Scranton Wochenblatt. (Scranton, Pa.) 1865-1918, March 23, 1899, Page 2, Image 2

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    2 Bine moderne Z)ido.
Die Klosterseebäuerin war früh
Wittwe geworden. Mit zweiundzwan
zig Jahren war sie unumschränkte
Herrin des große» Hofes, der am ein
samen Elbdeich in Dittmarschen lag.
Ein ehemaliges Kloster, von dem
nur die altersgrauen Umfassungs
mauern mit dem eisenbeschlagenen
Flügelthore und einem davorliegenden,
schilfumwachsenen kleinen See übrig
geblieben waren, gab dem Besitz seinen
Namen. Schön war die Klosterseebäue
rin Jngeborg, gros> und schlank, und
ihre blonden Flechten trug sie so stolz,
wie eine Königin ihre Krone. Sie
hatte viele Bewerber; Alle wies sie zu
rück. Aber ein Herz hatte sie doch, und
das schlug für einen einfachen Bauern
inecht, der seit manchem Jahr in ihren
Diensten stand. Jens Jversen hatte
kluge, braune Augen, ein ruhiges, be
stimmtes Wesen und trotz seiner einfa
chen Lebensverhältnisse eine Herzens
bildung, die ihn weit über seine Stan
des- und Altersgenossen emporhob.
FranJngeborg hatte ihn nach und nach
mit den wichtigste» Posten der Ver
waltung betraut, ihm auch das Gestüt
übertragen, das in ganz Dittmarschen
berühmt war. Wie sehr sie Jens aber
auch bevorzugte, «r hielt sich stets in
seinen Grenzen, und das grämte sie
rung darüber verbot.
Sie fand des Räthsels Lösung eines
Abends, als sie ihn mit einem barfllßi
sein Eigen nannte als das Röckchen,
das es trug, und ein paar große, un
schuldige Kinderaugen. Ein Vorwand,
die Magd zu entlassen, ergab sich für
die Herrin bald, aber das besserte
nichts; beim nächsten Termin kündigte
Jens seine Stelle, da er zu Martini
Heirathen wolle. Die schöne Jngeborg
fuhr von ihrem Sitze auf, dann >sagte
sie sanft, so sanft, wie er es noch nie
von ihr gehört hatte: „Ich kann Euch
in der Wirthschaft nicht entbehren! Ich
bitte Euch, bleibt! Ich will Euren Lohn
verdoppeln." „Es geht nicht, Klostersee
bäuerin, die Liese steht allein in der
Welt; wenn ich sie nicht zu mir nehme,
wird sie mir verdorben, und dazu hab'
ich sie zu lieb/' Di: Frau zuckte hoch
müthig die Achseln: „Um solch ein
dummes Ding" sagte sie zornig, und
wandte sich ab. Da sie nichts hinzufüg
te, nahm er den ausgezahlten Lohn
vom Tische, seine Papiere und wandte
sich zum Gehen. Aber er hatte noch nicht
die Thürklinke in der Hand, als sie
„Jens" rief und wieder „Jens"!" rief
mit einem Tone, der ihm durch Mark
und Bein ging. Er wandte sich um.
