Scranton Wochenblatt. (Scranton, Pa.) 1865-1918, April 17, 1902, Page 2, Image 2

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    2 - Die Brüder Ungleich.
Eigentlich hießen sie anderes, aber
alle näheren Bekannten nannten sie
nur die Brüder Ungleich. Man konnte
sich auch keine größeren Gegensätze den
ier, nicht nur äußerlich, sondern auch
ih er ganzen Bildung und Veranla
gung nach. Hans hatte als Erstgebo
rener das Fett einer glänzenden Le
benslage mit abschöpfen helfen, und
Robert war ein Spätling, der im har
ten Kampfe ums Dasein groß gewor
den war. D«r Aelteste war ein soge
nannter forscher Kerl, der als frühe
rer Officier den Leichtsinn, der ihn um
die Ecke ««bracht hatte, immer noch wie
»in hübsches Andenken mit sich herum
trug. das zeitweilig der Auffrischung
bedürfe, und der Jüngste war gesell
schaftlich unbeholfen und zurückhal
tend. mehr intelligent, als geistspru-
vierzehn Jahre alt hatte er
die Realschule verlassen müssen, um
auf eigenen Füßen zu stehen. Er kam
in <ine Fabrik, wo er von der Plke auf
begann und bald das Vertrauen semes
«Hess derartig genoß, daß er mit vier
vndzwanzig Jahren kaum zu entbehren
war. War der Chef der Konig. der.
schon alt und kränklich, nur noch mit
«Uten Rathschlägen dienen so
war sein junger Vertrauter gleichsam
der Regent, der über dreihundert Ar
beiter herrschte und straff die Zuge,
führte, ohne jedoch die Peitsche zu ge
brauchen. ,
So lagen die Verhältnisse schon, als
Hans n>Ä flotter- Lieutenant in einer
Provinzgarnison war und den väter
lichen Zuschuß eigentlich nur als ein«
Ermunterung zum Schuldenmachen
ietrachtete. Lang« verheimlichte man
ihm di« v«ränd«rtt Lage. Wenn alles
bergab ging, sollte wenigstens der „Fa
milienstolz" oben bleiben. Der Vater,
der als Rentier gelebt hatt« und Über
Nacht glücklicher Besitzer völlig werth
loser Aktien geworden war, die zum
Austapezieren «iner ganzen Wohnung
gereicht htitten. nahm «inen kleinen
Verwalterposten an. wozu «r der letz
ten tausend Mark als Caution bedurf
te. Damals war auch noch eine unver
heirathete Tochter im Hause, die ein«
Stellung annahm und wacker mithalf,
damit dai Familienschiff noch schwim
wen könne, obenauf der älteste als Ka
pitän, dem aber strenge Ordre »theil,
würd«, das Schuldenmachen gefälligst
,u lassen. Den Zuschuß knappste man
sich noch glücklich ab.
Dann aber, als die Zustände nicht
mehr verschleiert werden konnten, kam
die Windung zum Schlimmsten. Der
Hamilienstol'z siel, nahe vor dem ..Pre
mier". Seine Tragik wurde dadurch
noch erhöht. .
Drei Tage lang lief der Alte im
großen Berlin herum, um Geld für
den Wechsel aufzutreiben. Die Mut
ter jammerte, die Tochter that dasselbe
und selbst Robert war schon verstänwz
len ersten Male in seinem Le
ben sah er di« Eltern weinen. Aber
«S half alles nichts. Und als der Alte
in hellster Verzweiflung schon daran
dachte, die Caution zu verkündigen,
um dem Gläubiger wenigstens seinen
guten Willen zu zeigen, hätte er selbst
auch dadurch seinen Posten verloren,
war es zu spät. D«r Oberst hatte be
reits Kenntniß erhalten, und der Ab
schied erfolgte.
Kaum ein Jahr lang hatte man die
ses soziale Versteckspiel treib«n können,
und just um di« Zeit hielt Hans sei
nen Einzug in Berlin, wo er gewöhn
lich seinen jährlichen Urlaub auszunu
tzen pflegte. Es gab Vorwürfe von
beiden Seiten, Weibergeschrei und
schließlich dumpfes Verzichtleisten auf
alles, was war und hätte sein können.
So waren die Jahre vergangen. Die
Alten hatten das Zeitliche gesegnet,
und auch °die Schwester, die noch glück
lich Frau geworden war, hatte ein
Kindbettfieber nicht überstehen können.
