Scranton Wochenblatt. (Scranton, Pa.) 1865-1918, November 06, 1902, Page 3, Image 3

Below is the OCR text representation for this newspapers page. It is also available as plain text as well as XML.

    IbeiMeb.
Nomon von Reinbold Orlmanu.
(8. Fortsetzung.)
' Anfänglich zwar hatten sie von
«benfo nichtigen und gleichgiltigen
Dingen geplaudert wie ihre Umge
bung. Allgemach aber war ihr« Unter
haltung ernsthafter geworden. Und
als man einander „gesegnete Mahl
z«it!" wünschte, fühlte sich Rolf von
dem beglückenden Bewußtsein erfüllt,
tiefen Einblick in die Schatzkammer ei
ner ungewöhnlich zarten reichen
„Auf gute Freundschaft also!" sagte
«r, indem er seine Lippen auf die
weiße, duftig« Haut ihr«r wohlgepfleg
ten Rechten drückte. „Ich bin sehr
glücklich, daß Sie mir nicht mehr zür
nen."
Sie erwiderte nichts; aber er fühlte
den leichten Druck ihrer Finger, und
«s verlangte ihn nicht nach einer noch
deutlicheren Antwort. Aus dem gro
ßen Musiksalon, der heute der tanzlu
stigen Jugend zur Verfügung gestellt
war, ertönten die lockenden Klänge ei
nes Walzers. Und ohne zu fragen, ob
«s ihr genehm s«i, führt« er sie dahin.
Wenige Paare erst wirbelten über
das spiegelblanke Parkett; aber die
ganze Gesellschaft drängte bereits neu
gierig heran. Und so tonnte es nicht
fehlen, daß Rolf und Else allgemeine
Aufmerksamkeit «rregten. D«nn wi«
«r all« anderen anwesenden Herren um
«in Beträchtliches überragte, so stellte
Elses Schönheit selbst die hübschesten
Gesichter und die biegsamsten Gestalten
in den Schatten.
Und so wie sie aussahen, tanzten
sie auch. Mit einem Feuer und einer
Ausdauer, die die Bewunderung der
Zuschauer hervorriefen, flogen sie un
ermüdlich Brust an Brust dahin, ohne
daß ihre Wangen sich höher zu färben
und ihre Athemzüge sich zu beschleuni
gen schienen. Immer weicher, immer
hingebender schmiegte Else sich in den
Arm ihres Tänzers. Ihre rosigen
Lippen öffneten sich leicht, so daß er
das Elfenbein ihrer Zahne zwischen
ihnen aufschimmern sah. Und ihre
nißvoll dünkten wie die berückende»
Räthselaugen einer Sphinx, leuchteten
sinnverwirrend heiß in die seinen.
Si« sprachen nicht, bis Else ihm
«ndlich
nächsten wahr?" raunte er
ihr zu, noch ohne sie loszulassen. „Ich
bin ja niemals glücklicher gewesen als
während dieser köstlichen Minuten."
„Wenn das Ihr Ernst wäre, müßte
ich natürlich nein sagen. Und auch so
ist es vielleicht besser, daß ich's thue.
Ihre Gattin könnte sich sonst bella
gen."
Ein Blick, der ihm alles Blut zum
Blut so heiß wie in denen des lebens
durstigsten Jünglings. Noch schwellte
das stolze Vollgefühl ungebrochener
Kraft seine Muskeln. War es seine
Schuld, daß diese Gluth sich zur lo-
Schönheit des Weibes, das ein ver
hängnißvoller Zufall ihm gerade wäh
rend dieses ersten Rausches in den
Weg führen mußte?
Wirbel der Lust dahintragen wie von
einer wiegenden, schmeichelnden Fluth.
Und er genoß den köstlichen Augenblick,
unbekümmert um daS, was die nächst«
Stunde bringen tonnte.
Wiederholt schon hatte Else erklärt,
daß sie an den Aufbruch denken müsse,
und immer wieder hatte sie sich durch
seine Bitten bewegen lassen, ihn noch zu
verschieben. Endlich aber blieb sie sest.
„Sehen Si« denn nicht, daß wir fast
schon die Letzten sind?" sagte sie, als er
sie wieder nach einem feurigen Walzer
klopfenden Herzens zu ihrem Stuhl
führte. „Es war ein schöner Abend.