Sie stand vor ihm, das stolze, schöne
Gesicht von Thränen übersluthet und
schluchzte: „Begreifst Du es denn gar
nicht, Jens, daß ich Dich nicht lassen
kann, daß ich Dich lieb habe? Nimm
den halben nein" sagte sie und stieß
den Fensterflügel auf, daß man weit
in die blühende Landschaft hinaus sah
—„nimm den ganzen Hof und mich
dazu". „Ich kann nicht, Frau Jnge
borg", sagt er mit bebender Stimme,
dazu anbieten ich kann die Liese
nicht lassen." Er wollte nach ihrer Hand
fassen, doch mit einer stummen Bewe
gung stieß sie dieselbe zurück und ver»
Jens schritt aus dem Hause, um
Pferdestall. Ein kleines Füllen, sms er
mit derSaugftasche ausgezogm, sprang
er siir das Pferd stets bei sich trug
Thieres glänzenden Hals. Der eben er
lebte unerwartete Auftritt mit der her
rischen, schönen Frau, der Abschied
junges Weib trat im
schwarzen Kleide, im Schleier und
Myrthenkranz zu ihm; im zärtlichen
Geflüster mit ihr vergaß er für den
Augenblick, was ihn bedrückte. Der
rothe Schein am Horizonte verschwand
nicht; er wurde größer, breitete sich
aus. ein arauer Dunstschleier hisa in
der Lust und „Feuer" rief es plötzlich
hinter ihm. Der Ruf wiederholte sich,
die tanzenden Paare kamen herausge
stürzt. „Sollte es der Klosterseehof
sein? Während die anderen noch berie
hatte Jens sich ein Pferd ge
schwungen und war davon gesprengt.
Sein Herz sagte es ihm sofort' das
war der Gruß der Klosterseebäuerin zu
seinem Hochzeitstage! Als er um die
Windung des Deiches bog, stutzten
Pferd und Reiter: vor ihnen, nur
durch den kleinen See getrennt, stand
der Klosterhof in vollen Flammen
Au» dm massiv«« Mauern empor leckt«
das Feuer an vier, filnf Stellen zu
gleich in die Lust; es war so still um
„Jngeborg!" schrie er ans, stürmte in
rasender Eile um den stillen Weiher,
sprang vomPserd« und rüttelte an dem
mächtigen Thor. Aber es war ver
schlossen wie die Heiden kleinen Fenster
im tiefen Mauerwerk daneben, und wie
höhnend stieg jetzt eine breite Feuer
garbe aus dem Kornboden «mpor, das
brennende Getreide wie einen funkeln
den Schleier über den Hof ausbrei
tend. Jens schrie auf. Das war Jnge
borgs Werl, sie hatte den Brand an
gelegt! Sie hatte sich selbst den Holz
stoß angezündet, um den Hochzeitstag
des Geliebten nicht zu überleben, um
der Qual des Verschmähtseins zu «nt
gehen.
de? Brandstätte, Jens überließ es ih
nen, das Hofthor einzustoßen, und
wandte sich nach den Ställen zu seinen
Pferden. Ein furchtbarer Anblick bot
sich ihm dar. Durch den Rauch und die
Helle geängstigt, bäumten sich die edlen
Thiere und rissen verzweifelnd an den
Kelten und Halftern. DaS junge Fül
len hatte sich in seiner Todesangst
überschlagen und das Rückgrat? gebro
chen; es lag verendend quer über den
Krippen. Aus dem Heuboden darüber,
wo das Feuer jetzt Eingang gefunden,
siel das Heu in glühenden Flocken auf
die dicht aneinander gepreßten Thiere
gung, mit blutüberströmten, rauchge
schwärzten Händen suchte Jens die
verwickelten Halfter zu lösen, riß sei
nen Hans heraus, zog das sich sträu
bende, nach allen Seiten ausschlagende
Thier ins Freie, übergab es einem
Knechte und stürzte zum Stalle zurück.
Aber zu spät! Ein Strom brennenden
die unglücklichen Thiere. Um ihre To
desqual zu kürzen, schlug Jens die
Thür zu und mit donnerndem Gepras
sel stürzten wenige Augenblicke später
die Stallgebäude zusammen.
derKlosterseebäuerin fand man
verkohlte menschliche Ueberreste. Unter
einem schweren Balken war «in Theil
derselben unversehrt geblieben; es war
der Arm und die Hand der schönen
schmeide und ihrenÄingen. Wie zu
einem Feste hatte sie sich geschmückt.
Tags zuvor hatte sie dem Ortsvorste
her einen versiegelten Brief übergeben,
bestimmte, daß „Alles was vom Klo
sterseehof übrig bliebe, dem Jens Jver
sen erb- und eigenthümlich .gehören
solle."