Nur die Brüder waren allein zurückge
blieben, der Jüngere als ein« stark«
Natur gestählt zu jedem Kampf, der
Aeltere als der alte Schwächling, der
im Schiffbruch seinesLebens schwamm
und sich von ben Wellen ruhig forttrei
ben ließ, ohne jemals die Kraft zu fin
den, dagegen anzukämpfen.
Er hatte Verschiedenes versucht, sich
ehrlich durchzuschlagen. Hintereinan
der war er Privatsekretär, Versiche
rungsbeamter und Angestellter bei ei
nem Officier - Verein g«w«sen, aber
die Rechnung gemacht. Immer, wenn
«r recht fest im Sattel zu sitzen glaub
te. trieb sein Leichtsinn ihn in daS
Nachtleben Berlins. Er wurde riick
lässigte die Pflichten seiner Stellung.
So führte er die unglückliche Existenz
eines Mensch«n, d«r weder schlecht noch
unredlich ist, der vom besten Willen
beseelt ist, der ab«r jedesmal seiner un-
Tragödie hieß: Verfehltes Leben.
Vielleicht hätte er aber alle diese
Dinge überwunden, w«nn er nicht die
Güte seines Bruders im Hintertreffen
gehabt hätte, auf die er sich unter allen
Umständen verlassen konnte. Je gefe
stigter die soziale Lage Roberts wurde,
je loser und haltloser wurde die des
anderen« Der Jünger« war ein fana
tisch«! Verehrer des Aelteren, liebte
ihn über die Maßen und verzieh' ihm
alle Schwächen, wie man sie einem hö
heren Wesen verzeiht, zu dem man seit
frühester Jugend gewöhnt ist, empor
zublicken. Er wußte, daß dieser hüb
sche Kerl die Hoffnung seines Vaters,
der Liebling seiner Mutter und das'
Vorbild unerreichter Schn«idigk«it ge
wesen, und so hielt er es für ganz
selbstverständlich, w«nn er all«S mit
th«il«n inüss«, um dadurch zugleich
che» Umständen dasselbe gethai« hätte»
wie er.
Dritten Personen gegenüber sprach
„Herrn Bruder". Wollte er di« Wir
kung noch verstärk«!!, so s«tzt« er noch
das Wort ~Osfici«r" hin. wodurch er
sich gleichsam selbst gesellschaftlich ge
hoben fühlte. Daß der alte Glanz be
reits vorüber war, genirte ihn nicht
rechnullgen und kam auch für seinen
Leb«nsunt«rhalt auf, sobald HanS
wieder einmal d«r Lage war, „in
Es war ganz natürlich, daß diese
Stellungslosigkeit in dem Maße häu
figer wurde, je andauernder Robert
der Aeltere immer mehr Neigung zeig
te. sich dem süßen Nichtsthun hinzuge
ben und den Gentl«man zu spielen, der
lich nur «rwacht, um sich wieder von
der Anwesenheit Berlins zu überzeu
gen.
An dieses Dasein hatte sich der Jün
men Dieners spielte. Da der eine be
reits Mittags Appetit hatte, während
«r bei dem anderen sich erst viel-später
zusammen, sah sich vielmehr nur des
Abenbs, wo dann Bachus reichlich«
Opfer gebracht wurd«n.
Wenn Robert ging, blieb HanS noch
sitzen. Der Jüngere hatte eben Auf-
Ein«S TageS wurde er zu seinem
Chef inS Privatcomptoir gebeten. Herr
Clemens war ein alter, würdiger Herr,
d«r als «elk-m»6s m»n feine be
stimmten Ansichten vom Leben hatte,
die er gern auch von anderen erwarte
te, denen er fein unbedingtes Ver
trauen geschenkt hatte. „Hören Sie,
lieber Freund, ich hab« ein ernstes
Wort mit Ihnen zu reden," begann er
ohne Umschweife. „Mir ist da etwas
zu Ohr«n gekommen. WaS mir nicht
behagt. Mit Ihrer Solidität scheint'S
zu wackeln. Sie haben in letzter Z«it
sehr häufig Vorschuß genommen, und
gestern haben Si« sich sogar Ihr gan
zes Monatsgehalt vorauszahlen lassen.
DaS war doch früher nicht."
