Scranton Wochenblatt. (Scranton, Pa.) 1865-1918, December 19, 1901, Page 3, Image 3

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    Gräfin Leszek.
Roman von Heinrich Lee.
(2. Fortsetzung.)
Sie sprach den Namen aus, als
wäre Leonard nicht viel weniger als
«in Mann wie Bismarck, und nun, auf
Miskos neue Fragen, begann sie von
Leonard zu erzählen. Leonard war
ihr L«hr«r, und sie war seine Elevin.
Ihr ganze Lebensgeschichte erzählte sie.
Auch ihre Eltern waren Artisten ge
wesen. Als vierjähriges Kind hatte sie
von ihrem Vater den ersten Unterrich:
bekommen. Er zog mit seiner FaMili«
in kleinen Zeltcircussen herum, oder,
wenn er kein Engagement bekam, auf
Dörfer und Landstädtchen, wo sie von
«inem Haus, von /inem Platz zum
andern wanderten und das Honorar
für ihr« Künste mit der Mütze in Ku
pferpfennigen einsammelten. Eines
Tages, bei einem Salto über ein« Reih«
Stühle, landete d«r Vater falsch und
brach die Wirbelsäul«. Di« Mutt«r,
«in« Spanierin, von der Sisi auch ihr
Aeußeres geerbt hatte, krankte schon
lange an einem Brustleid«n und nun
war ihr« «inzige Rettung ihres Vaters
Schwester. Tante Camilla war früher
bei der Bühne gewesen, beim Ballet,
bis sie ihrer Corpulenz halber diese
Laufbahn aufgeben muhte und nach
mancherlei Abenteuern b«i «in«m
T«ntcircus ein« St«lle als Gardero
biere und schrecklich zu sagen
Aufwärterin bekam. In diesem „Ge
schäft", so drückte sich Sisi in ihrer
Erzählung aus, brachte Tante Camilla
das halbwüchsige Mädchen sammt ihrer
Mutter unter. Di« Mutter producirte
sich nur noch auf dem niedrigen
Drahtseil und als Tiroler Tänzerin,
weil sie dazu noch ein altes Costüm be
saß, das zum Liegenbleiben zu schade
gewesen wäre, bis sie eine Lungenent
zündung belam und nach wenigen Ta
gen starb.
In dieses Geschäft war ein junger
Reiter «ingetreten „i-ickvr", sagte
Sisi auf Englisch, wie sie d«nn über
haupt allerlei fremdländische Aus
brücke in ihre Rede vermengte der
Frau Camilla den Vorschlag machte,
Sisi, die bisher nur parterre gearbei
tet hatte, als Elevin auszubilden. Er
wollte nichts dafür bezahlt nehmen,
nur sollte sich Sisi dafür verpflichten,
eine bestimmte Reih« von Jahren mit
ihm in dieselben Engagements zu ge
hen. Frau Camilla ging auf diesen
Vorschlag ein. Seit drei Jahren reiste
sie nun schon mit Leonard, Sisis Aus
bildung war vollendet, und so waren
sie in diesem H«rbst zu Frankloff ge
kommen. Das war ihre Geschichte.
„Warum wohnt Herr Leonard nicht
mit Ihnen hier im Hotel?" fragte
Misko, er konnte sich von dem Ge
danken an diesem Menschen nicht los
reißen.
„Ich weiß nicht," sagte Sisi einfach
„er wohnt nie mit uns."
„Ist er gut zu Ihnen?"
Sisi machte ein nachdenkliches Ge
sicht.
„Manchmal ja manchmal aber
nicht," sagte sie.
„Und Ihre Tante? Sie hat Sie
wohl damals wegen des Armbandes
recht ausgescholten?"
Sisi lachte.
„Ja. "erwiderte sie „da hat sie
schrecklich geschimpft. Ich konnte doch
aber nichts dafür."
Misko hätte sich vielleicht sagen
können, daß die Art und Weise, in der
Sisi sich ihm in dieser Unterhaltung
enthüllte, nicht eben eine große Intelli
genz verrieth. Aber ihre Naivetät ent
zückte ihn nur.
„W«nn Ihr« Tante mich mit Ihnen
hier sähe würd« sie darüber nicht
sehr böse sein?"
„Ja. Ich soll mit keinem H»rrn re
den besonders aber wenn sie nicht
dabei ist."
„Sie wird glauben, daß Sie auf
Ihrem Zimmer sind."
„Nein." Sie schüttelte den Kopf,
und harmlos setzte sie hinzu: „Sie hat
mir befohlen, daß ich hier auf si« war
ten soll."
Frau Camilla hatt« es also geradezu
darauf angelegt, daß er Sisi einmal
all«in antraf. Sie schien sich davon et
was zu versprechin. Misko wollt« wis
sen, wo Frau Camilla hingegangen
war, und anderes. Ihr Tutu war ent
zwei, und Frau Camilla mußte ihr bis
heute Abend ein anderes machen.
Tutu was war das ? Sisi erklärte
es ihm „Tutu", so hieß der Musse
linschurz unter dem Oberkleide.
„Fräulein Sisi!" sagte Misko leise,
und sich vergessend, preßte er ihre
Hand und legte seinen Arm um sie.
„Lassen Sie mich! Lassen Sie
mich!" rief sie, und erschreckt wich sie
vor ihm hinter den Tisch zurück.
Was hatte er gethan? Wozu hatte
er sich hinreißen lassen?
In diesem Augenblicke wurde von
der Thür her wieder ein Geräusch ver
nehmlich. Es war Frau Camilla. Ob
sie hinter der Glasthür schon Zeuge der
Scene gewesen war, das mußte dahin
gestellt bleiben.
„Was machst Du denn hier wieder?"
lies sie streng, dann befahl si« Sisi
d«n Gruß MiskoS mit «in«m kalten
»Guten Tag" erwidernd ihr auf der
Stelle zu folgen.
