Scranton Wochenblatt. (Scranton, Pa.) 1865-1918, December 18, 1902, Page 3, Image 3

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    Kille lltM Im.
i.
Crawley Foyle, der Parlament?«
Abgeordnete von Buckton, bewohnt«
ein stattliches HauS aus dem Eaton
Square, einem der sashionabelsten
Stadttheile Londons. Er verstand zu
leben; mit Hilfe der Gastronomie
lenkte er die Menschheit. Nach feiner
Meinung ,varen gute Diners jene
Triebkraft, die die soziale Maschin«
des 19 Jahrhunderts im Gange er
hält. Sowohl als Parlamentsmit
glied wie als Geschäftsmann baute er
aus seinen französischen Koch, und sei
ne geschäftlichen Beziehungen waren
sehr complizirter Natur, denn er be
theiligte sich an den verschiedensten fi
nanziellen Unternehmungen, war Lei
ter mehrere Aktiengesellschaften und
Hatte angeblich auch in einigen Privat
firmen größer« Summen stecken.
Ja, Crawley Foyl« war «in strebsa
mer. vielbeschäftigter Mensch, ein un
ruhiger Geist, alles an ihm war groß
di« Gestalt, die Stimme, die Un
ternehmungslust und di« Pose. Er
verstand es, seinen lieben Mitmenschen
zu imponiren, theils durch sein« Le
bensweise. theils durch sein« Ueberre
dungsgabe. Kurz und gut, er war ein
leicht erregbares, leidenschaftliches,
mit lebhafter Phanlasi« begabtes, mit
dehnbaren, Gewissen behaftetes Ge
schöpf. ein« Art Mensch geworden««
Wirbelwind. Er ging stets mit vor
nehmer Eleganz gekleidet. Er trug
nie Diamanten, bekmidete aber seinen
Kunstsinn und feinen Geschmack durch
die Wahl antiter Juwelen, auf die er
nicht wenig stolz war.
Sein Bureau befand sich in der Mi
r»ori«Sstraße; sein« Firma Mutete:
bekannt war er als „Schiffskrämer".
Er, der Abgeordnete von Buckton, be
theiligt« sich mit Vorliebe an solchen
Geschäften, die für die leiblichen Be
dürfnisse seiner Mitinenschen berechnet
waren, und war bereit, eine noch so
große Bevölkerung an welchem End«
der Welt immer mit Lebensmitteln
all«r Art zu versorgen. Da er sehr
verschwenderisch lebt« und sich keinen
Genuß versagte, hielt man ihn allge
mein für enorm reich. In Wirklichkeit
schwamm er flott in einem Meer von
Schulden dahin.
„Schulden sind der Drehpunkt des
Handels," pflegte er in seiner Eigen
schaft als Staatsmann zu sagen. Als
Privatmensch und Kaufmann sprach
er nur von „Verpflichtungen". Das
«twas Angenehmes, Zuvorkommendes.
Er befleißigte sich überhaupt einer
sehr diplomaifchen, gewählten Aus-
speisen, er liebt alten Madeira; ver
gessen Sie das nicht, Bidewell."
Bidewell, «in eingeschrumpftes.
hinein gestreng«,, Herrn und Gebie
„Thut nichts, Alter. Die sind für
es wünschte, den ganzen Keller plün
dern. Cope's Wünsch« müssen fortan
auf den Wink «rfiillt werden, verstehen
Sie mich, Bidew«ll?"
Bidewill Erstand sehr wohl und
wußte, daß er den schäbigen, unange
nehmen alten Herrn mit besonderer
Aufmerksamkeit zu bedienen hatt«.
Weshalb d«r Sonderling mit der
großen Narbe auf dir rechten
Schläfe so bevorzugt werden soll
te. war dem alten Diener ein
Räthsel, das zu lösen er sich aber nicht
bemühte. Er wußte, daß Cope ein
Compagnon seines Gebieters und sehr
reich war? das genügt« ihm.