ES verhielt sich allerdings so. Der
Aelter«, d«r in «inen Kreis von Sport
sleuten gerathen war, hatte sich wieder
hinreißen lassen, zu spielen und für ei
nige verlorene hundert Mark sein Eh
renwort verpfändet, das er an einem
bestirnten Tage einzulösen hatte. Zwar
hatte der Jüngere ihm sanfte Vorwür
fe gemacht, sich dann aber von der
Nothwendigkeit überzeugt, daß sofort
Rath geschafft werden müsse. Als
Belohnung erhielt er dai Verspre
chen, nicht mehr durch «inen ähnlichen
Leichtsinn in Mitleidenschaft gezogen
zu ttxrden.
.Mein Herr Bruder —", brachte
Robert verlegen hervor, ohne vor Er
regung gleich fortfahren zu können.
.Ich weiß schon, ich weiß schon",
siel ihm Clemens ins Wort. .Das ist
sich aus brüderlich«! Liebe für ihn auf,
aber ich muß gestehen, daß das ganz
verkehrt von Ihnen ist. Sie protegi
ren seinen Leichtsinn, ja, das thun
Sie. Sie verwöhnen ihn, bestärken
ihn gewissermaßen in d«m Glaube»,
daß es so sein müsse und nicht anders.
Und das ist «in gefährlicher Commu
nismus, den man selbst nicht im klei
nen b«tr«iben soll."
mehr warnen als anklagen möchte.
.WaS soll er thun?" wandt« Robert
verlegen ein. „Er war Officier mit
Beruf hat er nicht. Die Schuld trefft
.Ehret Ihre brüderlich« Anschau
ung. Aber Ihre Ansicht als Kaus
das allein den Ausgleich Wer
die Waare über den Werth bezahlt,
handelt unbesonnen und muß schließ
dieseni Wege befinden Sie sich. Ich
versteh« Sie nicht. Sie haben des Le
bens Grausamkeit frühzeitig kennen
gelernt, und gerade Sie wissen, was
die Arveit bedeutet. Das hat mich zu
Ihnen hingezogen, das gerade war der
Prinzipien. Lassen Sie Ihren Bru-
Roberk schoß das Blut in die Wan
«traße kehren. sagte er dann arger
Clemens lachte. Es war dai La
chen des D«in^krat«^,,
schied." Stand«Sun -
Roberts A«rger stieg dadurch noch.
„Habe ich Ahr Vertrauen schon gemiß
braucht, Herr Clemens?" fragte er
herausfordernd, auf den „gelockerten
Kitt" eingehend.
„Noch nicht", erwiderte der Alte ru
hig, „aber ich möchte dieser Möglichkeit
beizeiten vorbeugen, mein junger
Freund. Sie wären nicht der erste,
den falscher Idealismus in die Tiefe
geführt hätte. Glauben Sie denn, daß
Ihr Bruder ebenso handeln würd« an
Ihnen, wie Sie an ihm. wenn daS
Verhältniß «in umgekehrtes wäre?"
„Sicher. Er wäre nicht fähig. Ver
rath an mir zu üb«n."
Clemens lacht« abermals, diesmal
wie «in überlegen«! Menschenkenner,
der seine Weltanschauung immer bereit
in seiner Westentasche hat. Sie schieden
wie Vater und Sohn, die zwar in
Meinungsverschiedenheiten gerathen
sind, dabei aber nur von den besten
Absichten geleitet wurden.
Gleich darauf er«ignete sich ein be
sonderer Fall. Clemens lud seinen
Geschäftsführer jetzt öfters als sonst zu
sich in fein Haus. Er wollte ihn mehr
an die Familie fesseln, ihn gleichsam
dadurch dem gefährlichen, nächtlichen
Umgang mit seinem Bruder entfrem
den. Ein bestimmter Egoismus lag
diesem Entschlüsse zu Grunde. Wie
der andauernd Kranke befürchtet, sein
treuer Wärter könnte ihn verlassen, so
scheute er die Stunde, wo dieser wacke
re Mitarbeiter sich von ihm hätte tren
nen können. Er hatte auch sonst Gro
ßes mit ihm vor. was bei rechtschaffe
nen Kaufleuten, die neben ihrem Her
zenszug den Vortheil nicht vergessen,
nichts Seltene» ist.
Bald hieß «S im Geschäft und unter
den Intimen deS HauseS, Clemens
werde bald «inen Schwiegersohn be
kommen. W«r «S sein sollte, war nicht
zu schwer zu errathen. In der That
schienen sich Alice, die emzig« Tochter,
und Robert schnell gefunden zu haben,
wie immer in ähnlichen Fäll«n, wo ein
Pärchen fast mit Gewalt zusammenge
trieben wird und untel diesem Ein
fluß kaum zui Besinnung kommt.