überall mit geholfen hatte, fand ihn
ausgestreckt am Abhang des Klostersees
liegen. Als sie neben ihm niederkniete,
hörte sie, daß er bitterlich schluchzt«.
„Warum weinst Du?" fragte st«, sein
Geficht sanft rmporhebend. Er deutete
schweigend seitwärts, wo im Schilfe
ein Pferd todt hingestreckt lag. „Ich
habe den Hans mit Gefahr meines Le
bens gerettet", sagte er leise, „aber es
half nichts. Der Rücken war ihm bis
auf den Wirbel durchgebrannt; er litt
fürchterlich! Ich führte ihn hierher.
Mit der Linken drückte ich noch einmal
Rechten schoß ich ihn durch's Herz. Er
einmal mit seinen guten großen Au
gen, den Augen eines Freundes, «inen
Menschen an, und dann war's vorbei."
Und der neue Gutsherr des Kloster
seehofes und seiner rrichgesegnetenLän
dereien legte den Kopf in seines jungen
Weibes Schooß und weinte um seinen
Hans. „Weißt Du, daß man die Klo
sterseebäuerin verbrannt gesunden
hat?" fragte Liese zaghaft, die ver
sengten Haare ihres Gatten streichelnd.
Er fuhr entsetzt empor. „Also doch!'"
stieß er heraus „ich dachte es mir
wohl." „Warum dachtest Du es?"
fragte sie leise. Er aber antwortet«
nicht und schloß ihr den Kindermund
mit einem langen, innigen Kusse.
Xrlntlufttge Damen.
Es gab eine Zeit, in d«r auch dii
weibliche Welt Gefallen daran sand
zum .Schoppen" zu gehen, und dies«
Zeit war das sechzehnte Jahrhundert
Damals wurde das Kneipen der Da
men so sehr Mode, daß sogar die Be
hörden wiederholt gegen die „Wribti
zechen" einschritten. In Aktenstücke»
aus jenen Jahren begegnet man imme,
und immer wied«r den Namen von
Frauen, die eine Virmahnung deswe
gen erhielten, weil sie den Weg aus bei
Kneipe nach Hause nicht ohne Hilfe zu
rückzulegen vermochten.Dabei waren eS
auf diese Weise Skandal erregten, wii
z. B. im Jahre 1591 die Frauen dei
Tübinger UniversitätsprosessorenEru
einer Prozeßschrift aus genanntem
Jahre heißt, daß sie „oftmals nach
Lustnau und Derendingen ziehen, sick
tig
Naive Frage. Herr:
mir verschafft haben, einen kolossaler
Buckel!" Heiraths - Agent: „Ja, mein
Herr, halten Sie d«in einen Buckel süi
»inen Manzeli"
Aie Sache des Sajay.
Von Martin Weber.
«Um Gotteswillen, wir sind verlo
ren!" schrie cine junge Mädchen
stimme. Gleich daraus ein kreischen
der Aufschrei, einige unterdrückte
langgezogene Trompetenton eines von
Schmerz und Angst geschüttelten Ele
phanten ... das Qschungelgebüsch der
indischen Landschaft brach lints und
rechts zur Seite und der Thiercoloß
sank ausschnaubend und mit rollendem
Rüssel die Lust peitschend, in die Knie,
«»in n«uer Aufschrei und aus dem
hölzernen Thurm, den der Elephant
aus seinem Rücken trug, stürzte, von
der Tatze des Tigers, der seine Plan
ten in den Widerrist des zuckenden
Tragthieres geschlagen hatte, getroffen,
ein formloser, zerfetzter und blutender
Menschenlörper in die Tiefe. Es war
der eine von den beiden Männern, in
deren Gemeinschaft das junge Mäd
chen, die Amerilanerin Miß Kitty
Evans, den Thurm zur Tigerjagd be
stiegen hatte. Fast in demselben Au
genblicke, als der «ine Gefährte den
tödtlichen Streich von der Bestie «r
-hielt, trachte «in neuer Schuß, und un
fein, erfüllte sie ganz.