Josua Cope war in der That sehr
reich; «r verstand es, auf verschiedene
Weise Geld zu machen, und jede war
abscheulich. So zum Beispiel versah
«r die Firma Schrieber u. Co. mit
was dieselb« ihren Kunden lieferte.
Auch besaß er in der Nähe von Haie
sowen ein« große Nagelsabrik. Das
Elend der halb verhungerten Nagel
„Wo ist Ihr Herr?"
„Bei den Dam«n."
.Zeigen Sie mir mein Zimmer,"
suchte, stets dasselbe Zimmer, Bide
„Können Sie rasiren, Bidewell?"
„Ja, Herr Cope."
Diener, obgleich er sich sagen mußte,
daß Copes Kinn des Rasirmessers
dringend bedürfe, so seltsam, daß er
sich für verpflichtet hielt, eS seinem
Herrn zu melden, da er es mit dem
28er Madeira in Verbindung brachte.
„Bitte sich «inen Augenblick zu ge
dulden, Herr Cope, bis ich heißes
Wasser bringe," sagte er mit einem
„Aber nur rasch, Alter, ich hab«
Eil«!"
Ein häßlich«? Lächeln umspielt« sei
danken das Zimmer durchmaß, nach
dem Bidewell die Thür hinter sich ge
schlossen.
Dieser eilte schnurstracks in den S
alon, wo Foyle mit den Damen des
Hauses gerade den Thee einnahm, und
flüstert« seinem Herrn ins Ohr, daß
Cop« von ihm rasirt zu werden wün
sche.
„In des Teufels Namen, so thu'
doch, was er verlangt," fuhr der Ab
geordnet« auf. „Rasire ihn sofort."
„Nicht doch, Wilhelm!" bat Frau
Foyle, «in« sanft« Dame von 46 Jah
ren, und ließ vor Schreck beinahe ihre
Tasse fallen.
„Nicht? Ja, weshalb denn nicht,
meine Lieb«? Cope ist heute unser
Gast und will vonßidewell rasirt sein.
Laß ihn doch von ihm rasirt werden.
Rasiren Sie ihn sofort, sag' ich!
Hören Sie?" fuhr er den zitternden
Diener an.
Ohne ein Wort zu erwidern, lief
Bidew«ll davon, und Frau Foyl« «r
-klärte, daß sie gegen das Rasiren des
Gastes nicht das geringste einzuwen
den habe, daß aber die strengen Aus
drücke ihres Gemahls ihre Nerven ir
ritirten. Die feinfühlige, zarte Frau
mußte mit Mühe die Thränen unter
drücken, als Foyle auch sie heftig an
fahren wollte.
„Papa, ich bitte Dich, sei doch nicht
albern," nahm jetzt Jfabella dasWort,
die den Thee ber«it«te und empört die
Scene mit angesehen hatte.
Papa verschluckte seinen Zorn und
schwieg.
Jsabella Foyle war ein merkwürdi
ges Prodult dieses so ungleichen, ins
Ehejoch gespannten Paares. Sie schien
ein in jeder Beziehung Physisch wie
moralisch verfeinertes Ebenbild
ihres Vaters zu sein. Seine unsteten
grauen Augen hatten sich bei ihr in
seelenvoll« violett« v«rwandelt, sein
sinnlicher Mund war bei ihr nur an
gedeutet und ein schivermllthiger, ed
ler Zug lag darauf. Nußbraunes,
üppiges, krauses Haar umrahmt« ihr
feines und doch ausdrucksvolles Ge
sicht. Ihr zartes, dabei aber doch stol
zes Köpfchen faß auf einer junonischen
Gestalt, von der eine eigenthümlich«
Ruhe und Würde ausging. Jsabella
verstand es meisterhaft, ihre Gefühle
zu beherrschen. Gegen ihre leidende
Mutter war sie st«ts nachsichtig und
zärtlich, aber ihren Vater wußte sie
im Schach zu halten; sie war klug ge
nug, diesen Poseur zu durchschauen.