Die gegenseitigen Chancen wogen
sich auch auf. Hier ein zwar reiches,
aber kluges und nicht mehr ganz jun
ges Mädchen, di« auf besondere Schön
heit keinen Anspruch machen durfte,
und dort die Intelligenz und Kraft,
die Stütz« d«r Firma, denn Zukunft
nun gesichert wurde. Daß diese Stütze,
die geschäftlich sonst sehr ausrecht
stand, vielleicht unter den Pantoffel
kommen würde, hielten Vater und
Tochter nicht gerade für «inen Feh
ler. Der Puppenkopf hatt« «b«n sei
nen krausen Eigensinn, der herrsch«»
wollte.
Robert rechnete schon mit d«r That
sach«, seinem gestrandeten Bruder
Brüder blieb. Clements hatte be
merkt, daß es den zukünftigen Verlob
ten seiner Tochter zeitweilig mit Macht
in di« Gesellschaft derßachtsalter trieb,
wo der Aeltere mit Geist und Grazie
den Ton angab. Er wollte darin
Wandel schaffen. Da man nun doch
zu ihm in Verwandtschaft träte, wäre
es wohl besser, ihn gleich jetzt einmal
kennen zu lernen. Wenn b«ide schon
eine verheirathet war, würde sich das
doch von selbst ändern.
Er lud also HanS auch zu sich ein.
Und der „Schneidige" kam, sah und
siegt« ganz gegen seinen Willen.
Schon b«im Braten beherrschte er die
Situation, wi« «in groß«r Gesell
schaftsfeldherr, der sein« Worttruppen
zu leiten versteht. Und als der Sekt
im tiefsten Innern ihres Herzens geste
hen, daß die Lieb« zu d«m Jüngeren
eigentlich nur «in Borpostengefecht ge
w«f«n fei, und daß die eigentliche
Schlacht erst der Aelkre schlage, der
alle ihre Gefühle überwältigt hatte.
Wie verschieden waren doch diese bei
den Brüder! Hätte nicht der eine in
der Haut des anderen stecken können,
ihr Versprochener jener sein können
und jener dieser? Ab«r noch war ja
nichts verloren!
Und Robert saß dabei, sah das alles,
fühlte es und verspürte nichts von
Neid. Was für «in Kerl, dieser Herr
Bruder! In dem Maße, wie er nun
zurückgesetzt würd«, wuchs seine Ver
ehrung für ihn, freute er sich dieses
rein persönlichen Erfolges.
Schon nach acht Tagen erklärte
Alice ihrem Bater, sich in ihrer Nei
gung zu Robert geirrt zu haben und
keinen anderen heirathen zu wollen als
.WaS soll Ich sagen?" gab dieser ge
lassen zur Antwort. „Besser, sie hat
jetzt ihr Herz entdeckt als später." Im
Innern freut« er sich, die Wankelinü
thige entlarvt zu haben. Geliebt hatte
«r sie eigentlich ni«.
„Wer hat nun recht gehabt?" sagte
Clemens wieder. „Hat er nicht Verrath
sich und küßte ihn wi« «in großes
Kind.
« , »
erklärt hatte, daß d«r Aeltere als Ehe-
sich rasch mit einem dritten getröstet.
Robert aber ist seinem Chef nach wi«
vor unentbehrlich. „Ja. mein Herr
Bruder", sagt er wie früher. „Er ist
eben ein Kavalier."
Lcnzeöboten.
Der Lenz will kommen, der Winter
ist aus,
Schneeglöckchen läutet: Heraus! Her
aus!
H«raus ihr Schläfer aus Flur und
Heid',
ES ist nicht länger Schlafenszeit.
Und was noch schlummert im Winter
haus,
Zum Leben und W«b«n heraus, her
aus!"
singt der Dichter, wenn endlich nach
langen, trüben Tag«n die Kraft des
Winters gebrochen, wenn das weiße
Leichentuch, dos über die Erde gebrei
tet, d«m Kuß der Sonne weicht, und
der Lenz, der blondlockig« Knabe, seine
Vorboten sendet, sein Nahen zu ver
künden. Und der erste, den er uns
schickt, ist das Schneeglöckchen, jene
liebliche weiß« Blum« aus der Familie
der AmarylliS.
