Scranton Wochenblatt. (Scranton, Pa.) 1865-1918, November 20, 1902, Page 3, Image 3

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    Ikeimwek.
Noman von Rcintold Lrlmana.
(IV. Fortsetzung.)
Sie verschwand, und eine Minut«
spät«! knirscht- d«r Schlüssel der Ein
gangsthllr. In ihrem einfachen dun
keln Hauskleid stand Tuima vor dem
Doctor, «in Lächeln auf den Lippen,
wie immer, wenn sie ihn willkommen
hieß. Aber dies Lächeln, dessen Lieb
reiz ihn sonst stets auf's Neu« entzückt
hatt«, täuschte ihn diesmal nicht. Er
gewahrte, daß ihr bräunliches Gesicht
chen merklich schmaler geworden war,
und «r sah auch den krankhaften Zug
unter ihren Augen. Di« Hand, di« sie
ihm reicht«, war brennend heiß, wäh
rend die zarte Kinderg«stalt der jungen
Frau fröstelnd erzitterte.
„Ich freue mich von Herzen über
Ihren unverhofft«» Besuch," wieder
holte sie, während er Hut und U«berrock
ablegte. „Aber wenn Sie gekommen
sind, um Rolf zu sprechen, so hab«»
Sie «s schlecht getroffen. Er ist nicht
zu Haus."
Sie hatte die Thür des winzigen,
aber behaglich warm«n Wohnzimmers
geöffnet, und sie traten «in.
„Sie sind allein?" fragte Hermann.
«Aber mein Bruder wird bald zurück
kehren nicht wahr? Denn nur, um
nach ihm auszuschauen, begingen Sie
doch wohl di«.sträflich« Unvorsichtigkeit,
sich in so leichter Kleidung auf dem
Balkon hinauszuwagen."
Sein forschender. Blick war ihr of
fenbar unbequem.
„Mir war «in wenig heiß geworden
hier drinnen," sagte sie hastig, „und ich
sehnte mich nach einem Athemzug fri
scher Luft. Aber daß Rolf bald zurück
kommen wird nein, das glaube ich
nicht. Diese Diners und Gesellschaf
ten sind ja in der Regel «rst nach Mit
ternacht zu Ende."
~Wi«? Er ist in einer Gesellschaft?
Ohne Sie?"
„Aber das ist doch nichts Schlimmes.
Ich selbst hab« ihn ja nach der Soiree
bei den Rodenbergs dringend gebeten,
mich künftig dah«im zu lassen. Denn
ich fühle mich in den hiesigen Verhält-
„Es ist also nicht das «rste Mal, daß
Aber ich müßte das schlechtes!« und
selbstsüchtigste Geschöpf f«in, wenn ich
ihn darum bäte.^
inächtigte «r sich noch einmal ihrer
Hand.
„Wissen Sie auch, daß Sie ein re
gelrechtes Fieber haben, Frau Schwä
gerin? Sie werden Ihre Unvorsichtig
keit büßen müssen; denn Sie haben sich
leichterung, wenn ich mir die kalt Luft
um die Schläfen streichen lasse."
sind trank und man fragt
„Ich habe ihm natürlich gar nicht»
davon gesagt. Weshalb sollte ich ihn
denn ohne Noth beunruhigen das
Sie hustet«, und unwillkürlich fuhr
ihre freie Hand nach der Brust, wie
wenn sie da einen heftigen Schmerz em
pfände. Jetzt würd« der junge Arzt
ernstlich besorgt und begann sie ein-
aber müssen Si« vor allem volles Ver
trauen haben zu Ihrem Arzt. Können
Sie sich nicht «ntschli<h«n, es mir zu
schenken?"
sollen," „lch fühle, daß
„Tuima liebe Tuima nxlchen
abscheulichen schwarzen Gedanken ha-
Ihr Gemüth! Wenn das Klima Ihrer
Gesundheit nicht zuträglich ist und
ich habe von vornherein gefürchtet, daß
zum Eintritt der warm«n Jahreszeit
ein milderes aufsuchen. Vom Sterben
aber dürfen Sie mir nicht wieder fpre-
Lebens zu. freuen."
Sie erhob den Kopf und tilgte rasch,
in sichtlicher Beschämung, die Thränen
spur«« von ihrem Gesicht.