Einmal aber muß er doch zu Ende ge
hen. Und da kommt auch schon die
Mama, mich zu holen."
„Aber ich sage Ihnen nicht Adiku,
Fräulein Else," flüsterte er innig,
„sondern auf Wiedersehen auf bal
diges Wiedersehen, nicht wahr?"
Mit einem süßen, sinnverwirrenden
Lächeln sah sie ihn an.
„Wenn der Zufall es so fügt, Herr
Artner ich werde ihm darum nicht
zürnen."
Dann kam ihre Mutter wirklich, und
sie reicht« ihm zum Abschied die Hand,
diesmal mit einem noch wärmeren
Druck als vorhin. In dem Augenblick,
da sie sich zum Gehen gewendet, sah
Rolf neben ihrem Stuhl eine von den
Rosen, die sie am Busen getragen, auf
dem Fußboden liegen. Er bückte sich
hastig, sie aufzuheben, und ließ sie in
seine Brusttasch« gleiten. Gleich dar
auf fuhr «r erschrocken zusammen;
denn unmittelbar hinter ihm erklang
Tuimas weiche Stimme:
„Ich glaub«, es ist allgemeiner Auf
bruch, Rolf! Meinst du nicht, daß es
auch für uns nun an der Zeit ist, zu
gehen?"
„Sie hat nichts gesehen," dachte er
mit einem Gefühl der Erleichterung,
„denn so weit reicht ihre Verstellungs
kunst nicht."
Aber die köstliche Stimmung, von
der er sich noch eben so beglückt gefühlt
hatte, war wie unter der Berührung
eines rauhen, erkältenden Hauches zer
stoben. Und er hatte Mühe, den Ver
druß über die Ernüchterung vor seiner
jungen Frau zu verberge?.
Stumm reichte er ihr den Arm. Und
stumm saß er fünf Minuten später
n«b«n ihr im Wagen, tief in die Polster
zurückgelehnt und unverwandt auf das
Fenster starrend, obwohl die gefrorene
Scheibe nicht den mindesten Ausblick
gestattete.
Vierzehntes Capitel.
In dem einfachsten schwarzen Klei
de, das ihre Garderobe aufzuweisen
hatte, und bis zur Unkenntlichkeit ver
schleiert, war Frau Flemming die un
bequemen und schmutzigen Treppen zur
Wohnung des ehemaligen Bureauvor
mend war sie eine Weile stehen geblie
ben, ehe sie sich entschloß, die Glocke zu
ziehen; denn der Gang, den sie da un
ternommen, war doch ohne allen Zwei
fel der sauerste ihres ganzen Lebens.
Länger aber hatte sie ihn nicht mehr
hinausschieben dürfen, denn die Frist,
zu keinem andern Ergebniß geführt,
als daß sie ihm die gesährlichenPapi»re
abkaufen müsse um jeden Preis.
ter si« begleite. Aber Elses kindliche
stehst dich aus dergleichen ja ohneZwei
sel besser als ich."
Auf Erklärung hin
ihn nicht eben wieder einer feiner gar
stigen Hustenanfälle am Reden gehin
dert hätte. Als er wieder zu Athem
tam, saß Frau flemming schon am
Tische und sagte in jenem hochmüthig
kurzen, fast befehlenden Tone, der ihr
als der zweckdienlichste für die be
vorstehenden Verhandlungen erschien:
„Obwohl «S eine Zeitlang meine Ab
sicht war, Ihrem Anerbieten nicht nä
herzutreten, habe ich mich nun doch
entschlossen, die angeblichen Dokumen
te einer Prüfung zu unterziehen. Sind
Tie bereit, sie mir vorzulegen?"
mir bei meiner jetzigen Armuth s^w^r
Hammer das von seinen Umhüllungen
befreite Aktenfascikel vor sie hinlegte,
verrat er, che Schwache und begann zu
te sich ihr gegenüber niedergelassen.