Bidewell war zu Cope geeilt und
bearbeitet« ihn. oder besser gesagt,Cope
bearbeitete Bidewell. denn er hatte
ihm die Zunge gelöst, so daß er wie
ein echter Barbi«r aus der Schule
„Sagen Sie mir, lieber Freund,
gab's in der letzten Zeit viele Gesell
schaften hier im Hause?"
„Nicht sehr viel«."
Damen fast gar nicht."
„Kommt Herr Thresher oft?"
„Er war Montag hier und wird
zu"sein,
grinste Cop«.
„Das wolle Goit verhüten," gab
Bidewell treuherzig zur Antwort.
auch ein glänzendes, aber kostspieliges,
denn der Kochliinstler besaß die Ge
wohnheit, all« Speisen, die seinem Ge
schmack nicht entsprachen, erbarmungs
los den Flammen zu überantworten.
Zwei Dutzend Krammetsvögel und
eine Pastete mußten an jenem Tage
Die Gesellschaft bestand aus zehn
Personen, die um den runden Speise
tisch saßen, der festlich gedeckt und be
leuchtet war. Der Abgeordnet« Mark
Peach, ein Radikaler „schlimmster
Sorte", führte di« Frau des Hauses
zu Tisch. Da sein Vater ein Conser-
Frau Foyle saß Oberst Pate, den es
garnicht verdroß, daß der auf halben
Sold gesetzte Hauptmann Joybell sei
ner Tischnachbarin, der stark ge
fthenkte. Ihr Gatt«, «in blonder, blei
schichte hatte, d» ihm in derGeschästs
tausend Pfund erspart, damit den
Rechtsanspruch auf «in stark verschul
detes Besitzthum in d«r Grafschaft
eine Mineralquelle entdeckt«, von de
ren Existenz die B«sitz«r k«in« Ahnung
g«habt hatten. Lupin machte für das
nung.
David Thresher, der zwischen Jsa
bella und Herrn Lupin saß, war ein
schlanker, mattblonder, kräftiger jun
ger Mensch von vornehmem, ruhigem
W«fen und energischem Charakter.
Jsabella b«m«rkt«, daß er sich an die
sem Abend zurückhaltend
das Pärchen mit boshaftem Interesse.
Die Schönheit Jsabella's regte ihn
seltsam aus; sie sah in ihr«r rubinro
then Gesellschaftstoilette wie eine aus
heit aus. Nach Mädchenart heuchelte
sie an jenem Abend gute Laune, um
gen, trieb mit ihren Scherzen H-rrn
Peach in die Enge und befreite so ihr«
Mutter bon der Pflicht, den langwei
ligen Menschen zu unterhalten. Si«
verstand es, ein« allgemeine Unterhal
tung im Gang zu erhalten. Der
Hausherr erging sich in endlosen poli-
Joybell mit Andacht folgte. Ten ar-
Großkapitalisten an einem Tisch zu
sitzen. Er war ein angeheiratheter
Verwandter Threshers, und dieser
großartiger Pläne hatte, vom Halse
zu schaffen. In Foyle erblickte Joy
bell den Mann, der ihm dazu verhel
fen tonnt«, sie auszuführen.
Zwischen Suppe und Braten hatte
er Cope von seinen Wünschen und
grandios, daß sie ihn, nach seiner An
sicht, zum reichsten Mann der Well
ner Stunde Myriaden der köstlichsten
Fische ins Netz kriegen ohne Mühe
und Gefahr. Außerdem verfügte er
sich von Jsabella in der Bibliothek,
stimmt hat?"
fühlte sich durch seine Zurückhaltung
verletzt.
„Es ist da» Geheimniß ein«s ante-
Etunde mich nicht sehend gemacht
hätte. Was wäre das für «ine Eh«
Das Geheimniß, welches ich nicht wis
sen darf, sollte nicht zwischen Ihnen
und mir stehen."