„Ein milderes Klima sagen Sie?
Ja, das ist «s, was mich gesund ma
chen kann. Ach, wenn Sie Rolf bewe
gen könnten, daß er dazu seine Ein
willigung gi«bt aus ti«fstem Her
zen würde ich Ihnen danken."
„Da er Sie lieb hat, und da Sie sein
liebstesßlsitzthum aus Erden sind, wird
er keinen Aug«nblick zögern, das Zweck
mäßige und Nothwendige zu thun.Ei
waltigeS Unternehmen—"
Mit einer verminenden Geste fiel
si« ihm in die Red«.
für mich nichts anderes als eine verlän
gerte Qual. Wenn Rolf mich li«b hat,
muß er mich nach Samoa zurückschi
„la, darum wird er vielleicht nicht
einwilligen. Das ist es ja, was ich
sürchte."
„Und Sie selbst? Sie könnten sich in
ich kenne Sie besser, und ich weiß, daß
«s Ihnen nicht «rnst ist mit diesem
Wunsch."
Da öffneten die schönen, nachtdun
leln Augen sich so weit und groß, wie
er sie nie zuvor gesehen. Und «s war
ihm meinen und mit mir, so bieten Sie
Ihren ganzen Einfluß auf, f«in« Zu
stimmung zu erlangen. Sagen Sie
weilten.
ringste Interesse hatte. Ab«r dies nich
fahren, wo sich Rolf an dem heutigen
Abend befand. Der Name des Gene
ralkonsuls Rinkhardt, dessen Gast er
nach Tuimas Mittheilung war, klang
ihm nicht fremd. Er war d«m Manne
wiederholt bei gesellschaftlichtn Veran
staltungen im Fl«mming'schen Hause
begegnet. Und während «r sich dessen
«rinnert«, wurde es ihm gleichzeitig sast
zur Gewißheit, daß sein Bruder auch
gemeinsamen Bekannten mit Else
Flemming zusammengetroffen sei.
Bis zu dem Augenblick, da er d«n
erschütternden Schmerzensschrei aus
Tuimas Herzen vernommen, war sein
Glaube an Rolfs Ehrenhaftigkeit ein
zu fester gewesen, als daß er ihn auch
nur eines in Gedanken verübten Treu
bruchs gegen seine Gattin fähig gehal
ten. Jetzt aber war alles in ihm er
schüttert und in'S Wanken gerathen.
! Er erinnerte sich der spöttischen Be
! merkungen jenes Erichsen, der sich be
> rechtigt geglaubt, Else Fl«minings Na-
m«n in eine so vieldeutige Beziehung
zu dem seinesßruderS zu bringen. Und
es war ihm mit einem Male, als dürs«
! er keine Minute mehr hier in müßig«m
Geplauder verlieren, während es galt,
in raschem und energischem Handeln
das furchtbare Unheil abzuwehren, das
er wie «ine schwarze, verderben
schwang«!« Gewitterwolke über dem
Schneller vielleicht, als sie eS «rwar
t«t hatte, verabschiedete er sich von
Tuima. Und schon nach «iner kurzen
Viertelstunde hi«lt die Droschke, in die
er sich eilig geworfen, voi dem Rink
hardt'schen Haus«, dessen glänzend er
hellt« Fensterflucht ihren verführeri
schen Lichtschein weit hinauswarf in
die stille, verschneit« Straß«.
Achtzehntes Capitel.
Während Hermann Artner noch
mit dem Pförtner sprach, der seinen
Bruder aus der Gesellschaft abrufen
sollt«, kam eines d«r Hausmädchen
die Treppe h«rab.
„Si« müssen ssleich «ine Droschke
besorgen, Meinke! Die Flemming
sch«n Dam«n wollen nach Hause. D«nn
Frau M«mming fühlt sich nicht ganz
wohl."
