Scranton Wochenblatt. (Scranton, Pa.) 1865-1918, September 11, 1902, Page 2, Image 2

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    2 Und das Land des Märchens lebt;
Dunkle Tannen, bleiche Birken
Fahles Mondenlicht umwebt.
Auf den Wiensen Nebelstreifen
Klcinstadtluft.
haben."
Höflich war Onkel Gottlieb nicht.
Er war auch lein Onkel von Ge-
ihre bitterste Feindschaft zu. Onkel
mich doch blos nich „Rentier", sagt
doch schlicht und deutsch: „Proprie
tär." Seine zweite Abneigung waren
„Katzen."
In seinem alten Hause knabberten
iel Gottlieb buchstäblich und verstärkte
ster. Er hatte die Wittwe und ihr
war für Onkel Gottlieb ein neuer Be
weis für die „Undankbarkeit" der
Frauenzimmer. Mit dem Dasein der
zarten, kleinen Erika konnte er sich erst
lich in die Welt, wie ein ganz junä»s
Mädchen. Das Putzgeschäft, welches
sie trieb, ernährte sie gut, denn fämmt
nach der nicht allzu weit entfernten
Kreisstadt. Es war das erste
und einzige Damenrad in Schwarz-,
und riefen:
«Hain se nix zu schlei-i—-fen?"
Bei uns war man sehr vornehm und
sagte nicht „Rad", sondern „Bicycle",
und da Onkel Gottlieb bekanntlich nur
sondern „Felozepett".
Mit diesem „Felozepett" war Fräu
lein Frisch nun in flottestem Tempo
lich dies für unsere festen
Zähnchen sei. Ihre Mahnung hatten
wir schnurstracks dem Onkel hinter
mit denen wir triumphirend an Fräu
lein Frisch's Hause vorbeizogen. Sie
sagte nichts, aber ein so trauriger
dings bald, und schon am selben Abend
wollte ich mir die Düte wieder suchen,
aber ein tüchtiger Gewitterregen hatte
den Zucker fortgeschwemmt und mir
nur das leere, schmutzige Papier übrig
gelassen. Ich machte ein« Faust nach
Gefühl, als ob sie nun auch meine
„Antipazie" sei.
Eines Tages kam Onkel Gottlieb
sehr aufgeregt von seinem Spazier
gang zurück.
Na nu is der Kram fertig, nu hat
se sogar 'ne Katze," sagte er voller
Verachtung.
Wir wußten sofort, wer „se" war.
„Die Katze hat Fräulein Frisch
schon lange," berichtete ich, „sie hat sie
„Das war sehr naseweis von dir,"
erwiderte Onkel Gottlieb, „und du
kannst mir dadurch in Deubels Küche
bringen. Aber die Polizei soll Unfug
nich dulden, und en Frauenzimmer
mit'n Felozepett und mit 'ner Katze,
das is en Unfug."
„Sieh, da kommt sie," rief ich und
ten". (Onkel Gottlieb war felsenfest
Niemand zu Wege."
„Speckkuchen?" fragte Onkel Gott
drüben."
So spielten denn Onkel Gottlieb
und FrLulein Frisch weiter
stellt". Es handelte sich um Erika.
Sie war solch ein zartes, blasses Per
sönchen. wurde nun von Emil ange
lernt und zu Gunsten der faulen Per
son in jeder Weise überansirenat.
Onkel Gottlieb bemerkte davon nichts,
für ihn war es selbstverständlich, daß
»Frauenzimmer" tüchtig arbeiten
Mußten, um der Welt nach seiner Mei
nung wenigstens etwas zu nützen.
Und an dieser doch gewiß sehr richtigen
Meinung erdreistete sich Fräulein
Frisch Ihn Irre zu machen. Sie hatte
von „Verantwortung" gesprochen, von
bemitleidenswerthen Geschöpfen, von
„lunggesellenwirthschast", und als
Onkel ihr wüthend zugerufen, sie solle
' sich um sich und ihr Katervieh und das
Felozepett bekümmern, hatte sie „aller
Herr" gesagt und war in'S Haus zu-
Irückgegangen. Nun war Lnkel ganz-
lich fertig mit „der da drüben."