Im Kärthnerland« erzählt man sich
das Märchen seiner Entstehung. Weit
in die graue Vorzeit reicht sie zurück,
wußte ihn eine herzlose Kokette mit
verstieß die Geliebte und wählte statt
ihrer die Fr«md«. Aber das Glück
floh seine Schwell«, denn die Ahnfrau
Fee ergrimmt ob seiner Treulosig
k«it, stieß ein«n Fluch aus, d«r d«n
Sommer für ewige Zeiten von seiner
eben Angetraute fand so viel Zeit, die
Stätte des Unglücks zu fliehen. Un
ter der Wucht deS Schmerzes brach der
Ritter zusammen und verfi«l in
Schwermuth. D«r «h«mals so H«iß
geliebten blieb die traurig« Kunde
sie davon, ihn zu Pflegen. Aber di«
Wächter aus Schnee und Eis ver
sperrten ihr den Zutritt, und bittere
blümchen. So gelangte sie ungehin
dert an das Thor d«i Burg und sank
in die Arme des Ritters, der herbeige
eilt war, nach der Ursache des Läutens
zu forschen. In dem Augenblicke hielt
auch der Sommer wieder seinen Ein
schon auf Erd«n rächt, durst« dem
Will«n d«r F«« gemäß der Unge
treue nur während der «in«n Halste
des Jahr«S sein eheliches Glück genie
ßen. War diese Zeit verstrichen, so
der.
Ebenso wi« das Schneeglöckchen ge
hört auch das Veilchen zu den Lenzes
boten, die allerorten mit großer Freu
de begrüßt werd«n. Die Poesie d«r
verschiedensten Volker und Zeiten hat
es mit ihrem Zauber umsponnen.
Nach der ältesten Sage entsprießt das
Veilchen unter den Schritten der
Frühlingsgöttin, die nächtlich über die
Erde wandelt. Dem orientalischen
Glauben gemäß entstammt eS dagegen
aus den Freudenthränen, die der bü
ßende Adam vergoß, als ihm der Herr
durch den Erzengel MichaelGnade und
Vergebung verkünden ließ, während
die griechisch« Mythe bericht«!, daß
Apoll ein« der löblichen Töchter des
AtlaS «rfolgt« und diese in ihrer Her
zensangst d«n mächtig«» Zeus »m
Schutz anflehte. Der Götteroater er
hörte auch ihr Gebet und verwandelte
runzeligen Blättern und den schwefel
gelben Blüthen, das wir in den Früh
lingsmonaten nicht nur in den Gärten,
Auch in politischer Hinsicht spielt die
Primel «in« g«wiss« Roll«. Das war,
als im Jahre 18S6 die Conservativ«n
Englands unterßeaconfield'sFührung
mit ihr geschmückt in den Wahlkampf
zogen. Es waren zw« durch ihre
Schönheit berühmt« Frauen d«r «rsten
Gesellschaft, die Gemahlin Lord Ran
dolph Churchills und ihre Schwägerin,
die Herzogin von Marlborough, die
einen Orden der Primel mit Damen,
Rittern, Knappen und Almoseniern
stifteten, deren Aufgabt darin bestand,
Stimmen für di« Conservotiven zu
werben. Die Mitglieder dieses Of-
dens tragen als Abzeichen «in« kleine
Busennadel in der Form ein«rPriin«l.
Gute Rathschläge.
Niemand wird widersprechen, wenn
ich sage: ein guter Rathschlag ist oft
mehr werth als «in Barren Goldes.
Aber was gehört nicht alles dazu, um
«inen guten Rathschlag mit gutem Ge
wissen ertheilen zu können! Vorerst
eine ganz intim« Kenntniß, nicht bloS
der allgemeinen, sondern auch der be
sonderen Verhältnisse, für di« txr gut«
Rath bestimmt ist. Dann «ine bis
in's kleinste gehend«, richtige Beurthei
lung des Charakters, der Launen, d«r
Fähigkeiten dessen, dem man den guten
einer nicht weniger wichtigen Sache
rechnen: dem eigenen Verantwortlich
keitsgcfiihl. J«doch: w«r erwägt auch
nur einen dieser Punkte, wenn er da
ran geht, dem lieben Nächsten einen
guten Rath zu geben? In welchen
Rath gefragt! Vom Weihnachtsge
schenk an für die alte Tante bis zum
Beruf des Sohn«S; von der Torten
inifchung an bis zur Ausstattung d«r
Tochter: Rath um Roth!