Nicht für den Bruchtheil einer Se
kunde wandte er seinen Blick von ihrem
ES hätte der notariellen Beglaubigung
des inhaltsschweren Schriftstückes zu
überzeugen. Und wenn sie sich jetzt
genden, zumeist aus Briefen ihres
Mannes bestehenden Papiere noch mit
derselben Ausmerksamleit durchläse,
Hartwig Langhammer unterbrach sie
während ihrer Lektüre mit keinem
Wort. Und auch als sie endlich bei der
letzten war, wartete^r
er aber beharrlich stumm blieb, sagte
sie mit aller Gelassenheit, die sie in den
Klang ihrer Stimme zu legen ver
mochte:
„Ich kann Ihnen nur wiederholen,
daß ich diese angeblichen Dokumente
dieses betrügerischen Selbstmörders
genannt zu sehen. Deshalb allein
würde ich mich vielleicht bereitfinden
lassen, Ihnen die Papiere für eine
mäßige Summe abzukaufen. Nennen
Sie mir also Ihren äußersten Preis."
„Ich nannte ihn schon bei unserer
ersten Besprechung, Frau Flemming!
Und ich werd« nicht von meiner For-
Si« halten mich auch allem Anschein
Wirklichkeit bin. Fünfzigtausend
Mark das wäre ja ein ganzes Ver
mögen."
„Es ist nur der zwanzigste Theil ei
ner Million, verehrte Frau! Und ich
bin sicher, daß mancher andere an mei
ner Stelle viel mehr fordern würde."
Die Festigkeit, mit der er auf fei
nem stimmte die
andere Weise beizukommen.
„Sie handeln gegen Ihren eignen
Vortheil, Herr Langhammer, wenn
sche Handlungsweise dieses elenden
Dallwig erlitten. Das Mitleid mit
Ihrer allem Anschein nach wirtlich sehr
Entschließung einen viel größeren An
theil als die Furcht vor einem Skandal
oder vor den Ansprüchen der Lornsen
ein Lächeln darstellen sollte.
„Mitleid?" wiederholte er. „Berz^'-
verbittert, das verstehe ich recht gut.
Und Ihre Thätigkeit bei dem Doktor
Kopf.
„Das hatte ich schon verlernt, lange
bevor ich zu ihm kam. Sehen Sie, ich
bin einsam gewesen, mein Leben lang.
Mit meinem achten Jahre war ich ver
waist. Und seit dem vierzehnten Jah
re habe ich mich als Schreiber durchge
schlagen bei Rechtsanwälten und Ge
richtsvollziehern. Ich habe gehungert
und gefroren, und nie hat eine Men
schenseele sich darum gekümmert. Wenn
es Gute und Uneigennützige giebt, so
habe ich jedenfalls niemals das Glück
gehabt, ihnen zu begegnen. "
„Weshalb aber mußten Si« durch-
«in kleines Vermögen bt saßen?"
„ES war mir erst vor sieben Jah
ren zugefallen durch Erbschaft von
Gelde mein Leben ein bißchen angeneh
mer gestalten können. Aber das Darb«n
und Entbehren war mir nachgerade
schon zur Gewohnheit g-worden. Und
dann hatte ich ja auch die Verpflich
nen andern zu sorgen."
Frau Flemming nahm es für ein
gutes Zeichen, daß es ihr gelungen
war, ihn mittheilsam zu machen. Ganz
so verschrumpft und ausgedörrt.wie sie
es gefürchtet hatt«, schien di«S««l« die
ses Mannes doch noch nicht zu sein.
Und wenn sie ihn ermuthigte.noch mehr
aus seinem Leben zu erzählen, entdeckte
ihr mtnschenkundiges Auge doch viel
leicht die schwache Stelle, gegen die sie
mit einiger Aussicht auf Erfolg ihren
„Es giebt also doch jemand, an dem
Ihr Herz hängt, und Sie stehen wenig
stens jetzt, in Ihrem Alter, nicht mehr
„In meinem Alter?" Wieder ging
das sonderbare Zucken über sein Ge
sicht. „Vielleicht würden Sie erstaunt
sein, wenn ich Ihnen sagte, wie alt ich
bin. Aber das andere ja, ws is^
kel. Aber es ist keine Blutsverwandt
weil seine Mutter eigentlich hätte mei
ne Frau werden sollen. Ich weiß
nicht, ob Sie mich recht verstehen, Frau
„O ja", bestätigte sie kopfnickend.