Eines Tages holte mich Erika ganz
verstört zu sich. Onkel Gottlieb war
bös gefallen und hatte den Arm gebro
chen. Er lag geschient und verbunden
In seinem ungemllthlichen, finsteren
Schlafzimmer, denn unter „Emils"
Leitung kamen nur dunkle Borhänge
an die Fenster, und Erika wußte nicht
aus noch ein mit ihrer schwachen Kraft,
denn „Emil" hatte sich gleichfalls In
ihre Kemenate zurückgezogen, lag zu
Bett, fiebert« und phantasirte in der
schönsten Influenza herum. Onkel
Gottlieb ahnte davon nichts, der Arzt
hatt« jede Aufregung für ihn verboten,
und so quälte sich Klein-Erika mit der
Hausarbeit und dem Kochen ab, wobei
Ich ihr nicht einmal helfen durfte, denn
Onkel Gottlieb erklärte einfach: „Du
liest mich vor, Felix; zwei Frauenzim
mer sind genug In der Küchel Ich las
so leierig und langsam wie nur mög
lich, und aus diesem Grunde schlief
Onkel Gottlieb bald ein.
Als ich leise sein Zimmer verließ
und in's Wohnstübchen kam, bot sich
mir ein eigener Anblick.
Erika saß auf dem Sopha und hatte
ihr zartes Köpfchen an Fräulein
Frischs Schulter geschmiegt.
Dann folgte eine lange Berathung
zwischen uns dreien, tiefes Stillschwei
eine köstliche Zeit für Erika, für
„Emil" und für Onkel Gottlieb.
„Hätt nicht gedacht, was in dem
Emil steckt," sagte Gottlieb jeden Tag,
„so wunderschön hat se nie gekocht und
Immer meine Leibessen. Ich werd'
mir sehr bedenken, ob ich se gehen
lasse."
Daß sie sich niemals blicken ließ,
rechnete er ihr besonders hoch an, denn
ihre äußere Erscheinung muthete ihn
weniger an, als ihr plötzlich erwachtes
riesiges Kochkunsttalent. Als aber ei
nes Tages gar ein duftender Speck
kuchen zu ihm herausgetragen wurde,
genau wie „Muttern ihrer", da liefen
Onlel Gottlieb die hellen Thränen
über die Backen, und er schickte „Emil"
einen Thaler. „Emil" war immer
noch sehr krank, und als noch eine
Lungenentzündung hinzukam, schaff
ten wir sie trotz ihres Sträubens in's
Krankenhaus und entlasteten Fräulein
Frisch und Erika von der Riesenarbeit,
welche die Pflege der beiden Kranken
beanspruchte. Erika gedieh sichtlich
unter dem neuen Regiment. Ihre
Bäckchen rundeten sich, die ganze Ge
stalt straffte sich. Mit inniger Dank
barkeit nahm sie Fräulein Frisch's
liebevolle Fürsorge entgegen und dachte
mit Schrecken an den Tag, der „Emil"
wiederbringen sollte. Und der Tag
kam, an dem Onkel und „Emil" wie
der gesund auf der Bildsläch« erschie
nen. „Emil" hatte sich gern zum
Schweigen verpflichten lassen und
ruhte sich nun auf Fräulein Frisch's
Lorbeeren aus. Als Onkel Gottlleb
zum ersten Mal wieder seine „Antipa
zie" am Fenster sah, sagte er ingrim
mig: „Das war mal 'ne rechte Erho
lung, dies Frauenzimmer fünf Wochen
lang nicht zu sehen!"
Um zu prüfen, ob sein Arm die
ganze Kraft wiederbekommen hatte,
nahm Onkel Gottlieb nach ein paar
Tagen die Flinte zur Hand, stellte sich
an sein Schlafstubenfenster, um von
dort aus den überhand nehmenden
Spatzen in seinem Obstgarten den
Garaus zu machen. Hei, wie sich'S
die lecken Diebe in dem Kirschbaum
bequem machten! Onkel gerieth in
helle Wuth und schoß blindlings in
den Schwärm hinein. Da ein
Klagelaut, fast wie das Wimmern ei
nes kleinen Kindes klang es, die Spa
tzen flogen mit Geschwirr auf, und ein
weißes Körperchen lag todt auf dem
grünen Rasen, Fräulein
Erdmuthes Angorakatze. Erika sing
laut an zu weinen, als sie das Unzlück
sah, ich selbst war ganz furchtbar em
pört über Onkel Gottlieb, denn ich
konnte mir's nicht denken, daß es un
absichtlich geschehen sein sollte. AIS
ich aber sein blasse? Gesicht sah, in dem
die kleinen, gutmüthigen Augen bald
auf die todte Katze, bald uns furchtsam
anstarrten, und er Immer wieder rief:
nicht," da wurde ich von Mitleid er
füll! und versprach ihm. das Thier zu
Fräulein Frisch zu bringen und ihr
die Wahrheit zu Aber das
Als ich zu Onkel zurückkam, fand ich
ihn in schrecklichster Verfassung. Er
durch Erika erfahren, was Fräu
aber sie sah an ihm vorbei, als ob er
Lust wäre. Sein wiederholtes Klin«
geln an ihrer Hausthür blieb unbeach
eine weiße Angorakatze, die er Fräu
lein -krisch bei dem ersten versöhnlichen
Augenblick Ihrerseits schenken wollte,
wozu freilich keine Aussicht vorhanden
war. Eines Tages winkte er mir ge
heimnlßvoll zu.
