Scranton Wochenblatt. (Scranton, Pa.) 1865-1918, November 09, 1899, Page 2, Image 2

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    2 ZoZn Farsters.
John Parkers war in Cissy o Kreen
verliebt, so verliebt, daß er zu ollem sä
hig war, selbst zur größten Dummheit.
Er beschloß daher auch eines schönenTa
ges, Cissy seine Liebe zu gestehen und
sie um ihre Hand zu bitten. „Mein lie
ber Parkers", sagte ihm aber Cissy.
»wie gerne würde ich Ihre Bitte erfül
„Zu spät?"
„Ja, Parkers. Um eine Stunde und
31Z Minuten zu spät. Denn da da
habe ich mich mit Fred Wilkins ver
lobt."
„O", sagte Parkers. Und in dem „O"
drei Wochen lang mit sich herumtrug.
Nach diesen drei Wochen ermannte
er sich soweit wieder, daß er sich ohne
sonderliche Beschwerden in Käte Brink
mann verlieben konnte, die wahrhaftig
mit zu den entzückendsten Mädeln von
ganz New - Jersey gehörte. Auch sie
schren an Parker Gefallen zu finden,
und das war kein Wunden denn t—
olles was recht ist aber ein netter
Junge ivar er, das war gewiß.
Er that also das, was er auch bei
so spät. Hätte ich das vor einer Stunde
gewußt, vor 58 Minuten, dann hätt'
ich ja mit Freuden Ja gesagt, so
«ber . . ,
„Sa ... .a,... ber?"
„So bin ich feit der Zeit mit Bob
Raleigh verlobt."
„Donnerwetter!" und in diesem
Ausruf lag (siehe oben). Das heißt
nein; es lag nicht der Schmerz darin,
den er drei Wochen mit sich herumtrug,
sondern nur zwei. D«nn nach zwei Wo
chen kam sie. Sie Eveline Smith.
Sie, die alle anderen Mädels von Jer
sey weitaus in den Schatten stellt. Sie,
die man lieben mußt«, wenn man sie
sah. Und da Parkers immer that, was
er mußte, so that er's auch jetzt. Er
verliebte sich sofort in das schöne, das
herrliche Manchen und beschloß sofort,
aber sofort, zu Miß Eveline zu gehen
ien.
„Ihr Antrag, Mister Parkers, ehrt
ben . .
„Wenn ... Sie... nicht schon ..
unterbrach sie Parkers, in der Ahnung
„Mit wem?" fragte Parkers fast ton
los.
„Mit Ben Holley."
„Und.... und feit wann, Miß
Eveline. Seit wieviel Minuten?"
„Seit zwanzig."'
„O" und nein, das was der Leser
vermuthet, kommt nicht. In diesem
„O" lag kein Schmerz, es lag wie eine
Erleichterung darin. Denn, daß er nur
20 Minuten zu spät gekommen war,
das gab ihm seine Hoffnung wieder, die
1.31 H auf 0,68, von O.SB jetzt auf
Frau auch zu landen.
Dieses nächstem«! ließ denn auch
nicht lang« auf sich warten. Leicht ent
zündlich, wie John Parkers war, ent
flammte er wenige Tage später in hei
ßer Liebe zu Alice Montrose, dem ent
„Jetzt gilts", sagte John Parkers sich
selbst und ging zu Miß Alice hinauf
und bat sie, die Seine zu werden.
„Die Ihr«? mit tausend Freuden."
So hatte John Parkers endlich sein
Ziel doch erreicht. Hurrah! hip, hip,
Abends sagte ihm Alice: „Weißt Du
„Wieso?" fragte John Parkers.
„Weil eine Minute nach Dir Joe
Warker gekommen ist, um auch um
mein« Hand hier zu bitten." Und sie
haft«n Kuß.
Ein Minute! Ein« allein hatte sein
erwidert: „Beiß doch lieber bei der
Stephi an."
De u t l i ch. Geck: „Köstlich ist's
'» sind auch Affen drial"
Der Apalring.
sagte mein Freund Lehmann und setzte
das Queue ab, das «r schon stoßbereit
in der Hand hielt.
Ich hielt ihm die Hand mit dem
Ringe hin. „Gelt, schön?!" meinte
ich stolz und ließ die Steine unter der
Gasflamme blitzen. „Den habe ich ge
erbt, feines Stück, nicht?"
