Scranton Wochenblatt. (Scranton, Pa.) 1865-1918, September 21, 1899, Page 3, Image 3

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    M MuH.
Nnnan von K. Orth.
(8. Fortsetzung.)
Natürlich war Senorita Jsabella
wieder die schönste Blüthe in dem rei
zenden Mädchenkranze ja, Werner
hatte sie bisher kaum in einem so ver
führerischen Kostüm gesehep wie an
d:csem Abend. Er hatte sich nicht son
derlich beeilt, die Tochter des Hauses
zu begrüßen, denn er hielt sich nach den
Erfahrungen der letzten Tage eines
kühlen und gleichgiltigen Empfanges
gewiß. Allein er war lebhaft über
rascht. als er sie plötzlich sie konnte
seiner eben erst ansichtig geworden sein
raschen Schrittes aus sich zukom
men sah.
den Ursachen seines häufigen Ausblei
bens setzte ihn in Verlegenheit.
Sie standen noch in angeregter Un-
Theil der Gesellschaft in den Musitsaal
ten Vortrage einer berühmten Sänge
rin zu lauschen, die sich heute unter den
Gästen des Hauses befand. Geschickt
wußte Isabella es einzurichten, daß sie
mit Werner in die Nähe der'nach dem
Patio hinausführenden, weitgeöffneten
Flügelthür kam.
Als der Begleiter der Sängerin, der
wieder ein Neger war, präludirend die
ersten Akkorde anschlug, flüsterte sie
dem Bankdirector zu: „Lassen Sie uns
«in wenig hinausgehen, sofern Sie es
über sich gewinnen können, auf den
künstlerischen Genuß zu verzichten. Ich
liebe diese Sängerin nicht und ich"
sie zauderte ein wenig „ich möchte
mit Ihnen sprechen."
Natürlich ließ sich gegen einen solchen
Vorschlag lein Widerspruch erheben;
Werner reichte ihr den Arm, und sie
traten in den halb dunklen, angenehm
kühlen Patio hinaus, sicher, daß ihre
Entfernung von nur sehr wenigen
wahrgenommen worden war. Die letz
ten Worte Isabellas hatten Werner
mit einer leisen Empfindung des Unbe
hagens erfüllt, denn er hatte das un
bestimmte Gefühl, daß die Eröffnun
gen, welche sie ihm zu machen wünschte,
ihn in eine peinliche Lage versetzen
würden. Schweigend erwartete er,
Jsabella schien es jetzt nicht mehr sehr
«ilig damit zu haben. Sie wandte sich
der leise plätschernden Fontäne inmit
ten des gartenartigen Hofraumes zu.
uns als sie dort angekommen waren,
ließ sie ihre Hand von Werners Arm
herabgleiten, um sich behend auf den
ziemlich hohen marmornen Rand des
Springbrunnens hinaufzuschwingen.
In ihrem leichten, duftigen Kleide,
dessen Falten sich jeder Linie des wun
dervollen Körpers anschmiegten, mit
ihren elfenbeinweiß schimmernden
thig zur Seite geneigten, dunklenKöpf
chen hatte sie ganz das Aussehen einer
lieblichen Märchengestalt, und Werner,
der bei ihrem erhöhten Sitz zu ihr auf
schauen mußte, um ihr in's Gesicht zu
blicken, sagte sich auf's neue, daß sie
ohne Zweifel das schönste und verfüh
rerischste weibliche Wesen sei, dem er
jemals begegnet.
Drückend und beklemmend empfand
«r das lange Schweigen. Da, als er
«ben die Lippen öffnen wollte, um es
kung zu brechen, sagte sie: „Sie haben
mich für sehr kindisch gehalten in die
sen letzten Tagen, und sür sehr unge
schickt obendrein, nicht wahr?"
Die Verlegenheit . die er vorausge
sehen hatte, war nun wirklich da. Er
wollte mit einer artigen Phrase, wie
sie auf solche Frage wohl am Platze
schien, ihre Vermuthung zurückweisen,
aber sie fiel ihm schon nach den ersten
Worten kopfschüttelnd in die Rede,
„Nein, nein, es ist mir jetzt nicht da
rum zu thun, etwas Freundliches von
Ihnen zu hören. Ich will, daß es
ganz klar werde zwischen uns,
gen Zwang begegnen können. Denn
eine Fortdauer dieses jetzigen Zustan
des vermöchte ich wirklich kaum zu er
tragen. Fürchten Sie nicht, daß ich
Ihnen meine Freundschaft aufdrängen
werde. Nur wissen möchte ich. wodurch
ich die Ihrige verscherzt habe. Ich
habe mir vergebens den Kopf zerbro
chen, um mich Unrechts zu erin
nern. das ich gegen Sie begangen, oder
einer Unüberlegtheit, durch die ich Sie
verletzt hätte."