„Felix", sagte er, „du bist von allen
Frauenzimmern noch der vernünftigste
Kerl, ich muß dich was anvertrauen.
Es wurmt mich, daß ich der Anti —,
ich meine Fräulein Frisch, nich danken
kann sor allens, und mir nich „trank
schiren" kann mit die Katze, aber das
Fräulein hält nicht Stand. Und des
halb mußt du mich helfen, daß ich
„felozipetten" lerne."
„Onkel Gottlieb du???'
„Berstaune dir ein anner Mal,"
sagte er hastig, „jetzt mußt mich helfen.
Du mußt mich euren „langen Tenne
platz" borgen zum Lernen."
Onkel Gottliebs Entschluß stand
eisern fest; er griff tief in seinen
Säckel und ließ sich ein Rad kommen,
Papas Bursche unterwies ihn in der
Radfahrkunst. Und siehe da, es
wurde! Langsam, aber sicher! Als
Fräulein Frisch das nächste Mal zur
Försterei fuhr, folgte ihr Onkel Gott
lieb In einiger Entfernung. Freilich
kam er hinkend wieder heim, sein Rad
hatte ein paar Speichen verbogen,
während die Laufdecke einen klaffenden
Riß aufwies und der Schlauch vor
Luftmangel quietschte, aber nach weni
gen Tagen folgte Onkel unterwegs
wieder dem grauen Lodenkleid, und
diesmal zeigte er bei der Rückkehr fast
triumphirend seinen verbundenen Kopf
und sagte: „Das hat Fräulein Frisch
gethan, se is sehr nitt und vernünftig,
es is mich unbegreiflich, wie se dabei
'n Frauenzimmer sein kann."
In den Kasseeschlachten unseres
Städtchens wurde viel über die ge
meinsamen Radfahrten der beiden
Todfeind« verhandelt; Onkel Gottlieb
kam dabei am schlechtesten weg, aber
auch Fräulein Frisch verlor viel von
ihren Sympathien. Aber auf Erikas
zartem Gesichtchen lag jetzt ein strah
lendes Lächeln; „Emil" hatte die Kiin-
Nun wollte ich auch einmal wieder
FrLulein Frisch „guten Tag'
Putzgeschäft verkaufen, um sich zu
„verändern." Leise klinkte ich die
Thür zu ihrem Zimmer auf, vor mir
sprang noch die Angorakatze hinein
und mit einem mächtigen Satze auf
das Sopha. Mit einem Schrei fuhr
ich zurück und schlug die Thür wieder
zu.
„Was hast du?" fragte Erika, die
mir nachgekommen war.
„Ach du liebe Zeit da drinnen
ist Onlel Gottlieb, und sitzt mit seinen
sämmtlichen „Antipazien" auf einem
Hllmpel zusammen, und ich glaub'
er küßt sie."
Ausgestoßen.
Ocean durchschneidende Ruckenflosse
eines Hais; sonst Stille und Ruhe
über Wasser und Land.
Strande zu und setzt sich auf ein ab
geschwemmtes Stück Wrackholz. Be
kleidet ist er nur mit Hose und Hem^,
Vor vier Jahren hat der Mann den
Boden Australiens betreten. Das
Glück hat er gesucht in den Colonien,
fellschaft, In deren Mitte er zuletzt g:-
Die Gedanken des Ausgestoßen«»
schweifen in die Vergangenheit, weit
weg über Land und Meer. Vor sei
nem geistigen Auge taucht das schmu
cke, von Epheu übersponnene Häuschen
Geschwistern gespielt, die Galsblatt
laude an der Hecke und
angelegt, die Luft ist geschwängert mit
dem süßen Dust des Flieders. Bie
nen und Hummeln summen, Schmet-
Musikanten trommeln und
flöten um die Wette. Freundlich der
herumtollenden Kinderschaar zulä
thüre die Mutter.