„Oh, Sir, das ist furchtbar," sagte
Pe leif« zu ihrem Begleiter. »Ist nun
alles vorüber?"
Der Angeredet« wandte den Kopf
hastig herum. Das Lastthier hatte sich
„Um Gotteswillen 1 Was bedeutet
That sehen Sie, Miß, die Augen
der Bestie ja... schießen Si«
Die Mahnung kam zu spät. Miß
Kitty's Büchse hatte sich entladen, ohne
das Thier zu treffen. Ein heiseres
der Schuß des Mannes und gleich
zeitig saß der Tiger aus dem Kopse des
Elephanten. Dieser stürzte und suchte
vergeblich mit dem Rüssel seinen Peini
ger zu fassen. Ein Prasseln des Thur
mes, glühend heißer Athem, der ihr
scheiden, ob es das Blut des Thieres.
Ries war dann hörte sie noch «inen
scharfen Knall und ein kurzes Zischen
dicht n«ben ihrem Ohr, und dann war
Miß Kitty hatte das Be
brcnnenden Schmerz und «inen dum
pfe« Druck auf Stirn und Schädel
decke. Sie hörte eine tiefe, fremdländi
sche Männerstimme leise reden, spürte
die zärtliche Brührung einer Iveichen
Hand, und wie ein vibrirender, wonne
süHer Ton zitterte «s durch ihr« Ner
ven. Ihre Augenlider öffneten sich
halb und sahen ein tiefgebräuntes,
feingeschnittenes Mannesantlitz über
sich gebeugt, das von blauschwarzem
Haar und Bart dicht umrahmt war,
und aus d«m zw«i dunkle, abgrund
tiefe Augensterne ihr entgegenleuchte
ten. Das war nur ein Moment, ihr«
Lider schlössen sich sofort wieder, aber
di« stltfamen schwarzen Augen, in de
nen Gluth und Weichheit sich zu mi
schen schienen, folgten ihr auch in die
Nacht ihres bewußtlosen Dahindäm
m«rns. Ein Gefühl der Ruht, des Ge
borgenfeins und einer geheimen Selig
keit überkam sie, und trotz ihrer
Schm«rz«n flog «in leichtes Lächeln
Üb«r ihre Züg«.
Als st« zum zweiten Mal erwachte,
fand si« sich auf weichem Pfühle aus
gestreckt' kostbar« T«ppich« waren über
sie gebreitet. Der. Raum, in d«m sie
sich erblickt«, machte di« Märchenpracht
aus Tausend und «in« Nacht lebendig.
Indisch gekleidet« Frauen machten sich
im Saal« und um die Kranke zu schaf
fen. Si« schien aus ihrem Traum «r->
wacht zu sein, um «in«n vitl glänzen
deren Traun, zu «rl«b«n.
Drüb«n an der Wand stand di« Ge
stalt ein«s hochgewachsenen, schlanken
Mannes, di« Arm« verschränkt auf der
Brust. Kitty «rkannt« d«n Kopf wi«-
der, mit dem sich so lange ihre ver
schwiegenen Träum« beschäftigt hatten.
Es ging wie ein magischer Bann von
di«sen Augen aus, wie die Sterne auS
unergründlichen Welträumen ausleuch
teten. Sie konnte ihre Blicke nicht
loslösen von diesem Gesicht mit seiner
Befehlen nachkam.
Kaum hatten die Frauen das Gt»
mach verlass«n, als «r di« Arm« aus
ihrer Verschränkung fallen ließ, mit
hastigen Schritten auf das Lager
Kitty'« zuschritt und mit einem Knie
den teppichbelegten Boden berührte.
Eine lange, beängstigende Still« trat
etn. Endlich brach Miß Evans das
Schweigen.
„Ihr hobt mir das Leben gerettet,
Fürst. Ich danie Euch. Wo si.'d
meine Gefährten?" sagt« sie.