„Und es kann in Wahrheit von dem
«inem so wenig die Rede fein als von
dem anderen, Senorita," erwiderte e>
in einem Tone, der sie nothwendig von
seiner Aufrichtigkeit überzeugen mußte,
„Seien Sie versichert, daß in meinen
Gesinnungen keinerlei Wandel eingetre
ten ist," vornher
«in getäuscht," klang es mit einem Aw
flug von Traurigkeit von ihren Lipper
zurück. „Das ist beschämend für mich
aber ich habe leinen Grund. Ihn»
«inen Vorwurf daraus zu machen,"
Werner wünschte sehnlich, daß dies
Unterhaltung mit Jsabella vorübe!
sein möge, denn er war zornig über s>6
selbst, daß er so unbeholfen vor ih
stand und ihr nicht ein einziges war
nies und herzliches Wort zu sage,
wußte.
Sie schwieg ein paar Sekunden lang
dann fuhr sie fort: „Nein, ich bin Jh
nen nicht böse und werde Ihnen gewij
nie wieder eine unfreundliche Mien
zeigen, wenn Sie «s vorziehen, Ihr
gehört hatte, ein Ausdruck, der ihn
eigenthümlich ergriff. „Ich verstehe
nicht, Senorita —" begann er unsicher.
stehen! Sie halten mich ja ohne
denswerthes Geschöpf, das der Vorse
hung gar nicht dankbar genug sein
und verwöhnt. Der Gedanke, daß ich
los elend fein könnte, ist Ihnen gewiß
noch nie gekommen."
„Einsam und elend Sie, Seno
rita? Nein, eine solche Möglichkeit
hätte ich mir allerdings nimmermehr
Sie versuchte zu lächeln, aber was
um ihre Lippen zuckte, glich vielmehr
einem verhaltenen Weinen. „Weil ich
scherze, weil ich auf ihren leichtfertigen,
oberflächlichen Ton eingehe und ihre
faden Huldigungen dulde darum
mußte ich Ihrer Meinung nach noth
wendig ein lebhaftes Wohlgefallen an
alledem finden, nicht wahr? Daß
ich unsere Gäste unterhalte gleich einer
bezahlten Tänzerin und daß ich ein
Kleid wie dieses hier trage Sie hal
ten es jedenfalls für eine Folge meiner
besonderen Neigungen und für einen
Ausfluß meines freien Willens?"
„Und wie hätte es anders sein kön
nen, Senorita Jsabella? Wer kann
Sie zu solchen Dingen zwingen, wenn
Ihr natürliches Empfinden sich dage
gen auflehnen will?"
„Wer mich dazu zwingen kann? Ja,
bin ich denn meine eigene Herrin? Lebe
habe ich Pflicht, ihnen gehor
sam zu
st» Seele widerstrebt. Haben Sie sich
denn niemals in diesem Sinne gegen
Ihre Mutter ausgesprochen?"
„Wie wenig Sie doch noch immer die
Menschen und die Verhältnisse unseres
Landes kennen, Senor! Gewiß hat
auch meine Mutter keine Freude an
dem Gebrauch, den ich von meiner Pe
r wenn sie es trotzdem von mir
verlangt. Aber hier führt jeder ein
zelne beständig einen heißen Kampf
um seine Existenz und um seine Stel
lung in der Gesellschaft. Und dieser
Kampf ist darum nicht weniger rück
sichtslos und erbittert, weil er sich hin
ter liebenswürdig lächelnden Mienen
und verbindlichen Formen verbirgt.
Wer über die wirksamste Waffe ver
fügt und wer sie am besten zu gebrau
chen versteht, hat auch die meiste Aus
sicht, sich als Sieger zu behaupten.
Mein Unglück ist es eben, daß man den
Reiz, den die Jugendfrische eines ledig
lich hübschen Mädchens auszuüben
vermag, für eine besonders gute Wasse
ansieht."
„Aber das ist namenlos traurig,
Senorita," rief Werner erregt, „nein,
Ihr weiblicher Stolz und Ihre Selbst
gegen zu empören."