Der Doktor winkte dem Manne,
zunächst den Auftrag seiner Herrschaft
auszuführen, und trat dann, als er
aus dem oberen Stockwerk den Klang
mehrerer Stimmen hörte, in den Halb
dunkeln Wintel hinter den beiden
Säulen zurück, die den Treppenauf
gang flankirt«n. Gleich darauf feg
t«n rausch«nde Frau«ngewänder über
die teppichbelegten Stufen hinab, und
die stattliche Gestalt der Frau Flem
ming, ganz vermummt in Tücher und
pelzg«fütterle Umhüllungen, schritt
als die «rst« an dem ungesehenen Be
obachter vorüber. Ein kleines Stück
hinter ihr kam Else neb«n einem hoch
gewachsenen Manne, in dem Hermann
seinen Bruder «rkannt hatte, noch ehe
er sein Gesicht gesehen. Sie hatte den
mit weißem Pelzwerk besetzten Abend
mant«l so lose um die Schultern ge
worfen, daß ein Theil ihrer tief aus
geschnittenen Gesellschaftstoilett« sicht
bar bli«b, und «in leichtes, duftiges
l«icht g«röth«tes Antlitz, aus dem, wie
«s Hermann scheinen wollte, die Au
gen mit einem ungewöhnlich lebhaften
Ersichtlich ganz in Anspruch ge
nommen von dem leisen, eifrigen Ge
spräch mit ihrem Begleiter, gewahrte
auch sie den Doktor nicht, obwohl er
nicht eigentlich darauf bedacht war,
sich zu verstecken. Was sie sagte, konnte
er nicht v«rstehen: aber er hörte ihr
halblautes, verführerisches Lachen
und sah, daß Rolf sich für einen Mo
ment f«hr nah« zu ihr neigte, um
ihr «ine ganz vertrauliche Mittheilung
oder «in zärtliches Geständniß zuzu
flüstern. Um Frau Flemming schie
nen sie sich trotz ihres von dem Haus
mädchen erwähnten Unwohlseins sehr
wenig zu kümmern. Ein vorwurfs
voller Zuruf ihrer Mutler erst veran
anlaßte Else, «bensalls auf die Sira
ße hinauszutreten. Stolz und präch
tig wie ein« Prinzessin stand sie, von
dem hellen Licht der beiden vor dem
Hause angebrachten Kandelaber um
flossen, in ihrem lang herabwallenden
rothen Mantel da. In schimmerndem
Elfenb«inweiß tauchte ihr schön ge
formter Arm aus dem Pelzwerk auf,
und Hermann Artner sah da» Auf
blitzen der Juwelen an der entblöß
ten Hand, die sie Rolf zum Abschied
gereicht hatte, und di« er ehrerbietig
an seine Lippen führte.
Dann siel d«r Wagenschlag zu, und
die Räder drehten sich durch den krei
schenden Schnee. Unbeweglich schaute
der Zurückgebliebene den Davonfah
renden nach, bis eine Hand sich auf
seinen Arm legte und eine ernsteStim
me ihm ins Ohr klang:
„Guten?lbend, Rolf! Ich sehe,
schehen?"
Mißtrauisch suchte Rolf in seinem
Gesicht zu lesen.
„So? Weißt du das so genau?
Du kommst also von ihr?"
„Ja. Ich sagte dir ja schon, daß
ich dich zu sprechen wünschte. Und
lirt stehenden Tisch niedergelassen.
.Was hast du mir Wichtiges zu sa-
tt ll A t t '»I 'k
richtet. Verständnißlös blickte Rolf
„Was soll das?" fragte er. „Die-
Kenntniß von den Correspondenz«n
«iner fremden Dame zu nehmen?"
„Es ist k«ine Indiskretion, die ich
dir zumuthe. Sei deshalb ganz un
besorgt und lies!"
Rolf gehorchte. Aber als er mit
seiner Lektüre zuEnde gekommen, n?a
ren zwei tiefe Falten auf seimrStirn.
„Irgend ein Schwindel," stieß er
hervor, „nichts weiter! Ich brauche
natürlich nicht erst zu fragen, wie du
Elfri«de hat es dir gegeben. Du bist
ja, wie es scheint", nicht nur ihr ärzt
licher Berather, sond«rn auch ihr
Beichtvater und Vertrauter in allen
sonstigen Dingen."
„Das ist ein Irrthum, Rolf! Aber
«s handelt sich ja auch jetzt nicht so
sehr darum, welcher Art meine Bezie
hungen zu Fräulein Lornsen sind, als
darum, was auf diesen Brief hin ge
schehen soll. Und ich habe ihr, da ich
mich deiner Zustimmung von vornher
ein sicher wußt«, versprochen, daß du
morgen als ihr Bevollmächtigter die
sen Langhammer aufsuchen würdest.