Da er noch immer nicht antwortete,
verließ sie ohn« Gruß das G«mach.
2.
Xus gute Cigarren. Er verschaffte
sich die duftendsten und feinsten Sor
ten, die für Geld zu bekommen waren,
in großen Quantitäten. Er sucht« aus
dem In- und Ausland di« b«st«n auS
und verkaufte d«n Rest an Händler.
Seiner jeweiligen Stimmung und
Laune entsprechend, wählte er sein«n
Tag«sb«darf aus seinem großen La
ger, das ihm viel Mühe kostete. Er
eigenen, und nichts vermochte ihn so
in üble Laune zu versetzen, wie der
Geruch schlechten Krautes, aber nichts
ihn so gut zu stimm«n wi« d«r Dust
eines feinen. Foyles Rauchzimmer
gefiel ihm. Es war nicht zu groß, di«
Lederfauteuils waren behaglich und
weich, die Luft rein und die übrigen
bewohnten Gemächer in der Nähe.
„Ich habe Ihnen «in« Cigarre mit
gebracht. Foyle. Sie ist zwar nicht
nach mein«m Geschmack, aber Ihnen
wird sie schmecken." Und er reichte dem
Hausherrn mit selbstgefälliger Miene
seine schäbig« Tasche hin. Alles an
diesem Menschen sah schäbig und ver
dächtig ouS.
Die beiden Herren zündeten ihr«
Cigarren an und machten sich's in den
Lehnstühlen bequem.
»Jetzt g«b«n Sie mir nähere Da
ten." begann Cope das Gespräch, nach
dem er sich vorher in eine Rauchwolke
gehüllt.
„Es ist das ein« sehr peinlich« Ge<
schichte, lieber Cope, sehr peinlich
sein« Beziehungen zu Jsabella "
stotterte Foyl« mit gutgespieltem Ku
mmer.
„Lassen Sie das Mädchen aus den,
Spiel! Geschäft ist Geschäft. Was
hat Thr«sh«r gesagt?"
„Daß wir ein unehrliches Geschäft
betreiben, und daß er aus der Firma
auszutreten wünscht."
„Sonst nichts?"
„Nicht ein Wort."
„Hat er nicht mit anzeigen ge
drobt?"
„Nein."
„Der Dummkopf!" brummte Cop«,
versant in tiefes Nachdenken und
platzte dann mit der Frage heraus:
„Wie viel Kapital hat er drin
stecken?"
„52,<XX> Pfund Sterling."
mir eben rathen."
,D«r liebe Cope wünscht zu wissen,
was Si« zu thun gedenlen, Foyle."
„Ich?" ri«s das Obtrhaupt der Fir
ma Schrieber u. Co. „Ich kann gar
nichts thun, rein gar nichts. Sie ken
nen meine politisch« Stellung und all
die zahllosen Pflichten, di« si« mir auf
erlegt."
Cop« hüllte sich in «ine noch dichtere
Rauchwolke und schwieg. Foyle war
tete g«duldia: sein herrschsüchtiges,
selbstbewußtes Wesen war wie wegge
blasen, er stand vor einer Krisis, vor
Ehrenhaftigkeit, Moral und Mensch
geweiht sein müsse, und die Lieferan
ien also schlechterdings als ihre Mör
der zu betrachten seien. Er »ersuchte
klärt.
lehnte sich i>s seinem Stuhl zurück und
fragt«:
„Haben Sie eine besondere Vorliebe
sür Thresher?"
„Nicht die geringste," rief Foyl«
aus.
„Hm, dann läßt sich weiter reden."
„Mir scheint, die Geschichte steht so:
Herr Thresher will uns los werden."
begann er nach einer längeren Pause
pfindfame Nase in alles steckt und im
mer an der Art unseres Gewinnes z»
mäkeln findet. Er muß entfernt wer
den, ehe er Unheil anrichtet! Wir
müssen ihn loswerden, und zioar
„Vortrefflich!" rief Foyle.