Sie schüttelte in wehmüthiger Resig
nation den Kopf. Solche Empörung
würde mir wenig frommen ja, man
würde sie vielleicht nicht einmal verste
hen, Sie aber werden nun besser de
ich von einer zerstörten Hoffnung
sprach. Es war die Hoffnung, einen
Menschen gefunden zu haben, der sich
in allem und jedem von den Männern
meines bisherigen Umganges unter
schied einen Menschen, zu dem ich
bewundernd aufsah, weil ich ihn seiner
Rasse und seiner Erziehung nach von
vornherein hoch über meine Landsleute
stellte. Ach. ich kann Ihnen nicht sa
gen, wie glücklich mich für einige kurze
Tage mein schrankenloses Vertrauen in
Ihre Ritterlichkeit gemacht hatte."
Das waren ganz ähnliche Worte, als
er sie aus dem Munde Conchitas gehört
hatte. Hier wie dort derselbe Appell
an seine Ritterlichkeit, dasselbe ohne
jedes eigene Zuthun auf für ihn gera
dezu unerklärliche Weise gewonnene
Vertrauen! Und auch hier durfte er
nach dem. was er soeben gehört hatte,
nicht länger an Lüge und Verstellung,
an eine geschickt gespielte Komödie
glauben die Stimme des Mitleids,
die sich so mächtig in seinem Herzen
regte, sagte ihm, daß er es nicht dürfe.
Aber Conchita betrachtete dieses Mäd
! chen als ihr« Feindin! Gerade mit
l Rücksicht auf Jsabella del Vasco hatte
! sie ihm bedeutsam gesagt, daß er als
> rechtschaffener Mann nicht zwei feind
! lichen Parteien gleichzeitig dienen
! könne. Fürwahr, das waren unlös
j liche Räthsel, und er hatte sich nie zu
' vor in einer gleich zwiespältigen Lage
> befunden. Aber er mußte ihr antwor
ten. und seine Unerfahrenheit und Ver
! trauensseligkeit, sowie sein warmes
Herz gestatteten ihm nicht, kühl und
j zurückhaltend zu bleiben.
! „Ich müßte es tief beklagen. Seno
' rita," sagte er, „wenn ich Ihr Ver
trauen inzwischen verscherzt hätte.
Verfügen Sie über mich, und wenn ich
etwas dazu thun kann. Sie aus Ver
hältnissen zu befreien, die Sie selbst
! als unwürdig empfinden, so soll es ge-
I wiß mit Freuden geschehen."
lsabella machte «ine verneinend« Ge
! sich ihre Brust. „Lassen Sie es gul
thun konnten, hätte Ihr eigenes Herz
Ihnen sagen müssen. Nicht ich darf
als ob sie ihn nie mehr freigeben
wollte.
„Um Gottes willen, Senorita," bat
chen Ausbruch, den er noch immer nur
Schmerzes hielt, „fassen Sie sich! Und
..Was Du thun kannst? O, Du
Er hätte nicht von Fleisch und Blut
hatte. !
früher oder einen Tag später mir
gilt es ganz gleich. Ich will mich nach
all den Qualen dieser letzten Tage auch
Ueberraschung herbeigeführten Mo
ment des Selbstvergessens mit Unrecht
zu ihren Gunsten gedeutet habe, aber
war.
Es war vielleicht die erste wirkliche
Feigheit seines Lebens, als er nach kur
zem Kampfe sagte: „Aber nicht jetzt
kann ich mit Ihren Eltern sprechen,
Senorita nicht an diesem üibend.
Bis morgen wenigstens müssen wir das
Geheimniß bewahren."
löste sie die verschlungenen Hände und
erwiderte: „Wohl, ich füge mich Dei
nem Willen. Bis morgen also!
Gehen wir denn in das Haus zurück!
Man gönnt uns ja nicht, hier noch län-
Ihre letzten Worte bezogen sich auf
einige Damen und Herren, deren Ge
stalten in der offenen Thür des Musik
saales aufgetaucht waren, und die of
fenbar im Begriff standen, zwischen
den Pslanzengruppen des Patio eben
falls Kühlung zu suchen. Werner
fühlte, wie ihm das Blut in's Gesicht
stieg, während er mit Jsabella an ih
nen vorüberging. Es war ihm, als
sähe er überall zudringliche forschende
Blicke und spöttisch lächelnde Mienen.
Nicht eine jubelnde Gliicksempfindung,
sondern nur ein Gefühl der Beschä
mung und des bittersten Grolles gegen
sich selbst war es, das ihn erfüllte. Am
liebsten wäre er auf der Stelle von hier
Ort, wohin kein fremdes Menfchen
auqe drang, und wo er ganz allein war
mit dem Bewußtsein des begangenen
Unrechts. Denn die Erkenntniß dessen,
was er durch sein zaghaftes Schweigen
über sich heraufbeschworen, lastete schon
jetzt mit Centnerfchwere auf seine:
Seele.