„Seine Mutter war Ihre Jugendliebe,
nicht wahr? Und diese Pietät gegen
eine Verstorbene macht Ihrem Herzen
alle Ehre."
„Ich weiß nicht, ob sie meinem Her
„Und dann begingen Sie di« Thor
heit, Ihr Kapital dem Doktor Dallwiz
anzuvertrauen?"
Hartwig Langhammer nickte.
„Ich hielt ihn für einen sehr reichen
Mann, denn ich wußte, daß f«in jähr
liches Einkommen nach Zehntausend«»
zählte. Und von den wilden Spekula
tionsgeschäfte», die ihn ruinirt haben
sollen, ließ er keines durch meine Händ«
g«h«n. Ich wußte auch, daß er ein
sehr kluger Mann war, und deshalb
mit dem seinigen arbeiten ließet würde
es sich in weniger als drei Jahren ver
doppelt habend Am nächsten Morgen
brachte ich ihm meine vierundzwanzig
tausend Mark mit der zaghaften Bitte,
sie nach seinem Ermessen für mich zu
verwalten. Und mit der Miene eines
endlich die Quittung, die heute nichts
ist als ein werthloses Stück Papier."
Ihre vierundzwanzigtausend Marl zu
rückerhalten meinetwegen mit ei
ner kleinen Vergütung für den Zins
verlust."
Aber Hartwig Langhammer schüt
telte kurz ablehnend den Kopf.
„Nein, es ist nicht genug. Und ich
will Ihnen auch sagen, weshalb es
nicht genug ist. Auf die Gewißheit
hin, durch Doktor Dallwigs Geschick
lichkeit mein kleines Vermögen zu ver
doppeln, habe ich meinem Pflegesohn
Ziel« erreichen könne, wenn nicht die
Sorge um das tägliche Brot ihn früher
oder später nöthige, seinen Idealen un
treu zu werden. Weil ich dies« Sorg«
von seinem Leben fernhalten wollte,
viel zu zahlen wenigstens nicht auf
einem Brett. Aber ich mache Ihnen
einen sehr annehmbaren Vorschlag.
Sie übergeben mir die Papiere, und ich
verpflichte mich dafür, Ihrem Pflige
fohn jährlich eine bestimmte Summe,
die für seinen Lebensunterhalt aus
reicht, zur Verfügung zu stellen. Wir
können ja «Inen notariellen Verlrag
darüber abschließen. Und da der junge
Mann vermuthlich länger leben wird
als ich, werd« ich meinen Erben testa
mentarisch die Verpflichtung auferle
gen, die Rente auch nach meinem Tode
diesem Vorschlag nicht gerade entzückt;
aber er wies ihn doch auch nicht ohne
weiteres zurück.
„Würde das Ihr letztes Wort sein,
Arau Flemming?"
„Ich kann es beim besten Willen
nicht anders einrichten. Aber ich wür
de mich Ihres Pflegesohnes gern auch
Zutritt in die gute Gesellschaft ermög
ch«n freunden verschaffen und so wei
ter. Darf ich vielleicht gleich jetzt sei
nen Namen erfahren?"
„Er heißt Ewald Rüier. Aber von
Ihren freundlichen Anerbietungen tmrd
von dem Stipendium, das er bei einer
akademisch«» Preisbewerbung davon
getragen, in Rom."
„Um so besser!" dachte die Wittwe.
Laut aber erwiderte sie:
„Nun, meine guten Dienste werden
ihm auch später noch zu statten kom
men. Und Sie werden auf meinen
wohlgemeinten Vorschlag eingehen
nicht wahr, Herr Langhammer?"
„Ich werde mir's überlegen. An
einem der nächstenTage, vielleicht schon
morgen, sollen Sie meine Antwort er-
Aber waS ist denn das?
pfänger, mein Herr?"
„Allerdings."
Der Bureauvorsteher nahm das zu
nicht, was man mir telegraphisch mit
theilen könnte. Hoffentlich ist es keine
schlimme Nachricht von meinem Nef
fen. Er hat mir seit vierzehn Tagen
nicht mehr geschrieben."