Der Brief wird ihm, wie ich denke,
als Legitimation genügen."
Unmuthig warf der andre d«n Kopf
zurück.
„Nimm mir's nicht übel, m«in Lie
ber ab«r «s war denn doch ein et
was voreiliges Versprechen, das du
deinem Schützling da in meinem Na
men gegeben hast. Warum, nxnn du
dich so warm für sie interessirst, gehst
du denn nicht selbst?"
„Weil es aus triftigen Gründen
unmöglich ist, und weil du überdies
ein besseres Recht daruf hast als ich.
Denn du hast es ja zu deiner Lebens
aufgabe gemacht, den verwaisten Kin
dern deines Freundes zu ihrem Recht
zu ixrhelsen."
„Man muß, wie ich sehe, dir gegen
über ziemlich vorsichtig sein in seinen
Aeußerungen. Aber glaubst du denn
wirklich daran, daß dieser Mensch
„Es wird deine Ausgabe sein, dir
Gewißheit darüber zu verschaffen."
„Und wenn auch für mich triftige
Gründe vorlägen, eine solche Mission
nicht zu übernehmen?"
„Dann müßt« es eben ein anderer
statt deiner thun. Ich werde in die
sem Fall ein«» mir befreundeten
Rechtsanwalt darum «rsuchen."
Er sagte es so gleichmäßig ruhig,
wie er bisher das ganze Gespräch ge
führt hatte. Aber als «r nun seine
Hand wieder nach dem Brief aus
streckt«, schien Rolf anderen
prozeßgierigtn Advokaten. Denn es
selbstverständlich, daß die Angele
genheit in diesem Fall gütlich arran
„Ja!" erklärte Rolf jetzt mit aller
Entschiedenheit, indem er den Brief
des Bureauvorstehers zu sich steckte.
„Das also war es, weshalb du mich
aussuchtest?"
len."
„In der That ich hab« gehört,
daß si« hustet. Und auch ihr Ausse
hen gefällt mir seit einigen Tagen
nicht m«hr. Meinst du, daß ihr das
Klima schadet?"
„Ja aber vielleicht nicht das Kli
ma allein. Ich fürchte, deine Gattin
fühlt sich hi«r wenig glücklich, Rolf!"
„Ah si« hat sich also bei dir be
klagt?"
„Du sollt«st si« hinlänglich kennen,
um zu wissen, daß sie nichts derarti
ges gethan hat. Aber sie hat mir den
Wunsch ausgesprochen, nach Samoa
zurückzukehren. Und das war für
weglichsten Klagen."
Rolf schien von dieser Antwort
nichts weiter gehört zu haben als Tui
mas Wunsch. Etwas wie eine freu
dige Hoffnung leuchtete in seinem An
tlitz aus.
„Es ist das Heimweh, das ihr« Ge
sundheit erschüttert, das habe auch ich
mir bereits gesagt. Aber weshalb in
aller Welt vertraut sie sich eh«r dir an
als mir? Ich könnt« mich wahrhaftig
versucht fühlen, eifersüchtig auf dich
zu werden. Oder meint sie, ich würde
sie gleich umbringen, w«nn sie mir mit
einer solchen Vitt« käme?"
„Du scheinst also gar nicht abge
neigt, sie zu erfüllen?"
„Es würde mir sehr schwer fallen
natürlich! Aber «he ich sie hier vor
meinen Augen hinwelken sehe "
„Hast du denn bis zu dieser Stund«
überhaupt schon einen ernstlichen Ver
such gemacht, sie von ihrem Heimweh,
wi« sie es nennt, zu heilen?"
„Sonderbare Frag«! Seit dem er
sten Tag« unseres Hi«rseinS bin ich
nicht müde geworden, Ihr vorzustellen,
daß sie sich mit ihrer n«uen Umgebung
vertraut machen und sich in die unbe
kannten Verhältnisse einleben müsse.