«Eure Gefährten, Miß?" antwoc.et:
der Inder, .hätten bessere Schützen
sein müssen, um Euer Leben und ihr
„Ich dank« Euch, Fürst! Ich werde
Euch immer danken!" sagte sie und
reichte ihm mit leisem Lächeln ihre
schmale weiß« Hand. Der Rajah hielt
sie umschlossen; seine brennenden Blicke
len, als er mit verschleierter Stimme
entgegnete: „Danlt mir nicht, Miß!
Ich tl>at's für mich! Nicht nach Eurer
Dankbarkeit verlangt's mich..
während «ine leichte Roth« über sein
feines g«bräunt«s Gesicht flog. Dann
beugte er sein Antlitz hastig nieder und
drückte «inen Kuß auf di« kleine Hand,
lender Strom durch ihr« Nerven. Die
Hand zitterte. Ihr Augen richteten
sich groß, fast erschrocken, auf d«n
kommen schienen, sie mit einem magi
schen Netz umspannten. Kitty schloß
einen Moment die Augen: denn sie
„Die Welt steht Euch offen, Miß,"
sagte er. „Was Ihr auch wünschet
es soll geschehen! Nichts sei mein, was
nicht auch Euer ist, wein Schloß, meine
hat, mir dafür «inen anderen Wunsch
gestatten wolltet... verlaßt dies«
Mau«rn und di«s« Gärten so bald
laßt mein Herz hoffen. Miß! Ihr sollt
Ihr jetzt weilt! Eine hohe Göttin ist
Empfindungen zurücklassend.
Kitty blieb. Diese neuen Verhält
nisse hatt«n s!« wi« ein schwüler, wun
ch«lte ihren Sinnen; d»r Troß von
friedigte ihre Eitelkeit; das Bewußt-
den Besitzer all' dieses Reich-
Am Tage vor der Hochzeit war Kitty
kein Wort von Liebe! Wi« vom Blitz-
Botxn.
Man stürzt« zitternd in das Schlaf
zimmer Kitty's. Am Boden lag ohn
mächtig die Zofe; auf dem Bett aus
gestreckt, kalt und starr, mit inarmor
nxißen Geivande von wunderbarer,
märchenhafter Pracht, halb Brautkleid,
halbTodtenhemd, mit blutrothen Edel
sinn«» um Arm und Busen seltsam
besetzt. Nichts deutete darauf hin. wo
durch sie den Tod gefunden. Eine ganz
leichte braune Linie um den Hals gab
den einzigen Anhalt. Um den linken
Arm befand sich «in br«it«r kunstvoller
Boldreif, flimmernd von Edelsteinen.
Grabe Kitty's hingestreckt, die Pistol«
Die Breolin.
der staubigen Straße vor Uebermü
dung. Gott sei Dank, daß d:e Depe
schen abgegeben waren. Endlich Rube,
Kühle. Bald wird das Sternenban
ner über der schönen Stadt wehen; die
stellt. O, diese unerträgliche Gluth'
tier?"
„Na, dann linls ab."
Der Huf meines Pferdes schlug den
Kiesweg, der bis zum Hause führte.
eine Todtenstille. Ich ritt bis zur
Treppe lein Mensch ließ sich scheu.
Ich sprang vom Pferde; mein Säbel
trat. Da erscholl aus dem Hause ein
langer, klagender Ruf. Ich hielt einen
Augenblick erschreckt inne, dann ösfi'tte
ich mit festen. Griffe die Thüre »nd
trat in den liihlen Flur. Geräuschlos
hochgewachsener Mann mit schwarzem
Bart und brennenden Augen trat her
„Sie gestatten Sennor, mein Name ist
Hartmann, Adjutant des Oberst
Campbell. Ich werde die Kranle nicht
Das gelbe Gesicht des Spaniers ver
zerrte sich. Da erscholl von neuem der
durchdringende, klagende Ruf. Die
Thür öffnete sich abermals, und ein
„Ich bin Arzt. Drinnen liegt «ine
Kranle in Fiebcrphantasien auf Tod
len."