Es wäre ihm unmöglich gewesen,
jetzt eine gleichgiltigc Unterhaltung zu
führen, und er begrüßte es wie eine Er.
Lösung, als Jsabella gleich nach ihrem
Eintritt von einigen Freundinnen un
feiner Seite entführt wurde. Mit na
hezu fluchtartiger Hast zog er sich in
das Rauchzimmer zurück, wo die Poli
schritt, hatte der Minister sein Glas
stimmend aus die Geschicke eines ganzen
Volkes einzuwirken. Er setzte sich in
eine Fensternische, wo er von Niemand
„Gestatten Sie mir, Ihnen als der
gen, Herr Director," sagte er mit einer
Höflichkeit, die jeden Verdacht eines
beabsichtigten Spottes ausschließen
mußte. „Ich hoffe, daß Sie mir nicht
zürnen, weil ein Zufall mich zum Mit
wisser Ihres Geheimnisses machte, und
Sie dürfen natürlich versichert sein,
daß es als ein solches bei mir wohl auf
gehoben sein wird, so lange nicht Sie
selbst mich von der Pflicht der Ver-
Freude über Ihren beneidenswerthen
Erfolg ist eine so große und aufrichtige,
daß Sie es mir nicht versagen dürfen,
dieses Glas auf Senorita Jfabellas
Wohl und auf das Ihrige zu leeren."
Niemals war Werner's Zuneigung
für seinen deutschen Landsmann gerin
ger gewesen, als in diesem Augenblick.
Das alte, sast instinktive Mißtrauen
gegen den Prokuristen, das er in der
letzten Zeit mit aller Energie zu bekäm
pfen und zu unterdrücken versucht hat
te, war mit verstärkter Gewalt von
Neuem in ihm erwacht, und es kostete
ihn Ueberwindung, dem Manne eine so
freundliche Miene zu zeigen, wie sein
verbindlicher Glückwunsch sie erheischte.
Mit einigen kurzen Dankesworten
that er ihm Bescheid, um dann in ra-
schein Entschluß hinzuzusügen: „Ich
! bitte Sie um Ihre Verschwiegenheit,
! Herr Henninger, bis ich mit Senor del
Vasco und seiner Gemahlin gesprochen
habe."
mend. „Ich verstehe vollkommen und
ich hoffe, Sie geben«sich hinsichtlich der
! Einwilligung des Senor del Vasco kei
! nen Besorgnissen hin. Unsere verehr
ten Gastfreunde werden sich glücklich
z schätzen, Sie als Sohn zu begrüßen."
„Wir werden sehen," sagte Werner
' liihl, indem er sich zugleich erhob und,
i um eine Fortsetzung des Gespräches
I abzuschneiden, sich zum Verlassen des
! Rauchzimmers anschickte. Henninger
mußte den Wink verstanden haben,
' denn er zog sich mit einer Verbeugung
bem Wege von einem der Herren auf
gehalien, der in Bezug aus eine Bör
! fenangelegenheit seinen Rath einzuho
! len wünschte, und ehe er stch's versah,
befand er sich inmitten einer der lebhaft
politisirenden Gruppen. Die Dinge,
von denen die Rede war, interessirten
j ihn jetzt nicht mehr als vorhin, aber er
betheiligte sich nichtsdestoweniger an
der Unterhaltung, weil ihm in diesem
Augenblick jede Möglichkeit, seinen Ge
danken eine andere Richtung zu geben.
Eine Stunde verflog, ohne daß er
Isabella wieder gesehen hätte. Dann
begann zu seiner Erleichterung der
Aufbruch der Gäste, die sich nach Lan
dessitte verhältnismäßig frühzeitig
verabschiedeten. Diesmal war er dar
auf bedacht, sich nicht unter den letzten
zu befinden, die der Dame des Hauses
mit artigem Dank für die genossene
Gastfreundschaft die Hand küßten.
Dona Maria, mit der er während des
ganzen Abends kaum ein halbes Du
tzend Worte gewechselt hatte, und die
sich dadurch wohl hätte gekränkt fühlen
können, lächelte ihm überaus huldvoll
zu. als er in vergeblich bekämpfter Ver
wirrung vor sie hintrat.