„Hm! sehr fein sogar," nickte
Lehmann aber es lag ein gewisses
Zögern in seiner Stimme „sehr
schön jawohl!"
„Sie sagen das so hinterhältig, Leh
mann. Ich konnte wählen —es war
da noch eine Rubinnadel, die hat mein
Bruder genommen der Ring gefiel
mir zu gut."
„Ja schön ist er a propos
abergläubisch sind Sie jä wohl nicht?"
„Abergläubisch?" staunte ich —„na,
das fehlte gerade warum denn?"
„Na ich meinte nur so," sagte
Lehmann „Opale sollen nämlich
Unglück bringen."
„So —o o!" erwiderte ich ge
dehnt. „Ist ja Blödsinn wie können
Sie nur so etwas nachschwatzen!
Lehmann „machte" den Ball, und
ich. den lächerlicherweise die Bemerkung
über die Opale geärgert hatte, paßte
nicht aus und stieß ein Loch in das
Billardtuch. Ich hatte somit den Hoc
hgenuß, zwanzig Mark zu berappen.
„Hm, hm!" meinte Lehmann und
warf einen vielsagenden Blick auf den
Ring.
„Lächerlich!" knurrt« ich und zuckte
verächtlich die Schultern. Doch war
mir die Laune verdorben. Sehr är
ging nach Hause.
Zu Hause war es höchst ungemüth
lich. Gewöhnlich kam ich später heim,
und meine Wirthin hatte das Feuer
ausgehen lassen und erschien erst auf
wiederholtes energisches Schellen und
in sehr ungnädiger Laune.
Sie war eine kleine runde Person
Mitte der Fünfzig und führte den ed
len Namen Burgratz doch sah sie
nicht so schwarz und struppig aus, wie
man sich etwa eine Burg-Ratze vorstel
len mag, sondern eher wie eine sanfte
graue Hausmaus. Die Burgratze war,
soweit sie nicht an Schwindelanfällen
litt, (die stets in noch nicht aufge
klärter Weise mit rapider Abnahme
meines Cognac - Vorrathes zusam
menhingen) ganz leidlich sie hatl^
das betrübende Leiden, daß sie zeit
weise total taub war. Verlangte ich
etwas von ihr, was ihr nicht paßte^—
Schwindlig schien ihr auch zu sein.
Meine Vorwürfe wegen des kalten
Ofens schien sie nicht zu hören sie
Ofen nieder und machte einen so
furchtbaren Spektakel mit Kohlen
schippe und Feuerhaken, daß ich mein
eigenes Wort nicht verstand. Schließ
lich erhob sie sich und stellte sich zu mei
nach einem anderen Logis umsehen
muß. weil dieses Logis gekündigt ist."
„Ach nee!?" sagte ich ganz er
staunt. Warum denn? Was ist denn
los?" H
mir bloß verlobt und was mein
Bräutigam is der möchte nunich
mehr so lange warten —"
„Verlobt!!" schrie ich „Don
nerwetter muß das ein ach so! na
meinen Glückwunsch. Frau Burg
ratz wie heißt denn der Glückliche
und wo haben Sie ihn denn aufgega
belt?"
schämt. „Er is 'n Wittmann und
hat drei Kinder drei, sind aber
schon alle erwachsen 'n Puckel is da
auch bei und mein Bräutigam is bei
die Bahn un es is alles da, Meubles
und Wäsche und alles."
„Na, denn man zu!" sagte ich resig
nirt .da muß ich mir eben eine neue
Wohnung suchen. Wie alt sind Sie
eigentlich, Frau Burgratz?"
Frau Burgratz zierte sich ein bischen
—„Es is man in die Zeitung stand
„nich über fünfzig" und ich bin nu
sechsundfünfzig—aber die paar Jähc
chen die bring" ich ihm so nach und
ich seufzte tief. Ach! welche Unbe
quemlichkeit! Die Burgratze trank
zwar meinen Cognac und war eigent
sie gewöhnt. Nun wieder eine andere
neue Untugenden! Das Beste ist,
man heirathet selbst, da hat man seine
Ruhe!
Diese Burgratze! Mit sechsundfiinf
zig Jahren heirathet so was noch
ein gesegnetes Rindvieh mußie der
machte. 'N bissel kokett war sie, das
alles überlegte.
Aber ein weiserer Mann als ich hat
die geflügelten Worte gesprochen, wen»»
man überhaupt überlegte, käme nie eine
Ehe zu Stande. Also frisch kopf
kalte Wasser.