Ich war auf's höchste erstaunt. Der
Spanier faßte den Arzt an der
Schulter.
„Aber ich bitte Sie, Sennor."
Der Arzt führte ihn fort und redete
>hm eifrig und erfolgreich zu, wie es
schien.
Ich stand unterdessen auf dem liihlen
Flur; der Schweiß lief an meinem
Körper herunter. Drei Nächte hatte ich
nicht mehr geschlafen, feit gestern nichts
gegessen, meine Geduld riß. Ich stieß
den Säbel auf die Fliesen, näherte mich
den Herren und wollte um eine Ertlä
dritten Male der Ruf erscholl, wilder
als vordem, der Schrei einer Wahnsin
nigen. Der Arzt eilte auf mich zu und
ergriff meinen Arm.
„Bitte, seien Sie menschlich, retten
Sie ein Leben."
groß und prachtvoll ausgestattet war.
Ueberall standen Kühlgefäße und an
der Wand ein Bett, auf dem ein Weib
ruhte. Als ich eintrat, wandte sie sich
um, und durch ihre prachtvollen Au
gensterne glitt ein seliges Leuchten.
Sie warf ihr schweres, schwarzes Haar
zurück und streckte mir ihre Hand ent
gegen. Es war llar, sie verwechselte
mich im Fieber mit einem Anderen.
Mann."
Jetzt wußte ich es. Sie verwechselte
mich mit einem Geliebten, einem spani
schen Officier. Die Uniform, das Raf
feln des Säbels, das Klirren der Spo
ren täuschten ihre fieberhaft erregten
Sinne. Ich fühlte mich höchst unbe
haglich in der Rolle. Auge suchte
das Antlitz des Mannes, der an der^e-
Zügen ließen mich erbeben. Ich wollte
bleib, Juan, bleib, ich sterbe."
Ich setzte mich nieder. „Du hast
wohl Hunger von dem langen Ritte,
Man brachte Früchte, Speisen und
Wein. Ich aß ohne Appetit. Die Uni
form Nebte nur am Körper und die
Köpfchen an meine Brust, lächelte mich
an und drehte schelmisch imine»
Schnurrbart.
„Weißt Du, Schlechter, als ich tiaS
letzte Mal bei Dir war! Wie die Sonne
so blutroth hinter den Bergen unter
ging, wie der Mond empor kam und
sein silbernes Licht über die Wellen
warf und dann —"
Ich bebte am ganzen Körper. Durfte
ich bleiben und das süße Geflüster an
hören? Ich blickte auf; der Arzt
wintte mir gebieterisch zu.
„Ach sieh, die kühlen, thaufrischen
Granatblüthen rieseln über meine
Schultern."
Ich zog die leichte Decke über ihre
Schultern. ergriff meine Hand
die arme Margerita nicht allein zu
lassen.
Ich saß den ganzen Abend, die lange
„Die Krisis ist überstanden," flü
sterte der Arzt.
schied nehmen wollte, wandte jnir der
Spanier wortlos den Rücken. Er schien
um zehn Jahre gealtert zu sein.
Worgen um zwölf.
Mit rasender Eile sauste der Schnel
lzug von Chicago nach New Jork. Aber
für die Ungeduld des jungen Mannes,
viel zu langsam.
Er war ein schöner, stattlich?!
Mensch; sein gebräuntes Gesicht, der
feste, entschlossene Zug um den Muno,
die grauen, von schwarzen Wimpern
und Brauen beschatteten Augen wären
jederzeit aufgefallen. Jetzt aber, den
großen, silbergestickten Sombrero auf
dem Kopf und verzweifelte Ungeduld
in allen Zügen, fesselte er doppelt die
Neugier der Mitfahrenden.
„Der Kerl muß einen Mord auf dem
Gewissen haben", sagte ein HandiungZ
reisender aus Omaha zu dem Eisen
bahnangestellten aus Buffalo.