Während er sprach, drehte er daS
Fingern, wie wenn es ihm an Muth
gebräche, den papiernen Verschluß zu
lösen.
„Aber ich bitte —" sagte die Wittwe
Mit einem Ruck riß er das Blatt
nächsten Augenblick auf feinen Stuhl.
„Mein Jung« mein Junge o
du allbarmherziger Gott!"
Sein Kopf schlug schwer auf den
Tisch, Frau Flemming aber brauchte
nur ein wenig den Hals zu recken, um
wenigstens die erste Zeile des Tele
gramms zu lesen, das er offen in der
Hand behalten. Und diese Zeile lau
tete:
„Ewald Rüter soeben nach dreitägi
ger Krankheit im Hospital San Sal
vatore gestorben —"
Fünf Minuten später ging die Witt
we fast noch langsamer, als sie herauf
wieder hinab. Und es war ihr gar
seltsam zu Muthe nach dem unerwarte
ten und erschütternden Abschluß, den
ihre Unterredung mit dem gefürchtet^»
Regel ziemlich kalt. Die Verzweiflung
dieses Mannes aber hatte sie bis in
die Tiefen der Seele erschauern lasten.
Und trotz des wüthenden Hasses, den
und ein paar abgebrochene Laute, die
er mit sichtlicher Anstrengung heraus
gebracht, hatten ohn: Zweifel eine Zu
sie mit einem sehnsüchtigen Blick auf
die Papiere, die sie so gern gleich mit
sich genommen hätte, das Zimmer ver
lassen.
die Straße die frische Winterluft ent
gegenschlug. verflüchtigte sich indessen
sehr rasch die sentimentale Anwand
lung, der sie für kurze Zeit eine gewisse
Herrschaft über ihren kühl abwägenden
Verstand eingeräumt hatte. Und sie
kam sehr bald zu dem Schluß, daz die
ser unbequeme junge Maler zu keiner
gelegeneren Zeit hätte sterben könne»
als eb«n jetzt. Der glückliche Gedanke
mit der Leibrente ließ sich ja vermuth
lich auch jetzt noch zur Ausführung
bringen, nur mit dem Unterschied, da^
nicht mehr «in Jüngling, sondern «in
hinfälliger und offenbar schwerkranker
Mann der Empfänger sein würd«.
Diesem Langhammer tonnte sie ohne
Gefahr das Doppelte oder selbst das
Dreifache von dem gewähren, was si«
seinem sogenannten Neffen hätte zuge
stehen dürfen. Denn es wa? ihr« feste
Ueberzeugung, daß seine Lebenslage
mit den rothen Armen. An seinen bö
sen Husten, der ihn oft Minuten lang
nicht zu Ath«m kommen ließ, war sie
Ein paar Sekunden lang blieb sie
stehen und horchte. Das Röcheln wat
verstummt, aber plötzlich gab es einen
vergewissern, was da drinnen denn ei
gentlich vorginge. Sie öffnete die Thür
und sah Hartwig Langhammer lang
ausgestreckt auf den Dielen liegen,
mitten in einer großen Lache hellro
then, schaumigen Blutes.
Fünfzehntes Capitel.
Während der fünf Tage, die feit
ihrem kurzen Zwiegespräch vor der Ro
ne/wiederholt vergeblich versucht, Els«
allein zu treffen. Die Heimlichkeit ih
res Verlöbnisses nöthigte ihn, s«ine
Besuche immer nur während der ein
für allemal zum Empfang von Gästen
bestimmten Theestunde zu machen. Und
schon zum dritten Male fand er b«i sei
nem heutigen Erscheinen die Damen in
Gesellschaft anderer Besucher, deren
Anwesenheit jeden vertraulichen Aus
möglich machte.
Aber noch deutlicher als vor zwei
Tagen empfing der junge Arzt Heu!«
den Eindruck, daß dieser Zufall für
Einzig ihren liebenswürdigen und
dringlichen Bitten war es zuzuschrei
ben, wenn die Gäste, die schon zum
Aufbruch bereit scheien, sich zu länge
rem Verweilen entschlossen. Und da »S
unmöglich das Vergnügen an Ihrer fa
den und abgeschmackten Unterhaltung
sein konnte, das Else zu solchem Zure
den bestimmte, gab es dafür keine an
der« Erklärung als ihren Wunsch, ei
nem Alleinsein mit Hermann Artner
vorzubeugen.