Seit diesem Morg«n, s«it er sie mit
«inem flüchtigen Drucke an sich gepreßt,
war er in Sisi verliebt.
Aber wenn er ihr seitdrm b«g«gnete,
dann hatt« ihr Gesicht bei seinem Gruß:
etwas Scheues, fast Furchtsames.
Sie fürchtete sich vor ihm. Und seine
Verliebtheit war zur Leidenschaft ge
worden. Göppendorf hatte es durchg«-
s«tzt, daß er seit seinem Aufenthalte in
d«r Stadt sich zuweilen im Casin» oder
in der Weinstube einfand, wo di« jün
geren Officiere zum Frühstück zusam
menkamen. Die Veränderung in Misko
war ihm nicht entgangen. Abn erst,
seit MiSko sich von ihm auf die Mor-
g«nb«suche nn CtrcuS mitnehmen ließ,
war ihm alles klar. „Was geht es mich
an?" dachte Göppendorf für sich.
Auch Monsieur L«onard war manch
mal auf den Proben. Oft probirte er
mit Sisi auch zusammen. Sisi trug
dann um ihr« Hüften «in«n dicken
braunen Strick, an d«m «r sie packte
und mit ihr jonglirt«. Dabei rief «r
ihr halblaute Worte zu, Kommandos,
meist in französischer Sprach«. Denn
Monsieur L«onard war Franzose,
wenn «r sich wie die meisten ander«»
Artisten infolg« des b«ständig«n No
madenlebens seiner Nationalität auch
kaum noch b«wubt war. War er mit
Sisi in der Probe fertig, so kümmert«
er sich nicht weiter um sie. Monsi«ur
Leonard war auch noch in seinem
schäbigen Probeanzug ein hübscher
Mann, seine größte Zierde aber war
sein schöner schwarzer Schnurrbart,
und kein Morgen verging, wo nicht in
dem gläsernen Briefkasten am Büffet
im Circusrestaurant ein anonymes
otxr auch nicht anonymes Liebesbries
chen für ihn bereit lag. Auch werth
volle Manschettenknöpfe, Hemden
knöpfe, Busennadeln und andere:
Schmuck strömte ihm nicht selten zu.
Solche Gegenstände verkauft« er sofort
an «inen kleinen Agentrn, der zwischen
dem Personal imm«r herumschlich,
denn trotz seiner Schönheit galt Mon
sieur Leonard für ziemlich, ja sogar
sehr habsüchtig. Misko aber sah, daß
er weg«n Sisi nicht eifersüchtig auf ihn
zu sein brauchte. Sisi war nur ein
Zögling für ihn nichts w«iter.
Miskos Leid«nschast wuchs und
wuchs. Wi« war sie so schnell gekom
men? Er wußte «s nicht. Sie war
da. Wie eine Elementargewalt hatt:
sie von ihm Besitz ergriffen und viel
leicht um so unwiderstehlicher, weil er
für jedes weibliche Wesen bisher unzu
gänglich gewesen war. Er war jung
und unberührt, und sein Herz und
seine Sinne glichen deshalb einem
jungfräulichen Erdreich, auf dem die
Saat noch in doppelter Kraft und Uep
pigkeit emporsprießt.
Sisi besitzen! Wenn er sich also
Frau Camillas Verlangen unterwarf?
Sisi heirathen. Als zum ersten Mal
dieser Gedanke vor ihn trat, fuhr er
davor zurück. Die Leszeks gehörten
zum ältesten Adel und in diese ehr
würdig« Ahn«nreih« sollte sich eine
Kunstreiterin gesellen. Misko glaubte,
seinen Vater vor jich hintreten zu se
hen und drohend di« Hand erheben.
In der alten Weinstube an dem
Frühstücksstammtisch, an den «s Göp
pendorf gelungen wN', Misko nun
mehr zuw«ilen mitzubringen, fand sich
r«g«lmäßig auch noch ein anderer Gast
in Civil «in. Das war H«rr von Be
low. Er war nicht mehr jung, ein
schweigsamer Mensch und führte sonst
ein zurückgezogenes Jungg«sellenl«ben.
Der Kellner nannte ihn „H«rr Ritt
meister". Er war Ossicier gewesen,
und wie Misko gelegentlich von Göp
pendorf hörte, unter Verzichtleistunz
auf seine militärisch« Carriere eine
Zeit lang Schulreiter auch eine Cir
cusexistenz. Bei seinen alten Regi
mentskameraden in ungetrübtem An
denken stehend, war er später, nachdem
er in seiner so merkwürdigen neu«n
Laufbahn irgend welches Unglück ge
habt hatte, über das er aber in
seiner wenig redseligen Manier
nichts Genaues verlauten ließ, hi«r
in die entl«gene Stadt des Ostens
überg«siedelt, wo er nun schon seit
einer Reih« von Jahren in seiner
bescheidenen Weise lebte. Auch Herr
von Below gehörte zu den Circus-Ha-
nur in seiner besonderen Art.
Er verkehrt« mit den Künstlern wie mit
Seinesgleichen,und wenn es bei den
Proben einmal schwierig« Aufgab«n
gab, die in sein früheres Fach schlugen,
zum Beispiel als einmal die eben ein
getroffenen spanischen Maulthier« ein
geritten werden sollten, so sah man ihn
mit Hand anlegen «in junges, be
sonders schwi«rig«s von diesen Thieren,
das alle and«ren Reiter abgeworfen
hatte, bestieg er und brachte es so zur
Raison. Selbst Monsieur Leonarv
war mit ihm gut Freund und Sisi sah
man, da ihrer Tante «in solcher Mann
wohl nicht gefährlich schien, zutrau
lich« Worte mit ihm austauschen.
Misko fühlte sich zu Herrn von Below,
obwohl seine Bekanntschaft mit ihm
sich nur auf die paar Begegnungen an
dem besagten Stammtisch beschränkt«,
wo Misko sich nicht weniger still ver
hielt als Herr von Below selbst, doch
eigenartig hingezogen. Misko hatte
keinen Vertrauten auf d«r Welt.