„Oder er ist auf der Fahrt zu fei
nem Schatz", erwiderte dieser und hatte
damit den Nagel auf den Kopf getrof
fen. Tom Weir, Ansiedler im Thale
des Flusses der verlorenen Seelen in
Colorado, war auf dem Wege nach
New Uorl, auf dem Wege zu sein.r
Braut.
Wie er sich jetzt die Masse rothgolde
keinen Hände, sie erwiderte feine lei
denschaftlichen Küsse, sie drückte sich seit
in feine Arme und verlobte sich mit
ihm.
Jetzt sollte er sie endlich wiederse
' s t
sie mit umflorten Blicken und stocken
der Stimme gebeten?atte, ihn nicht zu
vergessen.
Er empfing öfters Briefe von ihr,
liebe, herzliche, zärtliche Zeilen, die er
lüßte, über die er weinte, und die er
Nachts unter fein Kopfkissen legte. Und
sie hatte ihr Wort gehalten. Sie hatte
ihn nicht vergessen sie, die Einzige,
Herrliche. Gab es denn in Gottes wei
ter Welt einen glücklicheren Menschen
als ihn? Wann endlich würde dieser
entsetzlich langweilige Zug in New Jork
eintreffen?
Nur ein kleines, unbedeutendes Et
was mischte sich in seine Seligkeit
?Jch bin des Unterrichtens müde",
hatte sie geschrieben, „das Leben einer
Lehrerin ist so begrenzt, so stumpfsin
nig, deshalb habe ich mich der Kunst
gewidmet."
Das war alles.
Kunst Kunst? Kunst ist doch
harmlos genug. Aber seltsam, er halte
sie nie zeichnen oder malen sehen, er er
innerte sich sögar, daß sie, als er ihr die
Schönheiten seiner westlichen Berge
voller Begeisterung zeigte, verstohlen
dabei gegähnt hatte.
Sein Entschluß war gefaßt, er woll
te nach New Jork, er wollte sie sehen
und sie anflehen, ihren Beruf aufzuge- !
ben und endlich die Seine zu werden.
Er konnte ihr ein behagliches Heim
bieten, und wenn sie sich auch nianch
— war er nicht da mit seiner schü-
ebensogut wie in New Bilder
malen. I
Donnernd fuhr der Zug in dießahn»
Hofshalle ein, und Tom Mir sprang
wie elektrisirt empor.
Die Adresse des Breeses, den er über
dem Herzen trug, führte ihn tief in die
Stadt hinein. Als er sich endlich durch
gcfundeii hatte und Ilingelte, öffnete
ihm ein leck aussehendes Kammerzöf
chen, Mißtrauisch sah es ven großen,
breitschultrigen Fremden, seine Klei
dung, seinen Sombrero an.
„Ist Fräulein Cameron zu Hause?"
„Nein", erwiderte sie gedehnt, »sie
fährt im Pari spazieren."
„Kann ich sie heute Abend sprechen?"
„Nein, selbstverständlich nicht", ent
gegnete sie verwundert, „des Abends ist
denn eigentlich?" Es
wurde ihm abwechselnd heiß und
«alt.
„Vielleicht morgen um zwölf", sagte
sie schnippisch, „vor zwölf steht sie je
doch nie auf", und mit einem Ruck warf
sie die Thüre ins Schloß.
Verletzt, zornig, argwöhnisch wandte
er sich weg. Was, zum Henker, sollte
das heißen? Kunst, ein Wagen, im Ue
berfluß leben, nie vor 12 Uhr aufste
hen? Er hielt plötzlich im Gehen inne
und schalt sich selbst einen Narren, ei
nen gemeinen, verächtlichen Hund, daß
Als er sein Hotel betrat, rannte er
ben sich zusammen an die Bar. Tom
freute sich des Landsmanns von Her
zen um die Wahrheit zu gestehen,
fühlte er sich einsam und hatte Heim
weh. j
„Kopf hoch, Junge", lachte der An
dere, „geh ins Theater und amusir«
Dich. Zeig mal den Vergniigungsan
zeiger her. Geh ins Gotham, große
Menschenausstellung dort. Haben die
'ne junge Schönheit aufgefischt, über
die ganz New Uork verrückt geworden
ist! Sie zeigt sich nur für ein paar
Minuten, aber sie hinterläßt einen
Eindruck, einen Eindruck! Na, ich sage
Dir, das Wasser läufi einem im Mund
Dich ab. Gute Nacht, hab' große Eile."