Und Frau Lizzie Rodenberg hat mich
auf eine ivahrhast aufopfernd« Weise
in diesem Bemühen unterstützt. Aber
es war alles umsonst. Tuima will
sich einfach nicht in das für sie Fremde
und Neuartige hineinfinden. Sie
bringt m«inen Interessen nicht das
rechte Verständniß entgegen, und mit
einem Eigensinn, den ich ihr ni«mals
zugetraut hätte, hält sie sich von mei
nen Freunden zurück. Unter solchen
Umständen kann ich doch wahrlich
nicht dafür verantwortlich gemacht
werden, wenn sie sich einsam fühlt und
„Nun, ich denke, es wäre ihr gute»
Recht, sich abweisend zu verhalten ge
gen Personen, di« vielleicht deine
Freunde oder Freundinnen, keines
falls aber die ihrigen sind."
„Was soll das heißen?" fuhr Rolf
auf. „Auf welche von meinen Be
kannten soll sich das beziehen? Auf
Frau Lizzie Rodenberg «twa?"
„Zum guten Theil sicherlich auch
auf sie vor allem ab«r auf Fräul«in
Else Flemming, die dich mehr zu in
teressiren scheint, als «s gut ist."
Bis in die Stirn hinauf hatte sich
das Gesicht des andern mit dunkler
Gluth bedeckt.
„Ah, das ist stark! Woher nimmst
du das Recht, aus einem solchen Ton
mit mir zu reden? Ich g«statte Nie
mand, sich in dieser Weise um meine
Privatangelegenheiten zu kümmern
Niemand, auch nicht meinem Bruder."
„Ihm magst du es lxrbieten. Aber
du wirst eS wohl oder übel dem Ver
lobten d«s Mädch-nS gestatten müssen,
das du durch dein Verhalten compro
mittirst."
Sprachlos starrte ihm Rolf inS Ge
sicht. Und fein Athem ging hörbar,
während Hermann in unerschütterli
ch«! Ruh« soitsuhi :
„Denn, daß wii uns licht verste
hen: es handelt sich für mich nicht nur
um den Frieden und das Glück deiner
Ehe, sondern auch um meine eigne
Ehr«. Wie unverfänglich auch immer
die auffälligen Huldigungen s«in mö
gen, die duElse Flemming darbringst,
ich muß sie dir aus das entschi«denste
verbieten: denn si« gefiihrd«n d«n Ruf
meiner Braut."
„D«iner Braut?" stieß Rolf hervor.
„Das ist nicht wahr!"
Dann aber, nachdem sie sich «in
paar Sekunden lang stumm in die
Augen g«seh«n, fuhr «r mit d«r Hand
llb«r die Stirn und durch sein lockiges
Haar.
„Vergieb! Da du es sagst, muß es
natürlich wahr sein. Aber es es
ist so überraschend für mich, und ich
wünschte, du hättest mir früher davon
gesprochen."
„Das war aus verschiedenen Grün
den unmöglich. Und ich muß doch
wohl nicht fürchten, Rolf, daß es heute
zu spät ist?"
Mit einem rauhen Auflachen schüt
telte Rolf d«n Kopf.
„Jnwi«fern sollte es denn zu spät
sein? Wofür hältst du mich eigentlich,
mein Lieber? Aber Fräulein Elfe
versteht ihre Geheimnisse gut zu wah
ren dies« Anerkennung kann ich ihr
nicht versagen. Deine Braut! Und
vielleicht schon seit langem?"
„Seit Wochen. Aber noch s«hlt un
serem Verlöbniß di« Einwilligung ih
rer Mutter. Und deshalb muß ich
auch dich vorläufig zum Schweigen
verpflichten."
„O, sei unbesorgt! Ich werde «s
nicht an die große Glocke hängen
ich nicht! Zumal du doch ohne die
Einwilligung der Mutter eigentlich
noch gar kein Recht hast, Fräulein
Else Flemming d«ine Braut zu nen
nen."
Hermann neigte sich über den Tisch,
und indem er sein« Hand mit festem
Druck auf di« d«s Bruders legte, sagte
er mit gedämpfter Stimme:
„Du bist ein Ehrenmann geblieben,
Rolf nicht wahr? Du hast nicht
für einen einzigen Augenblick verges
sen, was du dir selbst und was du
d«in«m edlen, vertrauensvollen Weibe
schuldig bist?"
Mit einem Ruck machte Rolf seine
Finger frei und stand auf.
