagen, daß Mary
Nun gab's lein Zurück mehr für
Slade.
„Das thiU mir wahrhaftig leid!"
rief das lebhafte Fräulein. »Muß das
wirtlich sein, Herr Doktor? Ist duS
Mädchen so krank?"
„G«fährlich trank. Ich zweifle jo
„Jch bitt» Sie, Herr Doltor, nicht«
zu unterlassen, was zu ihrer Rettung
beitragen lann, ich lomme für alle
Kosten auf", sagte die Dame ernst.
(Fortsetzung tolau)
Für die Köche.
Fein - Ragout. (Ausgezeich
net.) 3 Obertassen voll Bouillon, 1
Obertasse voll Weißwein, 4 gestrichene
Eßlöffel voll Mehl, etwas gewiegte
Zwiebeln, feingewiegte Sardellen (et
wa 6 Stück) und Nonpareillekapen»
nach Gutdünken quirlt man kalt zu
sammen, gießt es sodann in j Pfund
zerlassene Butter und stellt es heiß, so
daß es aufquillt, jedoch keinesfalls
kocht. Kalbsmilchen, beliebige Gehir
ne, Hammelzungen oder feinzerpflück
ten Fisch thut man hinein. Ist es or
dentlich darin heiß geworden, so rich
tet man es auf einer runden Schüssel
an und putzt es mit Croukons aus.
BayrifcheKlöße. Man reibt
von 2 Pfund Semmel die Rinde ab,
schneidet die Krume in Würfel, thut sie
in eine Schüssel, feuchtet sie mit Milch
an, so daß es kaum sichtbar ist, thut S
ganze Eier nebst etwas Salz und eine
Handvoll Mehl dazu, mischt dies alleZ
gut durcheinander, macht von der
Masse 5 große Klöße, thut sie mit et
was Salz in kochendes Wasser und
und kocht diese Klöße in einer reichli
chen halben Stunde gar. Beim An
richten auf einer großen runden
Schüssel bestreut man diese-Klöße mit
den abgeriebenen, fein gestoßenen und
gesiebten Semmelrinden, begießt sie
mit klarer, brauner Butter und gibt
auch noch braun« Butter in einer
Sauciere dazu. Diese Klöße sind zu
Obst wie zu Braten gleich vorzüglich.
Hammelbraten (sehr wohl
schmeckend). Ein schönes Stück Ham
melfleisch. am besten Keule, wird ge
klopft, gehäutet, das Fett so viel wie
möglich abgeschnitten und in gebräun
ter Butter im Ofen saftig gebraten,
wobei man hin und wieder ein wenig
Bouillon zugießt. Kurz vor dem An
richten bestreicht man die Oberfläch«
des gut gesalzenen Bratens mit Senf,
beträufelt ihn vorsichtig etwas
toffelllößen auf den Tisch.
Gehackte Kalbspafefen.
(Von einer Abonnentin mitgetheilt.)
Man treibt 1 Pfund rohes, sauber ge
waschene? Kalbfleisch und j Pfund
fettes geräuchertes Schweinefleisch
(ohne Knochen gewogen) durch die
Wasser weich werden, drückt sie auZ,
fügt sie dem fafchirten Fleisch bei, giebt
noch eine halbe feingehackte Zwiebel
Eine Beigabe von Salz erscheint über
flüssig. weil das geräuchert« Fleisch ei
nen genügenden Salzgehalt hat. Ma»
formt aus der Masse auf Semmelbrö
seln Pafefen in beliebiger Größe und
läßt sie langsam in heißem Felt backen.
Sie werden mit irgend einem feinen
Gemüse als Vor- und Zwischenspeise
Braune Pfeffernüsse. '4
Pfund brauner Syrup wird mit j
Pfund Butter und j Pfund Schweine
fett verkocht und nach gehörigem Ab
kühlen mit 2 Pfund Gcrstrnmehl oder
Roggenmehl, zuweilen auch halb Ger
sten-, halb Weizenmehl, etwas gestoße
nem Coriander und Anis, sowie 1
Un,e in Wasser aufgelöster Pottasche
vermischt. Nachdem der Teig einen Tag
an einem warmen Orte zum Aufgehen
gestanden hat, knetet man ihn tüchtig
durch, formt ihn mit der Hand in fin
gerstarke Rollen, sie in kleine
Stücke und backt die Pfeffernüsse auf
butterbestrichenen .mit Mehl bestreu
ten Blechen.
Karlsbader Mehlspeise,
j Pfund Mehl wird mit i Pint Milch
völlig glatt verrührt, worauf man eine
Unze zerlassene Butter. 2 Eßlöffel Zu
cker, 5 Eigelb, etwas geriebene Citro
nenschale sowie das zu Schnee
schlagen« Weiße der 5 Eier nach und
nach hinzufügt, di« Masse in eine mit
Butter bestrichene Blechpfanne gießt
und in einem nicht zu heißen Ofen
H Stunde langsam bäckt. Man be
streut die Mehlspeise mit Zucker und
Zimmt und giebt Aprilosencompot
dazu.
Ragout von Kalbfleisch
lfür vier Personen). Pfund in grö
ßere Stücke geschnittenes Kalbfleisch,
es kann von der Brust oder vom
Schlegel ein, werden leicht gewaschen,
gesalzen, mit soviel ZÄasser, daß das
Fleisch knapp davon bedeckt ist, an das
Feuer gefetzt und gekocht. Nach einer
halben Stunde Kochenszeit läßt man
in einer Kasserole ein Stück Butter
(2 Unzen) mit einem Lössel voll Mehl
gelb anlaufen, giebt etwas sehr fein
gewiegte Petersilie daran und vergießt
dies mit der Kalbfleisckibrllhe und dick
licher Tunke. Das Fleisch kocht nun
noch einige Zeit in der Tunke, nebst ei
nigen sehr dünn geschnittenen Pilzlin
g«n und kleinen Stückchen Blumenkohl.
Beim Anrichten wird das Fleisch auf
eine tiefe Schüssel gelegt, die Tunke
mit einem Eidotter abgerührt und da
rüber gegossen. Als Zugabe passen
lleine feine Semmelknödel, mit heißer
Butter begossen. .
Crem« von Preißelbee
r e n. Zwei Tassen voll Vesren werden
zerquetscht und durch ein Porzellansieb
gestrichen. Tann werden zirei Tassen
voll gestoßenen Zucker damit gerührt,
bis dse Masse schäumig ist; dann wird
der feste Sebnee von vier Eiweiß hin
zugethan. Das Ganze kommt nun in
«in« Glasschüssel und wird mit Talz»
v.andeln aarnici.
Deplaeirter Wunsch.
Ein Rechtsanwalt bat einen 'Mrd:r
vertheidigt, das Urteil deH Gerichts-
Hofes lautet auf Todesstrafe. ?ie
rührt und erschüttert begiebt sich der
Verteidiger nach der Urib:!lsverkün
diqnng zu dem Todeskandidaten ,ini>
drückt ihm die Hand: »Leben Sie
«"Kl!". 3