Morgen, ein verheimlichtes Rosenbou
auet in der Tasche, nach der Wohnung
der Sirene, klingelte und constatirte
beim Eintreten, daß die Holde eine sehr
Guten. Das öffnende Zöschen, in
Häubchen und Battistschürze, lächelt«
schalkhaft und trippelte mit meiner
Karte ab und ich stand, sehr be-
Seh h !" ld t d s
Tluserwählte
wohl nicht nein, wie haben Sie nur
hört? Du Schlimmer! (hier drohte
Weise grinste) hast geplaudert?"
Ich schüttelte die Hände und stotterte
Schöpfer, als ich erst wieder draußen
war und etwas verdutzt heimging. So
viel stand bombenfest acht Tage frll-
Tage früher da hatte ich auch den
Weiber. Kokett ist sie reichlich und
die Toilette von heute möchte ich nicht
tisch sitzend, meine weiblichen Bekann
ten Revue Passiren. Diese Mädel,
heutzutage!! Ein vergnügungstol
les, putzsüchtiges, oberflächliches Ge
schlecht. Entweder Gänse oder
Weib, das Güte, Verständniß, Heiter
fast aufgewachsen waren. Hertha
desto besser für mich! Was sollte der
achtundvierzigjährige mit einem acht
als ich die Epistel las. Hertha Müller
stück!"
glück."
„Was nicht gar! so 'n Blödsinn!"
Ring an, ihn liebäugelnd hin- und her
schiebend. „Du ich wollte Dich ab-
Gustav war fort. Mir schien das
Leben gallebitter. Diese Weiber
konnte sie nun nicht geduldig weiter
wart«n? Mir war das schreiendste
Unrecht geschehen. Gott wi« die
Ich'stöhnte ich tobte die Burg-
Lampe hatte sie nicht gefüllt Kohlen
hatte sie nicht geholt wüthend lief
ich in die Kneipe.
Dort suchte mich am späten Abend
ein glattgefcheiteltes Menschenkind auf,
das entsetzlich nach Carbol und Jodo-
Der Ring lag in einem beschriebenen
Papvr. „Lieber Freund!" schrieb
mein Freund Gustav, „ich liege mit ge
men. Besuche mich bald."
Na da hatt' ich den Salat. Knir
schend steckte ich den Ring in die We
lebt, wie?"
fchen Blick auf mich.
„O! Es war so idyllisch!" schwärmte
sie dann, „das Wohnzimmer von mei
nem Bräutjam liegt so südländisch
(südlich, meinte die' Gute) und di«
Zither gespielt, die reinste Idylle! Und,
mehr hin, wissen Sie, da gibt es so
„fiese" Thiere, die Eskimos, und die
beißen den Leuten in die Beine."
Ich bewahrte nur schwer meine Fas
sung; ein Eskimo, der in Mexico den
Leuten in die Beine beißt, das war
überwältigend; schließlich platzte ich
doch los.
„Und es sind „siese" Thiere," sagte
die Burgratze beleidigt und wandte sich
zum Gehen.
„Warten Sie doch!" rief ich, noch
immer lachend, „sie haben ja ganz recht,
ob's nun ein Eskimo oder ein Mos
quito ist, „fies" ist beißen immer; blei
ben Sie doch, ich will Ihnen ja etwas
schenken. Da!" sagte ich heimtückisch
sehe, Sie haben keinen Verlobungsrina,
hier, zum Andenken an Ihren letzten
Miethsherrn!" Ich hielt ihr den Opal
bloß nur uzen."
„Nein, nein, 's ist mein voller Ernst.
Nahmen Sie ihn nur, ich bin just in
der Gebelaune heut'!"
Die Burgratze erstarrte fast vor En
tzücken. Mit spitzigen Fingern nahm
sie den omineusen Ring und steckte ihn
an. Darauf machte sie eine Attacke,
um mich zu umarmen; mit Mühe ret
„Schon gut, besorgen Sie, bitte, jetzt
Thee, ich muß noch arbeiten!" rief ich
abwehrend. Und so trundelte sie denjl
freudestrahlend nach der Thüre, die
Augen auf den Opalen, stolperte, fiel
und zerriß sich den Rock von oben bis
unten.