„Sie haben ein schlechtes Gewissen,
Senor." sagte sie scherzend, „ich lese es
in Ihren Augen. Bereiten Sie sich
darauf vor. mir morgen eine große
Beichte abzulegen."
Er stammelte etwas Unzusammen
fühlte er seine Hand mit innigem Druck
ergriffen und hörte Jsabella's Stim
me. die ihm zärtlich zuraunte: „Laß
mich morgen nicht zu lange warten,
Geliebter! Denke daran, daß ich die
Minuten zählen werde bis zu Deinem
Kommen. Und nun gute Nacht!—
Träume süß von mir und von unserer
Liebe!"
Er wußte kaum, was er ihr erwidert
hatte: er wußte nur, daß er den inni
gen Druck der kleinen weichen Hand zu
rückgegeben und ihr irgend eine neue
Lüge gesagt. Wie ein Missethäter, den
Furcht und Reue von dem Orte seiner
Verfehlung hinwegtreiben, wollte er
sich davonstehlen. Aber er konnte nicht
verHintern, daß ihn draußen im Vor-
zimmer auch Manuel del Vasco noch
> sür einige Sekunden zurückhielt.
! „Ei ei, Don Werner," sagte der lie
> benswürdig« Hausherr in scherzhaft
draußen im Patio gesessen, hat mir gar
wunderliche Geschichten ins Ohr geflü
stert. Wenn es nicht gelogen hat, müßte
ich böse fein. Aber ich
Er wußte also offenbar bereits al
les. und es war kein Zweifel, daß er es
nur von Isabella erfahren haben konn-
Worten für die Erklärung, die er un
ter solchen Umständen für sofort gebo
ten hieU; aber Don Manuel kam ihm
zuvor: „Nicht jetzt, jetzU^^Wir
Er hörte nicht, was jener sprach: die
letzten, zärtlich sehnsüchtigen Worte
Jsabella's klangen ihm noch immer im
vernehmen, die ihm mahnend zurief:
„Auch Rosenketten können eine unzer
reißbare Fessel fein. Kein redlicher
Mann kann zwei feindlichen Parteien
gleichzeitig dienen."
12. C a p i t e l.
Gegen Morgen erst hatte Rodewaldt
den stundenlang vergeblich ersehnten
keineswegs süß und wonnig gewesen
waren, obgleich Jsabella del Vasco in
jedem von ihnen eine bedeutsame Rolle
gespielt hatte. Früher als sonst er
wachte er mit benommenem Kopf und
digkeit wollte ihn an das Lager fesseln,
aber er schüttelte sie energisch ab, um
sich, wie er hoffte, durch einen Spazier
war rasch beendet, und er klingelte nach
dem Kellner, der ihm das Frühstück zu
bringen pflegte. Der junge Mensch er
schien sofort, aber die Platte mit dem
Kaffee und Gebäck war
Hotelbedienstete anzunehmen pflegen,
wenn sie sich zu halben Mitwissern ei
ner zarten Angelegenheit gemacht glau
ben. „Eine niedliche kleine Chola (far
bige Kammerzofe) hat ihn gebracht."
Mit rascher Bewegung streckte Wer
ner seine Hand nach dem Briefchen
aus, das sein Interesse um so mehr er
regen mußte, als es, wie er sofort er
kannt hatte, von der nämlichen Form
und F'irbe war wie das Billet, das ihm
am Tage seiner Ankunft bei der Rück
kehr von dem ersten Spaziergange durch
Buenos Aires zugesteckt worden war.
Auch die Handschrift der Adresse zeigte
dieselben feinen, doch charaktervollen
Züge, die ihn damals verhindert hat
ten, die unverständliche Warnung wie
den ersten besten werthlosen Papier
fetzen zu zerreißen. Er war gespannt,
den Inhalt dieser zweiten Zuschrift
kennen zu lernen, aber er konnte sich
nicht entschließen, den Verschluß des
Umschlages zu lösen, so lange der neu
gierig zaudernde Kellner im Zimmer
ivar. Erst als sich der theilnehmende
Jüngling mißvergnügten Antlitzes zu
rückgezogen hatte, entfaltete Werner
das Blatt, und ein Ausruf der Ueber
raschung kam von seinen Lippen, als
er einen Blick auf die Unterschrift ge
worfen hatte. Denn der Gedanke, daß
jene unbekannte Warnerin und seine in
Don Manuels Patio gewonnene
geheimnißvolle Freundin Conchita
dieselbe Person sein könnten, war
ihm bisher niemals gekommen. Und
doch durfte er nicht daran zweifeln,
denn das Briefchen, das so überzeugend
die Handschrift des ersten Billets auf
„Senor!