Hätte er aber in dem Kampfe der Ge
fühl«, der in ihm gährte, jemand sein
H«rz ausschütten dürfen —«s wäre
Herr von Below gewesen.
So also standen die Dinge, als an
jenem Morgen Fürst Ostromudoff auf
d«r Bildfläche erschien. Göppendorf
und Fürst Ostromudoff „Fürst" ist
ein vorn«hm«r Tit«l, aber in Rußland
giebt es so viele Fürsten, Ivie in an
deren Ländern einfache Baron«
kannten sich von einem vergniigt«n
Abend in einem Berliner Balllocal
her. Fürst Ostromudoff, seinem Be
ruf nach moderner Globetrotter, stand
im Begriff, nach Monte Carlo zu rei
sen. Er hatte Göppendorf an jenem
denkwürdigen Abend das feste Verspre
chen gegeben, wenn er durch seine Gar
niso kam, ihn aufzusuchen, und nun
hatte er dieses Versprechen erfüllt. Des
Fürstin schwache Seite, bei all' der
sonstigen Gutmüthigkeit und Gemüth
lichkeit, die Göppendorf in der kurzen
Zeit an ihm hatte schätzen gelernt, war
das weibliche Geschlecht. „Wenn ein
Mädchen mir gefällt, dann hilft kein
Widerstreben"; wie Zampa in der
Oper singt, so war auch Fürst Ostro
mudoff gewohnt zu denkn. Sisi hatt«
ein«n großartigen Eindruck auf ihn ge
macht, und daß eine Dame, die man
muß sich das vorstellen zum Circus
gehört, sich gegen sein« Huldigungen
ganz unempfindlich zeigen sollte, das
war einfach lächerlich.
Fürst Ostromudoff hatte inki Göp
pendorf. der natürlich sein Gast sein
mußte, zusammen zu Mittag gespeist.
Göppendorf hatte Nachmittag erst um
sechs Uhr Dienst, und so saß man jetzt
noch im „Weißen Adler" es war das
Hotel, in dem Sisi und Misko wohn
ten aber nicht im großen Speisesaal
an der Table d'h?te, sondern drüben
ganz ungestört im kleinen Salon, in
dem sonst nicht servirt wurde, beim
Sect. Es war schon die fünfte Flasche.
„Also heute Abend auf dem Bahn
hof," sagte Göppendorf, als er endlich
aufstand.
„Ich werde erst morgen reisen
übermorgen je nachdem," erwiderte
der Fürst, indem er sich «in neues Glas
eingoß.
Erst nach «inigem Nachdenken erin
nerte sich Göppendorf, auf was sein
Freund hinaus wollte.
„Also Sie denken noch an Sisi,"
lachte er „was wollen Sie von ihr?"
„Einladen will ich sie zu einem
Souper und Sie sollen mit dabei
sein."
„Aber w«nn ich Ihnen sage, daß sie
eine solche Einladung nicht annimmt!"
Und so geschah es, daß zwei vorneh
me Cavaliere, ein Graf und ein Fürst,
in dieser Stadt, di« si« ursprünglich
nur auf der Durchreis« berühren woll
ten, festgehalten wurden. Von wem?
Von einem kleinen Mädchen! Und we
der dieses kleine Mädchen Sisi
noch Frau Camilla wußten «twas da
von.
Zw«it«s Capitel.
Manchmal konnte man durch die
Straßen d«r Stadt eine mit vier feuri
gen Rappen bespannte Equipage fah
ren sehen. Kutscher und Bedienter
trugen grellbunte, schwer mit Gold ver
zierte Livreen, auf dem Wagenschlagt
prangt« «in Wappen. Im Fond des
Wagens saß ein« «inzelne Dame. Sie
war nicht mehr jung, trug eine ver
nachlässigte Kleidung, di« seltsam von
den kostbaren Livreen abstach, und in
den Händen hielt sie immer, im Som
mer und Winter, einen Hortensi«n
strauß. Diese kalte, duft- und seelen
lose und dabei ungeschickte Blume war
ihr« Lieblingsblume. Die Dame war
die Gräfin Brzeziny. Si« wohnte in
der Umgegend auf einem einsamen
Schloß, war dort b«güt«rt, war sehr
reich und s«it langer Zeit schon Wittwe
ohne Kinder. In der Stadt galt sie
infolge der Menge Excentricitäten, die
man ihr nachsagte, für verrückt. Zum
Beispiel hielt sie sich auf ihrem Schlosse
einen zahmen Wolf, den sie dort ohne
Maulkorb herumgehen ließ. Als er
acht Tage alt war, hatte sie ihn von ei
nem Menageriebesitzer gekauft, ihn wie
einen Hund aufgezogen, und wer nicht
wußte, daß es ein Wolf war, d«r hielt
das sonst ganz friedliche Thier auch für
nichts anderes als einen Hund. Ein
anderes Mal ließ sie die Dorfkinder
auf ihr Schloß kommen, ließ ihnen zu
essen und zu trinken vorsetzen, und
nachdem die kleinen Magen so vollge
stopft waren, daß nichts mehr hinein
gehen wollte, bekam jedes noch eine
Wurst vorgesetzt wer sie zuerst auf
essen würde, der erhielt ein Goldstück.