Auch ein« eigenthümliche Verände
rung in ihrem Benehmen gegen ihn
wurde ihm heute noch augenfälliger
offenbar als zuvor. Schon bei seinen
letzten Besuchen hatte sich ihm zuweilen
die Vermuthung aufgedrängt, daß eS
geradezu ihre Absicht sei, ihn durch
diese oder jene herausfordernde Be
hauptung zu heftigem Widerspruch zu
reizen oder ihn durch eine hingeworfe
ne Bemerkung, deren verborgener Sta
chel nur für ihn fühlbar war, empfind
lich zu verletzen. Aber er hatt« einen
solchen Verdacht als gar zu thöricht im
seltsam«? Verhalten mit einer üblen
Laune zu erklären versucht oder mit
dem etwas zu weit getriebenen Wun
sche, ihre wahren Empfindungen vor
den andern zu verbergen.
rung kaum noch möglich. Denn wäh
rend sie gegen di« beiden geckenhaften
jungen Menschen, die sich da auf die
albernste Art von der Welt um ihre
Gunst bemühten, von wahrhaft über
strömender Liebenswürdigkeit war,
aus jede ihrer geistlosen Bemerkungen
einging und jeden ihrer plumpen
Scherze belächelte, behandelte sie den
Mann, der ihrem Herzen so nahe stand,
mit einer kühlen Gleichgültigkeit, die
hie und da eine bedenkliche Aehnlichleit
mit Geringschätzung hatte.
Eine Zeitlang bemüht« «r sich, «S zu
üb«rs«hen und sich trotz des immer hei
ßer in ihm aufsteigenden Unwillens
freundlichen Weise, an dem allgemei
nen Gespräch zu betheiligen. Dann
aber ließ ihm eine ganz unmotivirt
spitzige Aeußerung, die zum kaum ver
hehlten Vergnügen der beiden andern
von Elses Lippen gekommen war, voll
ständig verstummen. Einen Augenblick
war er in Versuchung gewesen, sich so
gleich zu entfernen. Dann aber besann
(Forts«»"»« folgt.)
Schöner als das Glück
des Alters sind die Hofsungen der
Jugend.
—WahreF r e u d e. A.: „Wa
alle Bankerottnachrichten?" —B. (srü.
her Kaufmann, jetzt Rentier): „Na,
man freut sich doch immer, wenn man
findet!"
Di«29jährig« Ehefrau
des Stellmachers Otto Scholz in B.r
lin, No. 6 Wittstocker Straße, tödtet«
ihre beiden Kinder im Alter von 1»^
sie sich selbst durch Erhängen daS Le
ben.
Mr die Küche.
Kürbit i n E ssi a und Z»»
ck «r. Man schält den nicht zu ttifen
Melonenkürbis, da» Keriige-
Pfund Zucker mit 1 Quart bestem
Weinessig,Zimint und Nelken und läßt
weich kochen. Dann stellt man sie in
einer Schüssel bet Seit«, kocht d«n Es
sig noch eimal auf und läßt den Kür
ze noch einmal wiederholt werden
muß.
Pflaumenkuchen. Di«
Früchte werden ausgesteint, durchge-
Pikante Kartoffelspei
se. Eine Auflaufform bestreicht man
mit Butter und gibt ein« Schicht Kar
tofftlpüree hinein, aus die Scheiben
von geschälten Salzgurken gelegt wer
den. Mit diesen Schichten wechselt
man ab, bis di« Form dreiviertel voll
püre« bestehen). Dann wird dicke,
saure Sahn«, in der zwei Eier ver
quirlt sind, über die Speise gegossen.
Zum Schluß legt man Butterflockei»
oben auf und bäckt die Speis« ein«
Stunde im Bratofen. Die Schüssel ist
mit Bechamelsauce, Dillsauce oder zer
lass«n«r Kräuterbutter zu serviren.
Einfache kalt« Speise.
10 bi/l2 Eiern. Wenn es seimig ist.
gibt man es abwechselnd mit Biskuits
und Matronen lagenweise in ein«
Glasschüssel und servirt «S erkaltet.