Schneller, als ich es vermuthet oder
gefürchtet, ist der Tag gekommen, an
dem ich der Hilfe eines aufrichtigen
Freundes bedarf. Erwarten Sie mich
heute Vormittag um neun Uhr aus
dem Cimenterio de la Recoleta an dem
Grabmal des Präsidenten Rivadavia,
wo wir uns kürzlich nach unserem ge
meinsamen Spaziergange trennten. Es
ist wichtiges, was ich Ihnen mitzuthei
len habe wichtig freilich vor allem
für mich, aber ein wenig vielleicht auch
für Sie. Wenn Sie indeß verhindert
sind zu kommen, oder wenn Ihre Ge
sinnung sich geändert hat, so bedarf es
keiner besonderen Nachricht. Ich werde
Werner überzeugt« sich zu seiner Be
ruhigung durch einen Blick aus die Uhr,
daß 'es noch früh genug sei, die für die
Zusammenkunft angegebene Zeit pünkt
lich Inn« zu halten, und er zögerte nicht,
sich sofort auf den Weg zu machen, Es
Friedhof erreichte; schon von
weitem aber gewahrte er die dunkle
weibliche Gestalt neben der dem Ein
gange gegenüberliegenden Grabkapelle.
Conchita war also noch früher zur
Stelle gewesen als er gewiß ein Be
weis dafür, wie viel ihr an dieser Zu
sammenkunft gelegen war.
Sie ging ihm denn auch um einige
Schritte entgegen und bot ihm die
Hand. „Ich danke Ihnen, daß Sie ge
kommen sind. Senor ich danke Ih
nen von ganzem Herzen."
„Dazu haben Sie nicht die geringste
Veranlassung, Senorita! War es
denn nicht so zwischen uns verabredet?
gezweifelt?" ,
Nein um ganz aufrichtig zu sein
—ich war fest überzeugt, daß Sie kom-
men würden. Aber ich war selbst nahe
daran, wieder fortzugehen, denn am
Ende wäre es immer noch besser gewe
sen. Sie hätten mich hier nicht gefun
den. als daß Sie durch mich in Ungele
genheiten oder vielleicht gar in eine
ernste Gefahr gebracht werden."
„Nun, dem Himmel sei Dank, daß
Sie diesen höchst überflüssigen Bcd-nk
lichkeiten nicht nachgegeben haben. Sit
haben mir einmal verheißen, mich zi
spruch, Ihnen zu dienen. Welchen
Werth aber hätte ein Dienst, der nicht
mit Unbequemlichkeiten over Gefahren
verknüpft wäre!"
anzuschlagen, aber Conchita war heute
offenbar nicht geneigt, in ihn einzu
stimmen.
„Lassen Sie uns etwas tiefer in den
Friedhof hineingehen," sagte sie ernst,
„denn hier würden wir ven neugierigen
Blicken aller Besucher ausgesetzt sein."
Sie schritten zwischen den zahllosen,
eng bei einander stehenden Mausoleen,
dahin, bis Conchita ;n einem ganz ver
steckt liegenden Plätzchen Halt nichte.
lauschen. Aber ehe Sie erfahren, we
ich bin und was ich von Ihnen erbitte,
lassen Sie mich Ihnen noch einmal sa
gen, daß meine gute Meinung von Ih
nen sich auch nicht im mindesten verrin
gern wird, wenn Sie sich aus irgend
Kampf gegen Personen beizustehen, die
Ihnen vielleicht werth und theuer sind.
Es gewährt mir schon eine Erleichte
rung, mich endlich einmal rückhaltlos
auszusprechen und daß ich es vor
Ihnen unbedenklich thun darf, dessen
Sie hatt« sich auf den Stufen eines
Grabdenkmals niedergelassen, und
Werner war neben ihr stehen geblieben.
Er hielt es nicht für erforderlich, ihre
letzten Worte durch eine erneute Versi
cherung zu beantworten und sie hatte
derartiges wohl auch nicht erwartet,
d«nn sie fuhr sogleich fort: „Haben Sie
in Senor Manuel del Vascos Hause
jemals von Ruiz Ortegas gehört, dem
Gatten seiner Schwester?"
Werner verneinte.
„O, ich begreife es wohl, daß man es
dort nicht liebt, von ihm zu sprechen.