Ich sammelte sie mit frohlockendem
Lächeln auf. Triumph! Ich war den
verhexten Ring los; die Burgratze
konnte ja sehen, wie sie damit fertig
Und sie wurde damit fertig. Zwei
Tage später schwebte sie in's Zimmer,
schritt mit dem tragischen Gang einer
Sappho bis an meinen Schreibtisch
und legte, ohne ein Wort zu sprechen,
den Ring auf den Bogen, den ich eben
beschrieb.
„Nanu?" fragte ich erstaunt. Die
Burgratze fing zu „plinzen" an. „Das
war nicht schön von Ihnen, 'ne arme
alleinstehende Frau in s Unglück zu
bringen, die sich ehrlich von's Meubli
ren ernährt." schluchzte sie.
„Ja. was ist denn eigentlich las?"
„Mein Bräutjam hat mich abge
schrieben," heulte die Burgratze, und da
dran is bloß der Ring mit die Apollos
schuld. Ich habe das nu' ja nich ge
„Na, na." sagte ich schuldbewußt,
„Aber schuld is er doch," schluchzte
sie.
platzte ich mehr ehrlich, als höflich, her
„Wegen dem Geld!" sagte die Burz
ratze. „und als er erst heraus hatte, daß
tiefgekränkter Engelsunschuld.
„Da thut Ihnen der Mann nun
wirtlich schwer unrecht —" meinte ich
ich ernst.
Mir schauderte diese Aussicht
Dort zog ich den Ring mit den
„Apollos" vom Finger, und bat Herrn
Wiesel, in» die Opale auszubrechen
Herr Wiesel betrachtete den Ring
und sagte wäre schade, ihn zu
lassen," lächelte Herr Wiesel, üchtlich
sind die verwünschten Steine denn fest«
„Das nicht," sagte Herr Wiesel
holte ich mit n.cht eben geistreichem Ge
„Nein," lachte Wiesel „denn das
hier sind ganz gewöhnliche Katzcn-
bringen bekanntlich
„Liebster Han 6!" schrieb sie, „in aller
Eile das mit Hertha Müller war
eine Verwechslung mit Bertha Müller
diese Müllerei macht einen gan kon
fuse. Wenn Du noch willst, schreibe
mir umgehend, ich frage dann Hertha
kehrt!"
Ich telegraphirte.
Am Abend desselben Tages hielt ich
Ja! sie sagt ja! dieser Engel!! Die
—
der Aberglauben!
Da» längste Jahr.
Das längst« Jahr, das es jemals ge
(Schalt-) Jahres, das 366 Tage haben
hatten vor Cäsar's Z«it resp. 29, 28,
31. 29. 31. 29. 31, 29. 29, 31. 29, 29
Jahre 29, für Schaltjahre 3V Tage be
späterer Zeit.) Sich selbst zur Ehre
Juni folgenden Monats in Juli(us).
Die Pontifex« begingen nach Einfüh
jahr sein sollte, so daß das nächst« wirk
liche Schaltjahr «rst auf das Jahr 4 n.
Chr. fi«l. Gleichzeitig gab Augustus
d«m aus den Juli folgend«» Monat sei
nen eigenen Namen (daher der „Au
gust") und l«gt« ihm einen Tag zu, um
tanntlich hat später die Be
stimmung, daß die «in Jahrhundert
schließenden Jahr« nur dann als
Schaltjahr gerechnet w«rd«n dürfen,
wenn in der durch ihre «rst«n Ziffern
(16,16,17,18 u. s. w.) ausgedrückten
Zahl die 4 ausgeht, uns in fast genaue
Uebereinstimmung mit dem wirklichen
Erdenjahr« gebracht.
Ein Zeitkind. „Warumist'
di« Lust für den Menschen so wichtig?"
Karlchen: „W«il man sonst sein«
Pneumatikreifen nicht aufpumpen i
Aus der Schule. Lehrer:
„Nichts ist beständig, als der Wechsel,
was heißt das?" Der kleine Moses:
„Er werd immer wieder vorgeßefgt!"