Das Bild zerrinnt, und „Mutter!
O, ineine Mutter!" stöhnt der Un-
Und Klara, seine Braut; wie hosf
nungsfreudlg hat er Abschied von ihr
genommen. Ein Jahr oder zwei, dann
sollte das Nest ausgefüttert sein für
den jungen Ehestand. Aber nichts
wollte ihm gelingen, er durfte die Ge
liebte nicht rufen. In Sehnsucht nach
Ihm hat sie sich verzehrt drei Jahre
lang, dann Ist sie gestorben; unter den
ihm die Vorboten des Aussatzes an
klopften. Wenige Wochen später ist
mit flüssigem Golde Übergossen gli
tzert das Meer.
Unter den Horizont sinkt die gluth
rothe Scheibe, im Scheiden Alles in
Purpur tauchend und verklärend. Die
Nacht bricht herein. „Auch heute
wieder vergebens geharrt!"
Woochen die Verbannte mit dem zum
Leben Nothwendigsten versorgt. Auch
ein Pack Zeitungen und Bücher wird
frischer Halm schießt auf, den nack
ten Boden zu bekleiden, auf dem die
Schatten der Eukalypten sich hart und
scharf abheben.
Der Dürre folgt die Regenperlode:
Gras und allerlei Gerank- wuchert !n
blüthenreicher Ueppigkeit höher und
höher, rings um die Zelte herum, an
die kleine Insel in ihren Grundfesten
erzittert. Zuckende Blitze, wild bran
dende, schaumschleudernde Wogen.
All' das kommt und geht mit dem
Wechsel der Jahreszeiten, anderen
Wechsel gibt es nicht. Jahr reiht sich
an Jahr; den beiden aus der Gesell
schaft ihrer Mitmenschen Ausgestoße
lien kann nur der Tod Erlösung drin
gen von körperlicher und seelischer
Qual.
Grostmntters Truhe.
„Das sind Frllhlingsstürme, Kind
die gehen vorüber. Wer wird um
keit."
Hand reichend, die er zärtlich an seine
Lippen führt.
„Großpapa schlägt Dir nie eine
Bitte ab —"
„Ist das denn thöricht, wenn ich eine
harmlose Gesellschaft besuchen will?"
„An sich nicht nur, weil Dein
ten." .
„Wer hat diese Einigkeit denn zuerst
gestört?" fährt Frau Edith heftig auf.
„Er oder ich? Er doch, von
genden Tagen früher aufstehen wollte.
Wai mich so namenlos unglücklich
macht, das ist ja auch nicht der Verzicht
auf das Vergnügen, sonders Walters
Lieblosigkeit, die mich dazu zwingt.^
zen.
„Könnte er Dir nicht mit dem.glei
chen Recht Lieblosigkeit vorwerfen, weil
Du ihn, den schwer arbeitenden Mann,
um seinen Morgenschlaf verkürzen und
z» Ausgaben nöthigen willst, die ihm
schwer fallen?" fragt der Großvater
T>'ch Ed th l ßt den Einwand nicht
„Für seinen Club hat er immer Zeit
und Geld. Es kränkt mich ohnehin
genug,
ter bekümmert, „tver wird in der
Ehe um Liebe rechten? Was man sich
gegenseitig zu Liebe thut, das sind
keine Opfer. Aber —" fährt sie fort
»wir wollen den Gegenstand jetzt
einer Sophaecke sitzend, die leiden
schaftslos ruhigen Gesichter etwas zur
Seite geneigt haben, mit einer Mi
schung von Rührung und Neid. „Die
Haben's gut!" denkt sie, „die wissen
nichts von solchen Stürmen, wie sie
mein Leben durchtoben. „Frllhlings
stürme" nennt sie die Großmutter.
Welcher Unsinn! Wenn sie recht hätte,
müßte es ja später besser werden; aber
ich weiß sicher, es wird immer schlim
mer in unserer Ehe werden. Kann ja
ich bin doch schrecklich unglücklich!"