Und fort war er, noch ehe Tom ihm
nachrufen tonnte, d"ß er morgen um
zwölf Uhr nicht frei sei.
Das Theater war dicht besetzt. Auf
der Bühne drängte sich eine Menge
hübscher Mädchen, alle mit dem gleichen
stereotypen Lächeln und den gleichen
einschmeichelnden Blicken. Musik und
Gespräch, Tanz und Gslächter gab es
Doch Tom langweilte sich. Vielleicht
war sein gewohntes einsames Leben
daran schuld, vielleicht fühlte sich daS
Herz, das die Frauen so hoch verehrte,
angeekelt von der gemeinen Schaustel
lung, die sich ihm hier darbot. Wie
konnten nur die anständigen Damen
um ihn herum Gefallen an so etwas
finden!
Zeitweise entschwanden die Vor
gänge um ihn her seinenßlicken, „Mor
gen um zwölf", tönte es ihm ins Ohr.
Er hörte es durch die Melodie des
Orchesters, aus dem Refrain des Lie
des heraus, die Geigen athmeten und
flüsterten und seufzten es immer wie
der und wieder: „Morgen um zwölf
morgen um zwölf."
Jetzt wurde die Bühne verdunkelt.
Zwei Herren hinter ihm unterhielten
sich flüsternd über das schöne Geschöpf,
das sich als Statue zeigen werde. Tom
beugte sich vor.
Der Vorhang theilte sich. Auf einem
Sockel stand ein Weib; ihr rothgolde
nes Haar siel in schweren, lockigen
Massen aus die weißen Schultern nie
der. Wie Marmor hob sich die pracht
volle Gestalt gegen den dunklen Hinter
grund ab.
Dort stand sie unter dem vollen
Schein des Calciumlichtes den Kopf
zurückgeworfen, die Augen halb ge
schlossen. all die süßen Reize, von venen
er kaum zu träumen gewagt hatte, den
verschlingenden Blicken der Menge
schamlos preisgebend.
Der Freund aus Denver klopfte an
Toms Thüre und rüttelte und schüttel
te daran. „Mach auf, Weir öffne doch,
ich bin's Darling aus Denver. Steh
auf, Faulpelz, ich will Dich zum Lun
cheon abholen."
Keine Antwort.
„Mach auf, Weir," schrie er noch
einmal und verschaffte sich mit einem
Faustschlag Eingang.
Aber der stille Schläfer, der ausge
streckt auf dem Bette lag, rührte sich
nicht. Langsam, in schweren Tropfen
rieselte das Blut aus der rechten
Schläfe herab, in die der junge Mann
mit sicherer Hand die tödtliche Kugel
gesandt hatte.
Jetzt war ihm wohl, jetzt war es
„morgen um zwölf".
Kasernenhosblüthen.
Unterofficier (sich einen recht unge
schickten Rekruten betrachtend): „Und
aus solchem Menschen soll man nun ei
nen Helden machen!"
ein Dickhäuter, der mit einer dünnen
Haut zur Welt gekommen!"
„Himmel. Kerls, wenn euch die Göt-
Kerl Unterofficier gemacht!
(Beim Stiefelappell.) Sergeant:
„Kerl, Ihnen fehlt ja eine Stiefelstrip
fel siegen?!"
.Einjähriger, schauen Sie nicht im
mer so stolz drein, als ob Ihre Vorfah
ren schon in der Arche Noah die Bel
fchon Eoncurs gemacht, als Sie noch
garnicht auf der Welt waren!"