Und dies giebt so interessante Ge
sprächsthemen! Man kann dabei so
recht sein Licht leuchten lassen: die ei
gene Klugheit, dai eigene Wissen, das
eigen« Vermögen und Können: kurz,
man kann dab«i so recht all« s«in« Ta
lente verausgaben. Und der Zuhö
rende, wie liebenswürdig kann er sich
stellen. Mit welcher feinen Schmeiche
lei kann er sich scheinbar unterordnen,
und mit welchtr geschickten Diplomatie
weiß er sich eventuell zu Nutze zu ma
chen, was der andere im Eifer ouS
lromt. D«nn bei «in«m guten Rath
bleibt eS selten. Es werden Beweise
und Belege dazu herangezogen; vom
hundertsten kommt man tausend
ste, und bald liegt vor dem schlauen
Zuhörer ein ganzes Leben bloß, Ge
heimnisse, die der Mund sonst ni« aus
sprechen würde, offenbaren sich im
Eifer der guten Rathschläge.
Und das ist daS g«sährlich« daran.
Es giebt Menschen, die klug und gut
zuhören können, vor deren Hellem Ur
auch in verworrenen Dingen einen kla
ren Ausweg sehen und die dennoch
schweig«», während «in trauriger
Schatten in ihre freundlichen Augen
steigt. Sie schweigen; sie holten mit
ihrem Rath zurück, während sie doch
Hilfe wissen ...
Sind sie herzloi? Nein. Im Ge
gentheil: sie sind gut, aber sie sind
durch Klugheit und Erfahrung bis
zur Weisheit und Mäßigung gekom
men. Sie wissen, daß eS nicht das-
die aber rathen, rathen, vom frühen
Morgen bis zum späten Abend. Ob
sie gefragt werden oder nicht, ob man
sie anhört oder ungeduldig abwehrt,
ob man thut, wie sie wollen, oder das
Gegentheil: sie wissen immer einen
Rath.
Man kann beim ertheilen guter
Rathschläge so recht sein Licht leuchten
lassen, so recht alle seine Klugheit, sein
Wissen, seine Erfahrung, seine Ta
lente verausgaben, und dies schmeichelt
der Eitelkeit. Die Eitelkeit ist ober
eine sehr glatte Bahn, auf der man
leicht zu Fall kommen und den ande
ren. der unserer Führung vertraut,
leicht zu Fall bringen kann. Darum
Vorsicht beim Ertheilen guter Rath
schläge!
Die Fr«« »nd der Tanz.
eine Indische Legende.
Als der große Mahodewa die Welt
geschaffen hatt«, war diese so schön
und herrlich, daß seine Seele vonEnt
zücken ersaht wurde und in seinem
Haupt« «in Gedanke auftaucht«, so
wunderbar, wie «r nur in einem Göt
terhaupte entstehen konnte.
lichen und schuf das Weib.
ES wurte «in schönes Wesen.
Verstohlen blickte die Gazelle über
Die Erde schaut« sie an. lächelte
freudig, und di« Blumen sprossen her
vor. Heiter betrachtete sie d«r Him
mel, da blitzten Gterne am Firma
ment. Di« Vög«l begannen zu fin
gen, als si« das Frautnbild bemerkt«».
Vögel.
Und Mahad«wa legte die Welt der
Frau zu Füß«n, die Welt, die bisher
ches Lager. DaS W«ss«r bot ihr ei«
um ihr« Schönheit zu betrachten,
die Luft war ihr nicht gewogen. Frei
nwhnheit zog sie bald im Wind«, bald
im rauh«n Sturm daher, ging ihre
eigenen W«ge, ohne der allgeliebten
Königin zu dienen. Launisch und
eigenwillig verfuhr der Wind mit ihr.
Bald zerzauste «r ihre Locken, in die
sie Blumen gewunden hatte, als sie
sich singend zum Strome neigt«. Bald
auch entblättert« «r di« Rosin, nach de
nen ihre zarte Hand greifen wollte.
Er bauscht« sich zum Sturm auf,
jagte die Wolken zusammen und ver
hinderte di« St«rne, sie freundlich an
zusehen. Er rauschte und tobte so
laut, lacht« so üb«rmtlthig, indem «r
alle Blätter des Waldes rüttelte, daß
er di« Li«der der Vögel übertönt«, die
zu ihrem Lob« erschallten.
Die Luft blieb unbezwungen, und
das war ein ausreichender Grund zu
Thränen.
Als di« Frau zu«rst die Neigung
zum Weinen «mpfand, da war im Pa
radiese «in r<gn«risch«r Tag. Trost
los saß die arm« kleine Frau und
weint« und weint«.
Wi« mußte sie jammern, da ihr so
viel Ungerechtigkeit widerfahren war!
Ermüdet vom Weinen, schlief sie
ein, wi« Kind«r es thun.