Sie ist nicht im Stande, ihre Ge
danken auf das Buch zu richten, das
sie in ihrer Hand hält, sie sind zu er
füllt von ihrem Unglück. Um sich zu
ters Schliisselkorb einen alten wunder
lich verschnörkelten Schlüssel, der zu
einer schönen geschnitzten Eichentruhe
Hand Erinnerungszeichen aufbewahrt
und schleicht damit leise hinaus.
Großmutter hat der Enkelin zwar noch
nen, wenn sie ihr später ihre Eigen
mächtigkeit beichtet. Vielleicht findet
sie auch unter den alten Sachen irgend
diesem Fall braucht sie das Geld nicht,
Ein leichter Modergeruch, vermischt
sie den Deckel der Truhe aufhebt. Ein
liegt obenauf. Daneben ein zerbroche
ner Fächer! Wessen Hände mögen es
gewesen sein, die die beiden Dinge einst
zerstörten? Großmutters kühle, weiche
doch sicher nicht.
Wie Edith noch über dem Räthsel
nachgrübelt, fällt Ihr, zwischen verblaß
ten Bändern, Spitzen und anderem
Frauentand ein kleines Büchlein auf,
der Art, wie man es ehedem als
Stammbuch oder Poesiealbum be
nutzte. Mechanisch schlägt die junge
Frau die Blätter auf. H-rzensergie
ßuligen und Gedichte von der Hand
wahrscheinlich längst Verstorbener, da
zwischen sentimentale Bildchen, mit
Aquarellfarben gemalt! Auf der letz
ten Seite des Buches aber ja, was
ist das? Diese wild leidenschaftlichen,
aber ach, so ungeschickten Verse, in
denen von verlorenem Glück, betroge
nem Herzen, von dem Wunsch sterben
zu wollen, die Rede ist, zeigen ja Groß
mutters Schriftzüge. Einzelne der
Worte sind, wie von Thränen ver
löscht. Und unter den Versen, ganz
tief in der rechten Ecke, was steht da.
mit Großvaters kleinen, feinen Buch
staben geschrieben? „Die Liebe trägt
Alles, die Liebe duldet Alles die
Liebe hört nimmer auf." Daneben ist
eine gepreßte Dijonrose ausgeklebt.
Leise, behutsam, andächtig fast, legt
Edith das Büchlein an seinen frühe
ren Platz und schließt die Truhe.
Dann geht sie auf sachten Sohlen in's
Wohnzimmer zurück, wo Großmutter
und Großvater noch immer in ihren
Sofaecken sitzen und friedlich schlum
mern. Nie, nie sollen sie erfahren, daß
die Enkelin an ihren Heiligthüinern ge
rührt hat. Edith kennt die Geschichte
nicht, die dem zerrissenen Rosenlranz
und dem, was auf der letzten Seite
des alten Stammbuches geschrieben ist,
zu Grunde liegt, aber sie braucht sie
auch nicht zu kennen. Das Eine, das
zu wissen ihr Noth thut, hat sie sie ge
lehrt daß es in Großvaters und
Großmutters Ehe auch Frühlings
stürme gegeben hat, die die Liebe, die
nimmer aufhört, schweigen hieß ...
Di« drett g«»ra<N« Mark.
Unterofficiers nicht entging. „Ich will
Ihnen was sagen, Einjähriger," be
merkte er endlich, indem er ein Mark
stück aus der Tasche zog und es de n
Einjährigen zwischen die Kniee drück!?,
Sie dann das Geldstück nicht mehr
zwischen den Knieep haben!" Der un
glückliche Einjährige merkte bald, daß
er es in dieser Stellung nicht eine Mi
nute aushalten würde. Was thun? Er
überlegte rasch, wie er dem drohenden
wie glücklichen Gedanken: Er hob das
Markstück, das zu Boden gefallen war,
nach Ablauf der Frist von S Minuten
sich s«W^G«sicht^"/r"hatte statt
Markstücks das Zweimarkstück vorge
funden. Schmunzelnd bemerkte er mit
freundlichem Augenzwinkern: „Na,
sehn Sie, Einjähriger, das haben Sie
ja ganz hübsch breit gedrückt."
Boshaft. Fräulein (Ihre
Schublade auskramend): Diese Locke
von einem Leutnant Besuch: Sa
gen Sie mal, Ihr Vater war wohl
Friseur?
Die Kreude am Bös«».