„Und zwar vollständig," fügte Cope
„Mit Stumpf und Stiel."
Crawley in der Familie hieß er
in Wirklichkeit Wilhelm dachte an
Jfabella und erbleichte. Cope fuhr
lassen. Aber es ist höchste Zeit, daß
Sie es thun, denn sonst werden Ihnen
die Thatsachen so grell in'S Gesicht
scheinen, daß Ihnen darüber Hören
und Sehen vergehen dürfte. Wenn
Sie jetzt Ihre Rechnung mit der Welt
abschließen wollten, würden Sie sin-
fünfundzwanzig bezahlen könnten.
Kurz und bündig, Sie sind ein Bett
ler, Foyle."
Der Abgeordnete von Buckton er
schauerte.
Ich werden Ihnen sagen, wie Sie sich
ich? Wollen Sie meinen Rath be
folgen
ehrlichkeit zeiht?"
„Selbstverständlich nicht!"
„Ich habe mir heute Abend Fräu
bin zu der Schlußfolgerung gekommen,
daß sie Ihre Trumpfkarle ist. Sie
Crawley sprang entrüstet auf, und
seine Arm« fuchteilen in der Luft her
um wie die Flügel einer Windmühle,
während er in melodramatischem Tone
sich Foyle ein wenig ausgetobt und
feinen Gefühlen Luft gemacht hatte,
blieb er mitten im Zimmer ganz au
ßer Athem stehen und starrt« Cope an.
Dieser nahm den Faden desGefprächS
wieder auf:
„Ich war darauf gefaßt, daß Sie
in Wuth g«rath«n würden. Ich wie
es unrecht von Ihnen ist, den Thatsa
chen nicht int Gesicht zu sehen. Jede
Ehe in jedem Hause dieses vornehmen
Stadttheils ist eine Frage von Kauf
und Verkauf für Geld und Geldes
werth nichts anderes. Man ver
meidet es nur, das Ding beim rechten
Namen zu nennen, das ändert aber
nichts an d«r Thatsache. Sie wollten
Ihre Tochter an Threfhir verkaufen
und hätten dabei ein schlechtes Ge
schäft gemacht; ich werde Ihnen sagen,
was Sie thun sollen, um «in gutes zu
Threfhers Antheil übernähmen?"
„Das soll der Mann thun, der Ihre
mand finden sollte, würde ich selbst
Ihre Tochter Heirathen."
Was Crawley in diesem kritischen
tigsten Miene'von der Welt:
Ihre Lage ist «ine verzweifelte. Ler
nen Vorschlag. Ich gehe zu Bett."
den Muth gebabt, seine Pflicht zu er
den, Bruch, der zwischen Isabel!» und
Fingerzeig Gottes, der Jsabella für
Ruhe haben." Die Sorgenfalte. die
stets auf ihrer Stirn lagerte, glättet«
sich und machte einem heiterenGesichtS
ausdruck Platz.