Weitläufige Verwandte der Gräfin
hatten bei Gericht die Entmündigung
über sie beantragt, aber die Aerzte, die
ihren Geisteszustand zu beobachten
hatten, konnten nur sagen, daß dieser,
eben abgesehen von ihren Wunderlich
keiten, ganz normal war, und der An
trag wurde abgewiesen. Dabei war
die Gräfin bei der Bevölkerung nicht
unbeliebt, denn mit allen ihren Launen
verband sie die Tugend der Freigebig
keit. Eines Abends hatte die Gräfin
den Circus besucht. Am andern Tage
erhielt Leonard einen Brief. Er trug
das gräflich Brzeziny'sche Wappen und
enthielt an Leonard die Einladung, sich
im Laufe d«s Tages um eine bestimmte
Stund« in «inem näher darin bezeich
neten Hause einzufinden der Stadt
wohnung, die der Gräfin gehörte,
Leonard kannte, wie schon erwähnt,
diese Briefe, meistens beachtete er sie
nicht mehr, nur in Ausnahmefällen
und eben deshalb, um sein« galanteil
Geheimnisse nicht preiszugeben, b«zog
er immer ein Logis, das von dem seu
ner Elevin und Frau Camilla getrennt
war. Eine Gräfin! Dazu noch eine
polnische! Das war also «in Ausnah
mefall. Piinktlich fand er sich in dem
angegebenen Haus« ein. Es stand am
Markt. Uekxr d«m Erdg«schoß, das wie
ein« ungeheure steinerneCommod« aus
sah. erhob sich ein plumper, stilloser,
kahler Oberbau, die b«id«n oberen
Stockwerk« mit ihren gardinenlosen
Fenstern standen immer l««r. W«ilte
die Gräsin nicht in der Stadt. so wurde
das ganz« große Gebäude nur vom
Hausmeister und seiner Frau bewohnt.
Cin Diener führte Leonard in «inen
eleganten Salon, wo «r ein wenig zu
warten hatte, dann theilte sich ein Vor
hang an der Wand und eine Dame
erschien, die Gräfin. Gräfin Brzeziny
war eine angehend« Fünfzigerin. Sie
war ziemlich häßlich, und mit den h«r
vorstehenden Back«nknoch«n in ihrem
bleichen Gesicht von ausgeprägt slavi
schen Typus. Mit sengenden Blicken
richteten sich ihre tiefliegenden Augen
auf den Gast.
„Nehmen Si« Platz," sagt« di« Grä
fin mit einer dunklen, sonoren Stim
me zu ihrem Gast.
Um was es sich handelte, war Fol
gendes. Di« Gräfin wünscht« sich auf
«brem Gute zur Unterhaltung «in«
Reitschule einzurichten. Auch die Kai
serin von Oesterreich, die damals noch
lebte, hatte auf ihrem Schloß in Un
garn ein« solch« Reitschule. Zu diesem
Zweck sollte sich Leonard bereit erklä
ren, ihr auf ihr Schloß zu folgen
noch heute. Die Höhe seiner Gage soll
te seinem eigenen Ermessen anheimge
geben werden.
„Nun wollen Sie?" fragt« die
Gräsin.
Artisten und Bankisten wundern sich
nur höchst selten über etwas im Leben.
Ihr Leben ist an bunten und abson
derlichen Geschehnissen gewöhnlich zu
reich, als daß noch irgend «ins eine be
sondere Ueberraschung in ihnen hervor
rufen könnte. Hätte jemand Sisi an
ihren neullchen zweimaligen gefährli
chen Sturz bei der Probe erinnert, si:
hätte möglicherweise Harnichts mehr
davon gewußt. So ging es in diesem
Augenblick auch Leonard. Er war
schnell mit dem Eindruck, den die eigen
thümliche Idee und das Angebot der
sonderbaren Gräfin auf ihn machten,
fertig. Schul« reiten war zwar nicht
sein Fach, aber das ließ sich schon ma
chen. Der einzige Standpunkt, von
dem aus er sein Metier betrieb, war
Geldverdienen. Wenn «r «inmal vier
zig Jahre alt war, so wollt« er sich in
St. Cloud oder in St. Germain oder
in Argenteuil oder sonstwo an einem
hübschen Punkt um Paris eine Villa
kaüfen, eine reiche Frau heirathen und
sein Leben in Ruhe genießen nicht
auf sein« alten Tag« es vielleicht im
Rollstuhl verbringen müssen. Wer am
meisten zahlte, hatt« ihn. Alles übrige
war Nebensache.
„Meine Gage beträgt monatlich
fünfzehnhundert Francs,: erwiderte er
ohne weitere Umstände. Dabei über
trieb er. Außerdem hatte er von sei
ner Gage auch an Frau Camilla für
Sisi noch den Unterhalt und Taschen
geld zu zahlen.
„Ich biete Ihnen das Doppelte,"
sagte die Gräfin.
Leonard rückte sich zurecht. Mit der
Dame ließ sich unterhandeln, voraus
gesetzt, daß er es, wovon er sich zu
überzeugen hatte, mit keiner Verrückten
zu thun hatt«.
„Ich hab« aber noch Contract. Wenn
die Frau Gräfin wünschen, daß ich so
fort antrete, so muß ich an die Direc«
tion Conventionalstrase zahlen."
„Wieviel?"
„Dreitausend Francs."
„Ich zahl« sie," antwortete die Grä
fin.
„Dann müßt« ich aber sogleich dar
um ersuchen."
„Gut," sagte die Gräfin.
Si« ging an «inen Schreibtisch, zog
dort ein Fach auf, schrieb «twas auf
«in«n Streifen Papier und reichte es
Leonard. Es war ein Check auf ein
bekanntes großes Bankhaus in der
Stadt.
Es handelt« sich darum, wie lange
das Engagement dauern sollte. Leo
nard verlangte ein Jahr, denn man
hatte jetzt Herbst, und di« Frühjahrs-
und Sommer - Engagem«nts waren
nicht günstig. Auch damit war die
Frau Gräfin ganz «inverstanden. Trotz
ihrer Wunderlichkeit konnte Leonard
an ihr doch ziemlich viel vornehmeHal
tung, ja sogar Würde wahrnehmen.
Dabei sprach sie kein überflüssiges
Wort kurz, sie b«hand«lte ihn, wie
ein« groß« Dam« «ben einen Beamten
behandeln würde, den sie engagirt. Die
Sache war abgemacht. Abends nin
sechs Uhr sollt« vor einem Gasthaus«
draußen vor der Stadt ein Wagen be
reit stehen, der Leonard nach dem gräf
lichen Schloß befördern würde. Die
Gräfin erhob sich, nickte hoheitsvoll,
und Leonard empfahl sich.