Kach der Scheidung.
fürstlich geluncht und drittens hatte
ihm die schöne Liane die feste Zusage
gemacht, ihren schwarzbärtigen Russen
pries das Schicksal, das ihn nun doch
in diesem Jahre nach Ostende geführt
hatte. Eigentlich hatte er nicht die Ab
sicht gehabt, an die See zu gehen, aber
die Sache war folgendermaßen gekom-
Bor einem Jahre hatte sich Herr
Franz Leitenberg von seiner schönen
Frau Mathilde scheiden lassen und
zwar nach zehnjähriger „glücklichster"
Ehe. Das Glück bestand vornehmlich
darin, daß die Beiden sich in diesen
3648 Tagen ziemlich selten gesehen
hatten. Wenn sie auch Abends häufig
zusammenhing Theater gingen und
ter dem Schutze liebender Verwandten
nach Hause geleitet wurde. Am Tage
aber hielt ihn die Beaufsichtigung sei
ner großen Fabrik von dem häuslichen
diesem Bunde nicht entsprossen, und
bei der Sachlage trat zwischen Herrn
und Frau Leitenberg mit der Zeit jene
Entfremdung ein, welche das Land
gericht Berlin I als „unüberwindlich«
Abneigung" und damit als Schei
dungsgrund rechtskräftig ausgelegt
hatte. Mathilde Leitenberg war eine
Schönheit. Mandelförmig geschnit
tene. träumerische Augen, ein kirsch
rothes Mündchen, eine klassische Büste
und eine schlanke, ebenmäßige, mäd
chenhafte Figur. Kein Wunder, daß
die junge Frau, noch ehe das Trauer
jahr nach der Scheidung vergangen,
ein anderes Herz erobert und mit
Herrn von Böty, einem ungarischen
Rittergutsbesitzer, eine neue, bessere
und hoffentlich dauerhaftere Ehe einge-
Und darum war Franz Leitenberg
in Ostende.
Die Hochzeit sollte nämlich in Ber
lin stattfinden und das unangenehme
Gefühl, der vergangenen Gattin am
Arme des Zukünftigen begegnen zu
können, hatte ihn von der Spree zur
Nordsee getrieben. Die ersten Tage
in Ostende waren freilich nicht sehr
angenehm gewesen; denn die früher
mit seiner Gattin dort angeknüpften
internationalen Bekanntschaften brach
ten es so mit sich, daß er Im Laufe
eines Tages wohl zehnmal nach dem
Befinden seiner schönen und lieben Ge
mahlin gefragt wurde. Wenn man
selbst vom Gericht für den überwiegend
schuldigen Theil erklärt worden, ist es
schwer, eine passende Antwort zu ge
ben. wenn man nicht für einen ver
ruchten Ehebrecher gehalten werden
will. Aber allmälig waren die bösen
Mäuler still geworden, da ja die Ge
genwart in Ostende so viel Stoff zur
Medisance gibt, daß man keine Zeit
hat, sich auch noch um die Bergangen
heit der einzelnen Individuen zu küm
mern. Aus allen diesen Gründen war
Franz Leitenberg guter Laune, darum
schmeckte ihm die Upman und darum
freute er sich auf die schottischeGebirgs
reise mit Liane.
Als er aufstand und seinem Hotel
zuwanderte, kaufte er sich eine Gar
denie für's Knopfloch und stellte im
Geiste philosophische Betrachtungen
darüber an, daß die Ehe eine unwür
dige Fessel und die Freiheit des Man
nes das höchste Gut sei. Leichtfüßig
stieg er die Stufen des Hotels zu seiner
Begriff, die Thür seines Zimmers aus
zuschließen, als er den Oberkellner er
blickte. welcher keuchend im Begriffe
stand, einen kolossalen Korb voll blü
hender Rosen in das Nebenzimmer zu
befördern. In seiner leutseligen Sti
mmung richtete unser Franz die Frage
an den dienenden Geist:
„Na. Maxime, w«m gilt denn diese
Auszeichnung? Sollte ich interessante
Nachbarschaft bekommen? Vielleicht
so ein Dämchen aus Paris oder Lon
don?"
Maxime lächelte verschmitzt: „O
nein! Die Blumen sind telegraphisch
für ein junges Ehepaar bestellt, das
seine Flitterwochen hier verleben wird."
„Welche Romantik im Jahr« 1899!
Wer sind denn die Glücklichen?"
„Herr und Frau von Böty aus
Berlin." lautete di« Antwort. „Aber,"
setzte Herr Maxime hinzu, „ist Ihnen
vielleicht unwohl? Sie sehen so furcht
bar blaß aus."
„O nein, mir ist gar nichts. Ich bitte
nur sofort um meine Rechnung."
Sprach's und warf die Thüre hinter
dem bestürzten Oberkellner zu.