„Ja," bestätigte Jsabella, „wir wer
lästigt werden, Mütterchen." Wie
nicht vergleichen, nicht Der
Eine empfindet sie heftiger als der
Ander«. Wird eine starke Natur von
nunft, das Gefühl, der Verstand, si«
nem Rath zugänglich, sie sucht die
Einsamkeit. So auch Jsabella. Da
das Ideal, das sie sich in ihren Muße
stürzt. Woran sollte sie in Zukunft
glauben, da auch David sich als Tnig
gestalt erwiesen? Frühzeitig hatte sie
die Entdeckung gemacht, daß die Ehe
die Mutt«r furchtbar unter den Lau
nen des herrschsüchtigen, egoistischen,
ruhelosen Vaters litt, dessen gantet
Ehe ihrer Eltern eine in ihrem Kreis«
typische sei, wie die ewige schmerzlich«
Resignation ihrer Mutter für das Le
ben d«r Mehrheit der Frauen typisch
war. Daß si« in den meisten ihr be
kannten Haushaltungen ein« ruhig«
Oberfläche fand, die nur durch das
Lächeln und die vollendete Höflichkeit
leicht bewegt wurde, bestätigte si« nur
in ihrer Theorie, denn sie wußte, daß
die „Welt" bei ihnen selbst auch nichts
der glatten" Oberfläche! Die Liebe,
die ihr David Thresher entgegen
brachte. erschien ihr wi« eine himmli
sch« Offenbarung; sie eröffnete ihr
eine glücklich« Zukunft, und nun diese
Enttäuschung, die sie fast wie ein To
desstreich traf! In ihrem ersten lei
denschaftlichen Schmerz suchte sie
Trost in ihrem Entschluß, fortan all«
ihre Liebe und Zärtlichkeit ihrer un
glücklichen Mutter zu weihen.
Es war nur natürlich, daß sie sich
vom Schicksal stiefmütterlich behandelt
fand und diesem grollte. Sie hatte
noch nicht einsehen gelernt, daß die
Summe der Leiden selbst bei den elen
zeichnet sind, aber nicht weil die
Schmerzen vorherrschend sind, son
dern weil sie uns plötzlich, unerwartet
treffen wie ein Blitz aus heiterem Hi
mmel. Es liegt in der Natur des Ver
baren Farbenmischungen, di« unser
Auge allerorten im Weltall erfreuen,
vergleichen.
Die arm« Jsabella langte in einer
wahrhaft menschenfeindlichen Stim
mung in Brighton an. wo ihr Vater
das Parterre eines großen Hauses von
einer Miß Wiscomb gemiethet hatte.
Dieses alte Fräulein lebte von einem
kleinen Einkommen und großen Er
wartungen. Es bewohnte den ersten
Stock, um vor Feuchtigkeit geschützt
zu sein ;di« Doppelfenster waren im
mer geschlossen auS Angst vor Zug
luft, denn Fräulein Wiscomb wünsch
te, wie Cope, daS groß« Vermögen d«r
Londoner Speicher - Tontin«n - Ge
nossenschaft zu erb«n. Ihr Salon war
mit altmodischen, hochlehnigen Mö
beln aus dem vorigen Jahrhundert
eingerichtet. Sie lag den größten
Theil des Tages auf einem Divan,
der vor dem Fenster stand. Auf dem
kleinen Tischchen zu ihrer Rechten be
ein Riechfläfchchen, zwei Paar Augen
gläser, «ine Bibel, ein Uhrenständer
sammt «in«r altmodischen Uhr und
di« letzte Nummer der „Times", diese
Gegenstände placirte Martha, die alte
Dienerin, allmorgendlich dorthin,
nachdem sie ihre Herrin aus dem
Schlafzimmer in den Salon auf ihr
Plätzchen geleitet, wobei ihr ihre Nichte
Mary behilflich sein mußte. Martha
zählt« stlbst b«reiti über achtzig Jahre
und war «in gebr«chlich«s Mütterchen,
dessen Kopf vor Schwäche immer wa
ckelte, während man der Herrin ansah,
daß si« einst eine imponirende Schön
heit gewesen sein mußte. Trotz ihrer
siebzig Jahr« hielt si« sich noch auf
recht. ein gewinnendes Lächeln ver
klärte ihre Züge, sie war stets guter
Laune, neigte sogar zur Heiterkeit und
kleidete sich einfach, aber geschmackvoll
bis auf den eigenthümlich beschaffenen
Kopfputz, der auf jeder Seite des Ge
sichtes zwei dunkelbraune Schmacht
locken begrenzte. Ihre schmalen, wei
ßen Hände waren immer von schwarz
seidenen Handschuhen bedeckt und trug
sie stets einen kostbaren weißen Spi
tzenshwal, der vorne von einer altmo
dischen Brosche zusammengehalten
Originell war das persönliche Ver
hältniß zwischen Herrin und Diene
rin. Martha behütete die alte Dame
mit Argusaugen. Allmorgendlich wie
bald die alt« Dame auf ihrem Divan
lag, begann Marthas spezieller Dienst.