Und zur schlaf«nd«n Schöne kam
d«r verliebt« Mahadewa. Er wollte
ein Lächeln auf ihr« süßen Lippen
wieder zaubern und nahm die fchö
st« Gestalt an. die er sich nur denken
konnte, nämlich ihr« eigene! Er li«ß
sich vom Winde bald langsam, bald
rasch«r zu ihr tragen, bis si«, sich
selbst erblickend, lachen würde.
Und sie mußte wirklich im Schlaf«
lachen, die arme, gequälte Frau.
Die Sterne erschauten dabei die
glänzendsten Perlen, die je ein Koral
lenmund umschloß.
Mit frohem Lachen «rwacht« die
Frau.
Das. was sie im Traume gesehen,
schien ihr ungemein heiter und unter
haltend zu sein.
Sie stieg im Tanzrhythmus in die
Luft. Von der Erd« sich loslösend,
herrscht« si« plötzlich in der Luft, beim
Schein des Mondes und beim Flim
mern d«r St«rn«, di« in bunten Far
ben zu schillern anfingen.
Wie wohl fühlte si« sich als Beherr
schen d«s Aetheri!
Si« tanzt« mit d«n Luftwelkn und
freute stch ihrer neuen Kunst, di« Gott
allein sie g«lehrt hatt«.
fern«n Horizont lag ein purpurrother
Streifen und die Nebel des stillen
Thales, die sich während der Nacht zu
gespenstigen Gebilden zusammengezo
freun?liche Gestalt an, bis sie sich in
ein wogendes Meer verwandelten, aus
dem die kleineren Sträucher des Par
kes der Provinzialstadt V. neugierig
hervorguckten. Inmitten dieses Par
kes lag ein kleiner See, dessen Ufer
mit dichtem Schilf bewachsen waren.
Auf der dunkelgrünen Fluth schwam
men einige blühend« Wasserpflanzen
und aus der Tiefe des Sees tönte der
eigenthümlich«, f«rnen Glockentönei»
ähnliche Gesang der Unken.
Ein junger Mann stand am Rande
des Se«s und erzählte den Bewohnern
desselben folgend« Geschichte: „Mein
Herz ist übervoll, es ist zum Brechen.
Sie will nichts mehr von mir wissen,
sie, die mich «inst so heiß liebte und
schenkt hat. Wie rosig war der Son
nenaufgang unserer jungen Liebe, ge
nau so wie heut« in der Natur, wie
herrlich waren die Nächte, die wir in
der Laube ihres Gartens beim Zauber
licht des Vollmondes und dem anhei
melnden Gezirp d«r kleinen Gras
hupfer, di« sich in d«n Büsch«» d«s
Gartens niederg«lassen hatten, ver
brachten, und nun ist alles da
hin, sie ist mir untreu geworden; ich
kann nicht länger leben. So magst
Du denn, Du stiller See, m«in« Leiden
enden, in Deiner Tiefe will ich ruh«n,
bis einst dos Morgenroth des letzten
Tages anbricht; über meine fchw«r
mllthig«n Gedanken sollen Deine uner
gründlichen Fluthen himvegrauschen
und noch vielen Jahrhunderten klagen,
welches Elend sie in ihrer Tiefe bergen.
So leb denn wohl Du an Schönheiten
so reiche und doch so traurige Welt!"
und mit «in«m l«tzten qualvollen
Seufzer hatte sich der Jüngling mitten
in d«n S«e gestürzt.
W«nige Augenblicke später lag der
Unglücklich« auf ein«r Gartrnbank, die
sich in der Nähe des Sees befand.
des Parts und der Retter des Lebens
müden. „Mein Sohn." hub er betrübt
an. als derfelb« di« Augen öffnet« und
einige unverständliche Worte, welche
ein« «ntsernt« Ähnlichkeit mit „pfui
Teufel' hatten, über die Lippen brachte,
ganz Fremder in dieser Gegend bist,
denn sonst hättest Du Dich nicht in
diesen Wassertümpel, welcher nur n
schicke Deinen Anzug in eine chemische
Reinigungsanstalt." Mit diesen Wor
ten reichte er ihm eine Geschäftskarte
artiges Institut hatte, und schlug sich
seitwärts in di« Büsche.
Bewei». A.: „Weißt Du
schon das Neueste? Heute Nacht 'st
gen. . ." B.: „Was Du,>icht sagst!
bester Freund!" A.: .Ist er auch!"