Nun faß der arme Franz an seinem
Pult, zerpflückte die Gardenie und trat
mit den schönen weißen Strandschuhen
auf der Upman herum. Also mit dein
rechtskräftigen Urtheile des königli
chen Landgerichts Berlin I «war doch
noch nicht Alles zu Ende. Er merkte,
wie der künstlich gezüchtete Freiheits
rausch der grauen Nüchternheit des
Daseins Platz machte, und es wurde
ihm klar, daß auch die schottische Hoch
gebirgstour mit Liane nicht das ge-
Concurrenz mit dem moskovitischen
Packen, und als die Koffer, geschlossen
die Thür zum Nebenzimmer qu «öffnen
und einen Blick in das zweite Braut
gemach seiner Gattin zu werfen. DaZ
zimmer und trotzdem überlief es ihn,
kalt. dem Titsch stand der großes
gue jubelnd die wiedergewonnene Frei
heit pfeifend begrüßt hatte. Wenn er
sicherlich einen selbstcomponirten Trau
ermarsch, betitelt:» Nach der Schei
dung".
Der schlechte Mensch.
Eine Erzählung für höhere Töchter von
Reinhard Loltcr.
Sie war lieblich und schlank wie die
Lili« des Feldes, jene Lilie, die nicht
säet und nicht erntet, und Gott ernäh
re- sie doch; Taillenweite 52j in der
Woche, Sonntags SIZ, Handschuh
nummer 5j (Fohlenleder fechsknöpsig).
ein Schuhchen dazu, so alkrliebst enge,
daß niemand begriff, wie einMenschen
fuß darin Platz haben könne,
j W«nn man ferner bedenkt, daß sie
' Elfe hieß und neulich zwei Eier eigen
händig gelocht hatte, ganz allein und
ohne Hülfe der Köchin, daß sie Chopin
nur so vom Blatte spielt«, daß endlich
der väterliche Geldschrank einige Tau»
lich finden, daß sie auf dem letzt«nßalle
bis zur 32sten (in Buchstaben: zwei
j unddreißigsten) Extratour wie im
Handumdrehen engagirt war und daß
selbst die Edelsten der Garde es nicht
Und wie konnte man sich mit ihr un-
I terhalten! Man glaubt kaum, was sie
alles gelesen hatte: den Julius Wolf
und den Baumbach und die neueste
Rangliste und Ebers sämmtkicheWerke!
Auch plaudert« sie mit tiefem Verständ-
Und die Alte besah sich das Pflänz-
Er hatte gewiß kein Herz und war
ein ganz schlechter Mensch! Und sie er
tappte sich eines Tages darüber, daß sie
Doch bei der nächsten Gesellschaft
fügte es sich, daß sie ihm ge^enüb-r^zu
r«n. und streute das neueste Bonmot
Nietzsche betreffend, über die Tafel.
Er aber lächelte spöttisch, und ihr
term Tische eine kleiner, ganz allerlieb
ster Fuß mit seinem heimlich zusam
menstieß. that aber gar nicht derglei
chen, strich den «Schnauzbart und gab,
schlecht wi« er war, dem armen un
schuldigen Füßch-n einen herzhaften
Tritt auf die Hühneraugen.
Und es ist heute noch unaufgeklärt,
was in das gute Mädch«n gefahren
war, als sie plötzlich emporsprang und
schluchzend hinaushinkte. „Ich höre sie
singen, ich höre sie sing«n!" heulte sie
draußen.
Auch er war hinausgelaufen.
Aber die Gesellschaft verwunderte
sich noch viel mehr, als fünf Minuten
darnach di« Thüre sich aufthat und da»
arme Herzchen wied«r hereintrat, lä
chelnd unter Thränen, und neben ihr,
zärtlich den Arm um si« schlingend
der schlechte Mensch.
Bei Commerzienrath Goldbergerist
Gesellschaft. Da gerad« der griechisch
türkische Krieg ausgebrochen ist, un
terhält man sich lebhaft von der „orien
talischen Frage". „Ich muß offen ge-
sagte die Gattin eines bekann
sie ist mir zu verwickelt." „Z>/ ver
wickelt?" rief schelmisch lächelnd der
allezeit joviale Commerzienrath. „Ich
talische Frag«" mit zwei Worten er
klären. Die orientalische Frage lau
tet .... „wie haißt?"
Der Pantoffelheld.---
„Wie denken Sie über den Weltfrie
den?" Pantoffelheld: „Ich denke,
meine Alt« wirk PH tvch nicht fügen!"