Nun wohl, Ruiz Ortegas war mein
Vater. Er wurde mir allzu früh durch
den Tod entrissen, nachdem meine ge
liebte Mutter ihm bereits vorangegan
gen war. Sie hinterließen mich als
ihr einziges Kind und als die alleinige
Erbin eines großen Vermögens. Die
ses Erbtheil soll mir, wie es scheint,
jetzt zum Verderben gereichen, denn ich
hatte das Unglück, meinen Oheim Ma
nuel del Vasco zum Vormunde zu er
halten. und all sein Trachten ist nur
darauf gerichtet, sich meines Besitz
thums zu bemächtigen."
„So also erklärt es sich, daß ich Sie
in seinem Hause traf!" rief Werner,
der durch ihre Enthüllung auf das
äußerste überrascht war. „Aber es ist
eine furchtbare Anschuldigung, die Sie
da gegen den leiblichen Bruder Ihrer
Mutter erheben. Glauben Sie denn
einen Beweis für ihre Berechtigung zu
„Würde ich sonst einen solchen Ver
dacht aussprechen? Aber urtheilen
Sie selbst!"
Sie erzählte ihm die Geschichte von
der Heirath ihrer Mutter und von dem
Verhalten der Familie del Vasco gegen
sie. Thränen glänzten in ihren Augen,
während sie von ihren Eltern, von ihrer
artig befallen so daß ihm vor
seinem Tode nicht mehr Zeit blieb, letzt
willig« Verfügungen zu treffen, sc
hätte er die Sorge für mich sicherlich
anderen Händen anvertraut als denen
seines Schwagers, gegen den er von
tiefster Verachtung erfüllt war, wenn
er es auch vermied, diesen Empsindun
nur wenige Tage, und schon am ersten
hatte er das Bewußtsein verloren.
Vielleicht würde das Gericht mir einen
m?rtsamkeit, und er wußte so trefflich
den Biedermann zu spielen, daß .ich
mir manchmal ernstliche Vorwurf!
machte w«g«n der unüberwindlichen
Abneigung, die ich trotzdem gegen ihn
Nur einem Men
(Fortfetzung folgt.)
Fatale ZustimlNung.
Junge Wittwe: „Der Hauptmann be
vorzugt mich in auffallender Weise,
mir scheint, der hat ernst« Absichten."
Freundin: ..Kann schon sein, der
Mensch ist ja der reinste Narr!"
Di« Hauptsach«. Frau
A,: „Nun, Frau Gevatter, wie hat Ih
nen die neue Oper gefallen?" Frau
B,: „Ach, ich sag' Ihnen, die Prima
donna Hot «in Kleid angehabt, himm
lisch!"
Jür die Küche.
Ei« rsalat. Hartgekochte, klein
geschnittene Eier werden mit einer
Mayonnaise übergössen und die Schüs
sel mit Sardellen, Kapern und grünen
Salatblättchen garnirt.
Steaks von Kalbfleisch.
Man schneidet zweifingerdicke Scheiben
aus einer großen Kalbskeule, klopft sie
gut und klopft Salz und Paprika mit
hinein. Sie bleiben min etwa eine
halbe bis ganze Stunde liegen. Dann
wird Butter ziemlich braun gemacht,
die Steaks darin auf der Platte in
flachen Zwischenräumen gar gemacht
und sogleich ol» mirotoa (im Kranze)
oder länglich liegend angerichtet.
Dazu Gemüse oder frische Kartoffeln
Kartoffelklöße. Man nehme
halb roh geriebene, halb gekochte Kar
toffeln. Die rohen werden ausge
drückt (am besten in einem Tuch), wo
durch das Wasser herausläuft, hierbei
setzt sich nach einer Weile auf dem
Grunde des Wassergefäßes Stärke an.
Das Wasser gießt man fort und nimmt
die Stärke zu den Klößen. Diese
werden geformt und in Wasser gelocht,
bis sie nach oben kommen; dann sind
sie gar. Sie müssen etwa ein« halbe
Stunde kochen.
Elsäsfer Kartoffeln.
Gutes, nicht zu fettes Hammelfleisch
wird mit Wasser, Salz und etwas
Kümmel gar gemacht: ii zwischen wer
den auch Kartoffeln in der Schale ge
kocht, geschält und in Scheiben ge
schnitten. Drei Unzen Butter und
zwei Eßlöffel Mehl schwitzt man nun
zusammen, verkocht die Einbrenne mit
der durch eine Messerspitze Li»bigs
Flcischextrakt Hammel
schmort w dieser einige Zwiebeln und
eine in Würfeln geschnittene frische
Gurke so weich, daß man die Sauce
durchreiben kann. Ist dies geschehen,
wird etwas geriebener Parmesankäse,
Salz und Pfeffer hinzugefügt und
hierauf werden die heißen Kartoffel
scheiben hineingeschüttet. Das Ham
melfleisch zertheilt man in mundge
rechte Stücke, legt es in die Mitte der
Schüssel,, überfüllt es mit einigen Löf
feln Sauce, umkränzt es mit den Kar
toffelscheiben und bestreut das Ganze
mit in Butter braun gerösteter geriebe
ner Semmel.