Leonards nächster Gang war nach
dem Bankhaus. Anstandslos wurve
ihm der Check honorirt. Seine Erkun
digungen, die er bei dem Geschäftsin
haber über die Gräfin anstellte, erga
ben ein ihn vollständig befriedigendes
Resultat. Die Frau Gräfin war mehr
fache Millionärin. „Millionärrin!"
wi« ein Kunde, d«r dabei stand, schnöde
witzelte. Aber daran nahm Leonard,
wie schon gesagt, nicht d«n geringsten
Anstoß.
Die dreitausend Francs hatte er
also in d«r Tasch«. Ein Narr wäre er
gewesen, «inConventionalstrafe zu zah
len. Was thut «in Artist, wenn «in
Engag«m«nt ihm lästig wird? E:
brennt durch natürlich so, daß ihn
der Director nicht zurückbekommen
kann, also heimlich. Niemand durft«
von seinem neuen Engagement etwas
erfahren. Auch Sisi nicht. Er mußte
sich nun von ihr trennen.
Eigentlich hatte er noch Ansprüche
an auf die mußte er nun verzichten
schade um das Geld. Es war der
einzige Gesichtspunkt, von dem aus
Leonard an diese Trennung dachte. Sie
war eben seine Mitarbeiterin im Ge
schäft gewesen—nichts mehr und nichts
weniger. Sie konnte ihm nur dankbar
sein, daß er sie freiließ. So wurde sie
jetzt selbstständig und bekam Gag«. ES
war geradezu für sie ein Glück. Er
braucht« also nur seinen Koffer zu pa
cken weiter nichts. Ein eigenes
Pferd wie di« meisten seines Ranges
b«saß «r nicht. Grundsätzlich nicht.
Ein Ps«rd kann krank werden, kann
fallen, und man verliert dabei sein
Geld. Leonard ritt deshalb nur di:
Pferde der Direction.
Pünktlich Abends um sechs Uhr hielt
vor d«m bewußten Gasthof über di«
schon dunkelnd« Landstraße mit den
unabsehbaren beid«n Papp«lr«ihen feg
te, die gelben Blätt«r vor sich treibend,
«in unwirthlicher Wind «in klriner
eleganter Jagdwagen. Als Leonard
einstieg, reichte er dem seinen Koffer in
den Wagen schiebenden Hausknecht «in
Bri«sch«n. „Hier haben Sie eine
Mark," sagt« er dabei „besorgen
Sie d«n Brits gl«ich an sein« Adresse."
D«r Brief war an Sisi. Leonard hatte
doch zu guterletzt das Bedürfniß em
pfunden, ihr Adieu zu sagen, wenn
auch nur schriftlich, aber sie durfte den
Brief nicht eher erhalten, als bis er aus
der Stadt war. Der Kutscher knallt«
-nit d«r Peitsche, die beiden Jucker, di«
schon ungeduldig mit den Hufen ge
scharrt hatten, zogen an, und Leonard
rollt« seinem so dunkel und geheimniß
voll wie die Landstraße vor ihm liegen
den neuen Engagement entgegen.
Inzwischen hatte Frau Camilla mit
Sisi in ihrem Hotelzimmer eine inter-
I essant« Unterhaltung. Frau Camilla
! saß am Fenster und nähte daS Tutu.
während Sisi, die noch nie eine Nadel
zur Hand.g«nomm«n hatt«, ohn« daß
sie ihr zerbrochen oder sonst ein Unglück
damit passirt wäre, mit ihrem kl«in«n
King Charles - Hündchen spielte. Bis
man in die Vorstellung mußte, war
noch eine Stunde Zeit.
„Ich will jetzt noch einmal wissen,"
sagte Frau Camilla, „was er damals
zu Dir gesprochen hat. Genau will ich
es wissen."
Frau Camilla sprach von dem „pol
nischen Grafen", wie Misko bei ihr
hieß. Zwar hatte sie Sisi schon neu
lich, an jenem Morgen, sogleich, als sie
mit ihr allein war, ins Gebet genom
men, aber si« kam jetzt, wegen der aus
fallenden Zurückhaltung, di« sie seitdem
an dem Grafen gewahrte, noch einmal
darauf zurück.
Flock fing jetzt an zu bellen, er
sprang an Sisi hinauf und biß sich in
ihren Kleidern fest. Sisi lachte ausge
lassen, aber Frau Camilla macht« der
Sc«n« «inCnd«, ind«m sie wüthend das
Tutu vor sich warf, dann Flock, der
entsetzt vor ihr über den Tisch sprang,
am Kragen packt«, ihn in das anstoßen
de Schlafzimmer schleudert«, die Thür
wieder schloß, sich mit d«m Tutu wie
d«r ans Fenster setzte und nun noch
einmal zornig sagte:
„Wird's?"
Sisi war wieder mal dem Weinen
nahe. Flock war ihr einziges Spiel
zeug.
Was sollte sie denn viel erzählen?
Was der Graf mit ihr gesprochen hatt-,
das wußte nun die Tante doch schon —
Wort für Wort. Nur daß er sie hatte
anrühren wollen, seinen Arm um sie
legen das war das Einzige, was sie
der Tante verschwiegen hatte. War
um? Weil die Tante darüber sehr
aufgelegt g«word«n wär«.
„Er scheint ein sehr anständiger
Mensch," hob Frau Camilla eindring
lich an „blos schüchtern. Die Schüch
ternen sind mir aber lieber als di« Fa
chen. Er ist Graf, w«nn auch «in pol
nischer das schadet nichts. Auch
sehr reich ist er. Alle Welt sagt es.