„Es wird Zeit, daß wir dieser Un
terhaltung ein Ende machen. Ent
schuldige. wenn ich den gegenwärtig«»
Augenblick sür nicht geeignet halte, dir
meine Glückwünsche auszusprechen.
Ich kann's ja später nachholen.
Kellner, wir wollen zahl«n."
Er warf ein Goldstück auf den
Tisch: aber er kümmerte sich nicht um
auf herausgab. Raschen Schrittes
verließ «r die Weinstube und erwar
tete draußen das Heraustreten seines
Bruders, um sofort bei seintm Er
scheinen hastig und mit m«rkwürdig
heiserer Stimme zu sagen:
„Unsere Wege führen nach »erschie
nen andern, älteren Arzt zu Rathe
ziehe. Du begreifst, daß es nicht ganz
schicklich wäre, dir ihre Behandlung
„Für d«n Wink, den du mir hin
sichtlich ihresGesundheitSzustandes ge
geben hast, bleibe ich dir nichtsdestowe
niger zu Dank verpflichtet. Ich wer
de mich danach zu verhalten wissen.
„Gute Nacht, Rolf!"
Ohn« sich die Hände zu reichen, gin
gen sie nach entgegengesetzten Richtun
gen davon. Und niemals, auch nicht,
als Erdtheile und Weltmeer« zwischen
ihnen gelegen, waren sie einander so
Sckwelle des Wohnzimmers trat, kam
sie ihm lächelnd, doch mit einer gewis
sen Langsamkeit um einigt Schritte
entgegen. Es war, als ob «s ihr an
Muth fehl«, ihm wie sonst den Begrü
ßungskuß bieten. Und er enthob
sie dieser Nothwendigkeit, indem er
zu erwarten, wird es also heute da»
letzte Mal gewesen sein, daß ich eine
Abendgesellschaft besuchte."
„Nein, nein, einen solchen Vvrsatz
sollst du nicht fassen," erwiderte si«
fast erschrocken. „Ich w«rd« dir nicht
wieder Veranlassung geben, dich itber
mich zu beklagen. Daß es dir so sehr
unangenehm sei, hatte ich ja nicht ge
test aus solche Art deine Gesundheit
Ursache, dich zu schonen."
„Aber ich —"
„Bitte, kein« V«istellung! Was du
„Wenn er es dir gesagt hat, Rolf
„Ja, er hat e» mir gesagt. Aber
schaffen lassen, ohne daß von «in»
Reise nach Samoa die Rede zu sein
braucht."
zu^
„Laß mich doch heimkehren, Rolf!
Ich weiß ja, daß ich dir hier nur so
ivenig sein kann daß du viel freier
und glücklich«! sein wirst ohne mich."
des Klimas, das nur ein Vorwand
abgeben mußte! Ich wußte es natür
lich von vornherein. Und gerade des^
dermiene. Sage mir doch, worüber
du dich zu beklagen hast. Ich bin be
reit, mich zu rechtfertigen."
„Ich beklag« mich nicht," gab sie
leise zurück, „und Hermann kann dir
unmöglich mitgetheilt haben, daß ich
es gethan hätte."
„O nein! Ihr beid« seid ja im
schönsten Einvernehmen miteinander.
Ab«r es gibt Dinge, di« man ohne
großen Scharfsinn erräth, auch wenn
sie nicht mit Worten ausgesprochen
werden. Und ich durchschaue deine ei
gentliche Absicht sehr gut."
Ohne H«stigk«it, nur mit einem
schmerzlichen Zucken der Lippen, schüt
telte sie den Kopf.
„Wenn du das könntest, Rolf du
würdest schwerlich so hart gegen mich
sein. Und du würdest mir die Erfül
lung m«in«r Bitte nicht versagen."
„Es ist also ein« Härte, daß ich'»
thue? Ich mache mich einer unerhör-
Schrankes, und mit auf die Brust ge
preßten Händen flüsterte si«:
„Ich wußte keinen anderen Weg.
Nun helf« mir Gott!"
N«unzehnt«s Capitel.
Bolle drei Stunden hatte Else
Flemming am Vormittag nach der
Rinkhardt'schen Abendgesellschaft trotz
der übelsten Laune von der Welt nach
Hause zurückgelehrt. Rolf Artners
Ausbleiben hatte sie mit Hellem Zorn
erfüllt, und si« war fest entschlossen,
ihn sehr empfindlich dafür zu bestra
fen.