Doch schmeckt «s auch warm vorzüg
lich.
tränt. Man schwemmt j Pfund
Graupen mit kaltem Wasser ab, setzt
sie mit 4 Quarts Wasser auf Feuer
und kocht sie langsam bis aus unge
saft, stellt das Getränk in Eis und
s«rvirt es so als Limonade oder fügt
noch zuletzt zwei bis drei GlaS Port
wein dazu. Zur Erfrischung ist es
Apfelkartoffeln alSGe
richtfürdenFamilientisch.
Abgelochte, mehlige Kartoffeln werden
ebenso wi« die gleich« Menge säuerlich«
A«ps«l geschält und die Knollen und
Früchte in Würfel geschnitten. Man
bereitet dann «ine dunkle M«hlschwitze.
gibt «twas W«ißw«in (Apfelwein), in
Wasser aufgelösten Fleischextrakt und
einige abgekocht« und gleichfalls in
Würfel geschnittene Mohrrüben hinein.
Etwas Zwiebel, Pfeffer, Salz und
nach Geschmack etwas Essig gibt man
daran und dämpft alles gut durch.
Als Beilag« zu frischer Wurst ist das
Gericht noch mit etwas Majoran zu
würzen.
H«ring«mit Sahne. Sechs
Heringe (die Milch haben müssen) legt
man für 24 bis 36 Stund«» in süße
Sahn«, wäscht st« dann sauber ab,
nimmt sie aus und putzt si« ab. Di«
HeringSmikche werden fein gehackt,
mit j Quart dicker Sahn«, etwas Oel
und Estragonessig gut durchgequirlt.
Indessen schneidet man die Hering« in
hübsch« Stück«, legt sie in eine Schüs
sel, schält «inige Salzgurken, schneidet
si« in Sch«iben und schichtet diese auf
di« Htringe, rührt die Sauce von den
Heringsmilch«» durch ein Briihsieb
über die H«ringS- und Gurkenstücke.
Wenn die Sauc« schärfer sein soll,
müssen «in« geriebene Zwiebel, weißer
Pfeffer und Mostrich mit verrührt
werd«».
Feines Pflaumenmus.
Man nimmt 3 Pfund reife Pflaumen,
schält sie und befreit sie von den Stei
nen. Dazu läutert man 1j Pfd. Zu
cker, kocht die Pflaumen mit ganzem
Zimmt darin, bis sich ein dickliches
Mut bildet, und füllt dieses in Glä
ser.
Weißbraten in Bi« r. DaS
Gknickstllck od«r der Weißbraten vom
gibt einen sehr angenehm«»,
sür manchen Geschmack aber etwas zu
f«tt«n Brat«n. Wv das d«r Fall ist.
thut man gut, ihn zu b«reilen, wi«
folgt: Das gut ausgelöste und geklopf
te Nackenstück (dasselbe besitz! keinen
Knochen) thut man in eine irden«
Bratpfanne mit Deckel und gießt dies«
Pfanne halb voll einfaches Bier. Au
ßerdem legt man eine Brotrinde, et
was Gewürz. Pfefferkörner und dr«i
große, geschälte und in Scheiben ge
schnitten« Zwieb«l bei. Hiermit kocht
der Braten zugedeckt 1t Stunden,
wird dann aufgedeckt und in derßöhr«
braun gebraten. Zum Angießen tan»
man 1 Eßlöffel voll Essig, 1 Eßlöffel
voll Wein und 1 Eßlöffel^voll^Was
f«l voll Kartoffelmehl z«rquirlt wird.
Ist die Sauce gut abgebürstet und
durch ein Si«b gegossen, so reicht man
sie zum Braten, der mit Kartoffelklö
ß«n und Salat od«r Kraut sehr ange
nehm mundet.
Dilemma. „Kann man lldo
Federkiels neuen Roman lesen?"
„Nein, gnädig« Frau, aber man muß
ihn gelesen haben!"
Logik. „Schmidt, weshalb la
chen Sie?" „Ich habe nicht gedacht.
Herr Professor!" „Ich frug Sie nicht,
ob sie lachten, sondern weshald Si«
lacht«», also?" 3