Verliebt in Dich ist «r bis über die
Ohren. Das merkt ein Blinder mit'm
Krückstock. Eltern, die es ihm verbie
ten wiird«n, hat «r nicht. Auszusetzen
kann «r an Dir niHts haben, dafür,
Gott sei Dank, habe ich gesorgt. Wir
wollen es doch abwarten. Uebrigens,
als wir hier in dieser Stadt eintrafen
wcts ist uns da am Bahnhof auf der
Straße entgegengekommen? Eine
Schweineherde. Eine Schweineh«rde,
wenn man in «in« neue Stadt kommt
und sie begegnet einem, das bedeutet,
daß eine aus dem Geschäft unter
„Geschäft" verstand Frau Camilla
gleich wie Sisi und überhaupt alle Ar
tisten das M«ti«r in der Stadt ei
nen Mann findet, d«r si« heirathet.
Die eine, das bist Du—und der Mann,
das ist der Graf."
„Ich will aber nicht," sagt« Sisi.
Frau Camilla blieb der Faden
stecken.
„Was? Wen willst Du nicht?"
fragte sie in «inrm Tone, der wie «in
heranrollender Donner klang, während
ihr Arm wie erstarrt in der Lust schwe
ben blieb.
„Ich will überhaupt nicht Heira
then," antwortete Sisi kleinlaut.
Es war das erste Mal, daß sich Sisi
offen gegen die Heirathspläne, die die
Tante mit ihr vorhatte, widersetzte.
Das erste Mal! Frau Camilla glaubte,
nicht richtig verstanden zu haben.
„Was ist denn das für ein Unsinn,"
rief si« jetzt, „den hat Dir Leonard ein
geredet."
„Nein. Leonard nicht."
Lieber mochte die Tante sie selber
auszank«n, nur nicht Leonard.
„Dann will ich wissen, was das
heißen soll. Du willst nicht Heira
then?" schrie Frau Camilla «rzürnt.
„W«nn ich h«irathe," antwortete Sisi
weinerlich „dann muß ich aus dem
Geschäft."
Sisi hing «in« sonst seltene Er
scheinung unter wandernden Künst
lern, weil ihr ganzer Endzweck meist
nur ein möglichst auskömmlicher Ruh«-
hasen.ist —an ihrer Kunst mit gro
ßem Eifer. Das war auch der Grund
zu ihrer frommen Verehrung für Leo
nard, ihren Lehrer und Meister. Von
Kind auf, seit sie denken konnte, war
das Metier ihr Element, wie für den
Fisch das Wasser. Wenn Jemand ihr
befehlen wollte, es aufzugeben, so war
das ebenso, wie in eine ander« Welt sie
stoßen, in der sie sich nicht zurechtfinden
konnte, in der sie nichts zu suchen hatte
in eine W«lt, di« sie jetzt ansah wie
«in«n Feind. Si« war noch jung
„und dumm", wi« Frau Camilla ihr
das geleg«ntlich auch an den Kopf
warf, dumm, wie junge Pferde. Ein
Geschöpf des Jnstincts war sie. Frau
Camilla aber war tine Dame von Er
fahrungen. Mit der Kunst war es sür
sie nichts. Mehr als einmal hatt« si«,
als sie noch jung und appetitlich war,
heirath«n können, wenn auch keine
Grafen und Barone, denn sie tanzt«
immer in d«r hint«rst«n Quadrill«, so
doch tinmal «in«n Apoth«k«r. Warum
hatte sie das nicht gethan? W«il sie
dumm gewesen war. Jetzt auf ihre al
ten Tage hatte sie's zu büßen. Hier
sitzen und nähen, flicken, keine Wob
nung haben, immer von einem Hotel,
von einem Ort zum andern. Koffer
einpacken und Koffer auspacken. Das
Geld, das man verdiente, das steckte
Monsieur Leonard in seine Tasche.
Nicht einmal das blieb. Nicht wissen,
was mit einem im Alter werden wird.
Wenn zum B«ispiel Sisi gelegentlich
das G«nick brach oder ein Pferdehuf
traf sie aus den Kops, was würd« dann
aus ihr. aus Frau Camilla? H«»ra
th«n also war daS «inzig Wahr« gut
Heirathen, reich heirathen. Denn daß
Sisis künftiger Gatte auch Frau Ca
milla in sein Eheglück mit zu überneh
men hatte, daS verstand sich von selbst.
Und doch gab es Moment«, wo Frau
Camilla wieder ganz anders dachte --
allerdings nur sehr selten« Momente
dann fühlte auch sie ihr Vaganten
blut sich, dann fühlte sie, daß sie
Künstlerin gewesen war, und daß sie
sich, wenn sie in'S Philisterium trat,
sehr viel vergeben würde. Das ge
schah namentlich an den Gagetagen,
wenn sie von Leonard das Geld be
kam. und wenn sie dabei dachte: „Noch
zwei Jahre, dann hat Sisis Sclaven
dienst bei ihm ein Ende. Dann ver
dienen wir, dann wird alles auf di
hohe Kante gelegt, dann haben wir in
zehn Jahren ein anständiges Vermö
gen." Aber wie gesagt ,es waren nur
sehr flüchtige Momente, in denen Frau
Camilla derart süh'te und dachte. Die
Freund« ihrer Jugend hatten ihr in
jenen nun längst verflossenen Tagen
vorgeworfen, sie sei wetterwendisch und
liebe allzu sehr den Wechsel und
Frau Camilla hatte sich gut conservirt,
noch mehr innerlich als äußerlich.
„Gott sei Dank maßt Du dann aus
dem Geschäft," rief also Frau Ca
milla, „ich auch! Darauf warte ich
eben. Es bleibt dabei Du, hcirathest
ihn!"
Sisi mußte, obwohl sie betrübt war,
lächeln.
„Er will mich doch noch garnicht,"
sagt« sie erfreut.
Das war richtig. Daran hatt«Frau
Camilla garnicht mehr gedacht, so leb
haft hatie sie schon die Hochzeit vor sich
gesehen.