Tie Sage vom «»«freie»» Nordpol»
Trotz aller Polarreisen und
aller gelehrten Auseinandersetzungen
hat di« Sag« von ein«m eisfreien
ten. Nach dieser Sage befindet sich
am Nordpol ein offenes, eisfreies
Meer, in dessen Schooß fich Tausende
von Fischen befinden und w«lch«s von
großen Vogelschaaren umschwärmt
wird. Mitten in diesem Meere liegt
ein« blühende Insel, umspült von war
men Wellen und von einem so milden
Wind umweht, daß die schönen Blu
men und Gesträuch«, di« auf dieser Jn-
Die Sage betrachtet dieses eisfreie
Meer als eine feststehende Thatsache.
Bäume beugten sich unter der Menge
d«r Früchte. So war und so blieb es.
bis der Herr das Land in eine groß«
dem der Erloser am Kreuze gestorben
war, predigte Johannes d«n Mensch«»
seine Lehre, aber sein ständiges Gebet:
von Land zu Land, von Ort zu Ort
flüchten, nirgends fand er Ruhe, nir
gends fand er Frieden. So nahte er
endlich Rußland. Das geschah an ei
nem Feiertag?. Und als Johannes
nun in den schönen Tempeln des Lan»
die kaum zu arbeiten brauchten,
von all'den Herrlichkeiten zu bekom
men, sich zur Schlaffheit und Genuß
d«n sie rasend auf ihn, spotteten seiner
und jagten ihn und seine Schüler ge
gen Norden weitey. Aber der Staub,
den Johannes in d«n ungastlich«» Ge
genden, welche er auf seiner Flucht
durcheilte, von den Füßen schüttelte,
verwandelte das blühende Land in ein«
Einöde. Schnee und Eis hüllten die
Erde ein und daS Land erstarrte in
ewigem Winter. Johannes flüchtete
höher und höher gegen Norden. Als
er an die Küste gekommen war, ging
er mit allen seinen Schülern an Bord
eines Schiffes, welches sie schnell von
ihren Verfolgern fort führte. Er
steuerte anhaltend nach Norden und
kein Schiff vermochte ihm zu folgen,
denn hinter ihm fror das Wasser sofort
zu Eis. die Wellen erstarrten, der
ewige Winter kam. Hoch oben am
Nordpol, auf einer wunderschönen In
sel in dem eisfreien Meer« lebt Johan
nes mit seinen Schülern noch heute.
Niemand kann zu ihm kommen, denn
undurchdringlich«? Eis umgibt daS
offtn« Wasser. Von Zeit zu Zeit
durchbricht einer der Schüler Johannes
d«n Eiswall; für ihn öffnet er sich,
und zu den Mensch«» zi«ht «r zurück,
um ihn«n das unverfälschte Evange
lium der Liebe zu predigen. Und der
Lohn dafür ist der Tod —er stirbt
verfolgt von Spott und Haß. Wenn
aber d«r letzte Johanneischüler gekom
men ist und unter den Menschen den
Tod gefunden hat, dqnn begiebt Jo
hannes sich selbst auf den Weg, um
sein« alte Lehr«: „Liebet einander!"
zu predigen. Und wenn er fll värti
zieht, bringt er ein neues Frühjahr in
die eiserstarrten Lande. Die Erde
vorsprießen, und das Land wird wie
der der gesegnete Garten, der es ein
mal war ... So lautet die russische
Hannes, welchkn d«r Herr liebte und
von d«n Jüng«rn, di« d«m Apostel
folgten. ,
Kind « rmlind. Tont« (älltre
Jungf«r): „Soll ich denn nun das
kleine Brüderchen, welches Euch der
Storch gebracht hat, mit mir fortneh
men?" Sämmtliche Kinder: »Ach ja
liebes Tantchen. Nicht wahr und da
für schenkst Du uns dann lieber «in
kleines Schw«st«rchen!"
Der Bankier KarlEl
ling von Pr«nzlau, d«r bis 1880
Makler an der B«riin«r Fondsbörse
war, wurde wegen Unterschlagung, Un
zu drei Jahren ZuchthnuS und drei
Jahren Ehrverlust vrrurtheilt.
GewoHnt. Bräutigam (nach
der Verlobung): „Liebe Elise, darf ich
Dir jetzt einen Kuß geben?" Braut
(zum dritten Male verlobt): „Ja, ich
Jochen. Ist sie noch so fromm?" „Sehr.
Herr Pastor. Jede Nacht, wan i
heimkomm', hält sie mir 'ne Predigt."
Gegenleistung. Junge
Schriftstellersgattin (die selbst geko^
gen?" .