Bekanntlich gibt es Menschen, die
das Böse nur aus Lust amßösen thun.
Nicht irgend ein Vortheil lockt sie, son
dern die Freude an der Uebelthat. Es
gibt teinen größeren Genuß für sie, als
die Leiden, die sie einem Anderen zu
fügen können. Aber nicht von dieser
Schande der Menschheit soll hier die
Rede sein, sondern von jenen psycholo
gisch weit interessanteren Kiinstlerna
turen, die nur an der menschlichen
Schlechtigkeit Freude zu haben schei
nen. Es gibt Schauspieler, die nur
.Bösewichter" spielen können, Dichter,
welche die Greuelthaten der Wirklich
keit in ihren Werken noch übertrum
pfen, Maler, die ihren Ruhm nur der
Darstellung von Gesindel oder von
Abscheulichkeiten der fürchterlichsten
Art verdanken. Es liegt für Denjeni»
gen, der mit den der
Wesen sein, um seine Landschaften voll
Prüft man das Leben solcher Künstler»
dem Inhalt ihrer Werke steht. Jaques
künstlerischen Production durch
Haß der Schlechtigkeit aufgestachelt
ihre „Freudc am Bösen" ist in Wirk
lichkeit die Leidenschaft, dieses Böse in
all' seine Schlupfwinkel zu verfolgen.
Sie sind eine Art höherer Polizeibeam«
ter. Einen sehr werthvollen Beleg für
diese Ansicht bietet ein Brief, den der
berühmte Schauspieler Seydelmanir
an den Berliner Schriftsteller Glas
brenner schrieb. In diesem Briefe
spricht er schon von der Möglichkeit sei
nes baldigen Endes und fährt dann
fort: „Machen Sie sich also gefaßt dar
auf, bald zu lesen: Seydelmann ist
todt. Nur den Jago möcht' ich noch
mir lebt, so werd' ich noch einmal von
Nutzen sein, so nützlich wtnigstens, als
ein Bericht in der Berliner Spitzbuben«
zeitung. Woher nur immer mein
Ivahrer Appetit, die Nachtseite unserer
liebe» Natur an's Licht zu führen?
Können Sie mir das zum Abschied sa
gen? Bitte, thun S« es! Ich habe
während meines 26jährigen „Lebens
in dem Bilde des Lebens" große Worte
großer Männer, die ich gespielt, mit
stolzerfüllter Seele nachgesprochen. Ich
liebte mich und alle Welt, wenn ich
den Ausbund aller Liebenswürdigkeit
und Menschenweisheit, Lessing's ju
gendlichen Nathan, in mir aufnahm?
mit dem Lustigen und war verliebt in
jedes Alter und in allen Farben; aber
nur, wenn es der Sünde galt, der offe
nen und verkappten, fühlte ich jede
Kraft des Lebens In mir wach; mein
ganzes Wesen stellte sich zum künstle
rischen, bittersüßen Kampf mit der lie
ben Welt. Der Gleisner« das schlau
verdeckte Innere herauszudrehen, dem
Macht, durch Unfecht Recht durch
Lasterhaftigkeit tjis Gute fördern, daS
Alles thun zu dürfen auf dem Wege
schöner Wahrheit der Kunst: Da»
war meines Lebens Glück und der
Jahre!"
Nette Aussichten. Nesse:
Lieber Onkel, Ich habe mich entschlos
sen. umzusatteln und die juristischen
Studien aufzugeben. Onkel: Und
welchen Beruf hast Du Dir gewählt?
Nesse: Ich will Musik studiren. On-
Iel: Na, In Gottes Namen! Aber eines
sage ich Dir gleich, Franz, auf meinen
kok kommst Du mir nicht!
Frely. Richter: „Sie sind an
geklagt, widerrechtlich ausgezogen und
Ihrem Wirth die Miethe schuldig ge
blieben zu sein. Sie sind nun von dem
Kläger gemahnt und haben ihm eine
schallende Ohrfeig« versetzt, Ist das
richtig?" Angeklagter: „Ja, Herr
Amtsrichter." Richter: „Aber, wie
kamen Sie dazu, dem Kläger eineOhr
seige zu geben?" Angeklagter: „Ich
war ihm die Miethe schuldig geblieben,
nun wollt« ich ihm nicht auch noch die
Antwort vorenthalten!"
Mancher hat alle Ursache, seine
Brust zu pflegen; denn sie ist
schwach!