Gedämpft« Leber, Man
lege die Leber einige Stunden in Milch,
trocknet sie ab, häutet sie, bestreut sie
mit Salz, spickt sie mit seinen Fettstrei
fen und dünstet sie drei Viertel Stun
den in Butter, wobei man öfter heißes
Wasser oder Fleischbrühe angießt und
den Sast einer Citrone hinzufügt.
Wenn die Leber beinahe weich ist,
gießt man einige Löffel Rahm oder
noch besser Madeira zu der Sauce, läßt
sie kurze Zeit damit dämpfen und rich
tet sie mit der Sauce an.
Paprika - Schnitzel. Man
läßt Zwiebeln in Fett hellgelb rösten,
giebt eine Messerspitze Paprika dazu
und läßt darin die geklopften und in
Mehl gewendeten Schnitzel auf beiden
Seiten rasch anbraten, gießt einige
Löffel Rahm und etwas Bouillon aus
Liebigs Fleifchextrakt hinzu und läßt
das Fleisch gut zugedeckt fertig dün
sten. Die fertigen Schnitzel werden
mit gebratenen Kartoffeln garnirt zu
Tische gegeben.
Rindsschnitten ausWie
ner Art. Von «inem kurzen, gut
abgelagerten Rippenstück schneidet man
singerdicke Stücke, löst alle Knochen ab
und klopft die
Salz und Pfeffer. Forint sie sckM
rund, wendet sie in Mehl um und brät
alle Schnitten auf Butter bei lebhaf
tem Feuer braun. Die gebratenen
Schnitten werden nun aus ihrem Fett
in eine andere flache Kasserolle gelegt,
mit feingeschnittenen Suppenwurzeln
und Zwiebelblättchen bestreut, etwas
gute kräftige Bratensauce und ein
Spritzer weißer Wein darunter gegos
sen; zugedeckt mürbe gedämpft. Man
giebt hierzu beim Austragen Bratkar
toffeln und eine gute Kapernsauce.
Schinken in Wein ge
dämpft oder Burgund« r
fchinken. Em etwa 6 bis 6 Pfund
schwerer Schinken wird gut in lauem
Wasser abgebürstet, sodann 6 bis 3
Stunden in frischem Wasser gewässert.
Mit heißem Wasser zugesetzt, läßt man
den Schinken langsam, je nach feiner
Größe, 1j bis 2 Stunde» kochen, hebt
ihn in eine Bratpfanne oder passenden
Tiegel, gießt darüber einen Theil
Schinkenbrühe, zwei Theile Rothwein,
einige Eßlöffel gestoßenen Zucker. 2 bis
A Gewürznelken, ein Stückchen Zim
metrinde und etwas Citronengelb,
weichgedämpst wird. Der fertige
Schinken wird schön tranchirt, mit
ttwas Weinsauce unterschwimmt, dann
heiß aufgetragen. Den Rest der Sauce
stellt man in einem besonderen Geschirr
zu Tisch.
Blumenkohlsuppe. Der
Blumenkohl wird gereinigt, in Rös
chen getheilt, in gesalzenes, kochendes
Wasser eingelegt, einige Minuten ge
locht und über einen Seiher geschüttet.
Donn röstet man zwei Lössel Mehl mit
einem Stück Butter und etwas Peter
silie hellgelb, süllt unter Umrühren
mit Fleischbrühe allmählich auf, giebt
den Blumenkohl dazu und läßt es
kochen, bis derselbe weich ist. Vor
dem Anrichten werden zwei Eigelb«
verrührt, die Suppe darüber gegossen
und in Butter geröstete Semmelwürfel
.dazu gegeben.
Mürbeluchen. Ein halbes
Pfund Butter, ein halbes Pfund Mehl.
Lz Unzen Zucker, ein rohes Eidotter.
Alles zusammen wird zu Teig gemacht,
und zwar schnell, damit der Teig nicht
schlecht wird, auf ein Backbrett gelegt,
aufgemangelt und dann zu Kuchen
oder Sternchen ausgestochen. 3