„Schweig jetzt," erwiderte sie darum
nur streng und machte an d«m Tutu die
letzten Stiche.
„Darf ich jetzt wieder Flock herein
holen?" fragte Sisi bittend.
Aber bevor Frau Camilla das in ih
rem Aerger noch verbieten tonnte
wenn sie sich erregte,bekam sie Asthma,
und sie athmete j«tzt schwer klopfte
es an der Thür, «nd d«r Kellner brachte
«inen Brief.
»Für das Fräulein," sagte er.
„Hierher!" befahlFrau Camilla und
riß den Brief an sich. Wer hatie an
Sisi zu schreiben? Der Kellner war
wieder gegangen.
„Von Leonard!"" rief Frau Ca
milla mit Verwunderung.
Sisi dachte jetzt nicht mehr an Flock.
Leonard! Was hatte er zu schreiben?
Frau Camilla las. Plötzlich muß'«
sie sich setzen. Ihr Athem wurde im
mer heftiger.
„Lies!" sagte sie zu Sisi, indem sie
mit erstickter Stimm« nach Luft rang.
D«r Bri«s, den Sisi jetzt las, lautete:
„Liebe Sisi! Ich theile Dir hier
durch mit, daß ich in ein anderes En
gangement gegangen bin. Ich tonnt«
Dich dorthin nicht mitnehmen, und Du
bist nun Dein eigener Herr. Leo
nard. "
Sisi starrte in den Brief hinein, als
verstände sie ihn nicht. Sie las die
paar Zeilen noch einmal und immer
noch einmal.
„Er giebt Dich frei!" rief trium
phirend Frau Camilla; „er giebt Dich
frei, das ist die Hauptsach«. Ausgeso
gen hat «r uns geradezu ausgesogen.
Er giebt Dich frei!"
Jener Zukunftsplan, Sisis ma
terielle Selbst«ndigk«it, der tröstend«
Ersatz dafür, falls es mit einer stan
desgemäßen H«irath «twa nichts wer
den sollte dieser Traum von Frau
Camilla, er war nun erfüllt.
Ein Strom von Thränen schoß in
Sisis Augen und schluchzend sank sie
auf's Sopha.
„Er ist fort! Er ist fort!" weinte
sie laut.
Frau Camilla traute kaum ihren
Sinnen.
„Und darüber heult sie, statt sich zu
freuen!" zeterte sie. „Warum heulst
Du denn deshalb?"
Aber Sisis Thränen rannen ohne
Unterlaß, und sie antwortete nichts.
Fort war er! Verlassen hatte er sie.
„Am Ende hat sie an d«m Menschen
noch «in«n Narren gefressen!" schalt
Frau Camilla immer weiter.
Vielleicht traf sie damit den Nagel
auf den Kopf. Vielleicht war Sisi
nach ihrer Art in Leonard verliebt ge
wesen, aus reiner Verehrung und Be
wunderung.
Endlich würd« sie ruhiger, und,
während sie noch d«r Bock stieß, sagte
sie: „Jetzt gehen wir auch von Frant
loff fort."
„Was machen wir?" fuhr Frau. Ca
milla auf.
Aber Sisi blieb dabei. So eigen
sinnig und fo fest entschlossen,, wie
Frau Camilla «s an ihr noch nicht er
lebt hatte. Man mußte im „Geschäft"
erfahren, wo Leonard hin war, unv>
dann ihm auf der Stelle nachreisen.
Zu großen Auseinandersetzungen
war jetzt nicht mehr die Zeit. Es war
sieben Uhr geworden, und man mußt«
in di« Vorft«llung. Frau Camilla trö--
stete sich mit der mütterlichen Gewalt
die sie doch immer über Sisi behielt;
Sisi ließ sich von ihr das Gesicht wa
schen, und dann ging es zum Eircus.
Im Vestibül stand der Geschäfts
führer. Er war von dem, was er jetzt
von den Damen üb«r Leonards plötz
liche Abreise vernahm, total überrasch.
Sofort begab er sich mit ihnen in's
Directionsbureau. Herr Frantloff.
der Director, unterhandelt« dort eben
mit dem Tapezierer wegen einer Deco
ration zu d«m neuen Ausstattungsstück,
wozu er di« Zeichnung, selber entwor
fen hatt«. Um jede? Nagel im Ge
schäft kümmerte er sich. Director
Frantloff war ein eleganter Mann,
stets im glänzenden Cylinderhut. d«n
»r nie und nirgends abnahm, und von
ruhigem, aber g«bi«tendem Wesen, das
bei seinen Mitgliedern keine Aufleh
nung duldet«, und mit dem er den gro
ßen Apparat seines Geschäfts in pein
licher Ordnung hielt.
(Fortsetzung folgt.)
Nur keine Bevorzu
gung. Pufsant: „Schämen Sie sich
denn absolAt nicht, mich anzubetteln?"
Bettler: „Nee. wofo? Warum soll ick
mir denn jrade bei Ihnen schämen?"
Für die Küch«.
Kartoffelsuppe nur mit
Wasser. Man kocht die geschälten
Kartoffeln mit viel Wasser, welches,
wenn sie weich sind, nicht abgegossen
wird. Dann thut man eine hell«
Einbrenne dazu, streicht die Supp«
durch ein Haarsitb und läßt sie uuszie»
hen. Etwas ganz sein gewiegt« Peter
silie kommt noch hinein, auch Zwiebeln
und ein Stückchen Knoblauch, sowie ei
nige Pseff«rlörn«r, weiße od-r lieber
schwarze, in die Kartoffelsuppe, auch
Porree verderben nichts daran. Jede
ander: Würze zerstört dagegen den sei
nen Kartoffelgeichmack, Wie die Was
sersuppe, kocht man auch die Kartoffel
suppe mit Fleischbrühe, nur gießt man
dann das Wasser von den Kartoffeln
ab und giebt statt dessen Fleischbrühe
daran. Zu Wasser-, wi« zu Fleisch
brühe - Kartoffelsuppe servirt man
gern in Butter oder Fett geröstet«,
kleinwürfelig geschnitten« Semmel
bröckchen, die der Suppe einen feinen
Geschmack geben.