„Ich hoffe, daß Sie sich heute ganz
wohl fühlen, Fräulein?" fragte sie
mit ängstlich forschendem Blick.
„Vollständig wohl, liebe Martha,
ich danke Dir für Dein« Nachfrage,"
(Fortsetzung fole>)
Fiir die Kkch».
Englisch« Nierensupp«.
Mehrere frische Rindernieren schneidet
man in dünne Sch«ib«n, bestreut si«
mit Salz und Pfeffer und mit Mehl.
überfüllt sie mit so viel siedendemWas
man die Sch«ib«n, mit «twas Brühe
überfüllt, in die Suppenschüssel, stellt
si« heiß und gibt di« übrig« Brühe
Eßlöffel Mehl (auf drei Quarts Sup
dicklicher Supp«. kräftigt di« Suppe
mit Liebig's Fleischextrakt, würzt sie
mit 1 Eßlöffel Champignon - Ketchup
Stund« stehen. Indeß rührt man 5
Pfund Butter schaumig, fugt 2 ganz«
Eier und 2 Eigelb hinzu, verrührt si«
Salz und so vi«l Mehl als nöthig ist
Erbs«n, Pflaumenmus und ander«!»
Obstspeisen anrichtet.
Gänsesülze oder Weiß
fa u« r. Die zu Weißsauer bestimm-
Pfefser, Salz, Lorbierblatt und Thy
mian, Beifuß, Majoran, Salbei, nach
Belieben mit 2 Citronenscheiben zu
würzen. Man läßt die Gänsestück« i»
schnitten werden. Nachdem sie in Por
tas Gelee fest werden. Beim Gebrauch
werden die kleinen Formen umgestürzt.
Mohrrüben mit Essig. 6
Personen. Zubereitungszeit 2 Stun
läßt di« Rüben gehörig weich kochen.
Unterdess«n hat man 1 od«r 2 Löffel
Mehl mit «twas bestem Essig klarge
rührt, gibt diese, sowie «in «igroß«?
Stück Butt«r und ein« Messerspitze
weißen Pfeffer in das Gemüse, läßt «S
und würzt «s mit etwas Fleischextrakt.
Besonders passend zu Bratwürstchin
od«r Boul«tt«n.
G«su l z t« Kalbsl e b e r. Eine
ten 8 bis 10 weiße Pfefferkörner, 3
theilte Kalbsleber gelegt. Die Leber
kommen weich gedämpft, dann mit
Salz bestreut, sammt dem Speck, dem
Gewürz etc. und einigen Schnitten
saftigem gekochtem Schinken od«r zar
tem Rauchfleisch mit 3 bis 4 hart«,«
Eidottern im Mörs«r kleingestoßen
oder dreimal fein haschirt' d«r hier-
Nacht kühl gestellt. Die nun fest ge-
Kalb 112 lei sch rolle n. 2 bis
2z Pfund fein gehacktes mageres Kalb»
fleisch wird mit dni Eiern, Pfeffer
und Solz g«mischt und längliche Rol»
schiebt diese in den Ösen und läßt den
Drittel bis j Quart Fleischbrühe dazu
sten. Noch j Stund« ist das Gericht
Mißverstanden. Apothe
ker: Sie wünschen? „Ein Zugpfla
ster!" Apotheker: Wollen Sie einS
hinter die Ohren? „Sie Flegel, geben
Sie Acht, daß ich Ihnen nicht selbst
Boshaft Ä.: „Ich habe vre»
neue Anzüge!" B.: »Da haben Sie
wobl drei Schneid«?!' 3