Denn es war der erst« wirklich«
Gunstbeweis gewesen, den si« ihm ge
stern mit der Verabredung dieses
Stelldicheins gewährt hatte.
Nicht auf jenem abgesteckten, spie
gelblank gefegten Theil des Flusses,
wo sich gegen Erlegung eines ziemlich
hohen Eintrittsgeldes die vornehme
Welt dem lustigen Schlittschuhsport
hingab, und wo man zehnmal in je
der Minute an irgend einem neugie
rig gaffend«» Bekannten vorüberglitt,
hatte sie ja mit ihm zusammentreffen
wollen, sondern weit draußen hinter
dem Föhrhause, wohin sich nur noch
vereinzelt die wirklichen Eislaus-En
thusiasten zu verirren pflegten. Lan
bitten eh« sie ihre anfänglich«
cntfchi«d«ne Weigerung zurücknahm.
Und so heiß war s«in Dank «Ur die
endlich errungene Zusage gewesen,
daß sie wahrlich auf alles andere ge
faßt gewtsen wäre, als darauf, ihn
nun vergebens erwarten zu müssen.
(Fortsetzung folgt.)
Mancher hat alle Ursach«, seine
,ij uu«; !u,ö,ij<l ni
schwach!
FSr die Küche.
Sogenannt« Nüßchen spei
se. Reichlich Pint Milch wird zum
Obertasse voll Weizenmehl hinzu. Ist
kleine Klümpchen ab, die man in hei
ßer Butter oder Fett ausbäckt, sofort
mit Zucker bestreut und auf einer
Sz«kelh - Gulasch mit
einem Eßlöffel Mehl abgequirlt ist,
Maggi-Würze im Geschmack.
Schweinefleisch als Wild»
pret. Schneide ein Stück Schweine
fleisch (Hals, Schinken oder Filet»
schnell gebeizt werden muß, wärme
man den Wein), füge Lorbeerblätter.
Salz, eine mit Nelken besteckte Zwiebel
und Wachholderbeeren b«i und begieße
es alle Tage mit der Weinbrühe. Um
dies zu kosten, röstet man etwas Mehl
in frisch«! Butter schön gelb, fast
braun, gieße eist ein wenig Wasser
oder Fleischbrühe daran, dann von der
Einfacher Pudding. Drei
Unzen Butter, ein halbes Pint Sah
ne oder Milch und vier Unzen Kraft
mehl (Kartoffelmehl) werden auf dem
Feuer so lange gerührt, bis sich der
Teig von der Kasserolle löst, dann gibt
man ihn in einen irdenen Napf, läßt
abgeriebener Citronenschale, vier Un
zen feingesiebtem Zucker und dem
Schnee der sieben bis acht Eidotter,
füllt die Masse in eine mit Butter be
strichene und mit geriebener Semmel
im Wasserbade Stunde.
Stückchen, deckt di« Form gut zu, läßt
die Speise 30 bis 40 Minuten im
Ofen backen und trägt sie in derselben
Apfel-Butter: Drei Gallo
nicht abfall«n. Dann «s in
Steintövs« gefüllt.
Rindfleisch mit Kartof
felüberzug. Auf di«se Weis«
kann man gekochtes Rindfleisch ähn
ne gute Suppe davon kochen zu kön
nen. Ein Stück derbes, abgekochtes
Rindfleisch wird, wenn es etwas ver
kühlt ist, mit Eiweiß überstrichen. So
dann macht man aus vier Gelbeiern,
zu Sahne gerührter Butter, einer
Handvoll Mehl und abgekochten, ge
riebrnen Kartoffeln einen Teig, etwa»
mangelt ihn auf einem mit Mehl be
stäubten Backbrett auf, rollt da»
Fleisch in den T«ig und zwar doppelt,
legt es sodann in eine Bratpfanrv und
bäckt es in der Röhre in Butter hoch
braun, so daß es eine schöne Kruste be
kommt. Das Fleisch darf nicht umge
wendet werden, wird aber oft begossen.
- - -
EinßorschlagzurGüt«.
„Ein stellungsloser Commis bittet um
mit bescheiden«», Gehalt; da kommen
Si« am End« billiger w«a! 3