Ein Klops aus derbein
Casimir.
Man nimmt ein mager«s Stück Rind
fleisch., schneidet es in dünne Scheiben,
klopft dies« mit dem Rücken des Hacke
messers recht mürbe, thut si« in «inen
Tiegel, giebt ein kleines Stückchen But
ter dazu und läßt «s nebst etwas Salz
und soviel Wasser, daß es über dem
Fleische steht, auf Kohlengluth ganz
leise schmoren, nach und nach thut man
einige Citronenscheiben sowi« ein GlaS
Wein (Roth- oder Weißwein) hinzu.
K a l te s K a l b 112 l eis ch i n
kanter Sauce. Ein Eßlöffel
voll Sardellenbutter, ebensoviel frische
Butter und zwei Pfund derbes Kalb
fleisch aus der K«ul« setzt man in sovi«l
kaltem Wasser auf's F-uer, daß es nur
knapp bedeckt ist und fügt folgendes
zu: Eine fein« Sch«ib« Citron«, Salz
ein paar weiß« Pfefferkörner, 4 Zwie
beln mit der gelben Schale und etwaK
grüne Petersilie. Man kocht da»
Fleisch gar, braucht die Brühe zu einer
Nudelsuppe und schneidet das Fleisch
warm in Scheiben. Dann thut man
es sofort in solgende Sauce, übergießt
es öfters damit und servirt es, ivenn
es kalt ist. Zur Sauce rührt man 2
Eidotter mit Salz klar, fügt nach und
nach k Eßlöffel voll Oel, cin Eiweiß
voll Mostrich, eine gewiegt« kleinere
Zwiebel, «twas Pfeffer, Citroncnsaft
und so viel Weinessig hinzu, daß die
Sauce nicht zu sauer schmeckt.
Kräftiges Fleischgericht.
Ein und ein halb Pfund halb- und
halb Schweinefleisch schneidet man in
kleine, viereckige Stück«, zwei große
Teller Kartoffeln in dünne Scheiben,
drei dicke Zwiebeln eb«nfalls. Dies
alles mischt man mit Salz und Pfeffer
unter «inand«r, legt «s in eine große
Puddingform, mit einigen Stückchen
Butter untermischt, giebt ob.-nauf reich
lich dicke, saure Sahne, schließt die
Form und läßt si« zwei Stunden im
Wasserbade kochen. Man stürzt dann
alles in eine tiefe Schüssel.
GespickterSchöpsenschlä
ge l. Von einem frischen Schöpsen
schlägel trennt man mit einem scharfen
Messer die oberste Haut ab, doch so,
daß sie nur noch an einer Seite festsitzt.
Nun werden in das Fleisch Einschnitte
gemacht, diese mit Speck, gehackten
Sardellen, geschnittenen Essiggurken,
geriebenem Knoblauch mit Pfeffer und
Salz vermischt gefüllt, dann zieht
man die abgelöste Haut wieder über
das Fleisch, näht sie mit einigen Sti
chen an, brät das Fleisch mit einem
Stück Butter bei starkem Feuer und
gießt nach und nach einige Löffel voll
Rahm an die Sauce.
S a hn e k a rt o ff« ln. Man
kocht Kartoffeln in der Schale, zieht sie
ab und schneidet si« in Scheiben; sind
die Kartoffeln klein, so läßt man sie
ganz. Sodann röst«t man einen
Kochlöffel Mehl in ZH Unzen Butter
hellgelb, thut Salz nach Geschmack hin
zu und rührt reichlich eii> halbes Pint
süße oder nicht zu saure Sahne und
eb«nsoviel,Milch darunter. Dann läßt
man die Kartoffeln eine Weile in der
Sauce kochen und giebt sie warm zi»
Tisch.
Ro s e nkochtfwl at. Man rich
tet den Rosenkohl schön her, entfernt
alle harten Blättchen und siedet die
Röslein in Salzwasser mit einem
Stückchen Soda, damit sie schön grün
bleiben. Auf ein«m Sieb läßt man
sie abtropfen und nicht zu kalt werden.
Nun bereitet man folgend« Salatsau e:
Ein hartgekochtes Eigelb wird mit zwei
Eßlöffeln feinemSalatöi verrührt und
mit, Essig verdünnt, gesalzen und ge
pfeffert nach Geschmack. Die Röslein
legt man in eine tiefe Platt« und schüt
tet die Sauce gleichmäßig darüber.
Schwammaaflapf. Eine
Obertasse Milch, einen Eßlöffel Mehl,
ein Eigroß Butter rührt man über dem
Feuer, bis sich die Masse vom Topf«
loslöst. Nun giebt man vier Eidotter
einen Löffel A«ker und den steifen
Schnee d«r vier Eier hinein und läßt
Ken Auflauf ver guter Hitze «in« halbe
Stunde backen. Er muß sofort zu
Tisch gebracht werde),.
Senfsauce zu harten
Eiern, Rauchfleisch oder
Wurst. Zwei Löffel Senf, zw«i
Löffel Mehl, zw«i Löffel Oel, zwei
Löffel Himbeersaft oder Mad«ira, «in
Theelöffel Salz, ein Theelöffel Zucker,
etwa ein halbes Pi«t Milch. Di«
Milch rührt man mit dem Mehl an;
über Feuer wird alles andere nach und
nach zugerührt und aufgekocht. Di«
Sauce wird warm gegeben.
—P« ch. B«trunken«r: ich
kür cin Pech für ein Pech hab'
das is schon nimmer schön! Heut' iS
's das Erste das Erstemal, daß
daß mir meine Alte meine Alte
den Hausschlüssel 'geben 'geben hat
und j«tzt und jetzt —find' ich 'S
Ntt!" 3